bilic – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Thu, 14 Jun 2012 21:21:52 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 System-Wechsel von Bilić lähmt Italien, Spaniens Dominanz die Iren https://ballverliebt.eu/2012/06/14/system-umstellung-von-bilic-lahmt-italien-und-prandelli/ https://ballverliebt.eu/2012/06/14/system-umstellung-von-bilic-lahmt-italien-und-prandelli/#comments Thu, 14 Jun 2012 18:41:36 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7498 System-Wechsel von Bilić lähmt Italien, Spaniens Dominanz die Iren weiterlesen ]]> Eine Halbzeit lang hatte Italien das Spiel im Griff, marschierte ungehindert durch das Zentrum. Dann stellten die Kroaten ihr System um, nahmen dem Gegner damit seine größte Stärke, und holten sich den Punkt, den sie sich mindestens verdient haben. Keine Frage: Die Spiele der Gruppe C machen bislang den meisten Spaß – sogar den irischen Fans. Die zeigten sich, anders als ihre Mannschaft, beim 0:4 gegen Spanien absolut EM-tauglich.

Italien - Kroatien 1:1 (1:0)

Da schau her: Ein italienischer Trainer lässt sich von einer simplen System-Umstellung ausmanövrieren. Wurden die Italiener nach dem 1:1 gegen Spanien noch (vollkommen zu Recht) für ihren Mut beklatscht, mal ein anderes System zu spielen und den weitgehend flügellosen Gegner mit einer Dreierkette zu entnerven, darf man diesmal auf die Azzurri und ihren Teamchef draufhauen. Und auch das zu Recht. Dabei hatte es so gut begonnen.

Italien mit Platz in der Mitte

Mit den drei Mann im zentralen Mittelfeld hatte Italien in diesem Bereich einen riesigen Vorteil gegenüber den Kroaten. Dieser wurde noch dadurch verstärkt, dass Vukojevic oft nicht ausreichend aufrückte, wenn die Kroaten im Ballbesitz und im Vorwärtsgang waren. Pirlo hatte immer wieder viele Anspielstationen, weil sich vorne Balotelli und Cassano, aber auch Thiago Motta und Marchisio immer wieder gut in diese freien Räume hinein bewegten.

Mit geschickten Pässen nach schnellem Umschalten wurden immer wieder Italiener in diesen Raum geschickt, weil auch niemand auf Pirlo den nötigen Druck ausübte. Und hinten hatte die Dreierkette gegen Jelavić und Mandžukić immer ein personelles Übergewicht – also auch, wenn Flanken in Richtung der beiden segelten, hatte die italienische Abwehr die zwei kroatischen Stürmer im Griff.

Haupt-Profiteure waren bei den Italienern Cassano und Balotelli. Beide bewegten sich ganz gut, versuchten ihre Tempo- und Technik-Vorteile gegen Corluka und Schildenfeld auszuspielen. So kam vor allem Balotelli einige Male gut in Schussposition, aber im Abschluss machte er eine eher unglückliche Figur: Entweder schoss er zu überhastet, oder nicht schnell genug, oder auch einfach nur knapp daneben.

Kroatien versucht’s über Giaccherini

Die Kroatien versuchten, über ihre rechte Angriffsseite dagegen zu halten. Was hieß, dass sie den international unerfahrenen Emanuele Giaccherini anbohrten. Sie machten das, indem Rechtsverteidiger Darijo Srna, wie gewohnt, extrem offensiv agierte, dazu Rakitić mithalf und auch noch Modrić sich zunehmend auf diese Seite driften ließ. Giaccherini war völlig überfordert, stand oft viel zu hoch, und ließ den Kroaten in seinem Rücken Platz.

Das ist der Nachteil, wenn man mit Wing-Backs spielt: Gelingt es dem Gegner, die Flanken zu überladen, sieht man sich schnell 1-gegen-2-Situationen gegenüber, hier sogar zuweilien 1-gegen-3-Situationen. Die Kroaten machten zwar zu wenig aus dieser italienischen Schwäche, aber sie wurde erkannt und konsequent angegangen. Ganz anders war die Lage im Übrigen auf der anderen Seite: Der routinierte Maggio konnte zwar offensiv gegen Perišić und Strinić auch nicht viel ausrichten, aber er ließ sich wenigstens nicht permanent aus der Position ziehen und über seine Seite brannte nicht viel an.

Bilić wechselt nicht, stellt aber um

Während also die Kroaten über die Flügel den besseren Eindruck machten, hatte Italien das Zentrum felsenfest im Griff und ging dank Pirlos schickem Freistoß mit einer 1:0-Führung in die Pause. Dort reagierte der kroatische Teamchef Slaven Bilić und stellte um – ohne personellen Wechsel, sondern mit den Spielern, die er auf dem Feld hatte.

Die personelle Unterlegenheit im Zentrum und den komplett fehlenden Druck auf Pirlo versuchte er zu korrigieren, indem er von seinem 4-1-3-2 auf ein 4-2-3-1 umstellte. Rakitić ging von der halbrechten, offensiven Position ins Zentrum neben Vukojević und gab dort den Achter, dafür rückte Mandžukić auf die rechte Außenbahn. Damit hatte Bilić fast alle Probleme behoben.

Schlüsselfigur Rakitić

2. Halbzeit

Die Schlüsselfigur dabei war Ivan Rakitić. Der Mann von Sevilla sorgte nämlich nun nicht nur dafür, dass das italienische Mittelfeld von den Stürmern abgeschnitten war und damit die Blauen nicht mehr annähernd den Platz im Zentrum hatten, den sie vorher genossen haben. Nein, zudem presste Rakitić auch noch Pirlo an, womit auch die intelligenten Pässe wegfielen.

Bei all dem wurde aber nicht die Dominanz auf den Flügeln aufgegeben. Im Gegenteil: Weil hinten nun mit den zwei Innenverteidigern und mit Vukojević genug Kroaten waren, um Cassano und Balotelli halbwegs im Griff zu halten (was noch leichter wurde, weil diese keine Pässe mehr bekamen), konnten Srna und Strinić noch gefahrloser nach vorne marschieren und die Flügelstürmer Mandžukić und Perišić unterstützen.

Die ausbleibende italienische Reaktion…

Einzig in der Spitze hatten die Kroaten nun einen Nachteil, weil Jelavić nun de facto alleine gegen die Dreierkette stand. Die Folge von all dem: Kroatien bekam das Spiel komplett in den Griff, ließ Italien überhaupt nicht mehr zur Entfaltung kommen, dominierte das Mittelfeld, kam aber kaum zu Torchancen. Dennoch versuchte es Kroatien konsequent weiter mit dem Überladen der Flanken gegen die italienischen Wing-Backs, was auch deshalb so problemlos möglich war, weil Prandelli nicht reagierte.

