Bilanz – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Wed, 14 Jul 2021 21:11:42 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Was uns die EM 2021 gezeigt hat: Die große Abschluss-Bilanz https://ballverliebt.eu/2021/07/13/was-uns-die-em-2021-gezeigt-hat-die-grosse-abschluss-bilanz/ https://ballverliebt.eu/2021/07/13/was-uns-die-em-2021-gezeigt-hat-die-grosse-abschluss-bilanz/#comments Tue, 13 Jul 2021 20:59:04 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=17697 Was uns die EM 2021 gezeigt hat: Die große Abschluss-Bilanz weiterlesen ]]> Die zweite EM mit 24 Teams ist vorüber, Italien hat sie gewonnen und es waren unerwartet viele attraktive Spiele dabei. Ein Turnier, dass vor Beginn „niemand so ganz dringend gebraucht hat“, wurde zu einer flotten Angelegenheit, von der man such – sportlich betrachtet, denn volle Stadien wirken in Corona-Zeiten immer noch befremdlich bis beklemmend – gerne mitreißen ließ.

Und was hat uns dieses Turnier gelehrt? Hier unsere gewohnte Abschluss-Bilanz.

Offensive sorgt für attraktive Spiele

142 Tore. Nach der historisch zähen EM vor fünf Jahren folgte nun die torreichste, seit sie 1980 als echtes Endrunden-Turnier ausgetragen wird. Und das nach einer super-vollgepackten Saison, in der die gleiche Anzahl Spiele in ein bis zwei Monaten weniger Zeit durchgepeitscht worden war. Was ist da los?

Banal gesagt: Der Nationalteam-Fußball folgt tendenziell dem Klubfußball. Die Ausschläge sind wegen der geringen Sample Size größer, aber die Tendenz bleibt. In den großen vier Ligen ist die Zahl der Tore pro Spiel von 2,72 (2001) bis auf die Marke von 2,49 (2007) gesunken, ehe sie bis 2017 wieder auf 2,84 hochschnellte – seither pendelt die Zahl zwischen 2,7 und 2,8.

Bei den Großturnieren war der Höhepunkt 2000 mit 2,74 bis zur Trendwende 2010 mit 2,27 gesunken, seither geht sie wieder nach oben – bis eben nun auf 2,78. Es gab einen Ausschlag nach oben (2014 mit 2,67) und einen nach unten (2016 mit 2,12). Ob die Tatsache, dass nach einem ganzen Jahr mit Geisterspielen wieder Zuseher in den Stadien waren und die Spieler womöglich dadurch animiert wurden, müsste man psychologisch untersuchen. Fix ist jedenfalls, dass die Anzahl der Tore in der Corona-Saison 2020/21 in den großen Ligen gegenüber der letzten komplett „normalen“ Saison 2018/19 etwas geringer geworden ist (in England -0,13 und in Spanien -0,08 und in Deutschland -0,15)

Einzige Außnahme: Italien (+0,38).

Der Europameister: Auf fruchtbarem Boden

Der Quantensprung, den die Serie A bei den Toren in der Liga seit der verpassten WM-Teilnahme 2018 gemacht hat, ist zu einem großen Teil auf die konsequente Offensivausrichtung von Atalanta und Sassuolo zurückzuführen. Von dem Plus von 146 Toren pro Saison ligaweit seit 2018 sind alleine die Teams von Gian Piero Gasperini und Roberto de Zerbi für 68 verantwortlich.

Zwar waren kaum Spieler dieser Klubs ernsthaft an der italienischen EM-Kampagne beteiligt – im Grunde nur Berardi und Locatelli von Sassuolo – aber dieser Trend zu mehr Offensive wurde von Mancini nur allzu gerne aufgegriffen. Es ist nicht so, dass das mit vergangenen Spielergenerationen nicht auch möglich gewesen wäre. Aber dieser Kulturwandel, der sich in Italien in den letzten Jahren vollzogen hat, sorgte dafür, dass die angriffigere, kreativere Spielweise auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Die Squadra Azzurra ist nach dem Finale bereits seit 34 Spielen ungeschlagen.

Finale: Italien – England 1:1 n.V und 3:2 i.E.

Der Pool an Spielern wird zwar immer kleiner – von 70 Prozent Einsatzzeit für Italiener in der Serie A in der Saison 2005/06 (vor dem WM-Titel) über 41 Prozent im Jahr 2017 (als das WM-Ticket vergeben wurde) ist der Anteil nun auf 33 Prozent geschrumpft. Aber die nachrückenden Spieler, die in Frage kommen, sind von ansprechender Qualität: Alleine bei den letzten drei U-21-EM-Turnieren, bei denen Italien immer dabei war, sind bereits neun nun Europameister geworden (und es wären zehn, wenn nicht Pellegrini coronabedigt im letzten Moment aus dem Kader gestrichen worden wäre).

Der Erfolg von Italien ist kein Zufall und Italien sollte auch mit der nun nachgekommenen Generation – Leute wie Tonali und Zaniolo sind auch noch in der Hinterhand – eine gute Rolle spielen können. Nur: Auf allzu breiten strukturellen Füßen steht er immer noch nicht.

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Comeback der Außenspieler

Überhaupt hat sich die Spielanlage der Teams gegenüber 2016 massiv verändert. Damals war man unter dem Eindruck der gerade abgeflauten Pressingwelle der frühen 2010er-Jahre, die buchstäblich müde Beine bekommen hat und auf Nationalteam-Ebene auch schwierig zu implementieren war. So setzten 2016 viele Teams auf Mannorientierungen im Mittelfeld und daruf, die Spielgestalter im Zentrum – von Modric über Iniesta bis Krychowiak – aus der Gleichung zu decken. Auch bei der WM 2018 waren die Außenverteidiger eher Mitläufer ohne entscheidende Rolle im Aufbauspiel.

Die zunehmende Knubbelung im Zentrum machte die Außenspieler nun aber wieder wichtiger. Leonardo Spinazzola bei Italien, Joakim Mæhle bei Dänemark, Kimmich und Gosens bei Deutschland, Luke Shaw bei England, Andy Robertson bei Schottland, Steven Zuber bei der Schweiz: Sehr viele Mannschaften trugen ihre Angriffe über die Seiten vor, vornehmlich über die linke.

Fröhliche Urständ der Fünferkette

Das geht auch mit dem Umstand einher, dass zehn der 24 Teams quasi Vollzeit eine Dreier-/Fünferkette in der Abwehr gespielt haben, drei weitere zumindest zeitweilig. Zum Vergleich: Bei der WM 2018 in Brasilien waren es nur vier von 32 Teams, davon zwei aus Europa – Belgien und England. Und selbst in der im Jahr 2019 gespielten EM-Quali setzten nur 22 Prozent der Teams vornehmlich auf eine solche Abwehr-Formation: Albanien, Aserbaidschan, Belgien, Estland, Färöer, Israel, Kasachstan, Malta, Moldawien, Nordmazedonien, Schweiz und Zypern. Also zumeist nicht gerade die Creme de la Creme.

Nun war es aber eben bei der EM so, dass es einen Weg nach vorne geben musste, ohne durch das dichte Zentrum zu kommen. Die Benützung von Wing-Backs neben einer Dreier-Kette im Zentrum bietet den bekannten Vorteil, dass diese höher schieben können und weniger akut in der Defensive ihre Aufgaben verrichten müssen. Zudem werden klassische Außenverteidiger in Viererketten-Systemen nach hinten gedrückt.

Der Deal, den man mit einem Wingback-System eingeht, ist das Fehlen eines Spielers entweder im Mittelfeld-Zentrum oder im Zehnerraum. Für viele Trainer bei dieser EM war das aber ein Umstand, den sie in Kauf genommen haben. Diese Herangehensweise hatte auch eine Folge, die sehr auffällig war:

Die vielen Eigentore

Elf Eigentore – das sind mehr, als in allen bisherigen EM-Endrunden zusammen. Sieht man sich diese genauer an, erkennt man aber ein klares Muster: Sieben davon sind aus Stanglpässen entstanden, welche der Verteidiger vor einem Stürmer in seinem Rücken vergeblich zu klären versuchte.

Das ist kein Zufall, denn solche Spielzüge sah man sehr häufig. Rund 25 Prozent aller Tore fielen aus Stanglpässen und Flanken von außerhalb des Strafraums vor das Tor – also mehr als es Treffer aus Standardsituationen gab. Es sind dies Spielzüge, die prädestiniert sind für Turniere mit zusammengewürfelten Mannschaften, weil sie kaum komplizierte Muster brauchen: Hinter die letzte Abwehrreihe kommen, Ball vor das Tor bringen – und irgendwer wird schon seinen Fuß reinhalten, egal ob ein Mit- oder ein Gegenspieler.

Dreimal legten sich Torhüter von Latte oder Pfosten abgeprallte Bälle selbst über die Linie (zweimal davon ungeschickt, einmal unglücklich). Den von Zakaria abgefälschte Weitschuss hätte man genausogut auch Alba geben können – und dann war noch Pedris Rückpass über 50 Meter, der Unai Simón über den Fuß gerutscht ist.

Relativ wenig Tore aus Standards

Bei der WM 2018 fiel in der Gruppenphase fast jedes zweite Tore aus einer Standardsituation, am Turnier-Ende waren es immer noch 41 Prozent. Sprung nach heute: Nicht mal ein Viertel aller Tore resultierte aus einem ruhenden Ball. Gar nur ein einziges der 142 Tore fiel aus einem direkt verwandelten Freistoß – im vorletzten Spiel, Damsgaards Treffer gegen England.

Wie beim generellen Trend nach mehr Toren glich sich der Wert auch hier nach einem Ausreißer wieder der generellen, aus dem Klubfußball bekannten Gegend an. In allen großen Ligen ist der Anteil der Tore aus Standardsituationen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen: Lag der Anteil 2014/15 noch zwischen 22 und 24 Prozent, war er in der abgelaufenen Saison zwischen 16,5 und 18,6 Prozent angesiedelt.

So gesehen sind die 24 Prozent bei dieser EM sogar noch relativ hoch.

Massive Breite

Man mag über den Modus jammern und der High-End-Qualität einer EM mit 16 Teams nachweinen – und man kann beides mit Berechtung machen – aber klar ist auch: Die grundsätzliche Qualität ist am Kontinent für eine Endrunde mit 24 Teilnehmern durchaus gegeben. Was das Team Nummer 16 kann, kann das Team Nummer 24 auch annähernd, da ist kein dramatisches Gefälle gegeben und einige Länder, die ein höheres Potenzial haben als Finnland – soweit man das objektiv beurteilen kann – haben sich gar nicht qualifiziert.

Wir reden da von Serbien beispielsweise, von Griechenland oder Norwegen, Island oder Bosnien. Diese Teams hätten die EM vielleicht nicht reicher gemacht. Ärmer aber auch nicht, man denke nur an Erling Håland.

Die (vermeintlich) Großen mussten sich auch gegen (vermeintlich) Kleine kräftig strecken – selbst Mazedonien und Finnland, aber auch die nach altem Modus ohne Teilnahme-Chance gewesenen Ungarn haben ihre Daseinsberechtung mit disziplinierten und/oder couragierten Auftritten bestätigt. Frankreich, Portugal, Deutschland, Holland und Kroatien haben sich im Achtelfinale verabschiedet und es waren immer noch genug Teams übrig, die einen realistischen Claim auf den Titel stellen konnten.

Ob es dennoch gescheit ist, so ein Turnier mit 24 oder gar, wie offenbar angedacht wird, bald mit 32 Teams durchzuführen, sei dahingestellt. Es sollte bei einer EM dann womöglich doch eher wie beim Kapitalismus generell sein: JEDER kann reich werden, aber es können nicht ALLE schaffen.

EM der Teams, nicht der Stars

Wie hieß es in unserer Bilanz zur EM 2016? „Individuelles Genie ist immer noch wichtig und kann in engen Spielen entscheidend sein; aber jeder stellte sich voll in den Dienst der Mannschaft.“ Die EM 2021 ging noch einen Schritt weiter: Es war keine EM der Stars. Die fünf Tore von Ronaldo konnten Portugals Achtelfinal-Aus nicht verhindern, der bei Man United so groß aufspielende Bruno Fernandes war ein Fremdkörper. Kevin de Bruyne schleppte sich verletzt durch das Turnier, konnte seine Klasse nur aufblitzen lassen. Frankreich spielte eine gute Gruppenphase, aber die vielen Stars des Weltmeisters waren in Wahrheit ein zerstrittener Haufen. Lewandowski erzielte drei der vier polnischen Tore, kam aber nicht mal ins Achtelfinale. Modric wirkte phasenweise ausgelaugt. Ja, Bale war sehr gut, aber das Team um ihn herum eben nicht.

Dafür war es schon vor der EM ein oft herausgestrichener Punkt, dass Italien keine echtes Stars hat, sondern als Team funktioniert. Dänemark kann nach dem Eriksen-Vorfall exemplarisch dafür stehen, dass es eine EM der Teams war, keine der Stars. Gareth Southgate und Luis Enrique setzten jeweils (fast) ihren kompletten Feldspieler-Kader ein, rotierten je nach Bedarf, Matchplan und Gegner. Auch der überraschende Viertelfinalist Tschechien funktioniert rein als Team, die Schweizer genauso.

Referees und VAR

Die Vorgabe von UEFA-Schiedsrichter-Chef Roberto Rosetti (der 2008 in Wien das EM-Finale geleitet hat) war ganz klar: Der VAR greift nur bei Abseits-Entscheidungen ein, und wenn eine Entscheidung auf dem Feld komplett daneben ist. Das war sie in 51 Spielen nie – darum wurde auch kein Judgement-Call eines Referees auf dem Feld vom Video-Assistenten kassiert. Die drei Elfmeter-Entscheidungen, die nach allgemeinem Empfinden verkehrt waren (der französische gegen Portugal, der russische gegen Dänemark und der englische ebenfalls gegen Dänemark), waren nun mal keine gänzlich berühungslose Schwalben. Damit blieben die Entscheide bestehen – die Entscheidungsgewalt des Referees auf dem Platz sollte betont werden.

Für die beiden Referees, die ihre zweifelhaften Elfer in der Gruppenphase gaben – Turpin und Mateu-Lahoz – gab es allerdings keine Einsätze mehr. Für Makkelie nach dem Halbfinale sowieso nicht mehr. Wir haben jetzt erst vier Jahre mit dem VAR in den Büchern, dass es ein Jahrzehnt des „mal zu viel, mal zu wenig“ brauchen wird, bis sich alles halbwegs konstakt eingespielt hat, deutet sich immer mehr an.

Die Leistungen waren im Ganzen sehr ansprechend, der VAR hat zusätzlich so gut wie alles ausgebügelt – entgegen dem Empfingen sogar etwas häufiger (alle 2,83 Spiele eine umgedrehte Entscheidung) als etwa in der Premier League (alle 2,97 Spiele). Dafür wurden weniger Fouls gepfiffen als noch 2016 (damals 25,2 pro Spiel, diesmal 23,3).

Die unmittelbare Zukunft

Im September, Oktober und November werden die sieben verbleibenden Spieltage für die WM-Quali ausgespielt, die im März begonnen hat. Im Oktober steht zusätzlich das Final-Four der Nations League an – Italien, Spanien, Belgien und Frankreich treffen sich in Turin bzw. Mailand.

Im März 2022 ist das WM-Playoff geplant. Im Juni 2022 (vier Spiele) und September 2022 (zwei Spiele) steht die nächste Nations League an, im November und Dezember 2022 die WM in Katar.

Die letzten drei Weltmeister (Frankreich, Deutschland, Spanien) waren bei der EM davor jeweils mindestens im Halbfinale. Italien, England, Spanien und vielleicht sogar Dänemark könnten also eine schon jetzt platzierte Langzeit-Wette wert sein.

Link Tipps:
Analyse der Vorrunden-Verlierer (FIN, HUN, MKD, POL, RUS, SCO, SVK, TUR)
Analyse der Achtelfinalisten (AUT, CRO, FRA, GER, NED, POR, SWE, WAL)
Analyse der Top-8 (ITA, ENG, ESP, DEN, BEL, SUI, CZE, UKR)

Link-Tipps:
Balance, Absicherung, Video-Referee: Das war die WM 2018
10 Erkenntnisse der EM 2016 in Frankreich
WM 2014: Rückkehr der Dreierkette, gute Goalies und die ewige Diskussion um die Refs
WM 2010: Toter zweiter Mann, besoffene Schiefe und andere Erkenntnisse

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Balance, Absicherung, Video-Referee: Das war die WM 2018 https://ballverliebt.eu/2018/07/18/wm-russland-2018-bilanz-balance-system-standards-var/ https://ballverliebt.eu/2018/07/18/wm-russland-2018-bilanz-balance-system-standards-var/#comments Wed, 18 Jul 2018 13:22:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15084 Balance, Absicherung, Video-Referee: Das war die WM 2018 weiterlesen ]]> Exakt 20 Jahre nach ihrem ersten WM-Titel jubelt auch 2018 ein französisches Team mit dem Pokal in der Hand. Es war im Ganzen ein recht unterhaltsames Turnier. Es brachte, wie jede WM-Endrunde, einige positive wie negative Überraschungen, und auch eine kompakte Übersicht, wie sich die Fußball-Welt in genereller und taktischer Hinsicher derzeit darstellt.

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1. Die Balance entscheidet

Das Finale

Dafür, ein Spektakel zu liefern, sieht sich Didier Deschamps nicht zuständig. Der Mann war einer der weltbesten Sechser. Und man wird das Gefühl nicht los, dass er genau das in seiner tiefsten Überzeugung auch heute noch ist.

Zinedine Zidane, sein vier Jahre jüngerer Welt- und Europameister-Kollege von 1998 und 2000, war das genaue Gegenteil: Ein individuelles Genie, das sich nicht viel um die Struktur des Teams scherte. Einer, der durch Individualität hilft, nicht durch Mitdenken.

Der eine ist nun Teamchef des Weltmeisters, der andere hat Real Madrid als Trainer zu drei Champions-League-Siegen in Folge geführt. Ihre beiden Teams, so unterschiedlich sie auch sind – das Kreativspiel von Real mit relativ viel Ballbesitz hier, das zurückgenommene Konterspiel Frankreichs mit relativ wenig Ballbesitz da – eines eint sie: Die Balance. Sie ist zum zentralen Thema in diesen späten Zehner-Jahren geworden.

Die Pressing-Welle ist längst abgeebbt. Das war bei der WM 2014 schon erkennbar. Das in den letzten Jahren vor allem in der Champions League so erfolgreiche Team von Real zeichnet sich nicht durch Pressing aus, nicht allein durch eine stringente Defensiv-Arbeit, nicht allein durch hohe individuelle Klasse; nicht durch atemberaubendes Tempo-Spiel oder rasante Umschaltsituationen. Es ist die perfekte Abstimmung aus solider Defensive, guter Balance zwischen Abwehr und Kreativität im Mittelfeld und individueller Qualität ganz vorne.

Viele maßgebliche Teams bei der WM legten es ähnlich an. Kroatien etwa, auch weil Modrić dieses Spiel von Real verinnerlicht hat. Frankreich ebenso, mit dem emsigen Kanté und dem polyvalenten Pogba im Zentrum. Auch Brasilien sah so solide, unspektakulär und ungefährdet aus, wie es Real im Idealfall ist – es fehlte allerdings ein tauglicher Rechtsverteidiger, der einen Gegenpol zur linken Seite mit Coutinho und Neymar hätte bilden können.

Aber, und das ist eh nix Neues: Es muss vorne und hinten stimmen. Eine schöne defensive Balance hatte etwa auch Nigeria. Dafür war es vorne ziemlich dünn. Ähnlich war es bei Australien, dem Iran oder Island. Umgekehrt war es beispielsweise bei Tunesien: Das war nach vorne recht brauchbar, aber hinten bekam man die Tore reihenweise eingeschenkt.

2. – Stabile Absicherung im Mittelfeld

Wer sich den Spaß macht und sich ein paar Spiele der WM 2002 nach heutigen Gesichtspunkten ansieht, wird erschocken sein: So etwas wie ein „kompaktes Mittelfeld“ oder eine nennenswerte Absicherung gab es de facto nicht. Nun, 16 Jahre später, gibt es im Grunde kein einziges Team mehr, das bei eigenem Ballbesitz die Staffelung in der Zentrale vernachlässigt. Die wenigen, die es taten – wie Deutschland – wurden bestraft. Das heißt aber auch: Echte, offene Schlagabrtäusche waren selten. Es gab eigentlich nur ein Spiel, in dem es alle Beteiligten mit der Absicherung im Zentrum nicht so genau nahmen. Das war jedes von Japan gegen den Senegal (2:2).

Bei der EM 2016 hieß das bei vielen Teams: Strikte Defensive. Bei diesem Turnier dachten viele Mannschaften schon einen Schritt weiter nach vorne. Dadurch wirkte das Turnier als Ganzes offener, offensiver, weniger mühsam. Es hatten zwar immer noch viele Teilnehmer Probleme, im Angriffsdrittel sich Konkretes zu erarbeiten. Aber es igelte sich nicht das halbe Starterfeld von Haus aus im eigenen Verteidigungsdrittel ein.

Auch das trägt zum balancierten Gesamteindruck, siehe Punkt 1, bei.

Diese stets vorhandene Absicherung verhindert auch, dass man bei Ballverlusten in gefährliche Konter läuft. So sind bei dieser WM lediglich elf Tore aus Kontern entstanden, alleine Deutschland hat drei davon kassiert und Belgien zwei davon erzielt. Auch hier ist das Real von Zidane durchaus eine Blaupause: Die Achter Modrić und Kroos decken defensiv gut die Halbfelder ab un sichern, wenn die Außenverteidiger Carvajal  und Marcelo nach vorne marschieren. Das hat in der Liga zuletzt nicht mehr so gut funktioniert wie gewünscht, aber international hat man so seit drei Jahren nicht mehr ausgeschieden.

3. – Außenverteidiger: Wenig aufregend

Es war lange eine Faustregel: Das Team mit dem besten Außenverteidiger-Paar wird Weltmeister. Thuram und Lizarazu 1998, Cafu und Roberto Carlos 2002, Zambrotta und Grosso 2006, Ramos und Capdevila 2010 – sie alle waren nicht nur defensiv eine Bank, sondern lieferten auch Impulse nach vorne. Deutschland hat 2014 ein wenig damit gebrochen: Da stellte Löw in Ermangelung eines tauglichen Linksverteidigers den Innenabwehr-Mann Höwedes auf die Seite.

2018 hat sich die Rolle des Außenverteidigers merklich in Richtung Defensive verschoben. Die beiden auffälligsten Rechts-Läufer des Turniers – Kieran Tripper und Thomas Meunier – spielten als Wings-Backs neben einer Dreierkette. Benjamin Pavard ist eigentlich Innenverteidiger, er gab gute Balance und sicherte stark hinter Mbappé ab, viel mehr aber nicht. Šime Vrsaljko spielte eine solide WM, ein Wiedergänger von Darijo Srna ist er im offensiven Sinn aber nicht.

Auf links sieht es kaum aufregender aus. Marcelo, derzeit der beste LV der Welt, war von seinem Hexenschuss gehandicapt. Laxalt war okay, Lucas Hernadez auch. Strinić war da und sicherte ab, Eindruck hinterließ er nicht. Mehr als Durchschnitt war Ashley Young auch nicht. Jordi Alba ist zu früh ausgeschieden.

Auch hier gilt: Absicherung schaffen, Balance geben. Die Zeit der Ein-Mann-Büffelherden des Typus Roberto Carlos ist (vorläufig) eher vorbei.

4. – Der vermeintliche Standard-Boom

So viele Tore aus Standards! Mehr als die Hälfte der Treffer aus ruhenden Bällen! Das Ausspielen gegnerischer Defensivreihen ist tot! In der Vorrunde wurde schon eine Ära ausgerufen, in der Bälle – wie beim Feldhockey – fast nur noch aus Standardsituationen fallen. In der K.o.-Phase war davon schon kaum noch etwas zu hören.

Warum? Weil der Wert bis zum Ende auf 31 Prozent gesunken ist, sich also wieder dem Normalwert angenähert hat. In den Turnieren von 1994 bis 2014 lag der Anteil an Toren aus Standardsituationen bei 26 Prozent.

Auffällig war es aber natürlich sehr wohl, dass bei so manchem der ruhende Ball einen signifikanten Teil der Offensiv-Strategie ausmachte. Das ist nach der generell unsäglichen EM vor zwei Jahren und der ständigen Präsenz einer tauglichen gegnerischen Defensiv-Staffelung auch nicht ganz unlogisch. So wie bei den Engländern, die sich mit Eckbällen, Freistößen und Elfmetern bis ins Halbfinale durchgekämpft haben. Aus dem Spiel heraus war der offensive Output recht gering.

Der Variantenreichtum und die clever ausgeführten Laufwege, welche vor allem England bei Standards gezeigt haben, können durchaus auch für den Klub-Betrieb inspirierend sein. Wie sagte schließlich schon Gianni Vio, Italiens Standard-Trainer-Gott: Der Ruhende Ball ist ein Torjäger, der zuverlässig für 20 Tore pro Saison gut ist. Das gilt heute noch mehr als früher.

