Barcelona – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Mon, 08 Aug 2022 19:19:59 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Podcast: Es geht wieder los mit der Premier League, Bundesliga und Marko Arnautovic https://ballverliebt.eu/2022/08/08/podcast-premier-league-bundesliga-saisonstart-2022-2023/ https://ballverliebt.eu/2022/08/08/podcast-premier-league-bundesliga-saisonstart-2022-2023/#respond Mon, 08 Aug 2022 19:19:58 +0000 Die englische Premier League und die deutsche Bundesliga sind wieder gestartet und auch in der spanischen La Liga drängt sich der ein oder andere Aufreger auf. Die Ballverliebt-Crew erwacht aus dem kurzen Sommerschlaf und bespricht den Saisonauftakt in England und Deutschland. Und was könnte Manchester United mit Marko Arnautovic vorhaben?

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Real holt wieder die CL: Wie ist das einzuordnen? https://ballverliebt.eu/2017/06/04/real-madrid-zidane-juventus-einordnung-sacchi-guardiola/ https://ballverliebt.eu/2017/06/04/real-madrid-zidane-juventus-einordnung-sacchi-guardiola/#comments Sun, 04 Jun 2017 07:21:53 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=13538 Real holt wieder die CL: Wie ist das einzuordnen? weiterlesen ]]> Real Madrid hat also den Champions-League-Titel verteidigt. Als erstes Team seit dem Re-Branding des Landesmeister-Pokals 1992/93 bzw. der Einführung der Gruppenphase ein Jahr davor. Das 4:1 gegen Juventus Turin zementiert den Platz dieses Teams in der Fußball-Geschichte. Aber wie ist Zidanes Real etwa mit Sacchis Milan oder Guardiolas Barcelona zu vergleichen?

Real Madrid – Juventus Turin 4:1 (1:1)

Der Schlüssel zum Erfolg des aktuellen Teams von Real Madrid liegt in der Balance und der Stabilität, welche Zinedine Zidane mit seinem System und seiner Taktik verleiht. Als in den letzten Wochen Isco – der immer eher Edel-Joker war – für den verletzten Bale in die erste Elf rückte, wurde diese noch einmal auf ein neues Level gehoben.

Die beiden Achter von Real – also Modric und Kroos – agieren in der Grundformation recht weit hinten und kippen gerne ein wenig seitlich ab. Das erlaubt den Außenverteidigern – also Marcelo und Carvajal – ein schwungvolles Aufrücken, weil sie in ihrem Rücken keine Löcher offenbaren. Wenn man so spielt, entsteht aber in der Regel ein Loch im Halbfeld, weil das der Raum ist, um den sich sonst der Achter kümmert.

Schlüsselspieler Isco

Und hier kommt Isco ins Spiel. Er ist nicht fix an eine Position gebunden, sondern hat einen extremen Radius und er ist auch nicht eine Nummer zehn im klassischen Sinn, sondern eher der ultimative Balance-Geber, wo immer er gerade gebraucht wird. Der vor vier Jahren von Málaga gekommene Isco ist die Rückversicherung für alle Bereiche des Offensivspiels – und des Defensivspiels.

Da Modric und Kroos seitlich defensiv agieren können, ohne vor ihnen Platz zu geben (weil ja Isco da ist), konnten die raumgreifenden Laufwege von Dybala – von einer recht wild von Juventus gestalteten Anfangsphase – nie eine wirkliche Wirkung entfalten. Sobald sich das Spiel nach ein paar Minuten gelegt hatte, kamen die Italiener kaum zur Geltung.

Auch mit Spielglück

Juve verteidigte in zwei Viererketten. Isco wurde mit Back-up übergeben, konnte so offensiv keine Wirkung entfalten; die Außenspieler im Mittelfeld (Dani Alves rechts, Mandzukic links) rückten immer wieder ein, um die Kreise von Kroos und Modric einzuengen. Juve-Linksverteidiger Alex Sandro wusste genau, wie er gegen Carvajal spielen musste; Marcelo war zwar aktiv, hatte mit Barzagli aber einen gelernten Innenverteidiger gegen sich.

Erst ein Real-Konter mit schlechter Staffelung bei Juventus, ein gescheitert Doppelpass und ein abgefälschter Schuss von Ronaldo sorgten für die Real-Führung, die dank Mandzukic‘ Fallrückzieher nicht lange hielt. Das Spiel war auf höchstem taktischen Niveau, aber relativ statisch – bis zu Casemiros krummem Ding nach einer Stunde.

Das war weder besonders gut gemacht von Real Madrid noch dramatisch schlecht gemacht von Juventus, es war letztlich einfach Glück/Pech (je nach Sichtweise). Drei Minuten nach dem 2:1 war die Juve-Innenverteidiger noch ein zweites mal nicht gut postiert und es hieß 3:1 – die Entscheidung. Man kann nicht mal mehr wirklich von „Faden verlieren“ sprechen, es war einfach vorbei. Asensios Tor in der Nachspielzeit hatte nur noch kosmetischen Wert.

Wo steht dieses Real-Team?

Real Madrid hat nun drei der letzten vier CL-Titel geholt. Das ist eine unglaubliche Leistung, die gerade bei der Leistungsdichte im modernen Spitzenfußball umso erstaulicher ist. Das zieht automatisch Vergleiche mit zwei anderen großen Teams nach sich: Das Milan der Sacchi-Jahre (die letzten Back-to-Back-Sieger) und das Barcelona der Guardiola-Jahre (zwei Siege in drei Jahren und Grundstock für die Dominanz auch des spanischen Nationalteams).

Finale 1990: Milan – Benfica 1:0 (0:0)

Sacchi brachte mit seiner Vorstellung vom Fußball beinahe eine Revolution in Gang. Extrem enge Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, Abkehr von der gerade in Italien als heiliger Kuh behandelten Manndeckung, Vielseitigkeit der Spieler und eine Neuinterpretation der Viererkette.

Milan gewann so den Meistercup 1989 (mit einem 5:0 im Halbfinale gegen Real Madrid sowie einem 4:0 im Endspiel gegen Steaua Bukarest) und wiederholte den Triumph 1990 beim Finale in Wien mit einem 1:0 über Benfica Lissabon mit Trainer Sven-Göran Eriksson.

Das war stilprägend für viele Jahre und noch in den mittleren und späten Nuller-Jahren betrachtete etwa Walter Schachner diese Interpretation des 4-4-2 als Höhepunkt der Fußballgeschichte und er versuchte, dem Vorbild entsprechend nahe zu kommen (wie beim Titel mit dem GAK 2004). Sacchis Vorbild strahlte also nicht nur auf andere Spitzenteams aus, sondern hatte großen Einfluss selbst auf die Verästelungen der Fußballwelt.