Anstatt den überflüssigen dritten Mann aus der Abwehr zu nehmen und die Flügel zu stärken, ersetzte er lediglich den angeschlagenen Motta durch Montolivo, allerdings positionsgetreu – was ganau gar nichts dazu beitrug, das Mittelfeld wieder in den Griff zu bekommen. Bilić allerdings brachte Pranjić statt Perišić, um einen frischen Spieler gegen Maggio zu bekommen.

…ermöglicht den kroatischen Ausgleich

Was wirkte: In der 72. Minute wusste Maggio einmal mehr nicht, ob er dem durchstartenden Pranjić nachgehen oder den ballführenden Strinić angehen sollte. So konnte Strinić flanken, in der Mitte verschätzte sich Chiellini (was selten war), und Mandžukić netzte zum hochverdienten 1:1 ein.

Die Kroaten hatten nun Lunte gerochen. Mit Eduardo kam statt dem müde gelaufenen Jelavić ein neuer Mittelstürmer, und weil die Kroaten nun (zu recht) merkten, dass sie die Italiener am Schopf hatten, gingen sie weiter Vollgas – während Prandelli wieder nur seine zwei Stürmer auswechselte, aber sonst nichts tat, um die durch die System-Umstellung von Bilić entstandene kroatische Überlegenheit zu brechen. Viel mehr als das Remis über die Zeit zu zittern, brachten die Italiener nicht mehr zu Stande.

Fazit: Verdienter Punkt – mindestens

Das Spiel endete zwar 1:1, aber der klare Sieger der Begegnung heißt eindeutig Slaven Bilić. Er erkannte die Problemzonen, behob sie mit einer simplen System-Umstellung, und bekam das Spiel so komplett in den Griff. So ist es durchaus enttäuschend, dass Cesare Prandelli überhaupt nichts tat, um seine Mannschaft wieder hinein zu bringen. Als italienischer Coach ja eigentlich prädestiniert dafür, taktische Finessen aus dem Hut zu zaubern, und im Vorfeld des Turniers agierte auch kein Team mit so vielen verschiedenen System-Varianten wie Italien.

Natürlich: Kroatien ist noch lange nicht im Viertelfinale und die Italiener sind noch längst nicht aus dem Rennen, weil die Kroaten eben noch gegen Spanien ran müssen. Aber selbst, wenn Kroatien noch ausscheiden sollte, haben sie mit diesem Spiel alleine bereits bewiesen, dass sie ein würdiger Viertelfinalist wären. Und dass sich Lok Moskau auf einen guten Trainer freuen darf.

Das zweite Spiel des Tages kann man recht schnell abhandeln, weil die Erkenntnisse daraus gleich Null sind. Bei den Spaniern spielte gegen Irland Fernando Torres statt Cesc Fàbregas. Damit hatte der Weltmeister einen echten Stürmer im Zentrum, der die Innenverteidiger permanent beschäftigte, während vor allem David Silva die entstehenden Räume zu nützen versuchte.

Spanien - Irland 4:0 (1:0)

Vielleicht hätten die Iren Spanien wirklich nerven können, wenn nich schon nach vier Minuten Torres eine Schlafmützigkeit von Dunne zum 1:0 nützte. Damit war das Spiel im Grunde entschieden, 86 Minuten bevor es abgepfiffen wurde. Denn natürlich machten die Iren nicht auf, sondern versuchten weiterhin nur, das Ausmaß der sportlichen Katastrophe in Grenzen zu halten.

Mit zwei extrem tief stehenden Viererketten wurden die Räume eng gemacht und die Spanier spielten in gewohnter Manier, wie eine Handball-Mannschaft, drumherum und suchten nach der Lücke. Es ging von Beginn an nur um die Höhe des spanischen Sieges.

Mit dem 2:0, bei dem sich Silva zu Beginn der zweiten Hälfte gegen gleich drei irische Gegenspieler durchsetzte, war der Deckel endgültig drauf. Bis dahin holzten die Iren den Ball bei eigenen Angriffsversuchen nur nach vorne, oder, noch häufiger, spielten ihn sich in den Viererketten zweimal hin und her, eher man dem spanischen Pressing erlegen war.

Nach einer Stunde machten sie hinten etwas auf, um vielleicht doch noch zumindest das Ehrentor zu erzielen, was prompt bestraft wurde – ein simpler Pass in den Lauf von Torres hinter die Abwehr, und schon stand es 3:0. Del Bosque nützte die Gelegenheit des längst gewonnen Trainingsspielchens und gewährte Fàbregas, Javi Martínez und Santi Cazorla noch etwas Einsatzzeit – aber die Iren wussten nur durch ihren stimmgewaltigen und trotz des Debakels gut gelaunten Anhang zu begeistern.

Fazit: Klassenunterschied

Wie nicht anders zu erwarten war, gestaltete sich das Spiel dem riesiegen Klassenunterschied entsprechend. Irland hatte nie den Funken einer Chance und wusste das auch.

(phe)

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Dreierkette gegen Falsche Neun: Italien taktischer Punktsieger über Spanien https://ballverliebt.eu/2012/06/11/dreierkette-gegen-falsche-neun-italien-taktischer-punktsieger-uber-spanien/ https://ballverliebt.eu/2012/06/11/dreierkette-gegen-falsche-neun-italien-taktischer-punktsieger-uber-spanien/#comments Mon, 11 Jun 2012 01:17:07 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7442 Dreierkette gegen Falsche Neun: Italien taktischer Punktsieger über Spanien weiterlesen ]]> Endlich mal etwas Abwechslung im Einheitsbrei der Systeme: Spanien und Italien lieferten sich ein hochinteressantes Spiel. Die Spanier kamen ohne echten Stürmer, die Italiener hielten mit einer Dreierkette dagegen – und trugen beim 1:1 wohl den taktischen Punktsieg davon. Beide Teams müssen aber als eine Klasse stärker als die zwei Gruppengegner gelten. Der Qualitäts-Unterschied zum 3:1 der Kroaten gegen Irland war enorm.