5. – Das Ende des Ballbesitz-Fußballs? Ähm, nein.

Spanien (69 Prozent Ballbesitz): Null Torgefahr, raus im Achtelfinale. Deutschland (67 Prozent Ballbesitz): Keine defensive Absicherung, raus in der Vorrunde! Mit dem frühen Scheitern der beiden dezidierten Ballbesitz-Teams wurde – oftmals mit unverhohlener Häme und triumphierender Freude – schon das Ende des Ballbesitz-Fußballs proklamiert.

Aber: Immer mit der Ruhe. Der Ballbesitz-Fußball geht so schnell nirgendwo hin.

Denn, erstens: Spanien und Deutschland (und auch Argentinien, 64 Prozent) sind nicht am Grundprinzip des Ballbesitz-Fußballs gescheitert. Die Spanier bekamen zwei Tage vor dem ersten Spiel einen Trainer, der kein Detailwissen über die taktischen Abläufe hatte, mit der Julen Lopetegui eine geradezu aufregende Vertikalität ins spanische Ballgeschiebe gebracht hatte.

Die Deutschen waren geistig nicht bereit, anzuerkennen, dass es eben nicht von selbst geht, nur weil man eben Deutschland ist. Die DFB-Delegation ließ Unruhe im Umfeld zu, es gab kein Gegenpressing mehr bei Ballbesitz und man war für Konter offen, und man hat die zuhauf vorhandenen Torchancen auch einfach nicht genützt.

Und, zweitens: Mit dem FC Barcelona (60 Prozent), Manchester City (66 Prozent) und Bayern München (62 Prozent) haben drei dezidierte Ballbesitz-Teams die großen Ligen in Europa mit Leichtigkeit dominiert und jeweils völlig ungefährdete Meistertitel eingefahren.

Mit Atlético Madrid (49), Valencia (48) und Schalke (48) weisen nur drei der 19 Teams, welche sich in den Top-5-Ligen für die Champions League qualifiziert haben, eine negative Ballbesitz-Bilanz auf. Sogar das Liverpool unter Jürgen Klopp, quasi dem Erfinder des Pressing- und Umschaltspiels, kam in der Premier League auf 58 Prozent Ballbesitz.

Spanien hat sich mit Luis Enrique einen Trainer geholt, der bei Barcelona auf dieses Spiel setzte und es zuvor bei der Roma schon installieren wollte. Spanien denkt also überhaupt nicht daran, den Ballbesitz zu reduzieren. Wozu auch? Er dominiert den Weltfußball immer noch auf relativ breiter Basis.

6. – An der System-Front: Comeback des 4-4-2

Diejeningen aber, die mit dem Ball schnelle Gegenstöße vollziehen wollen, haben ein altes System für sich entdeckt, das vermeintlich schon am aussterben war. Das 4-4-2.

Nach dem Ende des Liberos (letzte Ausläufer 2002 mit Kroatien und Slowenien sowie 2004 mit Griechenland) war kurzzeitig das 4-4-2 das praktisch allgemeingültige System. Bei der EM 2004 sind 60 Prozent (!) der Teams mit einer Viererkette hinten und zwei Stürmern vorne angetreten. Dann, mit dem Siegeszug des 4-2-3-1-Systems mit der Blütezeit in den frühen Zehner-Jahren, ist das 4-4-2 zum Minderheiten-Programm geworden – vor vier Jahren in Brasilien spielten nur noch 12 Prozent der Teilnehmer mit einem 4-4-2.

Nun ist das gute, alte 4-4-2 wieder zurück. Von den 12 Prozent in Brasilien hat sich der Anteil bei diesem Turnier auf 34 Prozent fast verdreifacht. Anders als in der letzten Hochphase vor anderthalb Jahrzehnten ist es aber nun ein dezidiert reaktives System geworden. Von den elf 4-4-2-Teams bei dieser WM in Russland haben nur drei mehr als 50 Prozent Ballbesitz gehabt – Portugal (54), Peru (52) und Australien (51).

Blau: 4-3-3 bzw. 4-1-4-1      /     Rot: 4-2-3-1     /     Grün: 4-4-2     /     Lila: Dreierkette

Mit den zwei Viererketten ist die besten Balance gegeben aus defensivem Block und dennoch Zugriff und horzitonaler Abdeckung im Mittelfeld. Das ist mit einem Dreier- bzw. Fünferketten-System auch möglich, ist aber komplizierter.

Varianten mit Dreier- bzw. Fünfterkette, die eine Zeitlang wie der neueste heiße Scheiß ausgesehen haben, der wieder voll am Kommen ist, sind hingegen Varianten geblieben. Nur vier Teams (Belgien, England, Nigeria und Costa Rica) haben ganz oder überwiegend so gespielt. In Südafrika 2010 waren es vier (kein einziger Europäer), in Brasilien 2014 waren es fünf bzw. sechs (Holland, zeitweise Italien). Das bleibt also relativ konstant.

7. – Der Video Assistant Referee

Der erste Test bei einem internationalen Turnier war ein Debakel. Beim Confederations Cup vor einem Jahr sorgte der Video-Hilfssschiedsrichter für mehr Chaos und Verwirrung, als dass er beim Bereinigen strittiger Situationen geholfen hätte. Ähnlich war die Erfahrung in der deutschen Bundesliga, wo die Zahlen zwar gut sind, die Wahrnehmung aber nicht.

Darum war die Vorgabe für die WM auch ganz klar: Nur bei eindeutigen Elfmeter-Situationen, potenziellen Platzverweisen und Abseitsstellungen bei Toren – also unmissverständlich spielentscheidenden Situationen – wird der Referee an den Monitor gebeten. Natürlich wurde sich im „VAR Room“ in Moskau jede Szene genau angesehen, jedes Tor gecheckt, jeder Elfmeter kontrolliert. Dann stand der Referee eben zehn Sekunden da und griff sich ans Headset.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Fouls, die zu Elfmetern führten und kontrolliert wurden, waren unstrittig. Nur ein möglicher Platzverweis nach Videobeweis wurde nicht ausgesprochen (Ronaldo gegen den Iran). Die Handhabung der Handspiele sorgte zwar für Frust, der mal mehr verständlich war (wie bei Saudi-Arabien gegen Ägypten oder Dänemark-Australien) und mal weniger (wie im Finale).

Aber: Alle diese Entscheidungen folgten der Direktive, die vor dem Turnier auch allen Teams mitgeteilt wurde (was Nigerias Teamchef Gernot Rohr bestätigte): Ausgestreckte Hand –> Elfmeter. Das ist zwar nicht immer fair, aber zumindest eine Linie.

Die Leistungen der Schiedsrichter waren im ganzen sehr solide, es gab fast keine Ausrutscher nach unten. Dramatische, spielentscheidende Fehler wurden mit wenigen Ausnahmen vom VAR ausgebügelt. So darf es gerne bleiben.

8. – Europäische Dominanz

Knapp zwei Punkte pro Spiel in der Vorrunde: Europa zeigte dem Rest der Welt, wo der Hammer hängt. Von den 14 Vertretern blieb nur einer sieglos (Island). Seit 1986 der Modus mit Vorrunde und Achtelfinale eingeführt wurde, waren Europas Teams nur einmal noch eifrigere Punktesammler (2006 nämlich).

Südamerika ist zwar in puncto Vorrunden-Punkteschnitt erstmals seit 1994 hinter Europa zurückgefallen (1,97 zu 1,94 Punkte), thront aber immer noch überlegen vor allen anderen (Asien 1,00 Punkte; Nord- und Mittelamerika 0,77 Punkte; Afrika 0,73 Punkte). Wie immer. Dass Europa und Lateinamerika die stärksten Fußball-Länder haben, weiß man ja. Was aber auffällt ist, dass sich vor allem bei den nicht-europäischen Ländern feststellen lässt, dass Europa dominiert.

Wie das gemeint ist? Nun: Bei den nicht-europäischen Teams, welche die Vorrunde überstanden haben, sind im Schnitt acht der elf Spieler auf dem Feld in einer der fünf europäischen Top-Ligen engagiert. Bei jenen, die ausgeschieden sind, waren es im Schnitt nur drei.

Kein außer-europäisches Team mit weniger als sechs Stammspielern aus einer europäischen Top-Liga hat die Vorrunde überstanden. Und nur ein einziges Land mit mehr als sechs solchen Kickern hat den Sprung ins Achtelfinale verpasst (der Senegal nämlich, und das auch nur hauch-hauchdünn).

Wie sehr der europäische Klub-Fußball mittlerweile selbst dem südamerikanischen enteilt ist, sieht man jedes Jahr bei der Klub-WM. Der Copa-Libertadores-Sieger kann den Champions-League-Sieger kaum ernsthafter fordern als ein beliebiger Mittelständler in der spanischen Liga.

So geht es weiter

In Europa startet im September die neue Nations League, ab März 2019 wird dann um die Plätze für die pan-europäische EM 2020 gekämpft. In den anderen Kontinenten geht es schon 2019 wieder um Titel: Im Jänner beim Asiencup in den Emiraten, im Sommer beim Afrikacup im Kamerun sowie der Copa América in Brasilien und beim Gold-Cup in den USA.

Die nächste Weltmeiserschaft ist in viereinhalb Jahren, enden wird sie am 18. Dezember 2022. Eine Fußball-WM zur Glühwein-Zeit ist für uns mal was Neues. Und auch die Brasilianer, Südafrikaner und Australier werden sich denken: Hui, eine WM im Hochsommer, das ist ja strange. Geplant ist, dass es die letzte WM mit dem weithin als perfekten Modus angesehen 32 Team ist. Angedacht sind in Katar acht Stadien, sieben davon in der Hauptstadt Doha bzw. dessen Vororten. Aber man weiß ja nie, was der FIFA und seinem irrlichternden Präsidenten in nächster Zeit noch so alles einfällt.

Einzel-Bilanzen aller 32 Teams

Europas Große: Dominanz trotz zwei Total-Ausfällen

Europas zweite Reihe: Fundament der Top-Bilanz

Südamerika: Zu wenig echte Weltklasse

Nord- & Mittelamerika: Alles wie immer, nur ohne die Amis

Asien: Wohl mehr Schein als Sein

Afrika: Kein Rückschritt trotz Debakels

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Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/ https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/#comments Mon, 16 Jul 2018 17:18:47 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15055 Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen weiterlesen ]]> Einer von Europas Schwergewichten war gar nicht dabei (Italien), ein weiteres ist in der Vorrunde gescheitert (Deutschland), die Sieger der letzten drei EM-Turniere (Spanien und Portugal) haben es nur bis ins Achtelfinale geschafft – und dennoch kamen alle vier Halbfinalisten bei diesem WM-Turnier aus Europa.

Die Vorherrschaft des alten Kontinents war 2018 in Russland so erdrückend wie selten zuvor. Frankreich darf sich ab sofort einen zweiten Stern in sein Verbandslogo stellen. Aber auch Kroatien, Belgien und England gehen allesamt mit gestärkten Positionen aus dieser WM hervor.

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LINK-TIPP: Europas Große bei der WM 2014

Frankreich: Zum zweiten Mal Weltmeister

Dass es immer Spaß gemacht hätte, den Franzosen zuzusehen, könnte man nicht behaupten. Aber: Als erst drittes Team in der WM-Geschichte haben sie vier K.o.-Spiele in 90 Minuten gewonnen. Sie haben in vier der sieben Spiele kein Gegentor erhalten. Und wenn es notwendig war, stets selbst die Tore erzielt. Sie haben sich im Finale gegen Kroatien nicht eine einzige echte Torchance herausgespielt und dennoch 4:2 gewonnen.

Frankreich ist sicher ein korrekter Weltmeister. Sie haben, wenn es darauf ankam, die wenigsten Schwächen gezeigt. Sie lagen im ganzen Turnier nur in 8 von 679 gespielten Minuten im Rückstand. Und man hatte stets den Eindruck, dass man immer noch zusetzen könnte, wenn man müsste.

Die Grundausrichtung von Didier Deschamps war defensiv. Das ist angesichts der zur Verfügung stehenden Offensiv-Kräfte zwar etwas frustrierend, passt aber sehr gut zu Spielern wie Antoine Griezmann und vor allem Kylian Mbappé. Deren Tempo, kombiniert mit Olivier Giroud (der zwar null Torgefahr ausstrahlte, aber stets Gegenspieler band und somit Räume freimachte) und dem unauffälligen, aber hoch-effektiven Spiel von Paul Pogba – es funktionierte einfach. Dazu passt auch, dass mit Pavard und Hernández eher die defensivstärkeren Außenverteidiger gegenüber Sidibé und Mendy zum Einsatz gekommen sind.

Diese französische Generation ist nur ein Tor gegen Portugal vor zwei Jahren davon entfernt, nun Welt- UND Europameister zu sein. Und angesichts der Jugend des Weltmeisterteams und der enormen Qualität vieler Spieler, die es nicht einmal in den 23-Mann-Kader geschafft haben, spricht wenig dagegen, dass auch die kommenden Turniersiege nur über Frankreich gehen. Wie bei Spanien vor zehn Jahren. Wie bei den Franzosen selbst vor 20 Jahren.

Kroatien: Verdienter Finaleinzug

„Vizeweltmeister Kroatien“ klingt einerseits immer noch ein wenig seltsam. Andererseits hat das Vier-Millionen-Land vom Balkan in seinen Reihen Leistungsträger von Real Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin, Inter Mailand, Atlético Madrid und Liverpool.

Zlatko Dalić, der als Spieler keine große Nummer war und als Trainer bislang auch nicht, hatte grundsätzlich zwei Formationen, unter denen er wählte. Die eine, gegen Nigeria und gegen Russland, war  ein 4-2-3-1 mit Modrić und Rakitić vor der Abwehr und Kramarić auf der Zehn. Es brannte wenig an, aber die Abstände im Aufbau waren oft zu groß. Viel besser funktionierte das 4-3-3, welches in allen anderen Spielen zum Einsatz kam: Hier agierte das kreative Duo höher und mit Brozović gab es eine Absicherung. Diese Raumaufteilung war die Basis zu jener Balance, welche die Kroaten auszeichnete.

Angesichts der Abwehr, die den individuell schwächsten Teil der Mannschaft darstellt, setzte Kroatien auf Ballbesitz (55 Prozent im Turnierverlauf – das ist der höchste Wert der Halbfinalisten und Platz 7 generell) und Luka Modrić war der Lenker, er hatte die Ideen, er verteilte die Bälle. Rebić (nur Tempo) und Perišić (Tempo und Technik) brachten die Pace in ein sonst eher von gemäßigter Geschwindigkeit geprägtes Team.

Kroatien stellte ein gut balanciertes Team, das unermüdlich kämpfte, in jedem der vier K.o.-Spiele im Rückstand lag, drei davon noch drehte und dabei dreimal über 120 Minuten musste. Man hat sich den Finaleinzug redlich verdient.

Belgien: Nuancen haben entschieden

Ähnlich wie Kroatien (bisherige Bestmarke: Platz drei 1998) hat auch Belgien mit dem Bronze-Rang (bisherige Bestmarke Vierter 1986) das beste WM-Resultat der Verbandsgeschichte erreicht. Vollauf verdient – und selbst im Halbfinale gegen Frankreich haben nur Nuancen gegen Belgien entschieden. Ein verlorenes Kopfballduell, ein nicht gegebener Freistoß. Und dann wird man eben „nur“ Dritter.

Roberto Martínez stellte die wohl spannendste Truppe der WM auf den Rasen. Aus dem gewohnten 3-4-3 heraus, zunächst mit De Bruyne neben Witsel in der Mittelfeld-Zentrale, war man gegen Panama und Tunesien überlegen, geriet im Achtelfinale gegen Japan aber schwer in die Bredouille. Erst, als der Teamchef Mertens opferte, De Bruyne nach vorne stellte und Marouane Fellaini für die Zentrale brachte, erhielt man Oberhand im Mittelfeld. Das schützte die eher langsame Abwehr (sicher am Ehesten die Schwachstelle) und belebte gleichzeitig die Offensive. Innerhalb einer halben Stunde wurde gegen Japan aus einem 0:2 ein 3:2.

Gegen Brasilien wurde De Bruyne als falsche Neun ins Zentrum gestellt und der Gegner bei Kontern aufgemacht – assistiert, wie schon gegen Japan, vom überragenden Romelu Lukaku. Seine Laufwege waren das mit Abstand Beste, was Spieler auf seiner Position an dieser Weltmeisterschaft zeigten. Dazu kam noch Eden Hazard, der (anders als noch unter Wilmots) mannschaftsdientlich arbeitete und gleichzeitig dennoch für individuelle Glanzpunkte sorgte. Und dass der großartige und unterschätzte Rechts-Verteidiger Thomas Meunier im Halbfinale gegen Frankreich gelbgesperrt fehlte, war auch ein wichtiger Faktor zur 0:1-Niederlage.

Martínez war sich auch nicht zu schade, auch mal Gegner in Manndeckung zu nehmen (wie Pogba, dem Fellaini im Halbfinale permanent auf den Füßen stand). Das asymmetrische Pendel-System zwischen 3-4-3 und 4-3-3 (mit Meunier bzw. Chadli, die gegen den Ball nach hinten rückten) neutralisierte viel von der brasilianischen bzw. französischen Offensive.

38 Jahre nach dem EM-Finale und 32 Jahre nach dem WM-Halbfinale (mit Ceuelemans, Gerets, Pfaff, Vercauteren und dem jungen Scifo) hat diese belgische Generation nun gezeigt, dass sie tatsächlich echte Weltklasse ist. Die Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 hatten das ja lediglich andegeutet.

England: Das Ende der Lethargie

Fast ein Jahrzehnt lang waren die englischen Fans gegenüber ihrem Nationalteam in einer gewissen Lethargie versunken. Die bleiernen Jahre unter Roy Hodgson, der erst nur den Verfall verwaltete und dann die Verjüngung nur halbherzig anging, rissen auf der Insel niemanden mit.

Und dann wurde die FA zu ihrem Glück gezwungen. Nach dem ebenso schnellen wie unrühmlichen Ende der Amtszeit von Sam Allardyce legte man die Three Lions in die Hände von Gareth Southgate. Jener Spieler, dessen Elfer-Fehlschuss im Halbfinale der Heim-EM 1996 den Engländern mutmaßlich den Titel gekostet hat, krempelte alles um – vor allem die mentale Seite. Er ist der Meinung, dass man sich eben doch auf ein Elferschießen einstellen kann – und ließ es methodisch und psychologisch unterstützt trainieren.

Er verstand es, zwischendurch auch mal für Lockerheit im Team zu sorgen (wie die Plansch-Einlage mit den aufblasbaren Einhörnen), während es unter Capello schon mal halbe Meutereien gab, weil der Trainer Nutella vom Speiseplan gestrichen hat. Auf die Medien gingen Southgate und sein Team vor dem Team aktiv zu, nachdem man zwei Jahrzehnte – begonnen vor allem mit den Gascoigne-Eskapaden – ein feindseliges Misstrauen gehegt hatte.

Und: Es wurde intensiv an Standards gefeilt. Neun der zwölf Tore Englands fielen aus Freistößen, Eckbällen und Elfmetern. Spielerisch war man, das sagte Southgate nach dem verlorenen Platz-drei-Spiel auch selbst, sicher nicht unter den Top-4 des Turniers. Aber: Nun haben es Verband und auch Fans schwarz auf weiß, dass diese Generation durchaus Potenzial hat. Individuell sind sie wohl schwächer als in den Nuller-Jahren mit Gerrard, Lampard, Ferdinand, Beckham und Rooney. Aber die jetzigen Spieler sind teamfähiger.

Spanien: Sich selbst ins Bein geschossen

Das Kontrastprogramm zum demonstrativen, ruhigen Zusammenhalt im englischen Lager war die Delegation aus Spanien. Mit dem Rauswurf von Teamchef Julen Lopetegui zwei Tage vor dem ersten Spiel hat sich der Weltmeister von 2010 eindrucksvoll selbst ins Knie geschossen. Zumal hier keinerlei sportliche Gründe ausschlaggebend waren – Lopetegui hatte dem Team die lange vermisste Vertikalität zurück gegeben – sondern ausschließlich das gekrängte Ego von Verbands-Präsident Rubiales. Weil er vom bevorstehenden Wechsel des Trainers Real Madrid nur ein paar Minuten vor allen anderen informiert worden war.

Mit dem eilig installierten Hierro als Ersatz-Trainer ohne Detailwissen um die Pläne und Gedankengänge Lopeteguis kehrten die Spanier zu jenem Horizontal-Geschiebe ohne Drang nach vorne zurück, dessen Vorhersebarkeit und relativ leichte Kontrollierbarkeit ihnen schon in den späten Del-Bosque-Jahren immer wieder zum Verhängnis geworden war. Das fiel im wilden Auftakt-3:3 noch nicht so auf, mit Nachos Wundertor und Diego Costas individueller Bulligkeit. Aber schon gegen den Iran kam damit nur ein äußerst dünnes 1:0 heraus, gegen Marokko hätte Spanien schon beinahe verloren und in 120 Minuten gegen Russland spielte man zwar über 1.100 Pässe, blieb aber völlig harmlos und verlor dann auch noch das Elfmeterschießen.

2008, 2010 und 2012 hat Spanien die Turniere gewonnen. Das letzte Mal, dass Spanien bei einer anderen Endrunde als diesen dreien ein K.o.-Spiel überstanden hat, ist 16 Jahre her – ein Elferschießen-Sieg im Achtelfinale 2002 gegen Irland. Weiterin stellt Spanien einen der unbestreitbar besten Kader der Welt. Aber wie vor dem Titel-Hattrick ist man auch diesmal viel zu früh ausgeschieden.

Luis Enrique (der neue Teamchef) und José Francisco Molína (der neue Verbands-Sportchef) werden mittelfristig vor der Aufgabe stehen, das Team peronsell etwas umzubauen, schließlich stehen nach dem Rücktritt von Iniesta auch die internationalen Karrieren von langjähirgen Stützen wie Kapitän Ramos, Verteidiger Piqué und Offensiv-Allrounder David Silva tendenziell vor dem Ende. Der spanische Talente-Pool scheint unerschöpflich, aber gerade in der Defensive kommt gerade eher keine Weltklasse nach.

Portugal: Wenig Flair, wenig Blödsinn

Der Europameister hatte einst ein Überangebot an Offensiv-Superstars. Figo, Rui Costa, Deco, dann auch noch Cristiano Ronaldo – jetzt es es nur noch einer, und selbst der wird nicht jünger. Auch, wenn Ronaldo gerade für viel Geld zu Juventus Turin gewechselt ist: Viel mehr als die EM 2020 hat er wohl nicht mehr drin. Bei der WM in Katar ist Ronaldo knapp 38 Jahre alt.

Das gegenüber dem EM-Titel nur an zwei Positionen veränderte Team (Guedes statt Nani, Bernardo Silva statt Renato Sanches) zeigte sich wieder sehr solide und mit der Tendenz, keinen Blödsinn zu machen. Ein Ronaldo-Hattrick rettete das 3:3 gegen Spanien, dann verteidigte man den knappen Sieg gegen Marokko über die Zeit und gegen den Iran sah es bis kurz vor Schluss genauso aus. Im Achtelfinale zerschellte man an der individuellen Klasse von Cavani und der humorlosen Defensive aus Uruguay, aber das ist auch anderen schon passiert. Die Maßnahme, es gegen die Urus konsequent mit Flanken vor das Tor zu probieren, ist auf jeden Fall hinterfragenswert. Aber davon abgesehen kann sich Portugal nicht allzu viele Vorwürfe machen.

Und wie sieht es um die Zukunft aus? Gonçalo Guedes ist ein potenziell hoch-aufregender Spieler, der vor allem über die linke Außenbahn Weltklasse sein kann. Bernardo Silva gehört rechts zum Stammpersonal von Manchester City. Diese beiden können das Team ein Jahrzehnt tragen. Mehr als ordentlicher europäischer Durschnitt ist der Rest zwar sicher nicht. Aber das war es vor zwei Jahren beim EM-Titel auch nicht – und doch holte man den Titel. Weil Portugal ein gut coachbares Team ist und man im Verband auch immer ein Händchen für passende Teamchefs hat. Der Superstar-Streichler Scolari, der frech spielende Bento, der pragmatische Santos.

Santos hat einen Vertrag bis zur EM 2020 und der Verband steht zu diesem Kontrakt. Sollte sich Ronaldo – mit 154 Einsätzen Portugals Rekord-Teamspieler – entschließen, dass er schon jetzt seine internationale Karriere zu beenden, kann Santos‘ Pragmatismus der richtige Ansatz sein, oder aber genau der falsche. Dies ist eine Frage, die der portugiesische Verband für sich selbst beantworten wird müssen. Spätestens in zwei Jahren.

Deutschland: Zu selbstzufrieden und mit Wirbel

Da fliegt der Titelverteidiger nach der Vorrunde nach Hause und es wird über alles diskutiert, nur nicht über das Sportliche. Dass Sportdirektor Bierhoff und DFB-Präsident Grindel nun der Öffentlichkeit Özil nach dem Turnier als Sündenbock zum Fraß vorwerfen, nachdem sie selbst vor dem Turnier den Umgang mit den Erdogan-Fotos mit-verbockt haben. Über das teflon-hafte, überbordende Marketing-Blabla, mit dem Bierhoff das DFB-Team einhüllt. Darüber, ob es richtig ist, die Weiterarbeit von Löw einfach so durchzuwinken.