Und auch auf Milan selbst: Sacchis Nachfolger Fabio Capello baute auf dem Fundament auf, erreichte von 1993 bis 1995 dreimal hintereinander das Champions-League-Finale und gewann jenes von 1994 mit einem überragenden 4:0 gegen den FC Barcelona.

2011: Barcelona – Manchester Utd 3:1 (1:1)

Jener FC Barcelona installierte 2008 Pep Guardiola und er verwandelte das RIjkaard-Team, das er übernommen hat, von einer direkten und auch mit relativ vielen langen Bällen agierenden Mannschaft in die ultimative Ballbesitz-, Pressing- und Dominanzmaschine. Schon in seinem ersten Jahr gewann er das Triple – inklusive einem 2:0 im CL-Finale gegen Manchster United, zwei Jahre später gab es im Endspiel ein unerhört dominantes 3:1 gegen den selben Gegner.

In seinen vier Jahren beim Klub gewann Guardiola 3x die Meisterschaft, 2x die Champions League, 2x den Weltpokal und 2x den spanischen Pokal, dazu 3x den spanischen und 2x den europäischen Supercup. Das spanischen Nationalteam, das unter Vicente del Bosque den Barcelona-Stil kopierte, wurde 2010 Welt- und 2012 Europameister.

Verschüchterte Gegner verbunkerten nur noch die Strafräume, viele andere Teams übernahmen vor allem das Pressing-Element – mache besser (Dortmund), manche weniger gut (die meisten Teams der österreichischen Liga, zum Beispiel). Der viel zu früh verstorbene Tito Vilanova und dessen Nachfolger Luis Enrique übernahmen das breite Fundamet, Enrique gewann 2015 ebenso das Triple.

Finale 2016: Real – Atlético 1:1 nV, 5:3 iE

Und Zidane? Er ist kein Innovator wie Sacchi und Guardiola. Er gewinnt, weil er es versteht, sein Team bestmöglich nach seinen Stärken einzustellen und er versteht es, bestmöglich um Schwächen herum zu spielen. Zidane verleiht seinem Team eine extreme Balance, er hat ein unglaublich starkes zentrales Mittelfeld zu Verfügung.

Er ist, dem Vernehmen nach, kein kühl-distanzierter Chef wie Ancelotti oder ein Reibebaum wie Mourinho, von atmosphärischen Störungen ist in seinen anderthalb Jahren im Amt praktisch nie etwas zu hören gewesen. Und Zidane profitiert davon, dass er nun schon über längere Zeit den de facto unveränderten Kader zur Verfügung hat.

Völlig sinnlose Mega-Transfers wie zur Zeit, als Klub-Präsident Florentino Pérez die Galacticos wieder aufleben lassen wollte (mit sündteuren Flops wie James Rodríguez und Asier Illarramendi, die alleine über 100 Millionen Euro gekostet haben) finden in letzter Zeit nicht mehr statt. Beim 4:1 über Juventus waren nur zwei Spieler vom 2016er-Finale nicht wieder in der Startformation – Bale und Pepe, beide verletzt bzw. noch nicht ganz fit. Neun der 14 eingesetzten Spieler beim CL-Sieg 2014 waren gegen Juventus wieder dabei.

Einordnung

Zidanes Real Madrid ist eine Mannschaft, die sehr viel gewinnt und alleine dadurch schon ihren Platz in der langfristigen Fußball-Geschichte haben wird. Aber: Diese vielen Siege werden keinen Einfluss auf viele andere Teams haben, welche die Spielweise von Real nun kopieren könnten.

Sacchis Milan lebte von der Innovation, Guardiolas Barcelona lebte von der Innovation. Zidanes Real lebt von der Stabilität und zeigt eine hohe Qualität, sie macht aber nichts wirklich besonderes oder dramatisch andersartiges. Das Team ist über Jahre hinweg einfach richtig, richtig gut und vereint großartiges individuelles Talent (wie Ronaldo in seinem vermutlich letzten Frühling) mit einem kompakten und funktionierenden Teamgefüge.

Zidane hat sein Team komplett im Griff und hat die richtige Mischung aus taktischem Korsett und dem Auslebenlassen individueller Qualität gefunden. Unter den richtigen Umständen ist das alles, was es braucht. Auch ohne revolutionäre Andersartigkeit.

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Halb Deutschland will noch in die Champions League (Podcast #6) https://ballverliebt.eu/2016/04/03/halb-deutschlad-will-noch-in-die-champions-league-pocast-6/ https://ballverliebt.eu/2016/04/03/halb-deutschlad-will-noch-in-die-champions-league-pocast-6/#respond Sun, 03 Apr 2016 20:34:20 +0000 Neben Bayern und Dortmund kämpfen noch fünf andere Klubs um zwei Champions League-Startplätze. In dieser Ausgabe des Ballverliebt Fußball-Podcasts sprechen wir über die Chancen und Ausgangslage. Hertha, Leverkusen, Mönchengladbach, Mainz oder Schalke: Wer kommt in die Königsklasse? Außerdem im Programm: Das Clasico zwischen Barcelona und Real, die vermeintlichen Titel-Vorentscheidungen in England, Italien und Österreich (inklusve Rapid gegen Salzburg), Freudenmeldung aus dem ÖFB-Nachwuchs und ein kurzer Ausblick auf die WM-Qualifikation der ÖFB-Frauen sowie ein Mini-Ausblick auf die Europapokalwoche.

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Credits: Intro-Soundkomposition von Ballverliebt.eu mit Sounds von paulw2k, Wanga, CGEffex. Swoosh von GameAudio. Background von orangefreesounds. Titelbild:  Fuguito, CC BY-SA 3.0,

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Ballverliebt Classics, in memoriam Vujadin Boškov: Die große Sampdoria https://ballverliebt.eu/2014/04/29/ballverliebt-classics-in-memoriam-vujadin-boskov-die-grosse-sampdoria/ https://ballverliebt.eu/2014/04/29/ballverliebt-classics-in-memoriam-vujadin-boskov-die-grosse-sampdoria/#comments Tue, 29 Apr 2014 09:45:25 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10080 Ballverliebt Classics, in memoriam Vujadin Boškov: Die große Sampdoria weiterlesen ]]>

„Ihr seid Sampdoria. Von jetzt an gibt’s hier nur glattrasierte Gesichter, ordentlich sitzende Kleidung, dafür gibt’s keine Sonnenbrillen mehr. Denn von jetzt an müssen die Leute, die euch sehen, von Sampdoria als einen Klub mit Stil denken!“

– Vujadin Boškov, erste Worte zur Mannschaft nach seiner Verpflichtung

Er war Professor für Geschichte und Geographie. Sprach sieben Sprachen fließend. War als Trainer Meister in Spanien und Italien, führte Jugoslawien zweimal zu großen Turnieren: Vujadin Boškov. Am meisten errinert man sich an ihn wegen seiner Zeit bei Sampdoria Genua zwischen 1986 und 1992. Dort erreichte er drei Europacup-Finali in vier Jahren und gewann den ersten und einzigen Meistertitel dieses Klubs, in einer Zeit, in der die Serie A die mit Abstand beste Liga der Welt war. Boškov ist nun 82-jährig gestorben – darum hier „Ballverliebt Classic“ über jenen Mann, dessen lakonischen Sprüche in Italien noch heute Kultstatus genießen.