Spanien - Italien 1:1 (0:0)

Hinten einen Viererkette, vorne ein Stoßstürmer, ein Drei-Mann-Zentrum im Mittelfeld – bei den meisten Teams bei dieser Europameisterschaft unterscheiden sich die Systeme kaum. Da war dieses Spiel zwischen den letzten beiden Weltmeistern ganz anders: Spanien spielte in einem Barça nachempfundenen 4-3-3 ohne Stoßstürmer, dafür mit Fàbregas als Falsche Neun; die Italiener hielten mit einem 3-5-2 dagegen, mit dem gelernten Sechser De Rossi als zentralen Mann in der Dreier-Abwehrkette.

Und vor allem: Mit Wing-Backs. Maggio und Giaccherini waren für das Gelingen der italienischen Taktik von ganz eminenter Bedeutung. Weil Silva und Iniesta, die Fàbregas flankierten, keine Flügelspieler sind, die die Linie halten und ohne einen körperlich robusten Spieler in der Offensive, der Flanken verwerten könnte, war es vollkommen klar, dass das Vorwärtsspiel der Spanier nur durch das Zentrum kommen konnte und die Außenvertedigier Alba und Arbeloa hauptsächlich dafür zuständig sind, die gegnerische Abwehrkette auseinander zu ziehen, um für die techisch guten Kollegen in der Mitte Räume zu schaffen.

Das klappte allerdings überhaupt nicht, was am exzellenten Positionsspiel von Maggio und Giaccherini lag. Hatte Spanien den Ball, zogen sie sich recht weit zurück, wodurch eine Fünferkette entstand – die kann man kaum auseinander ziehen. Im Ballbesitz aber preschten die beiden extrem nach vorne, was ihre Gegenspieler zwang, selbst weit zurück zu weichen.

Das System Juventus

Juve beim 1:1 bei Milan am 25. Februar

Zwar war es auf den Flügeln jeweils 1-gegen-1, aber wegen des zusätzlichen Spielers in der Abwehr konnten die Italienischen Außenspieler wesentlich gefahrloser Aufrücken. So war dem spanischen Spiel die Breite genommen und im Zentrum lief es sich auf zwei 3-gegen-3 Duelle hinaus – die Mittelfeld-Reihen gegeneinander und die drei vorderen Spanier gegen die italienische Dreierkette.

Die Italiener hatten den zusätzlichen Vorteil, dass sie nicht in ein völlig ungewohntes System gepresst wurden. Zwar wurde das im Nationalteam noch nicht praktiziert. Aber erstens hat sich Prandelli diese Möglichkeit immer offen gehalten, und zweitens spiele fünf Feldspieler (Bonucci, Chiellini, Pirlo, Giaccherini und Marchisio) dieses 3-5-2 bei Juventus, dazu ist Maggio im 3-4-2-1 von Napoli ebenso die Rolle als rechter Wing-Back gewohnt.

Spanisches Pressing greift nicht

Zusätzlich gingen die Italiener die Spanier recht früh an und störten damit zusätzlich das geplante iberische Kurzpass-Spiel. Die einzige Möglichkeit, zum Torabschluss zu kommen, waren Vorstöße von David Silva, aber da die Italiener hinten immer in Überzahl waren, fischten sie auch dem Mann von Man City die Bälle immer wieder vom Fuß.

Das geschickte Positionsspiel der italienischen Wing-Backs störte zu allem Überfluss auch noch das spanische Pressing. Weil sich Maggio und Giaccherini gegen den Ball recht weit hinten positionierten, mussten die spanischen Außenverteidiger recht weit nach vorne kommen – schließlich waren sonst die italienischen Außenspieler immer frei und das spanische Pressing im Zentrum wäre sinnlos. Wenn sie allerdings aufrückten, ließen sie hinter sich viel Raum für Balotelli und Cassano, den die beiden ungemein schnellen und trickreichen Stürmer gut ausnützen konnten.

Was natürlich auch für den für Balotelli eingewechselten Antonio di Natale gilt, der nach einer Stunde richtig startete und einen von Pirlo kommenden Pass in seinen Lauf zum 1:0 verwertete; vier Minuten später ließ sich De Rossi einmal kurz aus der Position ziehen und hinter im Fàbregas entwischen, was das 1:1 bedeutete.

Adjustierungen von Del Bosque

Nach den beiden Toren stellte der spanische Teamchef Del Bosque etwas um. Statt dem sehr zentral agierenden Silva kam nun Jesús Navas in die Partie, der, wie er das auch bei Sevilla macht, recht konsequent die Linie hielt. Logische Folge: Giaccherini wurde nun hinten mehr gebunden und Chiellini rückte immer wieder etwas raus, wodurch nun tatsächlich etwas Platz in der italienischen Abwehr entstand. Diesen wollte Del Bosque ausnützen, in dem er in der Folge Fàbregas rausnahm und mit Torres einen echten, gelernten Stürmer brachte.

Die immer mehr steigende Müdigkeit bei den Italienern wurde in der letzten Viertelstunde recht offensichtlich, zeigte sich aber mehr im unpräzise werdenden Aufbau- und Konterspiel, weniger in der Abwehr. De Rossi zeigte gute Übersicht und konnte den Ball mit gutem Auge an den Mitspieler bringen, und drosch die Kugel nicht blind nach vorne. Torres hatte zwar sehr wohl noch zwei ausgezeichnete Chancen, aber einmal klärte Buffon überragend und einmal zog er zu überhastet ab.

Prandelli ging bis zum Ende nicht von seinem System ab. Warum auch, es funktionierte ja – er hatte am Ende nur ein anderes Sturmduo (Di Natale und Giovinco) auf dem Feld als zu Beginn, in der Nachspielzeit wechselte er noch einmal, um an der Uhr zu drehen. Italien war recht deutlich mit dem 1:1 zufrieden und auch die Spanier konnten nicht so schlecht damit leben. Die letzte Konsequenz fehlte gegen Schluss beiden Teams.

Fazit: Hochinteressante Partie, korrektes Remis

Diese Partie war taktisch mal etwas anderes als im bisherigen Turnier. Klar – es sind die einzigen beiden Mannschaften, die vom in Europa so gut wie einheitlichen System abweichen. Dreierketten und tief spielende Neuner ohne Stoßstürmer gibt’s bei den anderen Teilnehmern nicht.

Cesare Prandelli fand das richtige Rezept gegen den Welt- und Europameister, indem er mit seinen Wing-Backs die Flanken kontrollierte, die Spanier noch mehr in die Mitte zwang als diese das wollten und dort geschickt zumachte. Die Spanier hatten einige Probleme, weil sie erst nach den Wechseln eine Alternative zur gewohnten, diesmal aber nicht zielführenden Spielanlage hatten.

Das Remis geht voll in Ordnung, aber wenn man so will, darf man Cesare Prandelli durchaus als Punktsieger im Duell der Strategen bezeichnen.