Tatsache ist jedenfalls: Dem Ballbesitz-Spiel fehlte die defensive Absicherung, weswegen Deutschland anfällig für Konter wurde. Das hat Mexiko gnadenlos ausgenützt, auch gegen Schweden geriet man deswegen in Rückstand. Das Offensivspiel an sich mit 67 Prozent Ballbesitz war gar nicht so sehr das Problem. Ja, man hatte Schwierigkeiten, massierte Defensiven wie jede der Schweden und der Koreaner auszuspielen. Aber: Der Expected-Goals-Wert ist der sechstbeste aller Teams in der Vorrunde. Mesut Özil spielte – wenn man alle Ressentiments bezüglich seines Verhaltens vor und während des Turniers beiseite schiebt  sich nicht von seiner Körpersprache täuschen lässt – ein sehr ordentliches Turnier. Andere aber nicht.

Sami Khedira war ein Haupt-Baustein der fehlenden Absicherung nach hinten. Thomas Müller wirkte überspielt und über seinem Zenit. Timo Werner konnte gegen destruktive Kontahenten sein Tempo nie ausspielen. Es gibt keinen Linksverteidiger von internationalem Format. Warnzeichen vor der WM in Form von mäßigen Testspiel-Auftritten wurden nicht als Warnzeichen erkannt, weil mäßige Testspiele eher die Regel als die Ausnahme sind. Selbst nach dem 0:1 gegen Mexiko und dem Last-Minute-2:1 gegen Schweden schimmerte die Einstellung durch, dass man natürlich gegen Südkorea den nötigen Sieg einfahren würde, weil man eben Deutschland ist.

Das Team, welches im Kern seit 2010 zusammen spielt, ist nun an seinem Ende angelangt. Mehr über Hintergründe und ein kleiner Ausblick auf die unmittelbare Zukunft gibt es HIER.

Wer hat gefehlt?

Italien und Holland. Die Probleme der Italiener, die nach langem Überlegen nun Robert Mancini als neuen Trainer installierten, haben wir HIER schon ausführlich dargelegt.

Neuer niederländischer Bondscoach ist seit einem halben Jahr Ronald Koeman. Der ehemalige Everton, der Ajax und Eindhoven schon insgesamt drei holländischer Meistertiteln geführt hat, steht vor einer Mammutaufgabe. Seit bald einem Jahrzehnt ist der ständige Strom an neuen Oranje-Talenten weitgehend versiegt – für vier der letzten fünf U-21-EM-Endrunden hat man sich nicht qualifiziert.

In der WM-Quali wirkte die von Danny Blind Elftal ungecoacht, beging elementare taktische Fehler, war leicht auszurechnen und relativ easy zu neutralisieren. Die Niederländer mit dem höchsten internationalen Profil sind derzeit ein Innenverteidiger (Virgil van Dijk) und  ein Spieler, der bei seinem ersten Anlauf in der Premier League gescheitert ist (Memphis Depay), dazu noch Georgino Wijnaldum. Große Stücke hält man auf Nachwuchs-Talent Tahith Chong – der 18-jährige Außenstürmer mit der wuscheligen Frisur wird bei Manchester United an Premier-League-Niveau herangeführt.

Das Minimalziel kann es nur sein, sich nach zwei verpassten Turnieren – sowas hat es bei den Niederlanden seit 30 Jahren nicht mehr gegeben – zumindest mal wieder für die WM 2020 zu qualifizieren.

So geht es weiter

Alle diese sieben Teams spielen im Herbst in der Top-Gruppe der neuen Nations League um den Sieg in diesem Bewerb und um eine Hintertür, sollte die 2019 gespielte EM-Qualifikation in die Binsen gehen.

Weltmeister Frankreich trifft in seiner Dreiergruppe auf Deutschland und die Niederlange. Belgien bekommt es mit Island und der Schweiz zu tun. Europameister Portugal trifft auch Italien und Polen. Und schließlich muss Kroatien gegen England und Spanien antreten.

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Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/ https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/#comments Thu, 12 Jul 2018 09:26:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15018 Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz weiterlesen ]]> Ein unermüdlicher Gastgeber. Drei skandinavische Teams, die das zufrieden sein dürfen. Und drei Teams, sie sich mehr erhofft haben. Europas „zweite Reihe“ bei dieser WM – also Russland, Schweden, Dänemark, Island, die Schweiz, Serbien und Polen – hat dazu beigetragen, dass es die die UEFA-Teams eine so starke Bilanz vorzuweisen hat.

1,97 Punkte pro Spiel haben die 14 europäischen Teams in der Gruppenphase (also in jenem Abschniss in dem noch alle Teilnehmer im Turnier sind) erreicht. In den letzten 36 Jahren war er nur einmal noch mehr (2006). Das ist nur möglich, wenn auch die vermeintlich Kleinen relativ tief in den Punktetopf greifen.

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LINK-TIPP: Europas zweite Reihe bei der WM 2014

Russland: Limitiert, unermüdlich, diszipliniert

Was macht man, wenn man nicht kicken kann? Man lässt es bleiben. So könnte man die Herangehensweise des Gastgebers beschreiben. Spielerisch waren die russischen Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 (jeweils raus in der Vorrunde) am Ärmlichkeit kaum zu überbieten gewesen. Also verzichtete man unter dem ehemaligen Tirol-Coach Stanislav Tcherchessov einfach daruf, die Kugel zu haben.

Mit 39 Prozent Ballbesitz hatte man den drittniedrigsten Wert aller Teilnehmer. Und: Man lief. Ohne Unterlass. Die fünf Spieler, die nach dem Viertelfinale die meisten Kilometer an dieser WM abgespult haben, waren allesamt Russen. Einer davon, Abwehr-Chef Ignashevitch, ist 38 Jahre alt. Anders als die Kroaten – die ebenfalls 510 Minuten, also fünf Spiele mit zwei Verlängerungen absolviert hatten – zeigte sich bei den Russen allerding keine Anzeichen von Ermüdung. Angesichts der unrühmlichen Rolle, die Russland in Sachen Doping spielt, ist all dies zumindest erwähnenswert. Zumal Tcherchessov verschmitzt grinste, als er in Interviews vom „guten Programm in der Vorbereitung“ sprach.

In jedem Fall aber schaffte es Tcherchessov, eine ausgesprochen disziplinierte Truppe auf den WM-Rasen zu stellen. Schwächen in Eröffnung (Kutepov überließ den ersten Pass fast immer Ignashevitch, der seinerseits keine Koryphäe ist) wurden mit den starken Außenspielern Fernandes (rechts) und Tcherishev (links) kompensiert. Der noch relativ junge Roman Sobnin zeigte starke Übersicht, Torhüter Akinfejev machte fast keine Fehler.

Und vor allem: Die Chancenverwertung war absolute Weltklasse. In Vorrunde erspielte sich Russland in drei Matches einen mäßigen Expected-Goals-Wert von 2,9 Toren (Platz 24 von 32, laut 11tegen11), traf aber achtmal ins Schwarze. Es wurden vor allem beim 5:0 gegen Saudi Arabien und beim 3:1 gegen Ägypten zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein wenig Abschlussglück war auch dabei.

Systematsich blieb Tchertchessov dem 4-4-1-1 mit Ausnahme des Achtelfinales gegen Spanien (5-4-1) durchwegs treu, unabhängig vom Personal. Angesichts der mangelnden Qualität hat Russland ein sehr vorzeigbares Turnier absolviert.

Schweden: Altbacken zum Favoritenschreck

Heimsieg in der Qualifikation gegen Frankreich. Holland eliminiert, Italien eliminiert, gegenüber Deutschland die WM-Gruppenphase überstanden. Die Schweiz niedergerungen. Und erst im Viertelfinale an England gescheitert. Mit Spielern von deutschen Absteigern, englischen Zweitligisten, russischen Mittelständlern und der Scheich-Liga aus den Emiraten.

Dieses Team muss doch etwas ganz besonders machen. Oder? Nein. Schweden ist weiterhin das Vorzeige-Team, was biederen, aber gut aufeinander abgestimmten 4-4-2-Fußball angeht. Einziger Unterschied zu den letzten Turnieren: Zlatan ist nicht mehr da.

Norrköpings Meistertrainer Janne Andersson hat vor zwei Jahren das Teamchef-Amt übernommen, mit dem Auftrag, die Trekronor-Mannschaft in eine Zukunft ohne Ibrahimovic zu führen. Das hat er gemacht, und auf dem Weg auch noch einige U-21-Europameister von 2015 eingebaut – wie Lindelöf und Augustinsson, die Stamm sind. Wie Hiljemark und Thelin, die zu Joker-Einsätzen kamen. Wie Helander, der zumindest im Kader war.

Das schwedische Spiel ist sehr reaktiv und darauf ausgelegt, nicht in Rückstand zu geraten. Gegen Südkorea wurde den Schweden der Ball aufgedrängt, es brauchte einen Elfmeter zum 1:0-Sieg. Gegen Deutschland unterlag man erst tief in der Nachspielzeit. Mexiko riss man hingegen bei Kontern in Stücke und gewann 3:0. Gegen die Schweiz hatte man wieder weit unter 40 Prozent Ballbesitz, nützte aber eine von zwei Torchancen zum 1:0-Sieg.

Als man gegen England allerdings doch nach einer halben Stunde in Rückstand geriet, gingen schnell die Ideen aus. Mehr als zwei, drei mittelprächtige Torgelegenheiten gingen sich nicht mehr aus. So ist das Viertelfinale definitiv das Optimum, was aus dem Kader herauszuholen war. Vermutlich sogar mehr.

Dänemark: Glanzlos ins Achtelfinale

Danish Dynamite? Nein. Vom explosiven und temporeichen Spielstil der 1980er und 90er ist nichts mehr übrig. Selbst die pragmatischeren Nuller-Jahre unter Morten Olsen waren wesentlich einprägsamer als jenes Spiel, das Dänemark nun immerhin ins WM-Achtelfinale gebracht hat.

Dabei hatte Åge Hareide zu Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren einige spannende und teilweise spektakuläre Experimente abgeliefert, gerne auch mit dem potenziell genialen, aber oft nicht verlässlichen Højbjerg. Nur: Die Resultate passten nicht. Also wurde auf Sicherheit gespielt, back to basics, und das WM-Ticket wurde auf diese Weise noch gesichert. Mit einer sichere. Defensive und Tempo auf den Außenbahnen (Poulsen von Leipzig, Sisto von Celta Vigo, Braithwaite von Bordeaux). Und mit Christian Eriksen, der für die individuellen Momente sorgen soll. Viel mehr hatte Dänemark bei der WM nicht zu bieten.

Im Turnierverlauf ging mit Andreas Christensen auch noch ein Innenverteidiger auf die Sechs (für den verletzten Kvist). Die Dänen spielten sich in allen ihren vier Spielen praktisch keine nennenswerten Torchancen heraus, ließen aber auch nicht viel zu. So besiegte man Peru mit 1:0 und holte gegen Australien den nötigen Punkt. Im Achtelfinale gelang es durch Mannorientierungen sehr gut, Modrić und Rakitić zu neutralisieren. Den Kroaten war man dann erst im Elfmeterschießen unterlegen.

Es ist das beste WM-Abschneiden seit 2002, als es ebenfalls ins Achtelfinale gegangen ist. Dem ließ man damals zwei Jahre später ein EM-Viertelfinale folgen. Das wäre diesmal aus heutiger Sicht eher eine Überraschung. Dänemark ist eine solide Truppe, die kaum Fehler macht. Die individuelle Qualität in der Breite war früher aber deutlich höher.

Schweiz: Am gläsernen Plafond

Warum geht es im entscheidenden Moment immer schief? Wo sind die vermeintlichen Führungsspieler? Halten wir Beobachter die Nati und sie sich auch selbst für besser, als sie ist? Die Schweizer Medienlandschaft ging nach dem Achtelfinal-Aus gegen Schweden sehr hart mit ihrem Team ins Gericht.

Das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei der WM 2018, der EM 2016 und der WM 2014 hat die Schweiz stets die Vorrunde überstanden, war bei sieben der letzten acht Großturniere qualifiziert. Aber das Achtelfinale scheint eine gläserne Decke zu sein, welche nicht durchbrochen werden kann. Auch diesmal präsentierten sich die Eidgenossen als renitenter Gegner für die Großen (wie beim 1:1 gegen Brasilien) und als kampfstark in offenen Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe (wie beim 2:1 gegen Serbien).

Gegen Costa Rica (2:2) und im Achtelfinale gegen Schweden (0:1) zeigte sich aber auch, dass gegen defensiv eingestellte Kontrahenten ein wenig das Tempo und die Kreativität fehlt. In diesen beiden Partien hatten die Schweizer jeweils über 60 Prozent Ballbesitz. Aber vor allem gegen Schweden keine einzige gute Torchance. Damit ist dieses Schweizer Team – in dem auch die Mischung zwischen Routine und Jugend stimmt – gehobener Durchschnitt, der eigentlich nie patzt, aber die Erwartungen auch nie übertrifft.

Serbien: Überwiegend sich selbst geschlagen

Der Schweizer Gruppengegner Serbien ist dafür vor allem an sich selbst gescheitert. An einem völlig unnötigen Trainerwechsel, einem peinlichen Hickhack zwischen Verband und sportlicher Leitung. Den eigenen Nerven. Und, ja, ein wenig auch an Referee Felix Brych.

Die taktisch punktgenau eingestellte und fast immer sehr gut funktionierende Truppe, die Ex-Teamchef Slavoljub Muslin in der Qualifikation auf die Beine gestellt hat, wich unter seinem (bestenfalls) unerfahrenen Nachfolger Mladen Krstajić einem ziemlich gewöhnlichen, teilweise uninspirierten Spiel. Jetzt ist zwar Sergej Milinković-Savić drin (auf den Muslin zum Ärger des Verbands konsequent verzichtet hatte), aber es ist im Gegenzug alles weg, was Serbien zuvor stark gemacht hatte.

Dabei zeigten die ersten 20 Minuten gegen die Schweiz, dass viel mehr in diesem serbischen Team steckte, als es in der überwiegenden Mehrheit der anderen 250 Vorrunden-Minuten zeigte. Aber selbst in diesem Match wurde man viel zu früh viel zu passiv, überließ den Schweizern die Initiative, ohne selbst defensiv sicher genug zu stehen. Der verweigerte Elfmeter beim Stand von 1:1 war sicher ein schwerer Schlag, alleinschuldig an der Niederlage und dem damit verbundenen frühen (De-Facto)-Ausscheiden ist er aber nicht.

Zu wenig Substanz war beim 1:0-Sieg über Costa Rica, durch einen Freistoß gesichert, zu sehen. Gegen Brasilien gab es starke zehn Minuten in der zweiten Hälfte, aber viele Spieler schienen sich schon von Vornherein mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens abgefunden zu haben.

Serbien ist vor drei Jahren U-20-Weltmeister geworden, hatte immer talentierte Spieler. Milinković-Savić wird weiter reifen, Milenković und Veljković können ein sehr gutes Vertedigier-Duo werden. Mitrović ist kein Edel-Kicker, aber als kopfballstarke Kampfsau recht brauchbar. Fünf Weltmeister – neben Milinković-Savić (Lazio) auch Gaćinović (Frankfurt) und Veljković (Bremen) sowie Živković (Benfica) und Torhüter Rajković (Maccabi Tel-Aviv) – sind in ihren Klubs Stammkräfte und werden das Nationalteam noch ein Jahrzehnt tragen können.

Island: Die eigenen Mittel ausgeschöpft

Die Nordmänner von der Atlantik-Insel zeigten auch bei ihrem zweiten Turnier auf Erwachsenen-Level (2011 war der Kern dieses Teams ja bei der U-21-EM und hat in der Qualifikation die Deutschen eliminiert) ihr typisches Spiel. Wenig Ballbesitz (nur der Iran hatte weniger), viel Kampfkraft. Keine technischen Schmankerl, dafür jede Menge Disziplin.

Auf diese Weise hielt man Argentinien im ersten Spiel bei einem 1:1. Damit war der Ausflug nach Russland schon ein großer Erfolg. Gegen die spielerisch ähnlich limitierte Truppe aus Nigeria ließ man sich nach einer torlosen ersten Hälfte ein wenig locken und lief in zwei Konter. Gegen die kroatische B-Formation hielt man stark dagegen und war auf dem Weg zu einem weiteren Punkt, der Island erst durch das 1:2 in der Nachspielzeit entrissen wurde.

Wieder sorgte Island für große Begeisterung bei den Landsleuten – 10 Prozent der Insel-Bevölkerung war in Russland dabei, der Rest saß daheim zu 99,6 Prozent vor den TV-Schirmen. Wieder wurde Island, der einwohnerschwächste WM-Teilnehmer aller Zeiten, zum Darling der neutralen Fans. Und wieder, wie schon bei der EM, ließ Island die Zungen der Puristen nicht direkt höher schlagen. Fußballerisch ist Island weiterhin öde und nichts für Feinschmecker.

Andererseits: Island hat etwa so viele Einwohner wie Graz. Dass sich dieses Team nun für die WM 2018 und die EM 2016 qualifiziert hat, dazu für die WM 2014 erst im Playoff gescheitert ist, ist aller Ehren wert. Wie lange der Run anhält, ist aber die Frage: Fast alle maßgeblichen Spieler stehen altersbedingt vor dem internationalen Karriere-Ende. Da wird sich zeigen, was die vor dem Crash der Staatsfinanzen aufgebaute Hallen-Infrastruktur kann.

Polen: Zu viel hängt an Lewandowski

So schön hatten sich die Polen das geplant: Keine Testspiele absolvieren, dadurch im FIFA-Ranking klettern, aus dem ersten Topf in eine machbare WM-Gruppe gelost werden und dann in Russland lässig weit kommen.

Bis auf den letzten Punkt hat das wunderbar funktioniert. Aber der etwas langweilige Zweck-Fußball, den die Polen schon beim Lauf ins EM-Viertelfinale vor zwei Jahren gezeigt hatte, wurde diesmal von den Gegnern durchschaut. Nachdem der Senegal vor allem wegen höherer geistiger Beweglichkeit gegen die Polen gewonnen hatte, warf Teamchef Nawałka im zweiten Spiel alles über den Haufen.

Das 3-4-3 funktionierte vorne wie hinten nicht. Wie gegen den Senegal war das alleine auf Robert Lewandowski ausgerichtete Offensiv-Spiel viel zu leicht zu unterbinden. Nun aber – und das noch dazu gegen ein besseres Team als es jenes aus dem Senegal war – brach auch die Defensiv-Ordnung auseinander. Kolumbien konnte gar nicht fassen, wie viel Raum die Polen anboten. Nach dem 0:3 war für Polen alles vorbei. Wie schon 2002 und 2006, bei den letzten Teilnahmen, nach dem zweiten Spiel. Der abschließende Sieg gegen die auf Resultat pokernden Japaner war nur noch Kosmetik.

Taktgeber Grzegorz Krychowiak wirkte nach einer Saison, in der sein Passspiel bei West Bromwich verkümmerte, als ob er alles verlernt hatte. An Piotr Zieliński, der bei Napoli Teil einer offensivstarken Kurzpass-Maschine ist, liefen die Spiele vorbei. Und hinten fehlte der angeschlagene Kamil Glik (der erst wirklich spielen konnte, als alles zu spät war) deutlich.

Nun endet die Ära Nawałka. Trotz des frühen WM-Aus war es die erfolgreichste Zeit seit den 1970er- und frühen 80er-Jahren (Olympia-Gold und -Silber, zweimal WM-Dritter). Sich für aufeinanderfolgende EM- und WM-Turniere zu qualifizieren, war Polen davor erst ein einziges Mal gelungen. Nawałkas Nachfolger Jerzy Brzęczek (ja, der frühere FC-Tirol-Spieler) wird Lösungen für die Abhängigkeit von Robert Lewandowski finden müssen.

So geht es weiter

Im Herbst beginnt die Nations League. Die Schweiz, Polen und Island sind in der A-Gruppe und könnten diese damit theoretisch sogar gewinnen. Eher aber wird es für diese Teams darum gehen, sich ein Sicherheitsnetzt für die EM-Qualifikation aufzubauen. Wird diese in der eigentlichen Qualifikation (von März bis November 2019) verpasst, gibt es für vier Teams pro Leistungsstufe die Chance auf jeweils ein weiteres Ticket.

In der A-Gruppe sind eben die Schweiz, Polen und Island. In der B-Gruppe kommen neben den WM-Teilnehmern Russland, Schweden und Dänemark beispielsweise auch Österreich, Tschechien und die Türkei zum Einsatz. Serbien schließlich ist in der C-Gruppe eingeteilt, ebenso wie Ungarn, Griechenland, Schottland und Rumänien.

Das klingt auf dem Papier alles furchtbar kompliziert, dürfte in der Praxis aber realtiv leicht zu durchschauen sein. Und eines ist in jedem Fall klar: Für jeden der sieben „kleineren“ europäischen WM-Teilnehmer wäre es eine Enttäuschung, die 2020 in ganz Europa ausgetragene EM zu verpassen.

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10 Erkenntnisse der EURO 2016 in Frankreich https://ballverliebt.eu/2016/07/11/10-erkenntnisse-der-euro-2016-in-frankreich/ https://ballverliebt.eu/2016/07/11/10-erkenntnisse-der-euro-2016-in-frankreich/#comments Mon, 11 Jul 2016 14:20:28 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12774 Werden wir unseren Enkelkindern noch von diesem Turnier erzählen? Naja, eher wahrscheinlich nicht. Die EM 2016 war über weite Strecken eine ziemlich zähe Angelegenheit. Warum das so war und noch weitere Erkenntnisse der EM-Endrunde analysieren wir an dieser Stelle.

1.: Passender Sieger

Wir erinnern uns: Die EM 2004 war eine von zuweilen bedingungslocken Attacke-Fußball geprägte Veranstaltung, die letztlich vom einzigen Team gewonnen wurde, das sich ganz exakt auf jede einzelnenen Gegner eingestellt hat und die Vorgaben präzise umgesetzt hat – den Griechen (die übrigens oftmals deutlich offensiver spielten, als das in Erinnerung ist). Ein Gegensatz also.

Portugal hat nun auf eine sehr ähnliche Art und Weise gewonnen: Mit einer wahren Meisterleistung der defensivtaktischen Disziplin wurden im Achtelfinale Modric und Rakitic aus der kroatischen Gleichung genommen; man ließ Krychowiak nie das polnische Viertelfinal-Spiel diktieren, und eliminierte durch konsequentes Einkesseln im Halbfinale die Pässe von Joe Allen – womit Wales nach der Ramsey-Sperre gar nichts mehr zu Stande brachte.

Damit passt der Europameister Portugal zu einem Turnier, das sich vor allem über sehr solide, aber wenig aufregende Defensiv-Strukturen bei vielen Teams definieren lässt.

2.: Die Antwort auf den Ballbesitz-Fußball

Die letzte EM 2012 stand im Zeichen des Versuchs, sich des spanischen Ballbesitz-Fußballs zu erwehren. Es war dies die ausgehende Blütezeit des Guardiola-Barcelona, das fast eins zu eins auch in die spanische Nationalmannschaft übertragen wurde. Schon damals wurde deutlich: Teams, die ausschließlich den Druck am Strafraum absorbieren wollen (wie Frankreich im Viertelfinale), haben keine Chance – wenn doch mal ein Ball durchkommt, und das kann man nicht 90 Minuten verhindern, ist der Gegner sofort vor dem Tor.

Wer aber schon weiter vorne zumacht – also nicht vor den Stürmern, sondern vor dem Mittelfeld – schaut wesentlich sicherer aus (wie Italien in der Gruppe und vor allem Portugal im Semifinale). Diese Elemente wurden 2014 noch mit dezent eingesetzten Manndeckungen im Mittelfeld versehen (vor allem Holland machte das sehr auffällig).

Auf den Punkt gebracht: Hat man zuvor versucht, den Mittelfeld-Kreativen die Anspielstationen in der Spitze zu nehmen, wird nun versucht, schon die Mittelfeld-Kreativen aus dem Spiel zu nehmen.

Das sieht dann so aus wie in diesem Turnier: Viele Teams, die vor der Abwehr-Kette eine weitere Kette installieren, deren klare Aufgabe es ist, die Spielgestalter (die, wir wir wissen, heutzutage zumeist nicht mehr auf der Zehn daheim sind, sondern eher auf der Sechs und der Acht) zu neutralisieren – mit Manndeckungen (wie Portugal, Ungarn und zuweilen auch Nordirland), mit einer generell für die Spielweise relativ hohen Linie (wie Island das v.a. gegen England meisterhaft gespielt hat), mit giftigem Anlaufen (wie z.B. Rumänien), mit Kampfkraft und Wille (wie Irland) oder einer Mischung dieser Elemente.