Am 16. März 1931 wurde Vujadin Boškov in der Nähe von Novi Sad geboren, nach dem Krieg begann seine fußballerische Karriere beim dortigen Klub FK Vojvodina, dem er praktisch seine gesamte Karriere treu blieb. Titel gewann er gegen die „Großen 4“ des jugoslawischen Fußballs (Roter Stern und Partizan aus Belgrad, Dinamo Zagreb und Hajduk Split) zwar keine, dafür absolvierte der Mittelläufer 57 Länderspiele und eroberte dabei Olympia-Silber 1952 in Helsinki. Nachdem seine Teamkarriere im Alter von erst 28 Jahren beendet war, wechselte Boškov 1960 zu Sampdoria Genua, als es ihm das Tito-Regime erlaubte. Verletzungen ließen aber keine großen Sprünge mehr zu. Ein Jahr später wurde er als Spielertrainer von Young Boys Bern verpflichtet.

„Wenn man alle Trainerbänke, auf denen ich gesessen bin, hintereinander stellen würde – man könnte kilometerweit gehen, ohne den Boden zu berühren!“

Womit die Trainerkarriere des damals 33-Jährigen begann, die ihn schon bald zu seinem Heimatklub Vojvodina Novi Sad zurückführen sollte. Sieben Jahre war er dort Coach und er führte Vojvodina zum historischen ersten Titel 1966, wurde dann 1971 zum jugoslawischen Teamchef bestellt, am Weg zur WM 1974 (die das Team als Achter beenden sollte) aber zugunsten von Roter-Stern-Coach Miljanic ausgebootet. Boškov ging nach Holland, wo er mit ADO Den Haag auf Anhieb Cupsieger wurde. Die Belohnung war ein Engagement bei Feyenoord, ehe es Boškov 1978 aus dem Land des Vize-Weltmeisters nach Spanien zog. Mit Aufsteiger Saragossa hielt er die Klasse.

1979 wechselte Boškov zu Real Madrid, gewann mit den Königlichen sofort das Double und erreichte im Jahr darauf das Meistercup-Finale. 1981 reichte es zu Liga-Platz zwei, 1982 wurde Boškov mit Real Dritter und erneut Cup-Sieger – zu wenig. Nach einem Jahr in Gijón ging Boškov nach Italien, wo er zwar den Abstieg von Ascoli aus der Serie A nicht verhindern konnte, aber direkt wieder aufstieg. Weshalb sich ein ambitionierter Serie-A-Mittelständler seine Dienste sicherte: Die UC Sampdoria aus Genua.

Etwas Großes im Entstehen

Sampdoria gehörte zwar zum Inventar der Serie A, hatte aber nie Titel geholt. Mitte der 70er-Jahre stieg der Klub schließlich ab, ehe sich Paolo Mantovani an die Spitze des Klubs schwang. Der als Lazio-Anhänger großgewordene Römer war während der Energie-Krise im Öl-Business zu Reichtum gekommen. Er investierte in den Klub, der schnell wieder aufstieg und sich anschickte, etwas Großes entstehen zu lassen.

„Man kann nicht vier Tore kassieren gegen ein Team, das nur dreimal in der gegnerischen Hälfte ist“

Vujadin Boškov wurde 1986, also mit 55 Jahren, Trainer bei Sampdoria. Er übernahm den Liga-Elften, führte diesen in seinem ersten Jahr auf Platz sechs und verpasste den UEFA-Cup erst in den Entscheidungsspielen gegen Milan. Im Jahr darauf wurde Sampdoria Vierter und gewann den italienischen Pokal im Finale gegen Torino. Zwei Eigentoren im Rückspiel zum Trotz.

Der Lauf ins erste Europapokal-Finale

Boškov konnte auf einem bestehenden Stamm von äußert talentierten Spielern aufbauen, als er kam – und noch viel mehr, als es 1988/89 in den Europacup der Cupsieger ging. Allen voran das Sturm-Duo mit Roberto Mancini (23) und Gianluca Vialli (23), Libero Luca Pellegrini (25), Manndecker Pietro Vierchowod (29) und Defensiv-Allrounder Fausto Pari (26) bildeten das Grundgerüst des Teams. Dazu kamen mit Torhüter Gianluca Pagliuca (21) und Manndecker Marco Lanna (20) starke junge Kräfte und mit Außenspieler Beppe Dossena (30) und dem brasilianischen Strategen Cerezo (33) routinierte Führungsfiguren. Zudem gelang es Sampdoria, von Barcelona Flügelspieler Victor Muñoz (31) zu verpflichten.

„Große Spieler erkennen Autobahn wo andere nur Trampelpfade sehen.“

Neben großem, aber noch rohem Talent fand Boškov aber auch einen in Cliquen zerklüfteten Klub und es brauchte Zeit, bis alles nach Wunsch zusammen wuchs. Die Truppe hatte viel Mühe, in Runde 1 Norrköping auszuschalten. Nicht anders war es gegen DDR-Cupsieger Jena im Achtel- und vor allem Dinamo Bukarest im Viertelfinale, während man sich in der Serie A auf Kurs in Richtung Platz fünf begab. Im Halbfinale wurde gegen Mechelen aus Belgien eine 1:2-Auswärtsniederlage mit späten Toren (Cerezo 71., Dossena 85., Salsano 88.) gedreht, und nach dem 3:0 stand der Klub erstmals in einem europäischen Finale.

10. Mai 1989 in Bern gegen den FC Barcelona

Gegner im Wankdorf-Stadion von Bern war der FC Barcelona unter Trainer Johan Cruyff, der bei den Katalanen in der Tradition des „Totaalvoetbal“ spielen ließ und als klarer Favorit gegen den italienischen Emporkömmling galt. Dennoch ließ es sich Boškov nicht nehmen, im Vorfeld gegen Barcelona und Cruyff zu sticheln, so die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und den medialen Druck von den Spielern zu nehmen. Nicht unähnlich der Herangehensweise eines José Mourinho heute. „Super Spieler war das, dieser Cruyff. Aber als Trainer hat er ja wohl noch überhaupt nix gewonnen“. Was, angesichts des Cupsieger-Europacups zwei Jahre zuvor mit Ajax schlicht nicht stimmte.

Der Holländer blieb cool. „Klar ist Sampdoria gut. Aber wir treffen auch nicht direkt auf Inter, Milan oder Juventus“, gab er trocken zu Protokoll. Und seine Einschätzung sollte sich schnell bestätigen: Lange Flanke von Rechtsaußen Gary Lineker, Pagliuca berechnet die Flugkurve völlig falsch – am zweiten Pfosten steht Roberto, dieser legt zurück und Mittelstürmer Salinas muss den Ball nur noch über die Linie drücken. Nach nicht mal drei Minuten war Barcelona in Front.