So aufregend das Spiel der beiden Top-Teams der Gruppe war, so wenig gab das Aufeinandertreffen von Kroatien mit Irland her. Was in erster Linie an den Iren lag. Die Mischung aus dem beschränkten technischen Rüstzeug der Mannen von der grünen Insel, verbunden mit der grundsätzlichen Vorsicht eines Giovanni Trapattoni, ist nicht gerade anspruchsvoll. Einsatz, Kampf und Härte sind Trumpf. Spielerische Mittel, nun ja, nicht so sehr.

Kroatien - Irland 3:1 (2:1)

Die Marschrichtung ist simpel: Über die Mittelfeld-Außen im extrem altbackenen 4-4-2 (Duff und McGeady) nach vorne kommen, in den Strafraum flanken, und dort darauf bauen, dass sich Keane und Doyle durchsetzen. Die beiden Spieler im Mittefeld-Zentrum (Andrews und Whelan) sind reine Zerstörer und im Spielaufbau unbrauchbar. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, Modrić so gut es geht aus dem Spiel zu nehmen.

Kroatiens 4-4-2

Auch der kroatische Teamchef Slaven Bilić baute auf ein 4-4-2, allerdings wurde dieses deutlich offensiver interpretiert. In der Zentrale war Vukojević der einzige Sechser, er sicherte für Luka Modrić ab. Die Mittelfeld-Außen (Perišić und vor allem Rakitić) rückten ein, um den sehr fleißigen Außenvertedigiern das Aufrücken zu ermöglichen.

So spielte Rakitić fast einen zweiten Spielmacher neben Modrić, während Srna neben ihm praktisch die Linie auf- und abwetzte. Das schränkte Duff und McGeady ziemlich ein. Doch trotz der Überlegenheit in eigentlich jedem Bereich auf dem Feld brauchte es zwei Standardsituationen, um zum Erfolg zu kommen – denn so sehr sich Jelavić und Mandžukić auch bemühten, gegen die kompromisslosen irischen Innenverteidiger kamen sie kaum zum Zug.

Kroaten kontrollieren das Spiel

Natürlich musste auch bei den Iren ein Freistoß herhalten, um den zwischenzeitlichen Ausgleich zu erzielen. Aber nach dem 1:3 kurz nach der Pause, dem zweiten Tor von Mandžukić, fühlten sich die Kroaten sicher genug, um den Druck etwas entweichen zu lassen. Er war einfach zu offensichtlich, dass die Iren nur eine einzige Strategie hatten und diese von den nicht nur variableren, sondern auch individuell klar besser besetzten Kroaten recht locker unter Kontrolle zu halten war.

Die größte Gefahr für das Team von Slaven Bilić bestand in einem klaren Elferfoul von Schildenfeld an Keane, das Referee Kuipers allerdings unverständlicherweise nicht ahndete. Selbst die Wechsel bedeuteten bei den Iren keine Veränderung: Long und Walters erstetzten Doyle und Keane auf deren Positionen, und Cox ging statt McGeady auf die linke Seite.

Fazit: Wohl beide nicht gut genug für’s Viertelfinale

Die Iren sind ein sympatisches Völkchen mit originellen Fans. Die auf Einsatz und Kampfkraft bauende Spielweise der Nationalmannschaft ist für Freunde des erdigen Fußballs genau das richtige. Nur: Taktisch gibt es kaum langweiligere Teams. Das System ist stockkonservativ, extrem ausrechenbar und ein seiner Simplizität enorm anspruchslos. Das ging sich in der Quali-Gruppe gegen die ambitionierten, aber international unerfahrenen Armenier aus und im Playoff gegen das andere Überraschungsteam aus Estland – aber gegen eine auch nicht gerade überragend aufspielende kroatische Mannschaft ist das nicht annähernd genug.

Die Mannschaft um Luka Modrić muss sich aber ebenso noch deutlich steigern, um gegen Italien und Spanien bestehen zu können. Der Auftritt gegen Irland war alles andere als beeindruckend, vor allem die Innenverteidigung mit Ćorluka und Schildenfeld ist nicht gerade internationale Spitzenklasse und dass Modrić Probleme hat, wenn ihm Gegenspieler mit vollem Körpereinsatz kommen, wurde in diesem Spiel schon deutlich.

Klar ist nach dem ersten Spieltag der Gruppe C: Wenn es nicht Spanien und Italien sind, die hier ins Viertelfinale einziehen, käme das einer kleinen Sensation gleich.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/#comments Wed, 30 May 2012 08:23:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7215 Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ weiterlesen ]]> Was bleibt für Österreich von der Heim-EM? Ein paar gute Sprüche von Josef Hickersberger („Haben nur unsere Stärken trainiert, darum war die Einheit nach 15 Minuten vorbei“). Zu spätes Aufwachen gegen Kroatien. Eine Lastwagenladung vergebener Großchancen gegen Polen. Und ein Endspiel gegen Deutschland, in dem Michael Ballacks Gewaltschuss das Ende besiegelte. Aber auch Formationen, in denen seither kein ÖFB-Team mehr gespielt hat – vor allem das 3-4-2-1 gegen Kroatien und das für dieses Spiel perfekt passende 3-4-3 gegen die Deutschen. In in dieser Gruppe auch so ihre Mühe hatten.

Österreich - Kroatien 0:1 (0:1)

Österreich-Kroatien 0:1 (0:1)

Ein Rempler von Aufhauser, ein Pfiff von Referee Vink – das Spiel war 2 Minuten und 42 Sekunden alt, als es die richtige Entscheidung auf Elfmeter gab. Luka Modrić verwandelte sicher.

Die Österreicher? In einer Schockstarre, und die ultra-defensive Aufstellung half dabei nicht weiter. Nominell schickte Hickersberger ein 3-4-2-1 auf’s Feld, mit nur drei offensiv denkenden Spielern, und die waren zunächst weitgehend vom Spiel abgeschnitten. Das lag auch an den Wings-Backs – was Standfest und vor allem Gercaiu an Pässen ins Nirwana schlugen oder gleich direkt zum Gegner, war ein Wahnsinn.

Hinzu kam, dass die Kroaten mit der Art und Weise, wie sie ihr 4-4-2 interpretierten, die Schwächen der Österreicher gut nützten. Kranjčar zug vom linken Flügel gerne in die Mitte, beschäftigte dort Aufhauser, während Pranjić auf dem Flügel blieb und Standfest dort hielt. Womit er Modrić half, die Zeit für seine intelligenten Pässe zu haben. Auf der anderen Seite hielt sich Ćorluka eher zurück und unterstützte Niko Kovač, dafür preschte Darijo Srna viel nach vorne und hatte gegen den überforderten Gercaliu keine Probleme.