3.: Weniger Pressing

Ebenfalls ein Feature des spanischen Ballbesitzspiels – das ja eigentlich die ultimative Form des Defensiv-Fußballs war – das Pressing. In den Jahren nach 2008 entstand nach und nach in fast ganz Europa sogar ein gewisser Pressing-Fetisch, der (wenn auf niedrigerem Niveau versucht, wie etwa in der österreichischen Liga) auch ins Gegenteil umschlagen kann und nur die Ungenauigkeit erhöht.

Außerdem geht ein wildes Pressing über den ganzen Platz – wie von Klopp-Dortmund zwischen 2010 und 2012 gezeigt, aber auch in den ersten zwei, drei Koller-Jahren beim ÖFB – irrsinnig an die Substanz. Die Folge: In den letzten Jahren, vor allem aber seit der WM 2014, geht die Pressing-Welle wieder zurück. In Brasilien damals wurden wegen der klimatischen Bedingungen nur nur kurze Pressingwege gesetzt und die Formationen entsprechend angepasst (wie beim 3-5-2 von Mexiko zum Beispiel).

Nach einer körperlich und geistig sehr anstrengenden Saison und noch dazu wenig Zeit, sichere Pressing-Formationen einzuüben, verzichteten fast alle EM-Teams auf ein heftiges Pressing, um die gegnerische Spielgestaltung zu verhindern, sondern setzen eben vermehrt auf Mannorientierungen.

Auch dadurch wirkt das Spiel auf den Zuseher zurückgenommener und weniger energiegeladen, als man das in den letzten sechs bis zehn Pressing-Jahren gewohnt war. Allenfalls ein Gegenpressing nach Ballverlust ist immer noch zu sehen.

4.: Klare Trennung aktiv / reaktiv

So gut wie alle Spiele folgen dem selben Muster: Ein Team versucht, etwas zu kreieren, das andere versucht, dies zu verhindern. Die Matches, die man tatsächlich als offene Schlagabtäusche bezeichnen kann, sind an einer Hand abzuzählen (Deutschland-Italien, Kroatien-Spanien, Portugal-Ungarn… viel mehr war nicht).

Weil es leichter ist, einen guten Defensiv-Plan auszuarbeiten und umzusetzen und es entsprechend vielen reaktiven Teams gut geland, die aktiven zu neutralisieren, wurden so viele Spiele so zäh und durch die schiere Masse der vom Grundprinzip immer gleichen Partie das ganze Turnier so mühsam.

Und es wurde auch deutlich: Bei den Teams, die tatsächlich das Spiel selbst gestalten wollen, braucht es hohe Qualität und auch eine gewisse Routine auf hohem Niveau, um damit auch durch zu kommen. Das hat etwa Deutschland, Kroatien und Frankreich. Andere scheitern, wie das radikal verjüngte englische Team, die Quasi-Neulinge Österreich und die mäßig bzw. schlecht gecoachten Teams aus der Schweiz und Belgien – weil ihnen die innere, nur über Routine zu gewinnende Sicherheit fehlt, oder weil sie sich zu viel auf die individuelle Klasse verlassen.

Damit kommen jene Underdogs weit, die sich eines extrem simplen Fußballs bedienen (Island vor allem, auch Polen) – und die, die etwa nicht ganz Übliches zeigen.

5.: Unübliche Pläne werden belohnt

Immer mehr Teams weichen markant von der Norm des seit einem Jahrzehnt vorherrschenden 4-2-3-1 mit 4-4-2-Tendenzen ab, fast alle eher aus pragmatischen als aus dogmatischen Überlegungen, und im Grunde wurden auch alle für den Mut zur Norm-Abweichung belohnt.

Bei Wales ging es darum, die drei starken Mittelfeld-Leute Ramsey, Allen und Ledley allesamt einsetzen zu können und gleichzeitig Gareth Bale einen gewissen Freiraum zu gewähten. Ähnlich bei Italien: Es gibt drei Weltklasse-Innenverteidiger (die Conte schon bei Juventus zur Dreierkette zusammen gespannt hat), aber vor allem nach den Ausfällen von Verratti, Marchisio und Montolivo nur die zweite Garde im Zentrum. Also wurd um die Problemfelder herumgespielt.

Bei Nordirland spielte (wenn eine Fünferkette auf dem Feld war), der zentrale Abwehrspieler (McAuley) den Manndecker, dafür deckten seine Nebenleute im Raum ab. Auch die Umstellung von Joachim Löw auf eine deutsche Dreierkette gegen Italien passte perfekt; und sein Rückgriff auf das 4-1-4-1 der WM (mit Khedira und Kroos vor Schweinsteiger und Özil auf dem Flügel) gegen Frankreich war grundsätzlich ein guter Griff, der nur von individuellen Schnitzern torpediert wurde.

Diese Abweichler haben allesamt mehr erreicht als ihnen vor dem Turnier zugetraut wurde. Bis auf Deutschland natürlich, aber als Weltmeister kann man Erwartungen ja auch schwer übertreffen.

6.: Echte Stars ordnen sich unter

Ob Cristiano Ronaldo oder Gareth Bale, ob Robert Lewandowski oder Marek Hamsik: Individuelles Genie ist immer noch wichtig und kann in engen Spielen entscheidend sein; aber jeder stellte sich voll in den Dienst der Mannschaft und tat alles, um die taktischen Vorgaben bestmöglich umzusetzen.

Dass es wenige spektakuläre Einzelaktionen der Ausnahmekönner gab, sondern sie sich wie selbstverständlich als Teil der Mannschaft sahen und sich auch im Verbund so verhielten, trug zusätlich zur durchschnittlichen Wahrnehmung des Niveaus bei. Spektakuläre Solos der Marke Messi, Maradona oder Robben gab es nicht.

Kaum jemand fiel wirklich aus diesem Muster raus. Eventuell kann man Eden Hazard nehmen, der zwar einige glänzende Aktionen hatte, aber in einer geteilten Mannschaft nicht gerade als Integrationsfigur glänzte – trotz Kapitänsbinde. Bei Zlatan Ibrahimovic fehlte einfach die Qualität der Mitspieler, bei Arda Turan genauso.

7.: Schlechtes Coaching verliert Spiele

Ja, eh klar, das war in Wahrheit schon immer so. Aber es war nie so wahr wie heute: War es früher noch möglich, dass individuelles Genie ein schlecht gecoachtes Team retten kann – oft auch über mehrere Runden hinweg – geht das nun endgültig nicht mehr.

Parade-Beispiel dafür war Belgien: Ein vor Klasse und Talent nur so strotzender Kader, aber ein Tölpel auf der Trainerbank. Das geht sich gegen deutlich schwächer besetzte Teams wie Irland, Schweden und Ungarn noch aus, aber wenn dann gut vorbereitete Gegner kommen (wie Italien oder Wales), geht sofort das Licht aus.

Bei Erik Hamrén (der nun endlich seinen Job als schwedischer Coach los ist) ist seit zwei, drei Jahren deutliches Desinteresse zu spüren; bei Pavel Vrbas Tschechen gab es keine Abstimmung im Zentrum. Auch Roy Hodgson – einer der größeren Innovatoren in den 1980ern und 90ern – befindet sich nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

8.: Aufstockung und Modus

Es ist nicht so, dass iie Erweiterung des Turniers von 16 auf 24 Teams einen größeren Haufen von minderbemittelten Teams zum Turnier brachte – ein, zwei Teams, die deutlich abfallen gab es auch bei den 16er-Turnieren immer – aber eben mehr, die ihr Heil vornehmlich in der Abwehr-Arbeit suchen. Die Teams 17 bis 22 ziehen das Niveau nicht dramatisch runter.

Sehr wohl drückte aber der Modus auf die Risikobereitschaft einiger Teams in der Gruppenphase. Es ist nicht so wie früher, als man bei der WM 1986 sogar mit zwei Remis und einer Niederlage noch als besserer Dritter ins Achtelfinale kam (Uruguay und Bulgarien bedanken sich bei der Zweipunkte-Regel). Aber vor allem jene Teams, die im ersten Durchgang verloren haben, müssten im zweiten Spiel schon einiges riskieren, um im Rennen um die Top-2 zu bleiben.

Rumänien hätte gegen die Schweiz mehr machen müssen, Tschechien gegen Kroatien genauso, Österreich gegen Portugal detto. Und auch im dritten Durchgang hätten diverse Teams deutlich mehr für das Achtelfinale tun müssen als die Slowaken beim 0:0 gegen England, beispielsweise. Dass es in der K.o.-Phase vermehrt um Sicherheit geht, ist wiederum logisch und war auch bei 16er-Turnieren nicht anders.

Was es bei einem 24er-Feld für Alternativen gäbe? Zwei Varianten drängen sich auf. Zum einen vier Sechsergruppen. Der Modus wäre geradliniger, aber es gäbe viele bedeutungslose Spiele gegen Ende der Gruppenphase. Oder, wie bei der WM 1982, dass die Top-2 jeder Gruppe in eine Zwischenrunde mit vier Dreiergruppen gehen, deren Sieger im Semifinale stehen.

Nimmt man den Modus von 1982 her, hätten die Zwischenrunden-Gruppen 2016 übrigens so ausgesehen: Gruppe 1 mit Frankreich, Deutschland und Island. Gruppe 2 mit Wales, Kroatien und Belgien. Gruppe 3 mit Polen, Schweiz und Ungarn. Gruppe 4 mit Italien, Spanien und England. Klingt spaßig, eigentlich – weil man gewinnen muss, und es nicht reicht, nicht zu verlieren.

9.: Mentale Müdigkeit

Besonders auffällig war es bei den drei EM-Feldspielern, die bei den Bayern quasi die Saison durchspielen mussten – Müller, Alaba und Lewandowski: Sie wirkten überspielt, mental müde, deutlich nicht auf der Höhe ihres Schaffens. Alle haben sie an die 5.000 Pflichtspiel-Minuten in den Beinen, noch dazu im geistig anspruchsvollen Guardiola-Stil.

Allerdings: Es war nicht so wie zum Beispiel bei der WM 2002, wo nach einer auf 17 Spiele aufgeblähten CL-Saison, einem ungewöhnlich frühen WM-Start schon in Mai und der klimatischen Bedingungen so gut wie niemand in guter Form zur Endrunde kam. Vom Bayern-Trio abgesehen, waren es bei praktisch allen Teams und Spielern eher taktische und individuelle Schwächen als plötzliche geistige Langamkeit. Allerdings: Torschützenkönig Antoine Griezmann hat zwar mehr Einsätze in den Beinen als das müde Bayern-Trio, aber fast 700 Pflichtspiel-Minuten weniger.

Für Thomas Müller wäre es also besser gewesen, er wäre noch ein wenig häufiger ausgewechselt worden. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich Peps Spieler von Manchester City bei der WM 2018 präsentieren.

10.: Starke Referees

Bei WM-Turnieren regelmäßig ein Quell von Ärgernis, aber bei EM-Endrunden oft sehr solide: Diese Schiedsrichter-These bestätigte sich wieder. Die 18 Schiedsrichter in Frankreich waren fast nie ein wirkliches Thema, selbst die schwächsten Leistungen waren schlimmstenfalls mäßig (wie Cakir bei Italien-Spanien, wie Velasco Carballo bei Kroatien-Portugal oder wie Turpin bei Österreich-Ungarn), aber keineswegs skandalös.

Nun wissen wir zwar spätestens seit Brasilien 2014, dass eine gute Liga noch lange kein Garant für gute Referee-Leistungen bei Endrunden ist und eine kleine Liga nicht heißt, dass man automatisch einen überforderten Schiedsrichter stellt. Aber das permanente Stahlbad Champions League sowie die hervorragende Betreuung inklusive taktischer Vor- und Nachbereitung beim EM-Turnier minimiert die Chance von völligen Fehlleistungen.

Genauso wie vernünftige Vorgaben und der bewusst nicht-profilierungssüchtige Führungsstil von UEFA-Referee-Chef Pierluigi Collina, der in völligem Gegensatz zu seinem FIFA-Gegenstück Massimo Busacca steht.

So geht es weiter

In anderthalb Monaten startet Europa als letzter Kontinent in die Qualifikation für die WM-Endrunde in Russland 2018. Europameister Portugal bekommt es dabei mit der Schweiz und Ungarn zu tun; Frankreich mit Holland und Schweden; Deutschland mit Tschechien und Nordirland; Spanien mit Italien und Albanien. 13 UEFA-Teams werden gemeinsam mit dem Gastgeber in Russland dabei sein.

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Die Vorrunden-Verlierer: Viele Ost-Teams, viele einfallslose Truppen https://ballverliebt.eu/2016/06/24/die-vorrunden-verlierer-viele-ost-teams-viele-einfallslose-truppen/ https://ballverliebt.eu/2016/06/24/die-vorrunden-verlierer-viele-ost-teams-viele-einfallslose-truppen/#comments Thu, 23 Jun 2016 22:13:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12701 Die Vorrunden-Verlierer: Viele Ost-Teams, viele einfallslose Truppen weiterlesen ]]> Die Vorrunde ist vorbei, die ersten acht Teams haben sich aus der Europameisterschaft verabschiedet. Bei den meisten konnte man damit rechnen, schon in der ersten der geplanten drei Teamanalyse-Teile vertreten zu sein, andere (von denen man es auch erwartet hatte), haben sich zumindest in die zweite (die nach dem Achtelfinale kommt) gerettet.

Wenn man es vereinfacht sagen will: Viele Teams aus Osteuropa sind schon auf dem Heimweg, und vor allem viele Teams, die nicht wirklich wissen, wie sie selbst ein Spiel gestalten sollen.

Die Sorgenkinder mit der Heim-WM: Die heillosen Russen

Team RusslandIn zwei Jahren geht Russland in die Heim-WM – und nach dem furchtbaren Auftritt der Sbornaja lässt erwarten, dass man eher mit bangen Erwarten statt mit Vorfreude in das Turnier gehen wird. Russland war spielerisch eines der ärmlichsten Teams dieses Turniers.

Querpässe der Abwehr-Holzhacker Beresutzki und Ignashevitch, bis einer der beiden den Ball in die grobe Richtung des bulligen Stürmers Artom Dzyuba drischt: Sehr viel mehr war in fünf der sechs Halbzeiten „spielerisch“ nicht zu sehen. Am hektisch eingebürgerten Roman Neustädter und dem jungen Alexander Golovin (tatsächlich der einzige im Kader unter 25 Jahren) im defensiven Mittelfeld lief das Spiel komplett vorbei; Glushakov und Mamajev waren zumindest in der zweiten Hälfte gegen die Slowakei sinnvoll zu sehen – die einzigen guten 45 Minuten, die die Russen zustande brachten.

Der Kader ist vor allem im Defensiv-Bereich hoffnungslos überaltert und gereicht nicht mehr den Ansprüchen modernen Fußballs von internationalem Format. Auch weiter vorne gibt es kein wirkliches Entwicklungspotenzial mehr. Teamchef Leonid Slutski dankt ab und wird sich nun wieder ganz auf ZSKA Moskau konzentrieren – Sportminister und Verbands-Präsident Vitali Mutko muss also praktisch bei Null anfangen. Russland hat keinen Trainer, keine brauchbare Mannschaft, kaum nennenswerten Nachwuchs und eine Liga, die lieber auf bewährte Einheimische und Legionäre vertraut.

Zwei reichen nicht, Teil 1: Die punkt- und torlosen Ukrainer

Team UkraineDass auch eine UdSSR-Mannschaft dieser Tage weitgehend wertlos wäre, liegt auch daran, dass es dem ungeliebten Nachbarn der Russen aus der Ukraine kaum besser geht. Der Gastgeber von vor vier Jahren krachte ebenso wie damals in der Vorrunde raus, diesmal allerdings ohne einen Sieg (da gab’s 2012 immerhin ein 2:1 gegen Schweden) und sogar ohne ein einziges Tor erzielt zu haben.

Bei den Ukrainern stimmt zwar die Altersstruktur – drei Routiniers, eine Handvoll Jungspunde und viel zwischen 25 und 30 – aber dafür fehlt es an der Klasse. Die Konzentration auf die beiden Flügelstars Jarmolenko und Konoplyanka machte das Team sehr ausrechenbar, was vor allem die Nordiren und die Polen weidlich nützten: Sie überließen den Gelben einfach den Ball und sie konnten sich darauf verlassen, dass ihnen nichts damit einfällt, was nicht das Flügel-Duo involvierte. Das zu verteidigen ist keine Kunst.

Eine gute Viertelstunde gegen Deutschland gab es und man kontrollierte eine Halbzeit lang etwas unsortierte Polen, aber sonst war nichts los. Teamchef Fomenko nahm wie sein russischer Amtskollege Slutski den Hut, aber auch sein Nachfolger wird es schwierig haben. Zwar gibt es mit Sinchenko und Kovalenko hoffnungsvolle, wirklich junge Offensiv-Kräfte, aber in der Breite fehlt es an der Qualität – weil bei den beiden Spitzenklubs Dynamo Kiew und Shachtar Donetsk die Legionäre den sportlichen Ton angeben.

Ein Wort noch zu der Spielerei einer UdSSR-Mannschaft: Bis auf den Armenier Henrikh Mkhitayan käme auch aus den anderen altsowjetischen Republiken kein Spieler, der eine echte Aufwertung brächte. Eine Fußball-Krise ist also kein singuläres Thema, sondern ein generelles in diesem Kulturkreis. Es gibt keine fünf Spieler von internationaler Klasse aus dem Bereich der früheren Sowjetunion.

Zwei reichen nicht, Teil 2: Die knapp gescheiterten Türken

Team TürkeiEin ähnliches Phänomen wie bei der Ukraine zeigt sich bei den Türken: Wie die Ukrainer verfügen auch sie nur über zwei international höherklassige Spieler, der Rest des Teams besteht aus Spielern aus der eh okayen, aber in der Breite nur mittelmäßigen nationalen Ligen. Das reicht, um sich knapp aber doch zu qualifizieren (sowohl die Türkei als auch die Ukraine waren in der Quali Gruppendritte), aber nicht, um dort auch eine wirkliche Rolle zu spielen.

Schon im ersten Spiel gegen Kroatien wurde die limitierte Klasse des Teams offenbart (aber nicht wirklich bestraft), gegen die Tschechen gewann man auch eher nur, weil man besser aufeinander abgestimmt war als der Gegner, nicht, weil man wirklich besser gewesen wäre. Auch die für Terim ja üblichen Umstellungen halfen nicht immer: Gegen Kroatien wurde ohne Wirkung zweimal das System gewechselt, das 4-2-3-1 beim Sieg gegen die Tschechen allerdings tat dem Team merklich gut.

it dem Dänen Emre Mor, den man sich rechtzeitig vor der EM für das türkische Team gesichert hatte, gibt es ein absolutes Kronjuwel, das bei seinen Einsätzen schon die Gefährlichkeit angedeutet hat und bei Borussia Dortmund perfekt weiter geschult wird. Dafür deutet sich an anderer Stelle, nämlich in der Abwehr, in näher kommender Zukunft eine personelle Umstellung an. Womöglich findet man ja auch wieder außerhalb der Türkei neue Kräfte: Neben dem Dänen Mor und dem Holländer Oguzhan waren mit Balta, Calhanoglu und Stürmer Cenk Tosun auch drei Deutsche im Einsatz.

Unausgegoren und widersprüchlich: Die seltsamen Tschechen

Team TschechienAuch so eine Truppe, die wie die Russen tendenziell überaltert ist und über keine außergewöhnlichen Spieler verfügt, ist die aus Tschechien. Das sang- und klanglose Vorrunden-Aus ist aber aus mehreren Gründen etwas seltsam. Nicht nur, weil die Tschechen die Quali-Gruppe mit Island, der Türkei und Holland siegreich beendet hatten.

Einerseits spielte man die vermutlich disziplinierteste Leistung aller 24 Teams in der Vorrunde im Match gegen Spanien, wo der Abwehrverbund 90 Minuten lang praktisch überhaupt nichts zugelassen hat. Andererseits war es mit der Kompaktheit und dem gegenseitigen Aushelfen in der Raumaufteilung völlig vorbei, als man selbst etwas mehr tat und das Mittelfeld-Zentrum (vor allem im letzten Spiel gegen die Türken) eine an sich spannende und im Idealfall auch sicherlich wirksame Fluidität an den Tag legte. So einig man in der Defensive agierte, so sehr spielten die Tschechen nach vorne jeder für sich aneinander vorbei.

Was erstaunlich ist, denn Sparta Prag (wo die Flügelspieler Dockal und Krejci sowie Joker Sural unter Vertrag stehen) kam gerade wegen der taktischen Flexibilität ins Viertelfinale der Europa League. Außerdem fehlte es dem Team gerade an der Routine nicht. Rosicky ist 35, Plasil 34, die Abwehr-Leute Limbersky, Hubnik und Sivok 32, Sturm-Joker Lafata 34. Mittelfristig wird von der aktuellen Mannschaft nicht viel übrig bleiben.

Trainer Pavel Vrba hat nach seinen Erfolgen mit Viktoria Pilsen und der starken Qualifikation noch Kredit, der passive Auftritt gegen die Kroaten und der planlose gegen die Türken hat aber daran gekratzt.

Eh okay, aber halt harmlos: Die biederen Rumänen

Team RumänienNicht großartig, aber auch nicht dramatisch schlecht war der EM-Auftritt der Rumänen. Dass es dem Team eklatant an jeglicher Klasse in der Offensive fehlt, war vorher schon allen klar, dafür schlug man sich allerdings recht wacker. Man traute sich im Eröffnungsspiel, die Rumänen anzugehen und richtig zu ärgern und ließ gegen die optisch überlegenen Schweizer nicht so arg viel zu.

Die auf dem Papier recht mittelmäßige Verteidigung mit einem Serie-A-Reservisten, einem Endzwanziger aus Katar, einem ehemaligen Porto-Legionär auf Heimat-Karriere-Auskling-Tour und einem altersschwachen spanischen Absteiger machte wie schon in der Qualifikation (nur zwei Gegentore, allerdings in einer recht schwachen Gruppe) eine äußerst solide Figur.

Was letztlich zum Aus führte, war die fehlende Klasse im Vorwärtsgang. Mit einem Punkt und -1 Toren aus den beiden Spielen gegen Frankreich und die Schweiz war die Ausgangslage vor dem abschließenden Albanien-Spiel sehr akzeptabel; aber der bombensicheren und aufopferungsvoll kämpfendenDefensiv-Darbietung der Albaner stand Rumänien ziemlich ratlos gegenüber. Dem fälschlicherweise wegen angeblichen Abseits aberkannten vermeintlichen Ausgleich zum Trotz: Das war zu wenig.

So ist man zwar Gruppenletzter, hat sich aber im Rahmen der ziemlich begrenzten Möglichkeiten relativ ordentlich präsentiert. Das ist aber auch das Optimum, das der aktuellen Spielergeneration möglich ist – wie bei den Tschechen stehen auch bei den Rumänen zahlreiche Spieler recht unmittelbar vor dem internationalen Karriereende.

Quälender Zeitlupen-Fußball: Die alterschwachen Schweden

Team SchwedenDas internationale Karriereende hat mit dem schwedischen Aus in der Vorrunde nun auch Zlatan Ibrahimovic vor sich. Und nicht nur er: Neben dem bei Fast-Absteiger Sunderland zum Bankangestellten degradierten Seb Larsson und dem bei diesem Turnier einmal mehr völlig abgetauchten Markus Berg wird auch Zlatans Intimfeind Kim Källström, mit dem sich Zlatan abseits des Platzes nie vertragen hatte, unter dem neuen Teamchef Janne Andersson mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Chance mehr haben.

Gerade Källström war das Sinnbild für den Zeitlupen-Fußball, den das Trekronor-Team in Frankreich zeigt. Fehlende Kreativität, wie sie den Schweden seit vielen Jahren eigen ist, ist das eine. Aber wie sehr vor allem Källström in der Mitte praktisch immer jegliches Tempo auch aus potenziellen Gegenstößen genommen hat, war schon erstaunlich. Würde man sagen, er spielt wie einer, der sich aufs Altenteil in die Schweizer Liga zurückgezogen hat, wäre das eine Beleidigung für die Schweizer Liga.

Von den Jungen, die letztes Jahr U-21-Europameister wurden, durfte nur Abwehrspieler Victor Lindelöf als Stammkraft ran, John Guidetti war Joker, Oscar Lewicki nur einmal im Einsatz. Oscar Hiljemark (auf der Källström-Position daheim) sah sich alle drei Spiele von der Bank an, Linksverteidiger Ludwig Augustinussen ebenso. Der vermutlich talentiertste der Europameister, der potenziell großartige Alleskönner Simon Tibbling, war nicht einmal im Kader.

Nach dem Ende der Generation mit Ljungberg, Mellberg und Henrik Larsson vor acht Jahren steht nun der nächste Generationswechsel an – ähnlich wie bei Rumänien, bei den Tschechen und bei den Russen. Dass mit dem Abgang diverser Spieler und Förbundskapten Erik Hamrén auch die quälende Ideenlosigkeit seiner sechsjährigen Amtszeit vorbei ist, ist nicht ganz unwahrscheinlich.

Hinter den Erwartungen: Die verunsicherten Österreicher

ÖsterreichEine ausführliche Evaluierung, aber keine Palastrevolution – weder im Kader, noch auf der Trainerbank – steht nach dem enttäuschenden Auftritt von Österreich bei diesem Turnier an. Nach einer glanzvollen Qualifikation (28 von 30 möglichen Punkten) galt das Erreichen des Achtelfinals als absolutes Minimalziel, zumal man eine nicht gerade problematische Gruppe erwischt hatte.