Cupsieger-Finale 1989: Sampdoria - Barcelona 0:2
Cupsieger-Finale 1989: Sampdoria – Barcelona 0:2

Der äußerst rabiate Barça-Linksverteidiger Aloisio hätte nach heutigen Maßstäben zwar schon in der 10. Minute vom Platz fliegen können und in der 15. Minute müssen, aber es waren halt andere Zeiten. Barcelona machte weiterhin Druck, ehe Mitte der ersten Hälfte Sampdoria durch Konzentration auf das Zentrum begann, die Kontrolle über das Spiel zu erlangen – auch weil sich immer ein Stürmer (zumeist eher Mancini) auf die rechte Mittelfeld-Seite begab, wodurch Dossena einrücken konnte.

Aber nicht falsch verstehen: Eine unterhaltsame Mannschaft war Sampdoria ganz und gar nicht. Sie machte es dem neutralen Zuseher sehr schwer, Sympathien zu ihr aufzubauen. 70-Meter-Abschläge von Pagliuca waren keine Seltenheit, Dossena und Victor versuchten viel mit dem Kopf durch die Wand, es gab versteckte Fouls und kleine Gemeinheiten am laufenden Band. Dazu auch teilweise offene Brutalitäten, wie in der 68. Minute, als Salsano mit vollem Anlauf Lineker von der Seite niedergrätschte – und dafür nicht mal Gelb sah. Und vor allem in der zweiten Halbzeit wurde mehrfach plump versucht, durch offensichtliche Schwalben Elfmeter zu schinden.

Nur Cerezo brachte als laufstarker Alleskönnen etwas Kultur ins Spiel von Sampdoria. Nach der Verletzung von Libero Luca Pellegrini – die er sich bei einem Foul AN Beguiristain zuzog – musste der Brasilianer aber zurück in die Abwehr und hatte nur noch begrenzten Einfluss.

Barcelona hingegen ging die Ballführenden oft schon im Aufbau, spätestens aber im Mittelfeld an. Samp hatte viel Ball, aber kaum Torchancen, und als (der für Milla eingewechselte) Paco Soler einen Konter anzog und den (für Beguiristain eingewechselte) Defensiv-Mann López-Rekarte bediente, war in der 80. Minute alles gelaufen: Letzterer lief alleine auf Pagliuca zu und ließ dem jungen Schlussmann keine Chance. Barcelona gewann das Spiel mit 2:0.

Unterhaltung nur von der Bank

Das Entertainment kam bei Sampdoria nicht vom Feld, sondern von der Bank. Die selbstironische und lakonische Art von Boškov ist in Italien heute noch bekannt und geschätzt. „Partita finita quando arbitro fischia“ etwa ist eines jener grammatikalisch nach ganz einwandfreien Statements, die immer noch jeder italienische Fußball-Fans mit dem Serben verbindet – „Spiel vorbei wenn Schiedsrichter pfeift“. Auch auf große Analysen im öffentlichen Rahmen wollte sich Boškov nicht so recht einlassen. „Wer weniger Fehler macht, gewinnt. Wir haben mehr Fehler gemacht, also verloren“, ist ein weitere dieser Sätze, die Boškov gerade in Italien, einem Land, in dem alles und jedes Detail mit blumiger Sprache bis ins Letzte zerredet wird, Furore machte.

Vujadin Boskov beim EC-Finale 1989
Vujadin Boskov beim EC-Finale 1989

Auf dem Feld  bewegte sich der Serbe, wie etwa auch Arrigo Sacchi bei Milan, weg vom in den 80er-Jahren üblichen „Gioco all’Italiano„, mehr hin zu einem symmetrischer besetzten 4-4-2 – allerdings gab es, anders als bei Sacchi kein Pressing. Um den Libero herum (in der Regel Luca Pellegrini), der viele Freiheiten hatte und das Spiel von hinten eröffnete, spielte ein klarer Manndecker gegen den gegnerischen Mittelstürmer, dazu ein dezidiert defensiver (Mannini rechts) und ein etwas offensiverer Außenverteidiger (ein Überbleibsel aus dem „Gioco all’Italiano“). Im Mittelfeld gab es einen laufstarken Kreierer (erst Cerezo, in weiterer Folge Katanec) und einen Schmutzfink, der für diesen Kreativen die Drecksarbeit erledigt (Pari). Dazu zwei Flügelspieler und die beiden Stürmer, die sich auch viel ins Mittelfeld zurück fallen ließen.

„Ohne Disziplin ist Leben hart.“

Es herrschte vor allem im Defensiv-Verbund hohe taktische Disziplin, wie in Italien üblich. Es gab immer mindestens einen Spieler, zumeist aber mehr, als Absicherung hinter dem Ballführenden, es wurden nie zu viele Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld gelassen. Hinten kein Tor zu kassieren ist wichtiger als vorne viele zu machen. Am Ende der Saison 88/89 hatte Sampdoria in 34 Serie-A-Spielen nur 25 Tore kassiert, womit man hinter Meister Inter die zweitbeste Abwehr hatte. Es gelangen in dieser Saison aber auch „nur“ 43 eigene Tore. Fünf Teams hatten mehr, Samp wurde auch Fünfter – aber wiederum Pokalsieger, wodurch man es in der Saison 1989/90 wieder im Cup der Cup-Gewinner versuchen durfte.

Diesmal ging es den Blucerchiati deutlich leichter von der Hand. Brann Bergen aus Norwegen war kein Problem, gegen Borussia Dortmund machte man nach einem 1:1 im Westfalenstadion daheim alles klar, gegen GC Zürich im Viertelfinale gab’s zwei Siege und auch gegen Monaco im Semifinale schuf man sich mit einem 2:2 im Stade Louis II. eine gute Ausgangsposition, ehe es im heimischen Marassi ein 2:0 gab.

9. Mai 1990 in Göteborg gegen den RSC Anderlecht

Gegenüber der letzten Saison hatte es zwei wichtige Neuzugänge gegeben. Zum einen war das Giovanni Invernizzi (26) von Absteiger Como und vor allem der jugoslawische Teamspieler Srecko Katanec. Der 26-jährige Slowene kam von UEFA-Cup-Finalist VfB Stuttgart und konnte sowohl als Libero als auch als Eröffnungsspieler im Mittelfeld agieren. Letzteres war seine vornehmliche Rolle, als er nach Genua kam.

Anderlecht war in den 80er-Jahren ein europäisches Spitzenteam in einer Liga, die zur erweiterten Top-Klasse zählte, gegen Ende des Jahrzehnts allerdings nachzulassen begann. Die Stärke, die belgische Teams aber immer noch haben konnten, zeigte sich in diesem Finale: Zwei Teams, die sich gegenseitig neutralisierten.