Vorne bewegten sich Olić und Petrić viel und gut, kam gegen die Dreierkette eher von außen oder bewegten sich von innen nach außen, um einen Verteidiger rauszuziehen und in der Mitte Löcher zu schaffen. Eine halbe Stunde lang zogen die Kroaten Österreich am Nasenring durch’s Stadion. Die Lage entspannte sich für den Gastgeber erst, als sich die Kroaten etwas zurücknahmen.

Doch nicht nur dass Hickersberger nicht sofort auf die Unzulänglichkeiten reagiert hätte, nein, sogar zu Beginn der zweiten Halbzeit änderte er genau nichts. Der effektivste Weg nach vorne blieben 60m-Bälle von Pogatetz zu Harnik (die gab’s im Fünf-Minuten-Takt) und selbst, als er nach einer Stunde Vastic für Säumel brachte, bedeutete das keine offensive Umstellung. Weil Vastic genau jene Position im defensiven Mittelfeld einnahm, die zuvor Säumel inne gehabt hatte. Erst nach 70 Minuten drehte sich die Partie zu Gusten der Österreicher, als Ümit Korkmaz statt Gercaliu kam und Hickersberger auf ein 4-3-3 umstellte – mit Korkmaz links und Harnik rechts als Außenstürmer, Kienast als Stoßstürmer; dahinter Ivanschitz als Zehner, Vastic als Achter und Aufhauser als Sechser.

Vor allem die jugendliche Energie von Korkmaz und das Tempo von Harnik gegen den langsamen Šimunić nagelten die Kroaten hinten fest. Denen war bis dahin alles viel zu leicht gegangen und sie hatten sich selbst eingelullt. Auf die plötzliche Gefahr und den Sturmlauf der bis dahin komplett harmlosen Österreicher reagierten sie mit greifbarer Nervosität, billigen Fehlpässen und einem gehetzten Gesichtsausdruck.

Erst, als Bilić sieben Minuten vor dem Ende mit Vukojević (statt Olić) einen zweiten Sechser brachte und auf ein 4-2-3-1 ging, beruhigte sich die Lage, weil die Sechser nun außen helfen konnten und die Mitte durch Modrić immer noch abgedeckt war. Die Auftaktpartie der Österreicher ging also mit 0:1 verloren, und es blieb die Erkenntnis, dass es 70 Minuten zu lang gedauert hat, bis man sich endlich getraut hat, die Kroaten unter Druck zu setzen.

Deutschland - Polen 2:0 (1:0)

Deutschland – Polen 2:0 (1:0)

Die Polen sind so etwas wie Quali-Experten: Der Weg zu einem Großereignis wird recht souverän bestritten, aber beim Turnier selbst geht nicht viel. Das war 2002 der Gall, 2006 ebenfalls, und 2008 machte da auch keine Ausnahme.

Mit ihrem holländischen Teamchef Leo Beenhakker stellten sich die Polen in ihrem ersten Spiel den Deutschen in einem 4-2-3-1 entgegen, allerdings nicht ohne Flaws. Die Außenverteidiger Golański und Wasilewski machten sehr wenig nach vorne und der auf die Zehn gestellte Jacek Krzynówek ist eher ein Flügelspieler.

Immerhin: Gegen das Mittelfeld-Duo im deutschen 4-4-2, Ballack und Frings, gelang es gemeinsam mit den Sechsern Dudka und Lewandowski, das Zentrum zu kontrollieren und die Deutschen auf die Flügel zu zwingen. Dort spielten Podolski links (was zu diesem Zeitpunkt eine komplette Neuheit war) und Fritz ersetzte den nicht ganz fitten Schweinsteiger auf der rechten Außenbahn.

Die Deutschen kontrollierten den Ball, rieben sich aber im Zentrum auf und bekamen überhaupt keinen Zugriff auf den Mittelkreis. Die erste Aktion, in der es doch mal über die Mitte ging, verwertete Podolski zum 1:0 nach zwanzig Minuten. Das Problem mit dem Zentrum blieb aber bestehen. Die Polen wurden zwar (mit einer einzigen Ausnahme nach rund einer halben Stunde) überhaupt nicht gefährlich, aber das zugemachte Zentrum setzte den Deutschen zu – Vorwärts-Läufe von Metzelder sollten immer wieder Abhilfe schaffen, taten das aber nicht wirklich.

Für die zweite Hälfte stellte Beenhakker um, brachte Guerreiro für die Zehn, stellte Krzynówek auf dessen linke Seite und Smolarek ging für den ausgewechselten Żurawski in die Spitze. Mit dem gebürtigen Brasilianer kam merklich Schwung ins Offensiv-Spiel der Polen, auch weil Krzynówek gegen Fritz ganz gut agierte. Löw konterte wenige Minuten später, indem er Schweinsteiger für Fritz brachte – aber weniger für die rechte Seite, sondern eher in eine zentralere Rolle um die Unterzahl dort etwas auszugleichen. Das erforderte im Gegenzug von Lahm, dass er deutlich mehr nach vorne marschierte als zuvor.

Zudem kam mit Schweinsteiger mehr Kampfkraft ins deutsche Spiel und eine zusätzliche Option für Angriffe, die nicht nur über die Flanken gingen. Ehe es ein guter Einsatz des neuen Mannes war, der in der 70. Minute das 2:0 für Deutschland einleitete. Das sicherte den Arbeitssieg der deutschen Mannschaft, aber die Probleme wurden selbst gegen die harmlosen Polen schon angedeutet: Im 4-4-2 fehlt es an Optionen im Zentrum, auch weil Frings ein reiner Zerstörer ist und Ballack in der Gestaltung aus dem Zentrum auf sich alleine gestellt war.

Stand nach dem ersten Spieltag: Deutschland 3, Kroatien 3, Österreich 0, Polen 0.

Kroatien – Deutschland 2:1 (1:0)

Wenn das die biederen Polen schon zumindest kontrollieren können, nützen das die individuell deutlich besseren Kroaten natürlich gnadenlos aus. Bilić stellte Kranjčar als hängende Spitze hinter Olić. Dadurch, dass sich Kranjčar bei Bedarf ins Mittelfeld zurückziehen konnte, war dort ein 3-gegen-2 gegen Frings und Ballack.