Viele verschiedene Umstände führten dann aber dazu, dass praktisch nichts so klappte wie erwünscht. Coaching-Fehler, die Verletzung von Junuzovic und der Ausschluss von Dragovic führten zu einem 0:2 gegen Ungarn, die nach einer harzigen Vorbereitung angeknackste Psyche krachte nun in sich zusammen. Mit einer ungewohnten Defensiv-Taktik und einigem Glück trotze man den Portugiesen ein 0:0 ab, erst in der zweiten Hälfte des letzten Spiels gegen Island konnte man erstmals erahnen, wie dieses Team eine so starke Qualifikation gespielt hatte.

Hohe Erwartungshaltung (sowohl öffentlich als auch an sich selbst) traf auf gut eingestellte Gegner, Formschwächen von Schlüsselspielern (Alaba, Harnik), verletzte oder gerade genesene Spieler (Junuzovic, Dragovic, Janko). Der Teamchef traute sich, auf diese Umstände zu reagieren und experimentierte mit Spielanlage und System. Das ging auch nur teilweise auf.

Bis auf Keeper Almer und Wechselspieler Schöpf geht kein Österreicher als Gewinner aus dem Turnier raus, aber mehr als ein oder zwei Stammkräfte werden aus dem Team, das sich derzeit im besten Alter befindet, erstmal nicht rausfallen. Man wird personell nur punktuell verändert in die WM-Quali gehen.

Sich ordentlich verkauft: Die Albaner aus aller Herren Länder

Team AlbanienDas einzige in der Vorrunde ausgeschiedene Team, das mit einem zufriedenen Gefühl nach Hause fahren darf, ist jenes aus Albanien – wiewohl auch hier mehr möglich gewesen wäre. Ein wenig cooler gegen die in Überzahl implodierenden Schweizer, noch drei Minuten länger stand gehalten gegen die Franzosen, und die Albaner wären alles andere als unverdient in der nächsten Runde gestanden.

Natürlich war wie bei vielen Teams die Grundausrichtung eher defensiv, aber nicht so unterkühlt wie bei Island, nicht so planlos wie bei den Ukrainern. Man erwischte die richtige Balance aus taktischer Disziplin und feuriger Leidenschaft. Für viel mehr als einen vierdienten Sieg und zwei unglückliche Niederlagen reicht halt die individuelle Klasse halt nicht aus.

Außerdem haben das Team und dem vernehmen nach auch die Fans alles dafür getan, das aus der Qualifikation etwas ramponierte Image (Stichwort Fight Night von Belgrad) aufzupolieren. Das Team kämpfte hart, aber nie unfair (Canas Ausschluss war patschert, aber mehr nicht), ließ in keinem Spiel nach, wirkte geschlossen und kameradschaftlich; die Anhänger brachten bedingungslose und lautstarke Unterstützung, aber machten keine Troubles. So sind die Albaner auf jeden Fall ein gern gesehener Gast bei Turnieren (wiewohl es in der WM-Quali-Gruppe gegen Italien und Spanien, nun ja, eher schwierig wird).

Albanien und die nationale Jugendarbeit kann übrigens so gut wie nichts für den Aufschwung: Fast der halbe Kader (Abrashi, Ajeti, Aliji, Basha, Gashi, Kukeli, Lenjani, Veseli und Xhaka) ist in der Schweiz geboren und/oder aufgewachsen, Mavraj ist Deutscher, Memushaj Italiener, Kace Grieche. Kapitän Cana (der seine Teamkarriere beendet) und Goalie Berisha sind Kosovaren und wären ab sofort auch für die Kosovo-Auswahl spielberechtigt.

Fazit: Viel Biederheit ohne Idee nach vorne

Wer hat das Turnier also verlassen? Überwiegend biedere Truppen ohne echte Idee nach vorne (Russland, Ukraine, Rumänien, Tschechien, Schweden), Teams die von einigen wenigen Individualisten leben (Ukraine, Türkei), eine höher gehandelte Truppe, bei der viel zusammen gekommen ist (Österreich) und eine Mannschaft, die in jedem Bereich alles gegeben hat und nicht eigentlich nichts vorwerfen muss (Albanien).

Auf ins Achtelfinale also.

turnier

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Das verrückteste Jahr der Premier League https://ballverliebt.eu/2016/05/21/premier-league-leicester-tottenham-arsenal-arnautovic-fuchs-chelsea/ https://ballverliebt.eu/2016/05/21/premier-league-leicester-tottenham-arsenal-arnautovic-fuchs-chelsea/#respond Sat, 21 May 2016 09:10:45 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12450 Das verrückteste Jahr der Premier League weiterlesen ]]> Leicester und Tottenham um den Titel, City und United machen sich den letzten CL-Platz aus, Chelsea versinkt in der Bedeutungslosigkeit, Newcastle steigt ab: Zugegeben, auch wir haben die abgelaufene Saison in der Premier League nicht ganz exakt vorausgesagt.

Dafür blicken wir nun ausführlich zurück auf die ungewöhnlichste Spielzeit, die Englands höchste Liga seit sehr langer Zeit gesehen hat: Jedes der 20 Teams wird unter die Lupe genommen, vom Sensations-Champion Leicester bis zum heillos überforderten Aston Villa.

pl (cup an united)

Der Sensations-Meister

Team Leicester„Wir spielen mit einem Drei-Mann-Zenturm: Drinkwater in der Mitte und N’Golo Kanté links und rechts von ihm“, meinte Steve Walsh, Scouting-Chef von Leicester City, nur halb im Scherz. In der Tat ist der Titel des krassen Außenseiters vor allem auf grandioses Scouting und Top-Transfers zu einem Spar-Preis zurück zu führen.

Nur zwei Teams in der Premier League hatten noch weniger Ballbesitz, gar nur eine brachte noch weniger eigene Pässe an den Mann. Aber: Die defensive Grundstruktur mit zwei Kanten in der Abwehr ein einem Kanté davor, kombiniert mit schnellen Umschaltspielern und einem eiskalten Vollstrecker in Jamie Vardy war leicht zu durchschauen, aber vor allem im Frühjahr fast unmöglich zu knacken.

Zudem wusste jeder Spieler um seine Rolle und hielt sich an das von Claudio Ranieri vorgegebene Konzept. Zudem spielte Leicester die Saison de facto mit nur zwölf Spielern durch: Die beiden Cup-Bewerbe schenkte man ab, international war man eh nicht dabei und Verletzungen gab es auch keine. Das Resultat: Die sicherlich größte Sensation im modernen Fußball, Leicester City als englischer Meister – und das schon zwei Spieltage vor Saisonschluss.

Hier geht’s übrigens zu unserem Leicester-Spezial-Podcast.

Die „Jäger“ aus North London

Team TottenhamBis zu einem recht dramatischen Kollaps in den letzten drei Spielen sah Tottenham wie der sichere Vizemeister aus. Ähnlich wie Leicester spielte Mauricio Pochettino mit einem sehr kleinen Kreis an Spielern, aber anders als die Foxes mit einer sehr hohen Abwehr, einem für englische Verhältnisse recht aggressiven Pressing. Und man profitiert auch davon, dass die relativ junge Mannschaft diesen Stil auch bis fast bis zum Schluss durchhielt.

Der offensiv denkende Achter Dembélé, die quirligen Außenspieler Alli und Lamela – eigentlich beides verkappte Zehner – dazu die belgische Beton-Innenverteidigung mit Vertonghen und Alderweireld (und mit Kevin Wimmer, der nicht abfiel, als der den monatelang verletzten Vertonghen vertrat), mit Lloris einen der Top-Goalies in der Liga: Pochettino wurde seinem schon in Southampton erworbenen Ruf, ein ausgezeichneter Entwickler von Spielern zu sein, weiterhin auch in Tottenham gerecht.

Auch, wenn man am Ende noch von Arsenal abgefangen wurde: Die Spurs legten die Basis dafür, auch in den kommenden Jahren ein ernsthaftes Wort um den Titel mitzureden – das Team ist mit 25,0 Jahren im Schnitt das jüngste aller Mannschaften im erweiterten Spitzenfeld.

Team ArsenalBei den Nachbarn der Spurs steht mit dem zweiten Platz nominell die beste Endplatzierung seit elf Jahren zu Bruche. Aber war diese Saison für Arsenal wirklich besser als die davor? Eher nicht: Wieder gab es einen vielversprechenden Start, wieder gab es den Rückfall in den Wintermonaten, und wieder war die Konkurrenz längst enteilt, als man wieder zurück in die Spur fand. Kurz: Die Gunners treten weiter auf der Stelle.

Dabei hätten sie mit Mesut Özil den mit sehr viel Abstand besten Assistgeber der Premier League in ihren Reihen, mit Alexis Sánchez eine unberechenbare Waffe auf der Außenbahn, routinierte und sichere Verteidiger in Koscielny und Mertesacker, einen Weltklasse-Keeper in Petr Cech – und doch hat es Arsenal wieder geschafft, am Griff nach dem Titel deutlich zu scheitern.

Arsenal zahlte einmal mehr den Preis dafür, zu viele Punkte gegen gute Teams liegen gelassen zu haben: In den acht Spielen gegen Tottenham, West Ham, Liverpool und Southampton gab es keinen einzigen Sieg, hinzu kamen zwei Niederlagen gegen Chelsea. Wie ein ambitionierter, aber ein wenig zu schwachbrüstiges Kind, das sich am Schulhof nicht so recht durchsetzen kann. Und wenn es dann noch Niederlagen gegen Swansea und West Brom gibt und Punktverluste gegen Sunderland und Norwich…

United disappointment in the City of Manchester

Team Man CityNatürlich muss man erst einmal so weit kommen. Aber die hoffnungslos desinteressierten Auftritte von Manchester City im CL-Halbfinale gegen Real Madrid repräsentieren weite Teile der Saison: Ohne Elan, ohne Vision, ohne Kampf und ohne Spielwitz ließen die meisten Spieler der Citizens diese Spielzeit über sich ergehen. Dass es dennoch für den vierten Platz reichte, spricht für das grundsätzliche individuelle Potenzial (und gegen die Konkurrenz).

Heimniederlagen gegen Leicester, Tottenham, Liverpool, West Ham und Man United unterstreichen, dass City in dieser Saison vor allem als Flat Track Bully auftrat – Kantersiege gegen Abstiegskandidaten und Kellerkinder, aber plan- und oft auch lustlos, wenn qualitiativ hochwertigere Gegner kamen. Vor allem Yaya Touré spielte oft demonstrativen Standfußball.

Natürlich: Es gab auch Verletzungssorgen. Kompany fiel oft und lange aus, aber die Vertreter Mangala und (vor allem) Otamendi waren nicht das Problem. Agüero mühte sich nach Kräften, war aber von seinen Hinterleuten Silva (unkonstant), Navas (oft untergetaucht) und Touré (eine Gemeinheit) alleine gelassen. Nur Kevin de Bruyne, der sich im Frühjahr zunehmend ins Team gespielt hat, brachte so etwas wie Schwung in das statische Spiel der Citizens.

Immerhin holte City den Ligacup, übertrieben unglücklich wird über das Ende der dreijährigen Amtszeit den spröden Manuel Pellegrini aber keiner sein. Mit Pep Guardiola wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben.

Team Man UtdAuch auf der anderen Seite von Manchester wird man diese Saison so schnell wie möglich vergessen wollen – und, wenn es geht, nur noch als das Jahr in Erinnerung behalten, in dem sich Marcus Rashford, Jesse Lingard und Cameron Borthwick-Jackson etabliert haben. Und ja, auch die Neuerwerbungen Schneiderlin und Martial spielten ein ansprechendes Jahr.

Natürlich war der Beinbruch von Luke Shaw am Saisonbeginn ein schwerer Schlag. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Memphis Depay ein Desaster war (nur drei Torbeteiligungen in der ganzen Saison, keine einzige mehr seit November); dass Bastian Schweinsteiger körperlich kaputt ist (was man ja üüüberhaupt nicht vorher wusste); dass Marouane Fellaini selten auch nur Drittliga-Niveau erreichte. Auch die seltsam passive Spielweise von Van Gaal muss man nicht zwingend verstehen. Ohne jedes Risiko ließ man in vielen Spielen vor allem gegen defensivere Gegner die Zeit verstreichen und speziell nominell weniger gute Teams haben selbst im einst so gefürchteten Old Trafford nicht mehr so furchtbar viel zu befürchten.

Immerhin gewann United gegen Liverpool (2x), Arsenal, City und Tottenham. Dafür gab es blamable Niederlagen gegen Bournemouth, Norwich, Sunderland, West Brom und Swansea; dazu gab’s das Champions-League-Aus gegen ein wirklich nicht überragendes Team aus Wolfsburg und eine Europacup-Niederlage beim FC Midtjylland.

So schaffte es United nicht einmal, ein im Dämmerschlaf vor sich hin siechendes City zu überholen und verpasst so zum zweiten Mal im dritten Post-Ferguson-Jahr die Champions League.

Das Rennen um europäische Restplätze

Team SouthamptonMauricio Pochettino hatte aus den Saints ein auf dem Papier nicht top-besetztes, aber absolut gutklassiges Premier-League-Team geformt. Auch das zweite Jahr unter Ronald Koeman verlief unter dieser Prämisse und es wäre sogar noch mehr drin gewesen als ein Europa-League-Platz. Hätte es nur diese Phase zwischen Mitte November und Neujahr nicht gegeben, als Southampton sechs der neun Spiele verloren hat.

Denn in der zweiten Saisonhälfte holte nur Leicester noch mehr Punkte als das Team von der Südküste, das im Saisonverlauf Arsenal (4:0 am Boxing Day), Tottenham, Liverpool, Chelsea und beide Klubs aus Manchester bezwingen konnte. Koeman zeigte sich systemflexibel (aus dem Grund-4-2-3-1 wurde immer wieder mal ein 4-4-2 oder eine Variante mit Dreierkette) und sein Team präsentierte sich als recht optimale Mischung aus Tempo, Übersicht und nötiger Härte.

Southampton zieht sich nach Ballverlust nicht sofort wieder zurück, sondern versucht oft, schnell die Kugel zurück zu gewinnen. Sind die Saints in der Defensive, verteidigen sie sehr kompakt und sie scheuen auch den schnellen Gegenzug nicht. Grundsätzlich aber will Koeman den Aufbau in die eigenen Hände nehmen. Diese Kombination macht Southampton recht vielseitig und für praktisch jedes Team äußerst ungut zu spielen. Und wohlgemerkt: In den letzten zwei Jahren hat der Klub Spieler im Wert von 150 Millionen Euro verloren (Schneiderlin, Clyne, Shaw, Lallana, Lovren). Bleibt das Team halbwegs zusammen, ist ihm auch weiterhin viel zuzutrauen.

Team West HamEinen weiteren Schritt nach vorne will auch West Ham machen, wenn der Klub ab Sommer statt im alten Boleyn Ground im adaptierten Olympiastadion spielen wird. Das starke Premieren-Jahr unter Slaven Bilic heizt natürlich die Erwartungen an, und es ist unmöglich, diese starke Saison nicht in ursächlichen Zusammenhang mit Dimitri Payet zu bringen.

Der Franzose, der von Marseille gekommen war, ist drittbester Tor-Assistgeber und zweitbester Torschuss-Vorlagengeber der Liga. Auch Manuel Lanzini spielte eine ansprechende erste Saison in einer echten Weltklasse-Liga, Bilic verglich den Argentinier bereits mit Luka Modric; und Kapitän Mark Noble ist sowieso seit vielen Jahren ein Premier-League-Fixpunkt.

Es gibt aber sehr wohl ein paar Sachen, die den Hammers noch zu einem echten Spitzenteam fehlen. Zum einen ein Stürmer, der konstant trifft (Carroll ist ein wenig zu eindimensional, Sakho bislang ein wenig zu oft verletzt); zum anderen muss an der Defensive noch gearbeitet werden – 51 Gegentore sind vermutlich um zehn zu viel, um ernsthaft um die CL-Plätze mitspielen zu können.

Team LiverpoolDie Euphorie bei West Ham ist vor dem Umzug jedenfalls riesig (52.000 Dauerkarten wurden für kommende Saison abgesetzt), spürbare Aufbruchstimmung herrscht trotz der verlorenen Endspiele in Europa League und Ligapokal auch bei Liverpool, seit Jürgen Klopp im Oktober das Zepter an der Anfield Road übernommen hat.

Das drückt sich zwar noch nicht in Ergebnissen aus (in einer „Klopp-Tabelle“ wäre Liverpool Siebenter) und es gab auch unter dem Deutschen deutlich zu viele Gegentore, aber schon nach wenigen Monaten ist ganz klar erkennbar, dass das Klopp’sche Gegenpressing diverse Gegner deutlich aus der Ruhe bringt. Die starken europäischen Auftritte gegen Manchester United, Borussia Dortmund und Villarreal zeigen, dass Liverpool deutlich auf dem Weg nach oben ist (vor allem verglichen mit den ambitionslosen Auftritten in der Saison davor unter Rodgers) und wenn man es hinbekommt, dass es in Zukunft weniger Verletzungen gibt (nur Newcastle hatte noch mehr Verletzte), kann das nur positiv sein.

Dennoch ist Liverpool natürlich Work in Progress und wird das auch noch bleiben. Auch in Klopps erste Saison mit Dortmund wurde ein Europacup-Platz verpasst und erst im dritten BVB-Jahr hatte Klopp endgültig die Mannschaft zusammen, die er sich vorstellte. Es wird auch in Liverpool noch einige Transferperioden dauern, bis die Mischung stimmt.

(Nicht ganz) zufrieden im Niemandsland

Team StokeSeine Teamkollegen wählten in zum Stoke-Spieler der Saison – ein deutliches Zeichen dafür, dass Marko Arnautovic mit seiner dritten Spielzeit im Britannia Stadium durchaus zufrieden sein kann.

Für seinen Klub war die Saison aber, gemessen an den Hoffnungen, eher eine Enttäuschung; die Potters klopften nur kurz an die internationalen Plätze an. Viel mehr als der neunte Rang war vermutlich nicht drin, angesichts der unzähligen Verletzungen, mit denen Stoke zu kämpfen hatte (Johnson drei Monate wegen des Knies, Adam drei Monate wegen der Wade, Muniesa zwickte lange der Oberschenkel, Afellay am Saisonende das Knie) und den ständigen Formschwankungen von Shaqiri, der sein Potenzial weiterhin nur ab und an mal abruft.

So bleibt eine anständige Saison von Arnautovic und eine großartige von Torhüter Jack Butland, der die EM zwar verletzt auslassen muss, über kurz oder lang aber Joe Hart durchaus aus dem Three-Lions-Tor spielen kann. Die Erwartungen an die kommende Saison sind hoch, aber auch die Teams davor sind eher im Aufwärtstrend.

Team SwanseaSo richtig glücklich kann auch Swansea mit der abgelaufenen Saison nicht sein. Die Einschätzung des Klubs im letzten Sommer, den Kader kaum zu verändern, stellte sich als Fehler heraus und Klublegende/Trainer Garry Monk wurde nach nur drei Siegen aus den ersten 15 Spielen, aber vielen besorgniserregend schlechten Leistungen entlassen.

Dass man nach einer fast einmonatigen Suche Francesco Guidolin aus dem walisischen Hut zauberte, überraschte jeden, stellte sich aber als sehr gute Entscheidung heraus. Der bärbeißige Nordiraliener mit 25 Jahren Trainer-Erfahrung in der Serie A schaffte es schnell, das Potenzial von Schlüsselspielern wie Gylfi Sigurdsson und Dédé Ayew herauszukitzeln. Die Leistungen der Defensive blieben zwar überwiegend ausbaufähig, aber vorne klappte es unter Guidolin deutlich besser als unter Monk – aus 0,9 Toren pro Spiel (Monk) wurden fast 1,5 Treffer pro Partie (Guidolin). So kletterte man langsam, aber sicher wieder nach oben, raus aus der Gefahrenzone.

Mehr als ein Durschnitts-Team ist Swansea von seinem Kader her nicht, zudem ist das Team tendenziell eines der älteren und ist ohne einer kräftigen Handvoll neuer, junger Spieler daher kaum entwicklungsfähig. Andererseits kennt Guidolin das ja aus Italien, zudem könnte eine Umstellung auf die von ihm traditionell präferierte Dreier-Abwehr neue Impulse bringen.

Team West BromEine weitgehend sorgenfreie Saison hat West Brom hinter sich, und weil man im Umfeld wusste, dass es nur darum geht, den Abstieg zu vermeiden, kann der Klub auch gut damit leben, nicht besonders aufregend zu sein. Im Gegenteil: Wo Tony Pulis draufsteht, ist Tony Pulis drin.

Kein Team in der Liga hat noch weniger Ballbesitz als West Brom. Kein Team in der Liga hat einen schlechteren Wert, was angekommene Pässe angeht (logisch, weil der übliche Passweg von Pulis-Teams gefühlt über 70 Meter geht). Nur der völlig überforderte Absteiger Aston Villa hat noch weniger Tore erzielt als West Brom. Aber: Es hat nur eine Mannschaft mehr Kopfballduelle gewonnen, nur die Europacup-Teilnehmer haben weniger Gegentore kassiert – und das, obwohl man die drittwenigsten Tackles in der ganzen Liga gebraucht hat und zudem zu jenen Teams gehört, die am wenigsten Fouls begehen.

Kurz: Es war eine Saison mit todlangweiligem und zuweilien primitiven Defensiv-Fußball, der aber seinen Zweck (nämlich den Klassenerhalt) erfüllt hat.

Ziemlich unzufrieden im Niemandsland

Team ChelseaDass ein Meister so kolossal zusammenbricht wie Chelsea in dieser Saison, ist sehr selten – aber es war die klassische Mourinho-Krankheit, die wie so sicher das Amen im Gebet im dritten Jahr von jeder seiner Amtszeiten auftritt. Die Stimmung kippte schon mit Mourinhos völlig überzogenen Verbal-Angriff auf Klub-Doc Eva Carneiro nach dem ersten Spieltag. Mit ihrer Kündigung verloren die Spieler einen vertrauensvollen Ansprechpartner und durch den komplett sinnlosen Ausbruch ihres Trainers damit das Vertrauen in diesen.

Guus Hiddink brachte ein wenig Ruhe in das Team, das zeitweise um die Abstiegsplätze herum spielte, aber mehr als ein sportlicher Konkursverwalter war der Holländer nicht. Ein kaputtes Team spielte eine anonyme Saison zu Ende, ohne wirkliche Höhepunkte. Im Wissen darum, keine Chance mehr auf einen Europacup-Startplatz zu haben, war einigen die Einstellung deutlich anzusehen, dass sie den Rest der Saison nur als lästiges Pflichtprogramm empfanden.

Bis auf Wuschelkopf Willian, der über weite Strecken eine recht ansprechende Saison spielte, geht niemand auch nur als gefühlter Sieger aus dieser Saison heraus. Die personelle Kontinuität, die im Kader über die letzten zehn Jahre herrschte, führte dazu, dass Chelsea nun eher über ein satte, gelangweilte und in Teilen überalterte Mannschaft verfügt, aber gleichzeitig den Anspruch hat, zumindest um den Titel mitzuspielen. Da kommt einiges an Arbeit auf Antonio Conte zu.

Team EvertonAuch bei Everton wird der Chef-Posten für die kommende Saison neu besetzt. Roberto Martinez konnte in seinen drei Jahren im Goodison Park die hohen Erwartungen nicht nachhaltig erfüllen (nach einem starken fünften Platz folgten zwei elfte).

Vor allem defensiv krankte das Spiel der Toffees. Nur ein Team in der Liga fing weniger Pässe ab als Everton (Absteiger Norwich), nur zwei Teams ließen noch mehr Torschüsse zu. Vor allem daheim agierte Everton zumeist ziemlich frustrierend: Nie holte der Klub weniger Punkte aus Heimspielen.

Außerdem wurden noch 18 Punkte nach einer Führung hergegeben. Die talentierte Offensiv-Abteilung spielte zwar eine ansprechende Saison, der es aber an der Konstanz fehlt, um auch das Maximum aus den Möglichkeiten heraus zu holen. Zudem kommt Gareth Barry, der (wenn fit) den Laden im Zentrum zusammen halten kann, langsam in ein Alter, in dem er immer langsamer wird.

Dieser Sommer wird sehr entscheidend für die Frage, wie es mit Everton in den nächsten Jahren weiter geht.

Team PalaceGenau das trifft auch auf Crystal Palace zu. Seit dem Jahreswechsel konnte man nur noch zwei Spiele gewinnen, krachte somit von Platz fünf bis kurz vor den Abstiegskampf hinunter. Das Besorgniserregende daran: Diese Entwicklung bestätigt ein Muster, das bei Trainer Alan Pardew immer vorkommt – sein Image als ganz schlechter Krisenmanager erhielt in diesen letzten paar Monaten weitere Nahrung.