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Cupsieger-Finale 1990: Samp – Anderlecht 2:0 n.V.

Anderlecht-Coach Aad de Mos (der schon zwei Jahre davor das Cupsieger-Finale mit Mechelen gegen Ajax gewonnen hatte und später bei Werder Bremen kläglich scheitern sollte) verfolgte eine klare Marschroute: Im Zentrum, wo bei Sampdoria Katanec die Fäden zog und wohin sich im Aufbau vieles konzentrierte, komplett zumachen und dafür über die Außenbahnen nach vorne kommen.

Das passierte rechts vor allem mit Ardor Gudjohnsen (dem Vater von Eidur) und links im Zusammenspiel von Kooiman und Vervoort. Dazu ließ sich Stürmer Marc Degryse oft weit zurückfallen, wodurch er Mannini quer über den Platz zog und so Räume für Vervoort schuf. Das hatte zur Folge, dass bei Sampdoria Invernizzi, der gegen Kooiman und Vervoort spielte, oft in Unterzahl-Situationen verwickelt wurde und offensiv nichts brachte.

Sampdoria jedoch ließ sich davon überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und machte die Räume vor dem Tor so eng, dass die 20-Meter-Pässe, auf die Anderlecht setzte, sehr oft bei einem Italiener landete. Selbiges passierte aber auch auf der anderen Seite, wo der spätere nigerianische Teamchef Stephen Keshi extrem umsichtig agierte, der Sambier Charly Musonda im Mittelfeld überall zu finden war und sich Milan Jankovic, der von Real Madrid gekommen war, ein gutes Gespür dafür hatte, welchen Raum er abdecken musste.

Langweiler-Fußball

Die Folge war ein ungeheuer zähes, unansehnliches und ganz einfach todlangweiliges Fußballspiel, das „0:0“ und „Elfmeterschießen“ recht schnell als logischen Ausgang erscheinen ließ. Echte Torchancen entstanden nur aus Standardsituationen oder aus individuellen Fehlern (wie Mancini in der 37., der nach einem Pagliuca-Abschlag Grun verlud und Marchoul den Richtung Tor hoppelnden Ball nach einem Sprint gerade noch von der Linie kratzen konnte – oder Gudjohnsen in der 88., nachdem Vierchowod den Ball vertendelt hatte).

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Wie lange geht dieser öde Kick denn noch? Diese Frage stellte sich nicht nur Vujadin Boskov.

Nach einer Stunde stellte Boškov um. Statt des wirkungslosen Invernizzi brachte er den flinken Attilio Lombardo – jenen 23-Jährigen mit der damals schon sehr übersichtlichen Frisur, der im Sommer davor als Ergänzungsspieler aus der Serie B gekommen war. Dieser agierte von weiter hinten heraus als Invernizzi zuvor, dafür ging Vialli mehr auf die rechte Außenbahn; Rechtsverteidiger Mannini übernahm nun etatmäßig eine zentralere Position – es entstand ein 4-3-3-ähnliches System. Damit hatte man beide Flügel defensiv im Griff und wusste, dass man aus dem Zentrum heraus von Anderlecht nichts zu befürchten hatte. Kurz: Es wurde noch mühsamer, weil nun engültig keiner mehr ernsthaft versuchte, eine Entscheidung herbeizuführen.

Natürlich ging es in die Verlängerung, und natürlich war es ein individueller Fehler, der das Elfmeterschießen doch noch verhinderte, nachdem Anderlecht davor schon merklich körperliche Schwierigkeiten bekommen hatte. Der eingewechselte Lombardo ging in der 105. Minute auf seiner rechten Seite mal durch, der Ball kam vor den Strafraum zum ebenfalls eingewechselten Salsano (er war für Katanec gekommen, der nach einem Schlag auf’s Knie in der ersten Halbzeit nichts mehr ausrichten konnte), dieser zog ab. Anderlecht-Goalie De Wilde (später auch bei Sturm Graz) konnte den Schuss an den Pfosten ablenken, der Ball kam genau zu ihm zurück, er konnte ihn aber nicht festhalten – und Vialli staubte ab.

Ehe Anderlecht reagieren konnte, landete nach einem erneuten Energie-Anfall von Lombardo eine Mancini-Flanke in der 108. Minute genau auf dem Kopf von Vialli, den die stehend k.o. verteidigenden Marchoul und Keshi nicht mehr angehen konnten. Das 2:0, die Entscheidung – und der Endstand. Vialli und Gudjohnsen arrangierten sich schon in der 119. Minute ihren bevorstehenden Trikot-Tausch. Wenige Augenblicke später überreichte UEFA-Boss Lennart Johansson die Trophäe an Kapitän Luca Pellegrini.

Das Lire-Paradies, die beste Liga der Welt

1989 waren in allen drei EC-Finals Serie-A-Klubs vertreten und zwei davon gewannen auch, 1990 gingen sogar alle drei Cups nach Italien, jenes im UEFA-Cup sogar nach einem rein-italienischen Endspiel. Dazu stieg eben 1990 die Fußball-WM in Italien, die besten Spieler der Welt prügelten sich um die begehrten Plätze im Lire-Paradies (es waren ja nur drei pro Team erlaubt). Ein Trainer wie Boškov, der davor ja schon mit Real Madrid Meister war, musste durch die Hintertür Ascoli und die Serie B in Italien Fuß fassen. Parallel zur erfolgreichen Europapokal-Kampagne 1989/90 wurde Samp hinter Maradonas Napoli, Sacchis Milan, Trapattonis Inter und Zoffs Juventus Vierter. Im Cup gab’s das Aus gegen Juventus, aber als Titelvertediger durfte der Klub dennoch wieder im Cupsieger-Bewerb antreten.

Nach dem Kollaps der Sowjetunion gelang es Klub-Boss Mantovani im Sommer 1990, Alexej Michailitschenko von Dynamo Kiew loszubekommen – also zusätzliche Option im Mittelfeld. International hatte man schon in der 1. Runde gegen Kaiserslautern arge Probleme, dafür keine im Achtelfinale gegen Olympiakos. National gab’s etwa ein 4:1 auswärts bei Meister Napoli, ehe es ausgerechnet im Derby gegen Genoa eine 1:2-Niederlage setzte.

„Ich hab‘ vor dem Derby gesagt, das wäre ein Spiel wie jedes andere. War’s doch nicht. Wir haben verloren.“

Inter verbrachte die meiste Zeit des Herbstdurchgangs an der Spitze, Sampdoria fand erst nach einer peinlichen Pleite bei Abstiegskandidat Lecce wieder in die Spur, beendete die Hinrunde letztlich als Vierter, zwei Punkte hinter Spitzenreiter Inter, einen hinter Milan und punktegleich mit Juventus und Überraschungs-Team Parma – Meister Napoli hingegen war mit nur vier Siegen mittendrin im Abstiegskampf. Nach dem überraschenden Aus im Europacup-Viertelfinale gegen Legia Warschau und nachdem klar war, dass Michailitschenko keine wirkliche Alternative war – er fand sich in der fremden Kultur nicht schnell genug zurecht – drehte Samp aber auf.