Kroatien - Deutschland 2:1 (1:0)

Womit die Kroaten das Zentrum in der Hand hatten und durch die aktiven Außenspieler von den Deutschen nichts befürchte mussten. Vor allem Ćorluka und Srna hatten keinerlei Mühe, auf der anderen Seite ließen sich Lahm und Fritz von den sich sehr gut bewegenden Pranjić und Raikitić oft aus der Position ziehen – so entstand das 1:0 von Srna nach einer Flanke von Pranjić.

Doch nicht nur die deutschen Spieler lieferten eine schwache Performance ab, auch Joachim Löw trug dazu bei. Er brachte für die zweite Hälfte Odonkor statt Jansen, dafür ging Lahm nach links, Fritz nach hinten und Odonkor auf die rechte Mittelfeld-Seite. Ein Komplett-Flop – denn Odonkor konnte kaum Bälle halten. Konnte sein Tempo nicht ausspielen, weil er erstens zu hoch stand und zweitens nie steil geschickt wurde. Und drittens war Pranjić noch freier als zuvor.

Zudem wurde auch das fragwürdige Positionsspiel der Außenverteidiger im Rücken der offensiven Mittelfeld-Außen nicht besser, so fiel das 2:0 durch Olić nach einer Stunde, weil Rakitić unbedrängt flanken hatten dürfen. Löw stellte wiederum nur innerhalb des Systems um – Gomez raus, Podolski nach vorne, Schweinsteiger rein – und behob das Grundproblem nicht. Ballack rückte zwar auf, aber Frings war mit dem sehr mobilen und gerne auf der Tiefen kommenden Modrić etwas überfordert.

Zwar fiel zehn Minuten vor Schluss der Anschlusstreffer durch Podolski. Doch schoss sich Löw mit seiner dritten Umstellung endgültig ins Knie: Kuranyi kam (für Fritz), es wurde auf ein 4-3-3 mit drei klaren Stürmern umgestellt, und Odonkor musste auf die LV-Position. Dort war dieser aber dermaßen verunsichert, dass es da wieder vermehrt Gefahr gab – während die Kroaten hinten nun mit einer Fünferkette (Knežević war für Kranjčar gekommen) das 2:1 über die Zeit schaukelte. Und am Ende sogar einer mehr war, weil Schweinsteiger nach einer Tätlichkeit die rote Karte sah.

Eine verdiente Niederlage für Deutschland in einem der wenigen Spiele, dass Jogi Löw komplett vercoacht hat.

Österreich - Polen 1:1 (0:1)

Österreich – Polen 1:1 (0:1)

Nein, eine Offensiv-Taktik gegen Polen werde es nicht geben. Nein, Ümit Korkmaz wird nicht von Beginn an spielen. Ja, es wird wieder genauso ultra-vorsichtig angelegt wie gegen Kroatien. Pepi Hickersberger verscheißerte mit seinen Aussagen im Vorfeld der Partie nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Leo Beenhakker, denn der stellte Żewłakow auf die linke Abwehr-Seite, um dort auf Harnik aufzupassen, dafür mit Bąk und Jop zwei robuste, aber langsame Innenverteidiger gegen Linz.

Zudem trug er seiner Mannschaft auf, mit einer extrem hohen Verteidigungslinie zu spielen, um die Österreicher, wenn sie sich schon hinten einigelten, wenigsten mit Manpower zu überfahren. Was für ein grandioser Fehler das war! Hickersberger schickte ein seltsames Mittelding aus 4-3-3 und 4-2-4 auf’s Feld, in dem Linz und Harnik zentraler agierten, Ivanschitz tendenziell von der linken Seite kam. Und in dem die hohe Linie der Polen höchst offensichtlich bloßgestellt wurde – weil Jop fürchterlich spielte, Wasilewski mit Korkmaz nicht mitkam, Żewłakow keine Ahnung hatte, wen er decken sollte, und man daraus auch nicht lernte.

Zumindest nicht, ehe Harnik und Leitgeb diverse Male im Rücken der Abwehr alleine auf Boruc zugelaufen waren, es aber immer irgendwie geschaffte hatten, den Ball nicht im Tor unterzubringen. Und bis Roger Guerreiro, den Beenhakker diesmal auf die Zehn in seinem 4-2-3-1 stellte, völlig entgegen des Spielverlaufs zum 1:0 für Polen traf. Dabei stand er zwar meterweit im Abseits, aber das Tor zählte.

Die Polen reagierten auf den unverhoffte Führung gut: Zum einen zogen sie ihre Vertedigungslinie 30 bis 40 Meter zurück, zum anderen setzten sie den jeweils ballführenden Österreicher unter Druck, sodass das ÖFB-Team erst mal gar nicht dazu kam, sich schnell zu erholen und sofort zurück zu schlagen. Zudem stellte Beenhakker für die zweite Hälfte seine Viererkette um, nahm den inferioren Jop raus und brachte mit Golański einen gelernten Linksverteidiger. Somit stand auch die Abwehr besser, Korkmaz kam kaum mehr durch und die Fehlpässe im österreichischen Aufbau häuften sich.

Daran änderte sich auch nichts, als Vastic für Ivanschitz kam – der 39-Jährige war unsichtbar, schlug schreckliche Ecken, noch schrecklichere Freistöße und war eigentlich ein untragbarer Zustand – und auch nicht, obwohl mit Kienast (für Linz) ein Stürmer kam, der die Bälle besser halten konnte. Die Polen standen tief, machten die Räume eng; raubten den Österreichern so deren größter Stärke (dem Tempo) und förderten deren größte Schwäche (Spielgestaltung gegen einen defensiven Gegner) zu Tage. Die Maßnahme, Passgeber Säumel statt des Zerstörers Aufhauser zu bringen, war ein Schritt in die richtige Richtung, aber es brauchte einen Elfer in der Nachspielzeit, um doch noch zum Ausgleich zu kommen. Referee Webb ahndete ein Trikotvergehen von Bąk an Prödl, Vastic verwertete eiskalt. Die einzige gelungene Aktion des Oldies, aber sie rettete das 1:1 und damit die Chance auf das Viertelfinale.

Stand vor dem letzten Spieltag: Kroatien 6, Deutschland 3, Österreich 1, Polen 1.

Polen - Kroatien 0:1 (0:0)

Polen – Kroatien 0:1 (0:0)

Die Kroaten waren indes bereits fix Gruppensieger, weswegen Slaven Bilić gegen Polen die Reservisten ran ließ. Was aber nicht bedeutete, dass diese locker ließen. Im Gegenteil, vor allem Vukojević  und Porkivač im zentralen Mittelfeld machten komplett zu.