Natürlich war es nicht gerade hilfreich, dass Mittelfeld-Mann James McArthur weite Strecken der zweiten Saisonhälfte mit einer Knöchelverletzung aussetzen musste. Auch der quirlige Bolasie, der talentierte Wickham und der routinierte Puncheon blieben nicht von Verletzungen verschont. So kam es, dass den Eagles vor allem das Toreschießen ausnehmend schwer fiel – in 14 Spielen blieb Palace torlos, einmal sogar fünf Matches hintereinander.

So steht Palace nach diesem katastrophalen Frühjahr an einem Scheideweg: Gelingt es, den Trend aus den Jahren davor wieder aufzunehmen und sich im Mittelfeld zu etablieren, oder geht es wieder in Richtung Abstiegskampf?

Aufsteiger mit völlig konträren Plänen

Team WatfordWatford sorgte letzten Sommer für Aufsehen, alt man bis auf fünf Spieler den kompletten Aufstiegskader austauschte – nur Gomes, Cathcart, Abdi, Ighalo und Deeney überlebten den radikalen Schnitt, auch Trainer Slavisa Jokanovic fiel dem totalen Umbau von Klubbesitzer Gino Pozzo zum Opfer.

Der völlig neue Kader in Kombination mit dem neuen Coach Quique Sánchez Flores (der 2010 mit Atlético Madrid die Europa League gewonnen hat) funktionierte erstaunlich schnell erstaunlich gut, am Boxing Day lag man punktgleich mit Man United auf Rang sieben. Dann aber ging’s abwärts: In der zweiten Saisonhälfte waren nur zwei Teams schlechter.

Hierzulande beschränkte sich das Interesse an Watford auf die Frage, ob Prödl spielt oder nicht (Antwort: Prödl spielte eher gegen Teams mit schnellen Stürmern, weil er das Spiel defensiv besser lesen kann und bessere Übersicht hat; Britos eher gegen Teams mit Strafraumstürmern, weil er zweikampfstärker ist). Generell fiel aber auf, dass die Spielanlage von Watford gar nicht so unähnlich zu jener von Sánchez‘ einstigem Atlético-Team: Ein 4-4-2 mit einem phsyisch starken (Deeney bzw. Forlán) und einem schnellen Stürmer (Ighalo bzw. Agüero), mit zwei Spielmachern auf den Außen (Abdi/Jurado bzw. Reyes/Simao), mit einem Tackler und Umschaltspieler (Capoué bzw. Assuncao) im Zentrum.

Es war auch diese Vorhersehbarkeit, die Watford im Frühjahr zurückfallen ließ. Es steht zu vermuten, dass in der neuen Saison wieder alles so ganz neu sein wird wie es zu Beginn dieser Saison war. Trainer wird Walter Mazzarri sein, der Napoli dorthin führte, wo der Klub jetzt ist (nämlich in die Serie-A-Spitzengruppe).

Team BournemouthDen genau anderen Weg wie Watford ging Mitaufsteiger Bournemouth. Von der Stamm-Formation der Aufstiegssaison waren acht Mann auch in der Premier League Stamm: Die komplette Vierer-Abwehr und grundsätzlich auch das komplette Vierer-Mittelfeld (aus dem nur Harry Arter verletzungsbedingt Dan Gosling Platz machen musste), auch Goalie Boruc war letzte Saison schon da. Und hätte sich nicht Stürmer Callum Wilson im September das Kreuzband gerissen, würde auch er zu dieser Kategorie dazuzählen.

Außerdem ging der als heißester Abstiegskandidat geltende Klub nicht von seiner vorwärtsgerichteten Spielanlage ab, die unter der Regie von Eddie Howe den erstmaligen Premier-League-Aufstieg gebracht hat. Das wurde zuweilen als etwas arg naiv gescholten und brachte auch die eine oder andere derbe Niederlage (1:5 und 0:4 gegen Man City, 1:4 gegen Tottenham). Andererseits aber sorgte der Umstand, das man sich selbst treu blieb, für gleichbleibendes Selbstverständnis im No-Name-Kader und damit auch für einige Achtungserfolge – wie die Siege gegen Man United und Chelsea im Dezember, die nach einer harzigen Phase auch das nötige Selbstvertrauen zurück brachten.

Am Ende steht für das südlichste Team der Liga der Klassenerhalt zu Buche, der deutlich souveräner war, als man sich das erwarten durfte. Klar ist aber auch: Dem Kader fehlt es sehr wohl an Tiefe und auch an der nötigen Klasse, um sich in dieser Form auf längere Sicht in der Premier League etablieren zu können. Da es in Bournemouth in erster Linie auf die mannschaftliche Geschlossenheit ankommt, müssen Neuankömmlinge aber nicht noch sportlich, sondern noch viel mehr auch menschlich in das bestehende Gefüge hinein passen.

Abstiegs-Infight mit Nord-Schlagseite

In der TV-Serie „Game of Thrones“ gehört der Name der Familie Stark untrennbar zum Norden. In der Premier League waren die beiden Klubs aus dem Norden Englands in dieser Saison vieles. Aber stark waren sie nicht.

TeamSunderlandDie Black Cats aus Sunderland haben es am Ende geschafft, sich noch irgendwie in der Premier League zu halten. Dabei sah es (wieder einmal) lange so aus, als stünde der Abstieg gefühlt schon im Dezember fest.  Nur widerwillig hatte sich Dick Advocaat, der die letztjährige Rettung vollzogen hatte, im Sommer zum Weitermachen überreden, aber nach drei Punkten aus den ersten acht Spielen bei gleichzeitig oft horrender Überforderung war der Holländer doch weg.

Signifikant besser wurde es unter Sam Allardyce zwar erst einmal nicht, aber der erdige Brummbär mit der Vorliebe für große Sprüche vermittelte anders als Advocaat zumindest den Eindruck, als sei ihm das Schicksal seines Teams nicht völlig egal. Die entscheidende Phase für Sunderland war aber das Jänner-Transferfenster, in das man als Vorletzter mit sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer gegangen ist.

Mit drei Neuzugängen nämlich änderte sich für Sunderland fast alles: Innenverteidiger Koné von Nizza, Sechser Kirchhoff von der Tribüne des FC Bayern und Außenstürmer Khazri von Bordeaux. In der zweiten Saisonhälfte ging die Anzahl der Gegentore dramatisch nach unten (von 2,0 pro Spiel auf 1,3), die der erzielten Treffer deutlich nach oben (von 1,0 pro Spiel auf 1,6). Mit der deutlich besser ausbalancierten Mannschaft hinter ihm klickte es auch bei Sturmspitze Jermain Defoe wieder.

Team NewcastleWenn Sunderland gezeigt hat, wie viel man mit nur drei richtigen Transfers erreichen kann, hat der Nachbar aus Newcastle gezeigt, wie viel man mit ziemlich vielen reichlich sinnlosen Transfers zerstören kann. Mark Ashley warf vor der Saison 70 Millionen Euro für Wijnaldum, Mitrovic, Thauvin und Mbemba auf den Markt; im Winter weitere knapp 40 Millionen für Shelvey, Townsend und Saivet.

Thauvin floppte furchtbar und flüchtete schon im Winter zurück nach Marseille, Mitrovic brauchte zu viele Chancen. Shelvey war defensiv durchlässig und offensiv zu harmlos. Townsend hat gezeigt, dass er eine passable Alternative ist, aber mehr auch nicht. Und Saivet kostete sechs Millionen für vier Einsätze. Von all den fancy Neueinkäufen konnten nur zwei überzeugen (Wijnaldum und Mbemba).

Dafür musste Moussa Sissoko out of position spielen und steuerte auf der ungeliebten Außenposition genau null Tore (und auch nur fünf Assists) bei. Der alte Coloccini ist zunehmend überfordert, Janmaat kaum mehr als biederer Durchschnitt und Dummett ist der unproduktivste Außenverteidiger der Premier League überhaupt (kein Witz).

Kurz: Der völlig ohne jeglichen Plan und rein nach Namen zusammen gestellte Kader passte hinten und vorne nicht zusammen, ligaweit hatte kein Team noch mehr Verletzungspech und Zauderer Steve McClaren war dann auch noch der falsche Trainer, um so einen disfuktionalen Haufen zu einer auch nur halbwegs funktionierenden Einheit zu machen. Es ist nur Goalie Rob Elliot zu verdanken (der den verletzten Tim Krul vertrat), dass die Magpies nicht schon längst verloren waren, als man sich im März doch durchringen konnte, McClaren zu entlassen.

In den Spielen unter Rafa Benitez war Newcastle das neuntbeste Team der Liga, in den letzten sechs Partien blieb man ungeschlagen, aber es war angesichts der steigenden Form von Sunderland zu spät. Sechs Jahre nach dem letzten Abstieg geht es wieder runter. Damals schaffte man den sofortigen Wiederaufstieg.

Team NorwichExperten für Wiederaufstiege sind die Canaries aus Norwich. Der Fahrstuhl-Klub von der Ostküste hat in den letzten zwölf Jahren vier Abstiege und ebenso viele Aufstiege erlebt. Dass es nun nach einem Jahr in der Premier League wieder runter geht, ist also fast schon Normalität.

Norwich startete ganz okay und hielt sich über die meiste Zeit der Saison knapp oberhalb der Abstiegsplätze auf, konnte sich aber nie wirklich absetzen und rutschte gegen Ende der Saison zusehends ab und konnte nicht mehr entgegen steuern. Die 67 Gegentore sind schon nicht besonders gut (was auch mit der Verletzung von Timm Klose zu tun haben mag), das eigentliche Problem von Norwich war aber eher am anderen Ende des Platzes zu finden. Der als unkonstant und launisch bekannte Mbokani war noch der am wenigsten schlechte Stürmer, die anderen (Jerome, Naismith und Bamford) zeigten nicht einmal annähernd Tauglichkeit für die Premier League.

Und so war es den Grün-Gelben auch nicht möglich, auf die am Saisonende steigende Form von Newcastle und vor allem Sunderland angemessen zu reagieren. Fünf der letzten sechs Spiele wurden verloren, gefühlt war nach dem kläglichen 0:3 daheim gegen Sunderland am fünftletzten Spieltag alles verloren.

Was lange siecht…

Team Aston VillaDie Plätze 16, 15 und 17 in den letzten drei Jahren. Vergangenen Sommer  Vlaar (aufgehört), Benteke (weggekauft), Delph (trotz anderslautender Versprechungen zu Man City abgehauen), Tom Cleverley (Ende der Leihe) und Andi Weimann (in die 2. Liga verkauft) verloren. Und dann auch noch Tim Sherwood als Trainer…

Schon vor Saisonstart war Aston Villa einer der ganz, ganz heißen Kandidaten auf einen Abstieg. Dass der Meistercup-Sieger von 1982 in dieser Saison aber so dermaßen schlecht sein würde, dass selbst doppelt so viele Punkte noch immer den letzten Platz bedeutet hätten, haben selbst Pessimisten nicht erwartet.

Nach dem Sieg zum Auftakt gegen Bournemouth folgten in den nächsten 19 Spielen satte 14 Niederlagen und kein einziger voller Erfolg. Remi Garde, der Ende Oktober für den heillos überforderten „Tactics Tim“ Sherwood (0,4 Punkte pro Spiel) übernahm, brachte auch keine nennenswerte Verbesserung (0,6 Punkte pro Spiel). Aber die leidgeprüften Fans des Traditionsklubs haben vor allem Owner Randy Lerner im Visier. In den letzten paar Jahren ging es mit dem Klub, der an die CL-Plätze anklopfte, stetig bergab – und Lerner machte nie den Eindruck, als wolle er den Abwärtstrend stoppen.

Fünfmal verlor Villa in dieser Saison mit vier Toren oder mehr Differenz und die wenigen Spieler, die zumindest in der Vergangenheit mal Klasse gezeigt haben (Agbonlahor und Lescott vor allem, aber auch Richards) wirkten zumeist gleichgültig bis ignorant.

Lerner hat den Klub nun für lächerliche 60 Millionen Pfund an den chinesischen Geschäftsmann Tony Xia verkauft und dieser hat hochtrabende Pläne (Champions-League-Titel in zehn Jahren, man kennt sowas ja). Realistischerweise aber steht nun ein kopletter Neustart an und in der Championship hatten schon wesentlich besser aufgestellte Klubs große Probleme. Anders gesagt: Wenn nicht sehr schnell einige sehr entscheidende Dinge in eine sehr gute Richtung gelenkt werden, kann es auch ganz schnell in die Drittklassigkeit gehen.

Fazit: Ein unterhaltsames Chaos-Jahr

Selten gab eine Premier-League-Saison so viele Geschichten her wie diesmal: Leicsters Siegeszug, Chelseas freier Fall, die wachsende Ablehnung von Van Gaal, der Klopp-Hype in Liverpool, und und und. Der gezeigte Fußball war nicht immer großartig und an der Spitze hinkt die Premier League dem spanischen Top-Trio und den beiden deutschen Titelkandidaten deutlich hinterher – in der Breite aber ist keine große europäische Liga so ausgeglichen.

Das liegt natürlich daran, dass selbst Abstiegskandidaten in der Premier League zum Teil deutlich mehr Geld zur Verfügung haben wie etwa Klubs aus der erweiterten Bundesliga-Spitze. Gerade jene Vereine, die diese Möglichkeiten intelligent nützen (wie Leicester, Southampton und West Ham) und nicht blindwütig einfach irgendwen kaufen (wie Newcastle), schließen zu den Top-Klubs auf.

Diese wiederum haben zwar oft breitere Kader, die aber oft entweder falsch eingesetzt werden (Man Utd), in Selbstzufriedenheit versinken (Man City, Chelsea) oder in sich einfach nicht zusammen passen. So hat diese Saison eindeutig gezeigt, dass auch in der Premier League eine stingente Strategie (Foxes, Spurs, Saints) die reine individuelle Klasse immer öfter aussticht.

Das heißt: Man kann durchaus davon ausgehen, dass es auch in der kommenden Saison in der Premier League einige Überraschungen geben wird.

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Die Zwei und dahinter Einheitsbrei: Bundesliga-Bilanz 2015/16 https://ballverliebt.eu/2016/05/14/deutschland-bundesliga-bilanz-2016-bayern-dortmund-leverkusen-stoeger-hasenhuettl/ https://ballverliebt.eu/2016/05/14/deutschland-bundesliga-bilanz-2016-bayern-dortmund-leverkusen-stoeger-hasenhuettl/#respond Sat, 14 May 2016 18:26:04 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=12401 Die Zwei und dahinter Einheitsbrei: Bundesliga-Bilanz 2015/16 weiterlesen ]]> Bayern vor Dortmund und Leverkusen: Wer vor der Saison auf diesen Einlauf wettete, hat damit nicht viel Gewinn gemacht. Ein Hochgenuss war diese Spielzeit allerdings nicht: Vom Top-Duo abgesehen, fehlt es der Liga eklatant an konstant starken Teams, sodass die Qualität im Kampf um die Europacup-Plätze schon arg zu wünschen übrig ließ. Auch gibt es nur sehr wenige Trainer, die ihre Teams markant vom konservativen Mainstream abweichend spielen lassen.

Wir blicken noch einmal kurz auf die 18 Teams und ziehen eine Bilanz über diese Bundesliga-Saison.

tabelle

Der Titelkampf

Team BayernIn seiner dritten Saison als Bayern-Trainer schien Pep Guardiola eingesehen zu haben, dass er die grundsätzlich konservative deutsche Fußball-Kultur nicht ändern wird können. Dass ein Großteil der deutschen Fußball-Öffentlichkeit sich nicht für die spannenden Details seiner Positionsspiel-Philosophie interessiert und von seinen zuweilen dadaistisch anmutenden Interviews zunehmend genervt ist.

Ex-Leverkusen-Stürmer Ulf Kirsten umriss in seiner Meinung über Guardiola nach dem CL-Aus gegen Atlético die deutsche Haltung zum Fußball kurz und bündig: „Lieber spiel‘ ich scheiße und gewinn‘, als mit fliegenden Fahnen auszuscheiden!“ Dagegen kam selbst ein Weltstar wie Guardiola nicht an.

Wie überhaupt seine dritte und letzte Saison in München von einem Pragmatismus geprägt war, den man von Guardiola nicht kannte. Er spielte die Saison quasi mit zwei Systemen durch – eine Quote, die er in den Jahren davor oft noch nach einer halben Stunde überboten hat. Vereinzelt gab es noch echte Glanzlichter (wie die Spiele gegen Wolfsburg, Dortmund und Arsenal, die sehr nahe an der Perfektion waren), aber es häuften sich die Spiele, in denen am Ende halt ein knapper Sieg stand. Glanz geht anders.

Zudem war auch diese Saison von vielen Verletzungen geprägt, die ihn zwangen, oft mit Alaba und Kimmich in der Innenverteidigung zu spielen. Die Bayern waren immer noch stabil, gewannen immer noch fast jedes Spiel, aber das Team selbst schien immer mehr genervt zu sein von Gegnern, die sich mit Fünfer-Abwehrketten hinten einbunkern. Es ist kein Zufall, dass der unkonventionelle Müller und der agile Lewandowski alleine zwei Drittel der Tore erzielten.

Die Bayern sind ein verdienter Meister, weil sie gegen die „Kleinen“ fast nichts hergaben und in den direkten Duellen gegen Dortmund die Oberhand behielten: mit einem 5:1 im mit Abstand besten Bundesliga-Spiel der Saison im Herbst und einem kontrollierten, aber eher drögen 0:0 in Dortmund im Frühjahr. Sehr viel mehr an Qualitätsunterschied gab es aber zum BVB nicht: Die Borussia spielte im ersten Jahr unter Thomas Tuchel eine herausragende Saison und scheiterte im Grunde nur daran, dass die Bayern einfach noch ein bisschen stabiler waren.

Team DortmundTuchel vollführte keinen kompletten Umbruch und warf nicht alles über den Haufen, sondern übernahm fast vollständig den Kader aus der letzten Saison, als man unter Klopp als Letzter überwinterte. Er drehte an ein paar Stellschrauben und entwickelte so aus dem (in besten Zeiten) unglaublich dynamischen Umschaltfußball von Klopp eine kontrolliertere, mehr auf den eigenen Aufbau ausgerichtete Spielanlage. In dieser Saison hat Dortmund als eine von nur zwei Bundesliga-Teams einen Ballbesitz-Wert von signifikant über 50 Prozent. Bei Klopp bewegte sich der Ballbesitz über die Saisonen meist zwischen 53 und 54 Prozent, nun unter Tuchel sind es 60.

Eine Maßnahme, die etwa Henrikh Mkhitaryan sehr zu Gute kam; der in der letzten Saison gebrochen wirkende Armenier blühte auf. Aubameyang ist ein Stürmer, der auch gegen statische Abwehrketten seine Stärken ausspielen kann. Und Julian Weigl, von 1860 München gekommen, war vom ersten Moment an Stammkraft auf der Sechs und sorgte gleichzeitig für Stabilität und – vor allem – für eine ungeheure Passsicherheit. 95 Prozent der Zuspiele des 20-Jährigen kamen an.

Da bei der Borussia nun alles läuft und bei den Bayern ein gewisser Umbruch ansteht, ist Dortmund sicherlich kein Außenseiter im Titelrennen der nächsten Saison

Die erwarteten Internationalen

Team LeverkusenIn seinem zweiten Jahr als Leverkusen-Trainer nahm das Image von Roger Schmidt erste merkliche Schrammen an. Zum einen war da natürlich sein unmögliches Benehmen gegenüber Referee Felix Zwayer (wiewohl man den Hitzkopf in Schmidt ja auch aus seiner Salzburger Zeit kennt), zum anderen natürlich sportlich. Statt sich als ernsthafter Bayern-Verfolger zu etablieren, war Bayer schon im Herbst ziemlich hintennach. Zum einen franzte das auf enorme kollektive Arbeit ausgelegte Pressing- und Umschaltspiel ziemlich aus, zum anderen konzentrierte sich zu viel auf Hakan Calhanoglu. In der Champions League krachte man in einer nicht übertrieben problematischen Gruppe aus 100% eigenem Verschulden raus, in der Liga war phasenweise sogar ein Europacup-Platz in Gefahr.

Zwei Spieler zogen Leverkusen in der Schlussphase der Saison aus dem Sumpf heraus: Javier Hernández, Chicharito genannt, und Julian Brandt. Ersterer mit seinen Toren am Fließband, der junge Blondschopf mit einer herausragenden Rückserie. Davon abgesehen fehlt es aber an der Konstanz auf hohem Niveau: Karim Bellarabi ließ seiner tollen ersten Bayer-Saison nun eine eher anonyme folgen; Hakan Calhanoglu schießt zu viel selbst, Kevin Kampl (der gegenüber allen anderen einen Zwei-Jahres-Vorsprung im Roger-Schmidt-Fußball hat) fehlte lange verletzt; die Außenverteidigern haben Potenzial, aber noch nicht ganz internationale Reife. Dazu fehlte Lars Bender im Grunde das ganze Jahr.

Bayer hat eine deutlich von der Mehrzahl der Liga-Teams abweichende Spielanlage, das ist positiv zu vermerken. Stellt sich Leverkusen aber nicht breiter auf, wird es auch weiterhin genug sein für einen CL-Platz, aber nicht, um Bayern und Dortmund ernsthaft über eine ganze Saison zu fordern.

Team GladbachAls der am wenigsten schlechte der Verfolger hat es am Ende die Gladbacher erwischt, die auf Platz vier und damit in der CL-Quali landen. Nach einem katastrophalen Saisonstart und dem Rücktritt von Lucien Favre nach fünf Spielen ohne Punkt konnte Nachfolger André Schubert auf einer Welle schwimmen, die die Fohlen wieder an die internationalen Plätze heranbrachte.

Der unverwechselbare Favre-Stil aber, die Ketten eng zu stellen und dem Gegner viele Torschüsse zu gewähren, aber nur aus aussichtsloser Position, war dahin. Von seiner Umstellung auf ein 3-4-1-2-System im Laufe der Rückrunde abgesehen, gibt es bei Gladbach nun recht gewöhnlichen Fußball zu sehen, der sich vor allem auf die beiden Hochbegabten im Zentrum stützt: Granit Xhaka, der das Spiel von hinten heraus lenkt und wohl vor dem Absprung in die Premier League steht, und Mahmoud Dahoud, der davor für die individuellen Ideen im Spiel nach vorne sorgt. Neben Weigl, Brandt und Kimmich ist Dahoud sicherlich eine der Entdeckungen der Saison.

Allerdings: Vier Auswärtssiege in 17 Versuchen (zwischen Oktober und Mai kein einziger) sind jetzt echt nicht so arg viel.

Team SchalkeNiemand aber symbolisiert die Niveaulosigkeit des Schneckenrennens um den Titel „Best of the Rest“ so sehr wie Schalke 04. In André Breitenreiter glaubte man vor einem Jahr den richtigen Trainer für die gerade im Vorwärtsgang grandios talentierte, sehr junge und damit entwicklungsfähige Mannschaft gefunden haben.

Doch Breitenreiter etablierte einen starren Safety-First-Fußball, der so gar nicht zu den Spielertypen passen wollte. Leroy Sané konnte aufgrund seiner Position auf der Außenbahn aufzeigen und wurde schnell auch recht überhitzt als neues Jahrhundert-Talent gepriesen, aber die Stärken von Goretzka, Geis und Meyer verpufften.

Der ultimative Beweis, wie völlig verkehrt Breitenreiter sein Personal einsetzte, ist der Umstand, dass noch am vorletzten Spieltag eine negative Tordifferenz zu Buche stand. Es war keine Überraschung, als der neue Sportchef Christian Heidel (der nach vielen Jahren in Mainz den in Schalke letztlich grandios gescheiterten Horst Heldt beerbt) als erste Amtshandlung die Trennung von Breitenreiter vollzog. Augsburg-Coach Markus Weinzierl gilt als Favorit auf den Job.

Die überraschenden Internationalen

Team MainzApropos Mainz. Dort hinterlässt Heidel einen kerngesunden Verein mit einer grundsoliden Mannschaft, die nicht viel wirklich Spannendes macht, aber auch nicht viel Blödsinn. Das reicht in der aktuellen Verfassung der Bundesliga schon, um sich einen Platz in der Europa League zu sichern.

Natürlich: Die Mainzer haben auch ein paar echte Grundpfeiler; richtige Qualitätsspieler, die durchaus gehobene Bundesliga-Klasse haben. Neben dem bärenstarken Loris Karius im Tor (kein BL-Keeper vereitelte mehr Großchancen als er) sind das Sechser Julian Baumgartlinger und Zehner Yunus Mallı.

Der Rest ist bestenfalls Bundesliga-Durchschnittsware, aber es fällt auch niemand wirklich ab. Diese Verbindung aus drei, vier Schlüsselkräften (den routinierten Niko Bungert kann man vielleicht noch dazuzählen) und einem anonsten recht ausgeglichenen Kader war die richtige Mischung. Klar ist aber auch: Das ist der Plafond für Mainz.

Team HerthaMehrere Etagen über dem erwarteten Plafond rangierte Hertha BSC über weite Strecken der Saison. Als Pal Dardai vor anderthalb Jahren übernahm, rettete er das in das Hauptstadt-Team mit viel Schwitzen und Keuchen, dafür mir sehr wenig vorzeigbarem Fußball über die Klassenerhalts-Ziellinie.