Der große Coup

Die Pleite in Lecce am 16. Spieltag sollte die letzte der Saison werden. Inter hingegen startete die Rückrunde nur mit Remis gegen den Vorletzten Cagliari und den Drittletzten Bologna. Samp war schon gleichauf, und es blieb in den folgenden Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen, ehe das Team von Boskov am fünftletzten Spieltag mit einem Zähler Vorsprung auf Inter ins San Siro musste.

Dort machte Samp, was Samp am Besten konnte: Verteidigen. Mit Lombardo, der sich wegen seines Tempos in die Stamm-Elf gespielt hatte, verfügte man über eine Waffe im Konter und man schaffte es mit der für dieses Team typischen etwas hinterfotzigen Art zu spielen, an Inters Nerven zu gehen. So musste Inter-Libero Bergomi schon vor der Halbzeit mit Rot vom Platz, gemeinsam mit Roberto Mancini – die beiden waren sich gar zu sehr ins Gehege gekommen.

„Ich mag deutsche Spieler nicht. Die sind nicht teamfähig. Die sind arrogant.“

Inter, mit dem deutschen Weltmeister-Trio Matthäus, Brehme und Klinsmann, drückte vehement, aber Pagliuca hielt alles, ehe Dossena nach einer Stunde aus einem Konter das 1:0 für Sampdoria erzielte. Wenige Minuten später verschoss Matthäus einen Elfmeter und mit Viallis 2:0 eine Viertelstunde vor Schluss hatte Samp den Sieg in der Tasche. Damit hieß es nur noch, in den letzten Spielen nicht mehr auszurutschen, was schon beim 1:1 bei Torino nicht gelang. Weil aber Milan in den letzten zwei Spielen nur noch einen Punkt holte, machte das nichts. Sampdoria hatte erstmals den Scudetto geholt.

Top-8 der Serie A 1990/91
Top-8 der Serie A 1990/91

„Ich habe in meinem Leben einiges gewonnen“, sagte Boškov später einmal, „aber der Scudetto mit Sampdoria war der schönste Triumph, der süßeste. Weil es die stärkste und ausgeglichenste Liga der Welt war. Es ist ein wenig so, wie wenn man erstmals Vater wird!“

Zeit zur Revanche

Und weil die Serie A damals meilenweit vor allen anderen Ligen in Europa war, war Sampdoria natürlich auch der logische Favorit in der Meistercup-Saison 1991/92, obwohl der Klub noch nie an diesem Wettbewerb teilgenommen hatte. Darauf lag auch der ganze Fokus in der Saison nach dem Titel. Milan saß eine einjährige Europacup-Sperre ab und lief ohne Doppelbelastung mit dem neuen Trainer Fabio Capello früh allen anderen davon (und wurde ungeschlagener Meister), Sampdoria erlebte nach einem ganz ordentlichen Saisonstart in Oktober und November einen radikalen Einbruch (1:2 in Parma, 0:2 gegen Atalanta, 0:0 im Derby gegen Genoa, dann noch ein 1:2 bei Napoli, je 0:2 gegen Milan und bei der Roma, 0:0 gegen Torino und in Foggia) und lag nach acht sieglosen Spielen am zweiten Adventsonntag nur noch einen Punkt vor einem Abstiegsplatz.

Außerdem verlor man in dieser Phase 1:2 im Meistercup bei Honved Budapest, ehe ein Zitter-3:1 im Rückspiel doch noch das Ticket für die erstmals ausgetragene Gruppenphase der besten acht Teams bedeutete. Die beiden Gruppensieger sollten das Finale bestreiten und Sampdoria wurde in die Gruppe mit viel Revanche-Potenzial gelost. Zum einen gegen den RSC Anderlecht, den man anderthalb Jahre davor im Endspiel bezwungen hatte. Und Titelverteidiger Roter Stern Belgrad – jener Klub, der Boškov durch welche Kräfte auch immer in seiner Zeit bei Vojvodina immer im Weg gestanden war. Dazu kam Panathinaikos Athen.

„Der Ball geht rein, wenn Gott das so will“

Im ersten Spiel daheim gegen den jugoslawischen Meister und Meistercup-Titelverteidiger mit Spielern wie Mihajlovic und Jugovic brachte ein Belgrader Eigentor Samp schnell in Führung, ehe Vialli nach der Pause alles klarmachte. Dann wurde es aber harzig. In Athen gab’s nur ein 0:0 und bei Anderlecht sogar eine 2:3-Niederlage. Dank eines 2:0-Heimsieges gegen die Belgier fuhr Sampdoria einen Punkt hinter Roter Stern auf Platz zwei liegend nach Sofia, wo das Spiel wegen des beginnenden Krieges am Balkan ausgetragen werden musste.

Wie schon im Jahr davor gegen Inter machte Boškov auch in diesem Spiel die Abwehr dicht, und wie schon im Jahr davor gegen Inter verstand es Boškov, seine Spieler extrem heiß zu machen und mit einem ungeheuren Glauben in sich selbst auszustatten. Das 0:1 durch Mihajlovic schockte Samp nicht, obwohl sie gewinnen mussten. Immer aggressiver wurde das Team, zur Pause führte man schon 2:1, am Ende gab’s einen 3:1-Sieg. Wegen der klar besseren Tordifferenz reichte im letzten Spiel daheim gegen Panathinaikos ein Punkt, den gab’s auch – wiewohl Roter Stern in Brüssel sogar verlor.

20. Mai 1992 in London gegen den FC Barcelona

In der Serie A hatte Sampdoria wieder zu Form gefunden, nach der schwarzen Serie im Herbst hatte es nur noch eine einzige Niederlage gegeben, als Sechster verpasste man aber die Qualifikation für die folgende Europacup-Saison – zu viele Unentschieden hatte man aufs Konto gebracht.

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Meistercup-Finale 1992: Samp – Barcelona 0:1 n.V.

Dennoch sollte das Finale im Wembley der Höhepunkt der Ära werden, Gegner war- wie schon im Cupsieger-Finale drei Jahre davor – Johan Cruyffs FC Barcelona. Bei dem allerdings nur noch drei Spieler vom Finale 1989 mit dabei waren, bei Sampdoria waren es sieben.

Boškov setzte, eh klar, vornehmlich auf Defensive. Lanna war nach dem Abgang von Luca Pellegrini zum Libero geworden, Vierchowod (gegen Salinas) und Mannini (gegen Stoichkov) gaben die Manndecker, dazu wurde Fausto Pari speziell auf Michael Laudrup angesetzt und Katanec sollte die Kreise des 21-jährigen Mittelfeld-Organisators Pep Guardiola einengen und ihm die Passwege zu Bakero und Laudrup zustellen.