Beenhakker ließ mit Murawski einen zusätzlichen Mann für das offensive Mittelfeld ran, dahinter spielte der grimmige Lewandowski als alleiniger Sechser; Dudka ging in die Innenverteidigung. Was aber alles nichts daran änderte, dass das Spiel der Polen zu langsam und zu umständlich von Statten ging. Da Lewandowski keiner für die Spieleröffnung ist, standen Murawski und Guerreiro alleine gegen Vukojević  und Porkivač, da gab es kein Durchkommen.

Und weil mit Wasilewski und Wawrzyniak auch die Außenverteidiger nicht genug Dampf nach vorne machten um die Flügelspieler Łobodziński und Krzynówek zu unterstützen, hatte Kroatien keine groben Probleme. Im Gegenteil, vor allem Danijel Pranjić zeigte große Spielfreude, hinterlief Rakitić oft und legte auch das Siegtor von Rakitić kurz nach der Pause auf.

Beenhakker versuchte für die zweite Halbzeit, das Passspiel im Mittelfeld zu stärken, indem er Lewandowski aus dem Spiel nahm, Dudka nach vorne zu und Kokoszka neu für die Verteidigung brachte, und tatsächlich merkte man nun schon, dass das Mittelfeld einen sichereren Eindruck machte. Aber dennoch: Chancen konnte man sich bis zum Schluss keine herausspielen. Eine Qualitätsfrage; bei Kroatien machte auch die B-Elf einen guten Eindruck, bei den Polen fand man eben kein Rezept. Darum ist die eine Mannschaft Gruppensieger, die andere Gruppenletzte.

Österreich – Deutschland 0:1 (0:0)

Österreich - Deutschland 0:1 (0:0)

Nein, großgewachsen sind die österreichischen Offensiv-Kräfte nicht. Mertesacker und Metzelder in der deutschen Abwehr aber schon. „Soll ich jetzt sagen“, sagte Hickersberger vor der Partie, „Komm, Ümit, nimm deiner Leiter mit auf’s Feld?“ Ob er es tat, ist nicht überliefert. Korkmaz spielte aber. Genau wie Harnik – und Hoffer statt Linz in der Zentrale.

Überhaupt war das System ziemlich un-österreichisch. Mit einem astreinen 3-4-3 lief Österreich auf. Als Folge einer Reihe von Überlegungen, die allesamt Sinn machten. Hinten standen also Stranzl, Hiden (statt des gesperrten Prödl) und Pogatetz in einer Dreier-Kette gegen das Sturm-Duo Klose/Gomez. Im Zentrum kümmerte sich Aufhauser um Ballack, während Ivanschitz den Spielgestalter gab – ausgeglichene personelle Verhältnisse, bei Ballack und Frings war die Aufteilung ähnlich.

Der Clou war aber, dass Garics (rechts) und Fuchs (links) als Wing-Backs sehr hoch agieren konnten, somit einerseits Fritz und vor allem Podolski am Offensiv-Drang hindert konnten. Und andererseits, dass sie die beiden Außenstürmer Korkmaz und Harnik unterstützen konnten, ohne dabei defensiv in Troubles zu kommen, weil ja noch die Außenspieler der Dreierkette absichern konnten. Womit Friedrich und Lahm komplett hinten festegenagelt wurden.

Und weil eh kein Österreicher gegen Merte und Metze ein Kopfballduell holen könnte, durfte Wusler Jimmy Hoffer im Zentrum ran – den langen Kienast behielt Hicke als Joker auf der Bank. Hoffer war zwar extrem nervös, konnte kaum einen Ball stoppen und verstolperte einige gute Möglichkeiten, die Überlegung hinter seiner Nominierung war aber nachvollziehbar.

Nach einem von Gomez – der ein schreckliches Turnier spielte – aus einem Meter vergeben Torchance spielte dann auch nur noch Österreich. „Die Deutschen scheißen sich jetzt in die Hose“, hatte Martin Harnik im Vorfeld etwas gar vollmundig gemeint – der U20-Held von Kanada war zum Zeitpunkt des Turniers immerhin Stammspieler in Bremens Regionalliga-Team – und eine gewisse Verunsicherung war beim DFB-Team durchaus zu spüren. Weil eben wie schon in den ersten beiden Spielen das Mittelfeld-Zentrum neutralisiert wurde und durch die extrem offensiven Außen der Österreicher auf über die Flanken keine Impulse gesetzt werden konnten.

Alleine, die Konsequenz im Abschluss fehlte. Gerade Per Mertesacker machte eine starke Partie und Jens Lehmann war, anders als noch beim Testspiel im Februar ’08, recht sicher. So war Österreich die aktivere Mannschaft, die den Gegner mit einem passenden System erfolgreich bekämpfte, aber zur Halbzeit stand es Null zu Null. Übrigens nicht nur an Toren, sondern auch an Trainern in den Coaching-Zonen: Löw und Hickersberger mussten in der 40. Minute beide auf die Tribüne, weil sich der vierte Offizielle, Damir Skomina, bemüßigt fühlte, sich zwischen den lautstark Anweisungen gebenden Teamchefs etwas wichtig machen zu müssen.

Ein Unentschieden reichte den Deutschen für das Viertelfinale, aber sich auf ein 0:0 zu verlassen war gegen die beherzten Österreich doch etwas riskant. Ehe sich in der 48. Minute das Spiel mit nur einem Sechser rächte und Ivanschitz im Zurücklaufen in einen Defensiv-Zweikampf mit Lahm zu spät kam. Gelb, Freistoß aus 30 Metern – und dieser wurde per Gewaltschuss von Ballack, unhaltbar für Macho, zum 1:0 für Deutschland verwertet.

Letzte halbe Stunde

Der ein halbes Jahr nach diesem Spiel an Krebs verstorbene Peter Persidis, der nun in Vertretung von Hickersberger die Geschicke auf der Bank leitete, stellte nach einer Stunde um. Er löste die Dreierkette auf, brachte die Ballverteiler Säumel und Leitgeb statt der Zerstörer Aufhauser und Hiden; zudem stellte er mit Kienast (statt Harnik) nun doch einen Langen in den Strafraum.

Österreich warf mit dem Mut der Verzweiflung alles nach vorne. Garics übernahm die rechte Seite im Alleingang, auf der linken taten Fuchs und Korkmaz ihr möglichstes; dazu war Leitgeb sehr aktiv. Aber bis auf einen Drehschuss von Hoffer, der knapp links am Tor vorbeiging, gab es keine wirklichen Chancen mehr. Ein Spiegelbild des Turniers für das ÖFB-Team: Bemüht, zuweilen durchaus ansehnlich, aber harmlos vor dem Tor.