Viel ansehnlicher wurde der Fußball in dieser Saison nicht, dafür die Ergebnisse deutlich besser. Die Neuen fügten sich sofort ein (Weiser von den Bayern, Darida aus Freiburg, Ibisevic von Stuttgart) und auch Salomon Kalou zeigte nun etwas mehr Interesse.

Unterhaltsam ist der Hertha-Fußball aber keineswegs. Im Gegenteil, die Berliner sind so ein wenig das Island der Bundesliga: Kreuzbiederes 4-4-2, wenig Ballbesitz, Räume eng machen, Nach-vorne-Verschieben des ballnahen Mittelfeld-Außen gegen den Ball. Bis zum 29. Spieltag reichte das für den dritten Platz, bis sich die fehlende personelle und vor allem inhaltliche Substanz aber doch zeigte. AmSaisonnde gab es zwei Punkt aus sieben Spielen und einen Europa-League-Platz. Ist immer noch mehr, als in der Mannschaft eigentlich drin ist.

Die Abgestürzten

Dieter Hecking ist (wie etwa Breitenreiter und Schubert) so einer, den taktik-affine Beobachter der Bundesliga mit Argwohn betrachten. Und nach dieser Saison wird erst so richtig klar, wie sehr Hecking wohl eigentlich Kevin de Bruyne abbusseln müsste, dass er ihm 2015 Cup-Sieg und Vizemeister-Titel einbrachte.

TeamWolfsburgDenn ohne das belgische Babyface, das nun bei Man City spielt, fehlte es am individuellen Momentum im Offensiv-Spiel. Hatte De Bruyne in der Saison 2014/15 noch sagenhafte 21 Assists geliefert, ist der beste Wolfsburger Torvorlagengeber in dieser Saison Max Kruse – mit sieben Assists.

Das liegt zum einen natürlich auch daran, dass der als De-Bryune-Ersatz verpflichtete Julian Draxler lange vergeblich nach seiner Rolle suchte, aber natürlich auch daran, dass Hecking keine wirklichen Strategien entwickelte, um diese Problemzone im Zentrum herum zu spielen. Die Konkurrenz erkannte das und nützte das aus – zudem kamen externe Storys wie der allzu öffentlich ausgetragene Zusammensturz von Stürmer Max Kruse, die eine ohnehin schon verunsicherte Truppe weiter nach unten zog.

So wird sportlich das einzig bemerkenswerte an dieser Saison ein 2:0 gegen Real Madrid bleiben. Von Augsburg bleibt immerhin ein augenzwinkernder Twitter-Hashtag: #KeineSau

AugsburgDenn anders als der Vizemeister 2015 hat der FC Augsburg natürlich nicht damit gerechnet, den fünften Platz aus der Vorsaison wiederholen zu können. Den Europapokal-Herbst, in den man selbst von Vereinsseite mit einem „In Europa kennt uns keine Sau“ ging, genoss man in vollen Zügen und mit einem Last-Minute-Tor im letzten Spiel überstand man sogar die Gruppenphase (gegen Liverpool war dann in der ersten K.o.-Runde Schluss). Aber die Bundesliga-Performance litt darunter gewaltig.

Denn der verhältnismäßig dünne und personell gegenüber der Vorsaison kaum veränderte Kader war nicht auf die Doppelbelastung ausgelegt – vor allem mental nicht. Nach den Europacup-Schlachten gegen Bilbao, Alkmaar und Partizan fehlte im Liga-Alltag der Fokus. Zudem konnte Achter Daniel Baier seine unglaubliche Performance aus dem letzten Jahr nicht konservieren. Und da hatte Augsburg den Salat.

Doch selbst, als man nach dem Europacup-Aus lange nicht von hinten weg kam, brach nie Panik aus. Der Lohn: In den letzten anderthalb Saison-Monaten holte man (mitunter mit sehr viel Glück, aber doch) die entscheidenden Punkte zum Klassenerhalt.

(Angstvoller) Blick nach unten

Team IngolstadtEine ausgesprochen solide Debüt-Saison in der Bundesliga hat Ingolstadt hinter sich. Ralph Hasenhüttl hat dem Team ein klares Gesicht verpasst, agierte auch gegen die starken Teams mit Mut und einer hohen Abwehrlinie (und dennoch einer recht geringen Gegentor-Quote) und verstand es, aus einem für diese Liga sicherlich eher unterdurchschnittlichen Kader einen Mittelfeldplatz, ein Abrutschen in die Abstiegs-Zone drohte den Schanzern zu keinem Zeitpunkt.

Natürlich: Gerade im Herbst war fast alles auf die Ideen von Pascal Groß angewiesen, es gab nicht so furchtbar viele Tore. Aber einzelne gute Formentwicklungen (Hartmann im Herbst, Hinterseer und Lezcano im Frühjahr) retteten Ingolstadt über harzige Phasen drüber. Roger Schmidt adelte Hasenhüttls Herangehensweise und lobte Ingolstadt dafür, ein Team mit einer eigenen, unverwechselbaren Identität zu sein.

Es ist nicht schwer vorherzusagen, dass man den wahren Wert von Hasenhüttls Arbeit in der Audi-Stadt erst dann wirklich ermessen kann, wenn es nächstes Jahr unter seinem Nachfolger Markus Kauczinski (einem soliden, aber inhaltlich recht gewöhnlichen Coach ohne außergewöhnlichen Ideen, zuletzt lange in Karlsruhe) wieder krachend in Richtung Tabellenkeller gehen sollte (was recht wahrscheinlich ist).

Team KölnIn Köln ist man grundsätzlich weiterhin froh, ohne allzu großes Drama ein weiteres Jahr in der Bundesliga überstanden zu haben. Dass der Fußball unter Peter Stöger außerhalb der Effzeh-Fangemeinde weiterhin kein besonders gutes Image hat (zu langweilig) und eine erkennbare Weiterentwicklung (auch den finanziellen Gegebenheiten geschuldet) nicht stattgefunden hat, wird sicherlich mit weniger Sorge betrachtet als die generelle Performance in der Rückrunde. Diese war nämlich sicherlich die schwächste Halbserie in den mittlerweile drei Jahren unter Peter Stöger.

So wanderte vor allem im April der Blick schon einigermaßen angstvoll in Richtung Abstiegszone. Über weite Strecken der Saison waren es vor allem der weiterhin überragende Torhüter Timo Horn, die Agilität von Marcel Risse und die Tore von Anthony Modeste, die Köln einigermaßen im Mittelfeld mitschwimmen ließen.

Stöger probierte gerne mit seiner Formation (öfter mal 3er/5er-Kette) und mit der Position einzelner Spieler (Teamspieler Hector öfter mal im zentralen Mittelfeld), an der grundsätzlichen Anlage änderte sich aber nichts. Stöger-Köln ähnelt deutlich mehr dem Stöger-Wr.-Neustadt als der Stöger-Austria oder gar dem furienhaften Offensiv-Pressing des Stöger-GAK. Leichter wird’s in der nächsten Saison vermutlich auch nicht werden.

Team HamburgVerglichen mit den letzten beiden Jahren (als der HSV jeweils in der Relegation mit deutlich mehr Glück als Klasse jeweils die Bundesliga hielt), war diese Spielzeit für Hamburg ein Schritt nach vorne. Von einer kurzen Phase im April abgesehen, verbrachte man die Saison quasi im defensiven Mittelfeld der Bundesliga.

Bruno Labbadia ließ den HSV spielen, wie Bruno Labbadia eigentlich immer spielen lässt: Vier Offensive an der Abseitslinie, die sich als Zielspieler für lange Bälle anbiete, gepaart mit okayem Tempo (Müller, Ilicevic) und körperlicher Robustheit (Lasogga, wenn fit; Rudnevs ist auch in seinem vierten HSV-Jahr ein Fremdkörper); defensiv gleichzeitig möglichst wenig Risiko. Das ist nicht besonders aufregend und eignet sich nicht wirklich zum Gestalten von Spielen. Nicht verwunderlich also, dass man gegen passive Teams oft schlechter aussah (kein Sieg gegen Köln und Darmstadt, Niederlage gegen Hannover), gegen aktive aber nicht selten gute Resultate holte (Siege gegen Dortmund, das Zorniger-Stuttgart, zweimal gegen Bremen; Remis gegen Leverkusen, keine Niederlage gegen Ingolstadt).

Die undankbare Aufgabe, einen ohne sichtbaren Plan erstellten Kader voller eigentlich eh nicht schlechter, aber halt nicht zusammen passender Spieler zu einem Ganzen zu formen, erledigte Labbadia ordentlich und es war nach zwei totalen Chaos-Jahren auch eine gewisse Struktur erkennbar, aber vor allem so manches Heimspiel war an der Grenze zur Zuseher-Folter: acht Heimniederlagen gab’s – nur die Absteiger Stuttgart und Hannover haben mehr. Und Darmstadt

Gekämpft und gerettet

Team DarmstadtGleichzeitig brachten die Lilien gar nur zwei Heimsiege zu Stande. Dennoch stand der Klassenerhalt von Darmstadt sogar schon vor dem letzten Spieltag fest, nachdem der Aufsteiger quasi die ganze Saison zwischen Platz zehn und vierzehn verbracht hat – weil nur die Top-3 der Liga (Bayern, Dortmund, Bayer) mehr Punkte in der Fremde geholt haben.

Das spricht natürlich Bände über die Spielweise von Darmstadt, die in all ihrer Primitivität selbst unter den schöngeistigeren Beobachtern der Liga schon mit ein wenig kultischer Bewunderung betrachtet wurde. Nur 41 Prozent Ballbesitz (und damit noch fünf Prozent weniger als das nächste Team), bei Ballgewinn Langholz in Richtung Sandro Wagner, oder das Vertrauen auf Standardsituationen: Viel mehr hat Darmstadt nicht anzubieten. Nur: Das, was Darmstadt macht, macht Darmstadt gut. Sogar Guardiola hatte beim Spiel der Bayern am Böllenfalltor – ein 70er-Jahre-Stadion, das inmitten der modernen Bundesliga-Infrastruktur völlig aus der Zeit gefallen wirkt – so viel Respekt davor, dass er sein Team recht tief agieren ließ.

Die Sonne scheint“ für Darmstadt also zumindest noch ein weiteres Bundesliga-Jahr. Dass sich an Spielweise (und Kultfaktor) des Klubs, der sein Underdog-Image mit offenen Armen aufnimmt und kultiviert, etwas ändert, ist nicht zu erwarten.

Team HoffenheimDafür wird es auch in der kommenden Saison ein Bundesliga-Team geben, wo sich zumindest das Spielsystem Woche für Woche ändern dürfte: So nämlich, mit viel System-Flexibilität und wieder einer deutlich mehr auf Initiative ausgelegten Spielanlage nämlich trat Hoffenheim unter Jung-Trainer Julian Nagelsmann auf.

Markus Gisdol war an der von der Klub-Philosophie massiv abweichenden Transferpolitik im letzten Sommer (wirklich, Hoffenheim, Kevin Kuranyi???) und dem Substanz-Verlust durch diverse Abgänge (Firmino, Modeste) gescheitert. Sein Nachfolger Huub Stevens führte das Team mit einer (ebenfalls massiv von der Klub-Philosophie abweichenden) unbeweglichen Passiv-Spielweise zielsicher knietief in den Abstiegsmorast, ehe der 28-Jährige Nagelsmann kam und aus Hoffenheim wieder Hoffenheim machte.

Aus 44 Prozent Ballbesitz (unter Stevens) wurden 48 Prozent (unter Nagelsmann), dennoch wurde das Spiel nach vorne deutlich aktiver und geradliniger (51 Pässe pro Torschuss unter Stevens, nur noch 34 Pässe pro Torschuss unter Nagelsmann). die Torquote pro Spiel wurde damit von unterirdischen 0,6 (unter Stevens) auf 1,4 (unter Nagelsmann) mehr als verdoppelt und aus 0,8 Punkten pro Spiel (Stevens) wurden 1,6 Punkte pro Spiel (unter Nagelsmann).

Dabei veränderte Nagelsmann das System je nach Bedarf (Dreier-, Vierer-, Fünfer-Kette, ein Stürmer/zwei Stürmer) – das sieht alles wieder nach dem Hoffenheim aus, das man schätzen gelernt hat: Junge, talentierte Spieler, hohes Tempo, im Zweifel lieber ein Tor mehr schießen als der Gegner als eines weniger kassieren.

Große Namen im Abstiegsstrudel

Team BremenGlanzleistungen wie das 6:2 gegen Stuttgart und das 4:1 in Leverkusen einerseits, aber auch dümmliche Spielverläufe wie beim 1:2 trotz drückender Überlegenheit gegen Augsburg und komplette Zusammenbrüche wie beim 0:6 in Wolfsburg oder dem 1:5 in Gladbach – konstant war Bremen nur in seiner Unkonstanz.

Das hat bei Werder aber ebenso schon Tradition wie die Diskrepanz zwischen durchaus tauglicher Offensiv-Abteilung (Ujah im Herbst und Pizarro im Frühjahr trafen regelmäßig, Junuzovic ist drittbester Torvorbereiter der Liga) und unsicherer Defensive – nur Stuttgart kassierte noch mehr Tore. Jannik Vestergaard ist einer der besseren Spieleröffner der Liga, aber es gibt keinen IV-Partner, der die Aufrückbewegungen des kopfballstarken Dänen adäquat abdecken würde. Die AV-Positionen sind weiterhin womöglich am schlechtesten von allen Bundesligisten besetzt, eine Etage davor gibt’s auf den Außen auch eher nur gehobenes Zweitliga-Niveau.

Der Umstand, dass sich Werder im Frühjahr merklich stabilisiert hat und in der oberen Hälfte der Rückrunden-Tabelle zu finden ist (als Achter), macht Hoffnung, dass es in der kommenden Saison nicht mehr ganz so viel zum Zittern sein sollte wie diesmal, bis zur 88. Minute des letztes Spiels. Andererseits hat man diese Hoffnung bei Bremen seit Jahren – die Troubles, in die Werder auch heuer wieder kam, waren ja auch in den vergangenen Saisonen nicht fremd an der Weser.

Team FrankfurtAls „Team ohne Stärken“ bezeichnete Eintracht-Frankfurt-Blogger Björn Wisker die Mannschaft seines Herzensklubs im Laufe der Rückrunde. In der Tat ließ die Eintracht vor allem unter Armin Veh lange Zeit jedes Zeichen vermissen, was man den nun für einen Fußball spielen wollte.

Schon letzte Saison, als Frankfurt unter Thomas Schaaf einen respektablen neunten Rang erreicht hat, monierte viele kritische Beobachter eine gefährliche Selbstzufriedenheit innerhalb des Klubs und der Umstand, dass man in dieser Spielzeit lange die Augen vor der Realität namens immer näher kommender Abstiegskampf verschloss, bestätigt diese Warnungen im Nachhinein. Veh probierte einiges aus, aber alles halbherzig. Dabei wurde sein Team immer harmloser, immer verunsicherter. Das alles noch in Verbindung mit einer Transferpolitik, die zu überwiegenden Teilen als verfehlt bezeichnet werden muss, führte zu einem immer schnelleren Absturz.

Niko Kovac kam im März und versuchte vor allem durch Handauflegen und Gut-Zureden, ein totes Team wieder zum Leben zu erwecken. Er legte sich (bis auf die Spiele gegen Bayern, Dortmund und Bremen) auf ein recht klares 4-1-4-1 fest, mit Flügelspieler Szabolcs Huszti und dem talentierten Marc Stendera im offensiven Zentrum. In Kovac‘ ersten fünf Spielen gab es nur ein Tor, dafür vier Niederlagen – erst durch pure Willenskraft, blinde Wucht und auch Glück mit Referee-Entscheidungen robbte man sich noch so weit heran, das man am letzten Spieltag noch die Chance hatte, sich direkt zu retten. Der Versuch, sich am Ende mit einem 5-4-1 gegen Bremen ein Remis zu ermauern scheiterte, aber immerhin hat nun nun eine zweite Chance gegen Nürnberg bekommen.

Nur: Selbst wenn es gegen den Club gut gehen sollte, wird es schon etwas mehr brauchen als Kovac‘ Feuerwehrmann-Motivations-Künste, damit es nächste Saison wieder besser werden soll.

Team StuttgartSonst nämlich geht es der Eintracht, wie es Stuttgart ergangen ist. Der VfB bettelt zwar schon seit mehreren Jahren um den Abstieg, aber noch nie ist man das Unternehmen so konsequent angegangen wie in dieser Saison. Zu Saisonbeginn wollte der neue Trainer Alexander Zorniger ein Brutalpressing-Spiel der Marke Roger Schmidt aufziehen, aber erst gab es (vornehmlich durch Pech bzw. schlechte Chancenverwertung) viele Niederlagen, obwohl man viele Spiele klar gewinnen hätte müssen.

So kam es zur Verunsicherung, die Pressingformationen klappten zusammen, die Resultate wurden noch schlechter, und weil offenbar auch Schwächen in Zornigers Umgang mit Menschen dazu kamen, wurde er im November gegangen. Nachfolger Jürgen Kramny arbeiete nicht dramatisch anders als Kovac: Für gute Stimmung sorgen, die geprügelten Seelen streicheln. Dazu kam statt dem ballorientieren Zorniger-Spiel nun eine sehr mannorientierte Herangehensweise. Sprich: Manndeckung im Mittelfeld.

Dieser Mix brachte einige Gegner aus der Fassung und einige Siege auf das Stuttgarter Konto. Weil das aber das einzige war, was Kramny (der davor die VfB-Reserve am letzten Platz der 3. Liga festgebunkert hatte) dem Team sichtbar beibrachte, und die anderen Teams auch nicht alle blöd sind, wurden die Räume, die man im Mittelfeld bot, immer mehr angebohrt. Der hüftsteife Niedermeier und sein jeweiliger Partner (Schwaab, Sunjic, Barba, Baumgartl) konnten das nicht mehr ausgleichen, und so schlug es immer öfter ein – öfter als bei jedem anderen Klub.

Weil dann auch noch im Vorwärtsgang kaum ein anderes Schema erkennbar war, als die Verantwortung auf die schmalen Schultern von Daniel Didavi zu schieben und keiner der zahlreich probierten Stürmer (Werner, Kravets, auch Harnik; Ginczek fiel verletzt praktisch die ganze Saison aus) regelmäßig traf, gab es ab Anfang März in neun Spielen nur noch zwei Punkte, dafür 26 Gegentore, ift eines dämlicher als das andere.

Logische Konsequenz: Der Meister von 2007 steigt erstmals seit 1975 ab. Damals dauerte es zwei Jahre bis zur Rückkehr ins Oberhaus.

Mit Pauken und Trompeten

Team HannoverEine ziemlich erstaunliche Saison legte Hannover hin. Wer davor an den Trainerqualitäten von Michael Frontzeck zweifelte (das waren nicht so wenige), wurde im Herbst endgültig in seiner Meinung bestätigt. Frontzeck konnte den ziemlich beliebig und eher gesichtslos konzipierten Kader nie eine wirkliche Linie einpflanzen.

Ein erstaunlicher Beitrag des Hannover-Fan-Blogs „Niemals allein“ erklärte im Herbst die Deutung von Statistiken am Beispiel von 96, und kommt bezüglich Frontzeck zu einem vernichtenden Urteil. Unter Slomka war Hannover einer der Pioniere des schnellen Umschaltspiels und jahrelang fixer Kandidat für die Europacup-Plätze, erreichten sogar das Europa-League-Viertelfinale. Davon ist nichts mehr übrig.

Wenig überraschend wurde Frontzeck im Winter entlassen. Eher schon überraschend war, dass es unter Nachfolger Thomas Schaaf sogar noch schlimmer wurde. Zehn Niederlagen in elf Spielen bei 4:23 Toren zementieren den letzten Platz und den Abstieg nach 14 Bundesliga-Jahren (dem klar längsten Stint der Klubgeschichte). Daniel Stendel hatte nach dem Schaaf-Abgang nur noch die Aufgabe, das Jahr vernünftig zu Ende zu bringen. Das schaffte er (8 Punkte aus seinen 6 Spielen).

Fazit

Der Titel der Bayern sieht selbstverständlicher aus als er ist, weil Dortmund wirklich eine herausragend gute Saison gespielt hat. Dahinter aber offenbart sich, das Dilemma: Zum einen der eklatante Abstand dieses Duos zum Rest des Feldes, zum anderen die fehlende Fähigkeit jedweden anderen Teams, konstant über einen längeren Zeitraum als ein paar Wochen auf hohem Niveau zu bleiben.

Außerdem gibt es nur eine Handvoll Teams, die wirklich einen nennenswert eigenen Stil besitzen (Bayern, Dortmund, Leverkusen sicher, auch Ingolstadt und wieder Hoffenheim; Darmstadt muss man auch dazuzählen). Der Rest: Einheitsbrei. Konservativer Safety-First-Fußball, lieber – wie es Ulf Kirsten gesagt hat – „Scheiße spielen und gewinnen“.

Vor allem darum tut sich die Bundesliga so schwer, außerhalb Europas wirklich Fuß zu fassen, wie es Spanien und vor allem England geschafft haben: Ein Duell Dritter gegen Fünfter, Hertha gegen Schalke, klingt zwar ganz okay – aber es gibt auf dem Platz nicht viel her.

Wer weiß, vielleicht kann Leipzig daran ja mittelfristig was ändern.

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Mehr als nur eine Feel-Good-Story: Das war der Afrika-Cup 2012 https://ballverliebt.eu/2012/02/13/mehr-als-nur-eine-feel-good-story-das-war-der-afrika-cup-2012/ https://ballverliebt.eu/2012/02/13/mehr-als-nur-eine-feel-good-story-das-war-der-afrika-cup-2012/#comments Mon, 13 Feb 2012 22:57:00 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=6696 Mehr als nur eine Feel-Good-Story: Das war der Afrika-Cup 2012 weiterlesen ]]> „Sie haben die Kraft gefunden, als ob es vorherbestimmt gewesen wäre. Ich habe ihnen gesagt, wenn wir ins Finale kommen, spielen wir in Libreville, wo es den Flugzeugabsturz gegeben hat. Das war vor unserem ersten Spiel gegen Senegal – jenes Land, wo die Mannschaft damals hingeflogen wäre. Das hatte eine ganz eigene Bedeutung.“ – Hervé Renard, Teamchef von Sambia.

Ballverliebt-Allstars des Afrika-Cups 2012

Es ist, global betrachtet, eine der größten Feel-Good-Storys der Fußball-Geschichte. Außenseiter Sambia, die No-Name-Truppe, holt als krasser Außenseiter genau dort den ersten kontinentalen Titel, wo vor 19 Jahren die beste Mannschaft, die das Land jemals hatte, bei einem Flugzeug-Unglück auf so tragische Weise ausgelöscht worden war. Im Kleinen ist der Titelgewinn für Sambia aber ein ganz, ganz deutlicher Fingerzeig für die gefallenen Giganten Afrikas. Weniger für die Ivorer, die im Endspiel das Elfmeterschießen verloren haben, ohne davor in sechs Turnierspielen auch nur ein einziges Gegentor kassiert zu haben.

Nein, es ist ein Fingerzeit für Nationalmannschaften wie jene von Nigeria und Kamerun. Weil der unerwartete Lauf Sambias zum Titelgewinn zeigt: Mit Kontinuität und Teamgeist kommt man weiter. Mit internem Streit, Individualismus und ständig wechselnden Teamchefs auf der Seitenlinie nicht. Freilich, zwischen dem sehr ordentlichen Auftritt in Angola vor zwei Jahren und dem großen Wurf jetzt war Sambias Teamchef Hervé Renard auch anderthalb Jahre nicht im Amt. Aber er vertraute fast ausschließlich auf jene Spieler, die schon länger zusammen spielen und er kannte auch die Verhältnisse.

Starke Defensive, flinke Offensiv-Kräfte

Die Grundformation von Sambia

Und er schuf auf dem Platz die Voraussetzungen, um die Stärken der Spieler optimal zu nützen, um für das Team einen Mehrwert zu erzielen. Wichtigstes Element war dabei das zentrale defensive Viereck mit den beiden Innenverteidigern Himoonde und Sunzu (die gemeinsam bei TP Mazembe in der DR Kongo spielen und in den letzten drei Jahren zweimal die Champions League gewonnen hat und das Finale der Klub-WM erreichte) und den beiden Sechsern. Einer davon war immer Nathan Sinkala, der sogar noch in der heimischen Liga spielt. Dieses Quartett machte es den Gegnern praktisch unmöglich, durch die Mitte vor das Tor des sicheren Goalies Kennedy Mweene zu kommen.

Das restliche Mittelfeld, das war ein weiteres Kern-Merkmal von Sambia, agierte extrem flexibel. Den Part neben Sinkala konnten Lungu, Chansa und auch Kasonde einnehmen, jeder von den dreien konnte aber genauso gut eine der Außenpositionen einnehmen. Durch dieses ständige Wechseln im Mittelfeld, das oft sogar im eigenen Ballbesitz in hohem Tempo im Aufbauspiel vollzogen wurde – indem die Außen nach innen zogen und die Sechser entsprechend verschoben – entblößte man gegnerische Sechser immer wieder.