Cruyff ging ein wenig von seinem 4-3-3 ab, indem er Eusebio und Bakero beide Richtung Mittefeld-Zentrum tendieren und die rechte offensive Außenbahn damit eher verwaisen ließ. Auch er hatte Respekt vor den Pässen Cerezos und auch Katanec‘, die die „gemelli terribili“, die schecklichen Zwillinge Mancini und Vialli, aus dem defensiven Mittelfeld heraus bedienen sollten. Das war, neben Dauerläufer Lombardo auf der rechten Seite, Sampdorias einziger echter Plan nach vorne.

Bei Barcelona war Ronald Koeman derjenige, über den im Aufbau so gut wie alles lief, mit Guardiola als Adjutanten. Cryuff ließ mit Hristo Stoitchkov einen echten Linksaußen beginnen, hatte mit Salínas einen klassischen Mittelstürmer auf dem Platz, und setzte auf ein Trio im offensiven Mittelfeld – Laudrup, Bakero und Eusebio. Da die beiden Teams ihre jeweiligen Matchpläne auf einem sehr ähnlichen Niveau ablieferten, hatte zur Folge, dass es zwar kein schlechtes Spiel war, aber eines ohne echte Höhepunkte. Barcelona kam gegen die robuste Manndeckung von Samp nicht zur Geltung, die Italiener wurden in ihrem recht vorhersehbaren Aufbauspiel gut von der Defensive der Katalanen in Schach gehalten.

Der erste, der sich bewegte, war nach einer Stunde Cruyff. Er nahm Salinas vom Feld und brachte dafür mit Andoni Goikoetxea einen echten Rechtsaußen, dafür ging Stoitchkov ins Sturmzentrum und Laudrup auf die linke Seite – eine Maßnahme, die bei Stoitchkovs Pfostenschuss schon beinahe gefruchtet hätte. Andererseits fehlte nun aber natürlich ein Spieler im Zentrum, wodurch die Anspiele in die Spitze höhere Chancen hatten, anzukommen – Vialli vergab in dieser Phase zwei Sitzer, die die Partie zugusten von Sampdoria vorentscheiden hätten können.

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Ausgeglichenes Finale im alten Wembley, das sah auch Boskov so.

Dadurch, dass Barcelona die rechte Seite nun besetzt hatte, musste Boškov reagieren und statt des offensiver denkenden Bonetti einen eher defensiver denkenden bringen – das war Giovanni Invernizzi. Goikoetxea mühte sich ab, konnte aber gegen den neuen Mann keine Akzente setzen. So ging’s in die Verlängerung, wo Barcelona sich langsam leichte Vorteile erarbeiten konnte – das aggressive Spiel von Sampdoria forderte langsam aber sicher Tribut. So ging’s etwa für Vialli nach 100 Minuten gar nicht mehr weiter, für ihn kam Renato Buso in die Partie – der Stürmer war vor der Saison von der Fiorentina gekommen.

In der 111. Minute versuchte dann Invernizzi, vor der Strafraumgrenze den Ball gegen Eusebio zu erobern, fiel dabei hin, bekam den Ball etwas unglücklich auf die Hand und bekam die Kugel am Boden sitzend noch einmal an den Ellenbogen. Der deutsche Referee Schmidhuber entschied auf Absicht und damit indirekten Freistoß – weil Ronald Koeman für seinen brutalen Wumms bekannt war, den er auch in diesem Spiel schon diverse Male ausgepackt hatte, eine gefährliche Situation. Und eine Entscheidung, über die sich die Italiener aufregten (natürlich, sonst wären sie ja keine Italiener) – aber in diesem Fall hatten sich wohl nicht ganz Unrecht mit ihrem Unverständnis.

So oder so: Koeman drosch die Kugel durch die aus der Mauer herausstürmenden Mannini und Pari hindurch am chancenlosen Pagliuca vorbei ins Tor – das 1:0, auf das Sampdoria in den verbleibenden acht Minuten keine Antwort mehr hatte. Mit Barcelona hatte erstmals nach 26 Jahren wieder ein spanisches Team den Meistercup geholt, und für die Katalanen war es der erste überhaupt. Bei Sampdoria endete eine Ära.

Das Team zerfällt, der Präsident stirbt

Dass Boškov den Klub nach sechs Jahren verlassen und zur Roma wechseln würde, war schon vor dem Endspiel in London klar, vier Tage nach der bitteren Niederlage gegen Barcelona endete die Ära Boškov mit einem 2:2 gegen Absteiger Cremonese, ein von Fauso Pari erzieltes Elfmeter-Tor war das letzte unter dem Serben. Gianluca Vialli, mit 27 Jahren mittlerweile im besten Fußballer-Alter, nahm ein Angebot von Juventus Turin an. Mangelnde Ambition kann man dem Klub aber auch danach nicht absprechen: Benficas Meistertrainer Sven-Göran Eriksson beerbte Boškov als Coach, mit Vladimir Jugovic kam ein europäischer Superstar von Roter Stern Belgrad, als dieser Klub wegen des gerade ausgebrochenen Krieges alle seine Topspieler verlor. Ein Jahr später – Samp hatte 1993 als Sechster erneut den internationalen Bewerb verpasst – verpflichtete man den bei Milan im Kampf von sechs Legionären um drei Plätze aufgeriebenen Ruud Gullit und den Engländer David Platt von Juventus und wurde immerhin Dritter und gewann den Cup. Bis heute der letzte Titel des Klubs.

Allerdings lag da schon der drohende Schatten des Niedergangs über dem Klub, weil Präsident Paolo Mantovani im November 1993 mit nur 63 Jahren starb. Sein Sohn Enrico übernahm Sampdoria, und auch ohne Gullit (der zu Milan zurückkehrte), Katanec (der aufhörte) und Pagliuca (der zu Inter ging) scheiterte man im Halbfinale des Cupsieger-Bewerbs erst im Elferschießen an Arsenal. Danach ging’s nur noch bergab: Nach dem achten Platz 1995 gingen Lombardo, Vierchowod und Jugovic allesamt zu Inter, Roberto Mancini konnte man immerhin bis 1997 halten, ehe er gemeinsam mit Trainer Eriksson zu Lazio ging. Boškov war da nach einem Jahr bei der Roma und zwei bei Napoli bereits bei Servette Genf gelandet, ehe er Nachfolger seines Nachfolgers wurde und zu Sampdoria zurückkehrte.