Am Ende schwanden neben der Hoffnung nach naturgemäß auch die Kräfte. Vor allem Philipp Lahm nützte das vermehrt für Vorstöße, und in der Schlussphase war die deutsche Mannschaft doch die mit den größeren Reserven. Der kurz vor Schluss für den schwachen Podolski gekommene Neuville vergab in der Nachspielzeit noch die Chance auf das 2:0. Aber das machte keinen Unterschied mehr.

Endstand der Gruppe: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.

Österreich belegte am Ende verdientermaßen den dritten Gruppenplatz. Man zeigte sich engagierte und kompakter als das Team aus Polen, das in zweieinhalb Spielen klar schlechter war als der Gegner. Es wurde aus Sicht des Gastgebers nicht die allseits befürchtete Total-Blamage, konditionell war man voll dabei und ab der zweiten Hälfte gegen Kroatien passte auch der Einsatz. Das alles konnte aber nicht über die fehlende Klasse, das fehlende technische Rüstzeug und die fehlende internationale Erfahrung in Teilen der Mannschaft hinweg täuschen.

Das alles zeigten die Kroatien klar am Besten, die zittrige Schlussphase gegen Österreich war der Mannschaft ganz deutlich eine Warnung, das Spiel gegen Polen wurde selbst vom B-Team mit großer Ernsthaftigkeit durchgespielt. Die deutsche Mannschaft zeigte in allen drei Spielen, dass das 4-4-2 mit Frings und Ballack im Zentrum keine Option mehr war, mit der man im Turnier noch viel erreichen hätte können. Darum war der 1:0-Arbeitssieg gegen den Gastgeber auch das letzte Spiel mit dieser Formation. Schon im Viertelfinale gegen Portugal kam die System-Umstellung…

(phe)

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Warum es gegen Kroatien nicht geklappt hat https://ballverliebt.eu/2010/05/19/warum-es-gegen-kroatien-nicht-geklappt-hat/ https://ballverliebt.eu/2010/05/19/warum-es-gegen-kroatien-nicht-geklappt-hat/#comments Wed, 19 May 2010 21:24:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2049 Warum es gegen Kroatien nicht geklappt hat weiterlesen ]]> Beinahe hätte sich Constantini eines Unentschiedens gegen den 9. der FIFA Weltrangliste brüsten. Beinahe. Gesorgt dafür hätte beinahe Goalie Jürgen Macho im Alleingang, der mehrmals die Kohlen aus dem Feuer holen musste. Dann sorgte Bilic in Minute 86 doch noch für Gerechtigkeit, wenn auch nicht in dem Spielverlauf angemessener Höhe. Es hätte letztlich auch 0:3 oder 0:4 stehen können.

Was ich nicht verstehe – und wohl auch nie verstehen werde – ist die Angstscheisser-Mentalität, die Constantini scheinbar von Hickersberger übernommen hat (in Wahrheit ist sie natürlich viel älter). Zu Hause wollte man gegen eine nicht in A-Formation auflaufende Kroatienauswahl auf Konter spielen, das gab der Bundestrainer schon vor Ankick dem ORF Kommentator mit.




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Dementsprechend kam man auch kaum aus dem eigenen Schneckenhaus. Bis auf sporadische Vorstöße von Wallner, Harnik oder Korkmaz ging man erst in der eigenen Hälfte in die Zweikämpfe. Und wenn die fast immer wackelige Abwehr einmal schnell klären konnte, fehlte die Geschwindigkeit zum Konter – auch weil die Raumaufteilung im Mittelfeld offensichtlich hinten und vorn nicht stimmte.

Logische Konsequenz: Die einzige wirklich große Chance vergab Janko nach einer Harnik-Flanke. Und ausgerechnet der Fast-Assistgeber musste dann 7 Minuten vor Halbzeitende das Feld räumen. Und nicht etwa der blasse Schiemer, dem einige Schnitzer unterliefen. Harnik hatte bis dahin meines Erachtens eine solide Leistung abgeliefert, im Interview nach dem Match behauptete der Nationalcoach allerdings, dass „dem Martin [ist] gar nichts gelungen“ sei. Er muss wohl ein anderes Spiel gesehen haben.

Während Harnik-Ersatz Florian Klein den Kroaten also deutlich weniger Schwierigkeiten bereitete, schwächte Constantini mit einem weiteren Wechsel erneut die Seite. Der stark aufzeigende Ümit Korkmaz, wurde gegen Drazan ausgetauscht. Möglicherweise signalisierte „Ü“ vorher schon Müdigkeit, den Eindruck machte er auf mich jedoch nicht. Mit Schnelligkeit allein war den Gästen jedenfalls deutlich weniger zu zusetzen.

Immerhin, statt die völlig abgemeldeten Stürmer einfach nur auszutauschen stärkte Constantini mit „Wallner raus, Leitgeb rein“ das Mittelfeld. Und wäre das bereits erwähnte (und gegen Ende in die Abwehr ausgeweitete) Problem der mangelhaften Raumaufteilung nicht gewesen, hätte das vielleicht was gebracht. So aber konnte Leitgeb bis auf ein paar Dribblings nicht viel ausrichten – und spätestens in den neu besetzten Flanken versandete der Ball.

Es war hauptsächlich ein taktisches Desaster, denn am Kader kann ich nur wenig aussetzen. Ortlechner war die einzig offensichtliche Fehlbesetzung der Startelf – die Ersatzbank war dafür seltsam besetzt. Fürs Mittelfeld wäre da neben den tatsächlich Eingewechselten nur noch Pehlivan als Alternative im Angebot gewesen.

Das Problem ist nicht der Kader, wenngleich ein Friedensschluss zwischen Constantini und Ivanschitz wünschenswert wäre und man hier und da noch rumschrauben könnte. Und glitzernde Rohdiamanten wie Turgay Bahadir nicht einfach verschenken sollte. Das Problem ist die Mutlosigkeit. Wenn die Abwehr unsicher ist – und das ist sie ja nicht erst seit heute – dann ist eine Konterausrichtung Kamikaze mit Anlauf. Wenn hinten ein Loch ist, muss man es im Fußball vorne stopfen, dann ist Angriff die beste Verteidigung.

Da kann man, wie heute, noch so oft betonen, wie hochklassig der Gegner doch ist. Es ist auch beim tausendsten Mal nicht mehr als eine Ausrede für das Versagen von Trainer und Verband.

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