Hinzu kam der äußerst aktive Kapitän Chris Katongo, der immer und überall unterwegs war, und der flinke und torgefährliche Stürmer Emmanuel Mayuka. Die Young Boys aus Bern reiben sich vergnügt die Hände, weil der 21-Jährige seinen Wert verzehnfacht hat und nun über 11 Millionen Euro wert sein dürfte. Ein tolles Beispiel von hervorragendem Scouting – da können sich viele Teams aus Österreich eine ganz dicke Scheibe abschneiden.

Das Spiel von Sambia war nicht spektakulär und vor allem im Semifinale gegen Ghana agierte man schon übervorsichtig, aber es war perfekt auf die Spieler zugeschnitten und jeder Spieler hielt sich daran. Auch, wenn es Spektakel-Fans und Vorurteilsbeladene ungern sehen: Aber auch beim Afrika-Cup führt der Weg zum Titel nur über disziplinierte Defensive, ein passendes Konzept, funktionierendes Kollektiv und der Bereitschaft, Ergebnis-Fußball dem Erlebnis-Fußball vorzuziehen.

Warten auf Fehler war nicht genug

Was ja im Übrigen nicht nur für Champion Sambia gilt, sondern auch für die anderen drei Teams im Halbfinale. Allen voran Überdrüber-Top-Favorit Côte d’Ivoire. Nach der reinen Papierform darf es nie passieren, dass ein Team mit Spielern aus dem Kongo, der Schweiz, der zweiten russischen Liga und einem Quartett aus der selbst im afrikanischen Vergleich sportlich irrelevanten südafrikanischen Liga die Weltstars von Man City, Chelsea und Arsenal auch nur fordern kann.

Die Grundformation der Côte d'Ivoire

Die Ivorer verließen sich im ganzen Turnier eher darauf, auf Fehler beiden Gegnern zu lauern und diese dann gnadenlos auszunützen. Das hat funktioniert, weil es keinem Gegner gelungen ist, gegen die von der individuellen Klasse allen 15 Konkurrenten fraglos haushoch überlegene Mannschaft fehlerfrei zu spielen – im Übrigen auch Sambia nicht. Aber das eine Geschenk, den Elfmeter in der zweiten Hälfte, verschoss Drogba.

Teamchef François Zahoui, der als Spieler vor 20 Jahren beim bislang einzigen Titelgewinn dabei war, vertraute vor allem auf seine komplett schussfeste Defensive. Sol Bamba und Kolo Touré spielten ein fast fehlerfreies Turnier, Boubacar Barry war der klar beste Torhüter des Afrika-Cups.

Was aber nicht übertünchen kann, dass auch die Ivorer keineswegs frei von Problempositionen waren. Rechts hinten konnten weder Igor Lolo noch Jean-Jacques Gosso überzeugen, Salomon Kalou nahm an einigen Spielen nur am Rande teil – sein Ersatzmann Max Gradel von St. Etienne machte, wann immer er spielen durfte, einen deutlich flinkeren, frischeren, willigeren und fleißigeren Eindruck als Kalou. Und dass Gervinho, der andere Außenstürmer im 4-3-3, nicht gerade die Effizienz in Person ist, wissen Arsenal-Fans nur allzu gut.

Das bittere für die Ivorer ist natürlich, dass sie genau wissen: Dieses Turnier war eine einmalige Chance. Teams wie Kamerun, Nigeria und Ägypten nicht dabei, man spazierte mit angezogener Handbremse ins Finale, und doch klappte es auch beim vierten Anlauf dieser Mannschaft nicht mit dem Titel, der ihnen längst zustehen würde. Ihr Glück ist es, dass es schon nächstes Jahr die Chance zur Wiedergutmachung gibt. Das wird dann die ultimativ allerletzte Chance für Leute wie Drogba, Zokora und Kolo Touré, doch noch was zu holen. Ein wenig mehr Unternehmungsgeist könnte dabei nicht schaden, hinten ist man gut gerüstet.

Ähnliches Problem bei Ghana

Die Grundformation von Ghana

Die Black Stars waren fast ein Abziehbild der Ivorer: Nach vorne tat man sich extrem hart gegen die zumeist recht gut verteidigende Gegner. Vor allem Kwadwo Asamoah kam überhaupt nicht ins Turnier, von Sulley Muntari kam zu wenig und André Ayew alleine konnte die Mannschaft letztlich nicht herausreißen.

Der Unterschied zu den „Elefanten“: Hinten wurde gepatzt. Torhüter Adam Kwarasey, der eigentlich Larsen heißt und Norweger ist, machte nicht den sichersten Eindruck, Kapitän John Mensah musste sich in einem Spiel für das Team opfern und einen Ausschluss hinnehmen, die Ersatzleute Vorsah und Jonathan Mensah konnten ihn nicht ersetzen. Zudem fehlte Teamchef Stevanovic auf den Außenbahnen die Linie: Mal spielte Inkoom statt Pantsil rechts hinten, mal vor Pantsil rechts vorne und Ayew dafür links, dann musste Inkoom auch mal links hinten ran, weil dort weder Masahudu Alhassan noch Lee Addy eine überzeugende Figur gemacht haben. Schon gegen Tunesien im Viertelfinale musste ein Geschenk in Form eines schlimmen Goalie-Fehlers zur Rettung herhalten, gegen Sambia im Semifinale fehlte dann jede Inspiration – und das kleine Finale gegen Mali war ohnehin mehr eine Bestrafung.

Es ist sicher noch zu früh zu sagen, dass die große Zeit von Ghana mit dem U20-WM-Titel 2009, dem Finalzeinzug beim Afrika-Cup vor zwei Jahren und dem Viertelfinale bei der WM vorbei ist. Aber bei den Black Stars muss man nun aufpassen, nicht in jene unübersichtliche Mischung aus Altstars über dem Zenit, fehlendem Teamgeist auf dem Platz und zu vielen Trainerwechseln zu verfallen, die Kamerun und Nigeria vorläufig in den Orbit gejagt hat. Ghana steht fraglos am Scheideweg.

Mali wird Dritter – wenn auch eher zufällig

Dass in solchen Turnieren Teams, die schlechter spielen als manche Konkurrenten letztlich weiter kommen als diese, das ist nichts Neues. Mali ist so ein Beispiel: Sowohl Guinea in der Gruppe als auch Gabun im Viertelfinale war man eigentlich recht deutlich unterlegen, auch inhaltlich, aber ein Tausenguldenschuss (gegen Guinea) und ein Elfmeterschießen (gegen Gabun) reichten für den überraschenden Einzug ins Halbfinale.

Die Grundformation von Mali

Und das, obwohl mit Seydou Keita der eigentliche Star und klar beste Spieler der Mannschaft ein erschreckend anonymes Turnier spielte. Er stand oft viel zu hoch, um seine Stärken in Passgenauigkeit und Spieleröffnung ausspielen zu können. Sein Können im Pressing gegen den gegnerischen Spielaufbau kam auch nicht allzu häufig zum Einsatz.

Dafür sprangen andere in die Presche, wie vor allem Adama Tamboura. Der Linksverteidiger vom französischen Zweitligisten Metz ist eine DER Entdeckungen in diesem Turnier (auch wenn er mit 26 Jahren nicht mehr der Jüngste ist), auch die beiden Sechser Samba Diakité und Bakaye Traoré zeigten gute Abstimmung – kein Wunder, die sind bein Nancy auch Teamkollegen. Nach vorne wurde es dann halt immer dünner, aber damit passt man ja ins Bild bei diesem Turnier. Der dritte Platz ist für Mali sicher ein riesiger Erfolg, wie groß die Nachhaltigkeit sein wird, steht aber auf einem ganz anderen Blatt Papier.

Die Gastgeber: Gleicher Erfolg, unterschiedliche Aussichten

„Nachhaltigkeit“ ist auch das Stichwort bei den beiden Gastgebern. Ihre insgesamt acht Spiele waren, gemeinsam mit dem Finale, die einzigen mit einer guten Zuschauerkulisse – bei anderen Spielen, vor allem dem Viertelfinale zwischen Sambia und dem Sudan mit nur 200 (!!!) Zuschauern fanden vor teils erschreckend leeren Rängen statt. Bei Eintritts-Preisen, die einen durchschnittlichen Wochenlohn als unterstes Limit haben, ist das aber auch kein Wunder.

Die Grundformation von Gabun

Die Ansätze bei den beiden Ausrichtern war grundverschieden. Gabun mit dem Deutsch-Franzosen Gernot Rohr als Teamchef hat vor zwei Jahren trotz des Aus in der Vorrunde schon angedeutet, dass man eine junge Mannschaft mit viel Entwicklungspotential ist, die tollen Auftritte hier waren der beinahe logische nächste Schritt. Die Hingabe und der Schwung, den die mit einem Schnitt von 25 Jahren noch recht junge Truppe gezeigt hat, konnte einen mitreißen – vor allem der Über-Thriller gegen Marokko im mit Abstand besten und aufregendsten Spiel des Turniers war eine Augenweide.

Aber auch das System und die generelle Spielanlage war eine äußerst positive Erscheinung. Die Außenverteidiger Moussono und Mouele marodierten nach vorne wie kaum jemand anderer in diesem Turnier, das Sturm-Trio war ständig in Bewegung, gut am Ball und der Wille, nach vorne zu spielen und die Partien an sich zu reißen, war fast immer erkennbar – aber nie über eine gesamte Partie. Und genau dieser Aspekt, der sicher auch auf fehlende internationale Erfahrung zurück zu führen ist, kostete dem Team mit dem positivsten Fußball ein noch besseres Resultat als das Viertelfinale.

Die Zukunftsaussichten sind aber nicht so schlecht. Wenn man die richtigen Lehren aus dem eigenen Auftreten zieht, und die aus dem Titelgewinn von Sambia – sprich, auf Kontinuität zu setzen – ist angesichts der wahrlich nicht übertrieben schweren Quali-Gruppe mit Burkina Faso, Niger und Congo die Teilnahme am WM-Playoff für Brasilien beinahe Pflicht.

Die Grundformation von Äquatorialguinea

Da wird es er wild zusammengekaufte Haufen, der für Äquatorialguinea aufläuft, wesentlich schwerer haben. Nicht nur, weil mit Tunesien ein starker Gegner wartet, sondern vor allem, weil der Mannschaft die Basis fehlen dürfte. Das Team ist deutlich älter und hat viel weniger Spieler, die noch viel Entwicklungspotential nach oben zeigen. Rechtsverteidiger Kily David ist so einer, Sechser Ben Konaté sicher auch – aber im Großen und Ganzen lebte der zweite Co-Gastgeber schon viel mehr von der Spezialsituation Heimturnier und der Euphorie, die die zwei (glücklichen) Siege gegen Libyen und den Senegal entfachten.

Sicher, praktsich alle Spieler sind über sich hinausgewachsen, aber für Teamchef Gilson Paulo, der die Mannschaft erst kurz vor dem Turnier übernommen hatte, wird ein dauerhaftes Etablieren unter den besseren Teams Afrikas sicher kein leichteres Unterfangen als es das Heimturnier war.

Sudan und Liyben: Die arabischen Überraschungen

Ägypten, Sieger der letzten drei Ausgaben, war nicht qualifiziert – aber mit den Nachbarn Sudan und Liyben gab es dennoch zwei Teams aus dem arabischen Sprachraum, die mit schönen Erfolgen nach Hause zurückkehren.

Die Grundformation des Sudan

Das trifft vor allem auf den Sudan zu – die 23 Kader-Spieler kehren tatsächlich alle nach Hause zurück, Teamchef Mohamed Abdalla hatte nicht einen einzigen Legionär mit dabei. Die Spielanlage des Sudan war der von Sambia nicht unähnlich: Durch die Mitte zumachen, über die Außen Gegenstöße setzen, mit Mustafa Haitham gab es eine sehr aktive hängende Spitze und mit Mudathir einen Stürmer, der nicht viele Chancen braucht.

Die Qualität des Champions hat der Sudan freilich nicht und für den Viertelfinal-Einzug brauchte es schon auch Geschenke von Burkina Faso im letzten Gruppenspiel, aber pures Glück war das alles nicht. Was der Mannschaft fehlte, war die Breite in der eigenen Spielgestaltung, weil die Mittelfeld-Außen viel einrückten, die Außenverteidiger aber nicht konsequent hinterliefen. Aber der erste Sieg bei einem Spiel des Afrika-Cups seit 42 Jahren ist ein feiner Erfolg.

Die Grundformation von Libyen

Eine weitere echte Feel-Good-Story, die aufgrund des Vorrunden-Aus leider etwas unterging, war der Auftritt von Libyen. Schon alleine die Tatsache, dass sich die Mannschaft trotz des tobenden Bürgerkrieges, ausgesetzter Meisterschaft und mit natürlich gestrichenen Heimspielen überhaupt qualifiziert hat, zumal mit einigen Kickern, die selbst an der Front gekämpft hatten, ist schon ein Wunder.

Aber der Auftritt beim Turnier selbst, der von Spiel zu Spiel couragierter wurde, toppte das dann sogar noch. Gegen Äquatorialguinea wirkte man noch gehemmt, aber den späteren Champion Sambia hatte man schon am Rande der Niederlage und gegen den Senegal folgte dann die Krönung: Mit einer geschickten Umstellung, mit modernem Systemfußball, mit einem passenden Konzept und dessen disziplinierter Ausführung gelang doch tatsächlich ein 2:1-Erfolg.

Für das Viertelfinale hat es nicht gereicht, aber die Libyer sind dennoch ohne jeden Zweifel einer der ganz großen Gewinner dieses Afrika-Cups.

Seltsames Turnier von Senegal

Die Grundformation von Senegal

In der ersten Hälfte des ersten Spiels gegen Sambia wurden zwei Schläfrigkeiten in der senegalesischen Abwehr eiskalt ausgenützt – der Anfang vom Ende für die vorher als heiße Mit-Favoriten gehandelte Mannschaft. In der Folge gab es nicht nur gegen Sambia, sondern auch in der zweiten Partie gegen Äquatorialguinea Chancen am laufenden Band. Ja, die Spielanlage von Senegal mit ihrem Mittelding aus 4-2-3-1 und 4-2-4 war recht eindimensional. Aber die an sich guten Laufwege von Ba und Cissé und der ungeheure Schwung von Issia Dia auf der rechten Seite bereitete den beiden Gegnern große Probleme. Vor allem im zweiten Spiel hätte es statt der 1:2-Niederlage in der letzten Minute eigentlich einen Kantersieg geben müssen. So war Senegal ausgeschieden, die Luft war raus, der Auftritt gegen Libyen blutleer und das Punktekonto stand auch nach drei Spielen immer noch auf Null. Peinlich.

Was Senegal zum Verhängnis wurde, war neben der schlechten Chancen-Verwertung vor allem fehlende Kompaktheit im Mittelfeld und eine Abwehrkette, die nicht auf der Höhe war. Teamchef Amara Traoré, der von draußen kaum Impulse geben konnte, ist jedenfalls schon nicht mehr im Amt.

Unaufgeregte Maghreb-Teams

Was angesichts der sonst weit verbreiteten Hire-&-Fire-Politik in afrikanischen Verbänden etwas überraschend war: Eric Gerets darf trotz den enttäuschenden Vorrunden-Aus auch weiterhin die Mannschaft aus Marokko betreuen. Auch, wenn der Auftritt der Mannschaft das Verpassen des Viertelfinales durchaus rechtfertigte.

Die Grundformation von Marokko

Und auch der Teamchef selbst mit seinem vorschnellen Signal zum geordneten Rückzug im Mega-Match gegen Gabun seinen Teil dazu beigetragen hat. Das Hauptproblem Marokkos war die Abhängigkeit von Houssine Kharja. Er sollte seine Mitspieler aus der Tiefe heraus dirigieren und einsetzen. Das wussten aber auch die Gegner und stellten den Italien-Legionär so gut es ging zu – und kein anderer übernahm die Verantwortung. Zu wenig Nachdruck gegen Tunesien, zu früh sicher gefühlt und Gabun ins Spiel zurücklassen, und schon war das Turnier vorbei.

Woran es Marokko vor allem fehlt, sind Führungsfiguren. Boussoufa und Hadji sind Schönwetter-Spieler, Kharjas Nebenmann Hermach fehlt es an der Klasse und im Sturmzentrum macht Chamakh einfach zu wenig aus seinen Anlagen.

Die Grundformation von Tunesien

Da fußte die Abordnung aus Tunesien schon auf deutlich mehr Säulen. Sami Trabelsi vertraute einem recht großen Block von Akteuren aus der eigenen, sportlich durchaus sehenswerten Liga. Der Vorteil dabei: Die Mittelfeld-Zentrale mit Korbi und Traoui war gut eingespielt, als im dritten Spiel mit Ragued erstmals ein dritte Mann eingezogen wurde, stand man noch sicherer.

Zudem machten zwei Spieler auf sich Aufmerksam: Rechtsvertediger Bilel Ifa (21), der recht bald in der französischen Liga auftauchen dürfte, ud vor allem Youssef Msakni. Der auch erst 21-Jährige mit dem Lausbuben-Gesicht ist ein Offensiv-Allrounder, wie man ihn sich wünscht: Er kann über die Flanken kommen (hier eher über die linke), der kann hinter den Spitzen spielen, und er kann auch selbst Tore schießen.

Tunesien ist nach einem sportlichen Durchhänger in den letzten Jahren wieder zurück auf der Spur nach oben: Mit einer kompakten und sicheren Defensive, fleißigen Außenverteidigern (auch Chammam, der im Turnierverlauf Jemal ersetzte) und einem offensiven Alleskönner mit viel Potential. Wer weiß, wie viel Tunesien schon diesmal erreichen hätte können, wenn nicht der sonst so sicherer Torhüte Mathlouthi im Viertelfinale gegen Ghana daneben gegriffen hätte.

Die Grundformation von Guinea

Die Pechvögel aus Guinea

Es gibt eine Mannschaft, das das Viertelfinale absolut verdient gehabt hätte, aber durch einen Glücktreffer von Mali außen vor blieben: Das Team aus Guinea. Unter ihrem französischen Teamchef Michel Dussuyer, dessen Vater im Turnierverlauf verstarb, zeigten die Westafrikaner sehenswerten Angriffsfußball. Im ersten Spiel gegen Mali scheiterten sie an der Chancenverwertung, aber gegen Botswana gab’s beim 6:1 kein Halten mehr. War aber alles nicht mehr genug, genau wie das achtbare 1:1 gegen Ghana – bei dem sich die Mannschaft wohl etwas zu früh aufgegeben hat.

Auch Guinea ist im Grunde eine Mannschaft, die sich ansehnlicher präsentiert hat als es der Kader annehmen hätte lassen. Zwei Burschen aus der Drittliga-Mannschaft von Stuttgart, jede Menge Spieler aus wenig prickelnden Vereinen aus Ländern wie Schweiz, Belgien und der Türkei, Zweitliga-Kicker aus Frankreich – aber es war klar ersichtlich, dass es im Team stimmt. Jeder rannte für den anderen, bis auf die letzte halbe Stunde gegen Ghana war das Bestreben, positiven Fußball zu zeigen und Tore zu erzielen, immer sichtbar.

Die Grundformation von Angola

Das war zu wenig

Andere Teams, denen man mehr zugetraut hätte, haben sich selbst geschlagen. Angola etwa: WM-Teilnehmer von 2006, zuletzt dreimal das Viertelfinale erreicht, aber diesmal war doch ein deutlicher Rückschritt zu erkennen. Wenn die Mannschaft schon hinten nicht besonders sicher steht – was ja auch schon beim Heim-Turnier vor zwei Jahren nicht der Fall war – dann muss zumindest nach vorne etwas gehen. Aber von den Flanken kam zu wenig Konkretes, aus der Zentrale gab’s nur Alibi-Fußball und Flavio, einer der WM-Torschützen von vor sechs Jahren, ist deutlich über seinen Zenit hinaus.

Das alles kann ja mal passieren, das ist auch keine Schande. Anders als der Umgang der angolanischen Autoritäten, die sich als ganz schlechte Verlierer zeigten: Reporter wurde gewaltsam von der Mannschaft abgeschottet, Berichterstattung darüber unter Androhung von Strafen zu verhindern versucht. Das gab kein gutes Bild ab.

Die Grundformation von Burkina Faso

Zu wenig Konkretes – das ist auch der sportliche Vorwurf, den sich Burkina Faso machen lassen muss. Aus der Zentrale von Marseille-Sechser Kaboré kam viel zu wenig, Alain Traoré haderte früh mit sich, den Mitspielern, den Referees, mit Gott und der Welt, Joker Aristide Bancé irrlichterte wirr über den Platz, Bakary Koné schoss hinten Böcke am laufenden Band und Moumouni Dagano wirkt vorne wie ein Dinosaurier. Der flinke Jonathan Pitroipa, der einzige noch verbleibende Spieler von höherer Qualität, war mit der ganzen Verantwortung auf seinen schmalen Schultern sichtlich überfordert. Und letztlich half es auch nicht, dass von der Trainerbank keine hilfreichen Impulse kamen: Teamchef Paulo Duarte hielt stur an seinem steifen 4-2-3-1 fest.

Die Folge: Drei Niederlagen und das Vorrunden-Aus.

Die Grundformation von Niger

Chancenlose Debütanten

Drei Niederlagen war auch die Bilanz, die man von den zwei Debütanten erwartet und auch bekommen hat. Wobei das Team aus Niger bei seiner Afrika-Cup-Premiere vor allem defensiv gar keine so schlechte Figur gemacht hat: Der Versuch, den Gegnern keinen Platz und keine Zeit am Ball zu lassen, Kompakt und sicher zu stehen und nach Ballgewinn über die flinken Issoufou und Maazou nach vorne zu kommen, war stets erkennbar und wurde auch ganz okay ausgeführt.

Die individuelle Qualität der eher zufällig gegenüber den Südafrikanern qualifizierten Mannschaft war natürlich nicht mit jener der Gruppengegner zu vergleichen, und doch hätte man Marokko beinahe einen Punkt abgetrotzt. Leider wurde das alles überschattet von der eher unwürdigen Posse hinter den Kulissen und an der Seitenlinie, wo man dem erfolgreichen Teamchef Harouna Doula (immerhin Afrikas Trainer des Jahres 2011) im Franzosen Rolland Courbis einen Anstands-Wauwau vor die Nase setzte, der dann auch bei den Spielen seinen dicken Bauch Kommandos gebend in der Coaching-Zone präsentierte, während sich Doula etwas indigniert auf der Trainerbank einigelte.

Die Grundformation von Botswana

Fehlende Qualität vor allem im Spiel nach vorne war letztlich auch bei Botswana der limitierende Faktor. Abgesehen vom 1:6 gegen Guinea, wo man in Unterzahl komplett auseinander fiel, stand man mit zwei Viererketten und einem Sechser dazwischen recht sicher, machte Ghana und Mali das Leben mit gutem Lauf- und Stellungsspiel verteufelt schwer und verlor diese beiden Spiele nur knapp.

Aber im Angriff… Jerome Ramathlhakwane versuchte zwar, mit viel Laufarbeit fehlende Ideen von hinten auszugleichen, aber außer Mondbällen aus der eigenen Hälfte hatte Botswana überhaupt nichts anzubieten. Kein Wunder, dass schon in der Quali kein Team, das den Cut geschafft hat, weniger Tore erzielt hat. Durchaus erstaunlich, dass es trotzdem zu zwei Treffern – einem Elfmeter und einem Konter – gereicht hat.

Aber für Botswana gilt genau wie für Niger: Schön, mal dabei gewesen zu sein. Es wird auch in Zukunft nicht allzu oft passieren.

Fazit: Was bleibt?

Genau natürlich wie der Titelgewinn für Sambia eine Ausnahme ist. Die Mannschaft aus dem 13-Millionen-Einwohner-Land im Süden des Kontinents wird sich nun genausowenig zu einem dauerhaften Titelkandidaten aufschwingen wie das Griechenland nach dem Titel 2004 oder der Irak nach dem Erfolg beim Asien-Cup 2007 gelungen ist.  Schon hinter einer WM-Teilnahme in Brasilien steht ein dickes Fragezeichen, muss man doch in der Gruppe an Ghana vorbei, um überhaupt in die entscheidenden Playoffs einzuziehen.

Aber die Mannschaft ist jung genug, um noch einige weitere Afrika-Cups zu absolvieren und kann nächstes Jahr in Südafrika oder in drei Jahren in Marokko auch wieder eine gute Figur abgehen. Der Unterschied: Ab sofort werden vor allem Underdogs gegen den Afrika-Meister doppelt und dreifach motiviert in die Spiele gehen.

Für Didier Drogba und seine Ivorer geht es nächstes Jahr noch einmal um alles oder nichts, aber es wird nicht leichter. Kamerun, Nigeria, Ägypten und Ausrichter Südafrika werden die Scharte der verpassten Quali ausmerzen wollen. Dass das vor allem bei afrikanischen Funktionären zumeist in kontraproduktiver Übermotivation umschlägt, ist dabei aber natürlich nichts Neues.

Aber wer weiß, vielleicht sorgt das Signal, das Sambia ausgesendet hat, beim einen oder anderen ja doch für etwas mehr Mitdenken.

(phe)

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