Mit Rechtsverteidiger Moreno Mannini und Wadenbeißer Fausto Salsano fand er nur noch einen Spieler aus seiner erfolgreichen Ära immer noch vor, dazu einen schon ansatzweise altersmüden Jürgen Klinsmann, einen noch sehr jungen Vincenzo Montella, die späteren Weltmeister Boghossian und Karembeu – und seinen Landsmann Sinisa Mihajlovic. Das Rad der Fußball-Welt hatte sich aber weitergedreht, Boškov konnte an alte Erfolge nicht anschließen. Sampdoria landete im Tabellen-Niemandsland und Boškov zog weiter.

Epilog: Charleroi am 13. Juni 2000

Nach einem Kurzauftrit Boškov, mittlerweile 68-jährig, in Perugia übernahm er 1999 wieder die Nationalmannschaft Jugoslawiens – wiewohl das nur noch der „Rest“ war, nach dem Balkan-Krieg, mit Serbien und Montenegro. 27 Jahre nach seiner Ausbootung vor der WM in Deutschland durfte Boškov diesmal das Turnier auch tatsächlich als Teamchef erleben. Obwohl er sich im Nachhinein vielleicht gewünscht hat, es wäre nicht so gewesen. In der Vorbereitung schickte Boškov seine Truppe auf eine ausgedehnte Asien-Tournee, was ihm viele seiner nach einer langen europäischen Saison ausgelaugten Stars – allen voran Sinisa Mihajlovic – übel nahmen. Dazu musste er bei einer Presse-Konferenz vorm ersten Spiel zugeben, sich von den Gruppengegnern nicht einmal Videomaterial angesehen zu haben. Und dann kam’s zum Wiedersehen mit seinem alten Schüler Srecko Katanec.

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Jugoslawien – Slowenien 3:3 (0:1) bei der EM 2000

Katanec war slowenischer Teamchef geworden und hatte die No-Name-Truppe sensationell zur EM geführt. Niemand gab dem mit vier Spielern aus der österreichischen Liga antretenden Underdog (Milanic von Sturm, Ceh vom GAK, Milinovic und Udovic vom LASK) eine Chance. Doch nach einer Stunde führte der freche Außenseiter gegen die mit einer beinahe unerträglichen Überheblichkeit auftretenden Serben mit 3:0, dann gingen auch noch Sinisa Mihajlovic die Gäule durch, er sah nach 60 Minuten die rote Karte.

Erst jetzt wachten die Serben auf, retteten noch ein 3:3-Remis. Aber mit ihrer überharten und weitgehend unkreativen Spielweise wirkte die Mannschaft bei dem Turnier, das vor allem wegen außergewöhnlichem Offensiv-Fußball und spielerischen Highlights glänzte, völlig deplatziert. Im zweiten Spiel mühte man ein 1:0 gegen Norwegen über die Zeit, obwohl sich Mateja Kezman schon 44 Sekunden (!) nach seiner Einwechslung die rote Karte abholte und auch beim 3:4 gegen Spanien absolvierte man die letzte halbe Stunde nur noch zuzehnt. Dazu gab’s in den letzten beiden Gruppenspielen zehn gelbe Karten, damit einige Gesperrte in der nächsten Runde.

Und die Abneigung von ganz Fußball-Europa obendrein. Gegen Holland trauten sich die Serben nach Lastwagenladungen medialer Prügel selbst dafür nicht mehr austeilen, man ging 1:6 unter (und das Ehrentor fiel erst in der Nachspielzeit) und bis auf die serbischen Fußball-Fans trug darüber keiner Trauer. Der robuste Defensiv-Fußball, den Boškov spielen ließ, kann man mit zwar aufbrausenden, im Zweifel aber disziplinierten Italienern durchziehen, so lautete die Erkenntnis – aber nicht mit einer aufgestachelten Truppe, die wie auf einer persönlichen Vendetta gegen Fußball-Europa wirkte und bei der der so auf Disziplin achtende Boškov auch aufgrund der Vorkommnisse vor der EM keinerlei Autorität mehr hatte.

„Nach dem Regen kommt die Sonne!“

Das 1:6 gegen Holland war Boškovs letztes Spiel als Trainer. Er war kein Visionär, keiner, der für eine eventuelle taktische Revolution gesorgt hätte. Seine Teams hatten Erfolg durch ein extremes Maß an mannschaftlicher Geschlossenheit, robustem Zweikampfverhalten und dem Ausspielen individueller Klasse, wie jahrelang mit Vialli und Mancini. Er war bekannt und geachtet durch seine pointierten Aussagen, die oft mehr Spaß machten als Spiele seiner Mannschaften anzusehen.

Vujadin Boškov starb am 27. April in seiner Heimatstadt Novi Sad. Er wurde 82 Jahre alt.

(phe)

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Die Bayern machen alles richtig – historischer 4:0-Sieg über Barcelona! https://ballverliebt.eu/2013/04/24/die-bayern-machen-alles-richtig-historischer-40-sieg-uber-barcelona/ https://ballverliebt.eu/2013/04/24/die-bayern-machen-alles-richtig-historischer-40-sieg-uber-barcelona/#comments Tue, 23 Apr 2013 23:28:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8700 Die Bayern machen alles richtig – historischer 4:0-Sieg über Barcelona! weiterlesen ]]> Na bumm! Die Bayern schlagen den FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 4:0 – und das Resultat ist kein Zufall. Im Spiel von Peps zukünftiger Mannschaft gegen Peps ehemaligem Team setzten die Münchner den Katalanen vor allem mit dem Mut zu, selbst hoch zu pressen und sich nicht hinten einzuigeln. Barça hatte letztlich keine Chance und wurde in der zweiten Hälfte sogar regelrecht zerlegt.

Bayern München - FC Barcelona 4:0 (1:0)
Bayern München – FC Barcelona 4:0 (1:0)

So sehr Bayern München schon Barcelona ähnelt, bevor Pep Guardiola im Sommer übernehmen wird – bei Ballbesitz und Passgenauigkeit ist europaweit nur der FC Bayern halbwegs in der Nähe der Katalanen – war doch klar, dass sich eher die Bayern auf die Gäste einstellen würden als andersrum. So gab es einige sehr zentrale Faktoren in diesem Spiel.

Das Pressing der Bayern

Was das Pressing angeht, sind das ohne Zweifel die beiden weltbesten Mannschaften. Die Bayern hatten wiederum einen recht genauen und differenzierten Plan (wie das schon im Viertelfinale gegen Juventus der Fall war): Diesmal befand sich die Pressing-Linie etwa auf Höhe der Mittellinie, bzw. leicht in der gegnerischen Hälfte. Gomez stand recht tief und ging auf Busquets bzw. die Innenverteidiger, dazu rückten Schweinsteiger und Martínez oft rasch auf und stellten die Wege zu.

So taten sich die Gäste trotz 62 % Ballbesitz in der ersten halben Stunde – was für Barcelona-Verhältnisse eh relativ wenig ist – extrem schwer, wirklich in das Angriffsdrittel zu kommen und es wurden ungewöhnlich viele lange Bälle versucht. Ohne den wirklich durchschlagenden Erfolg, es dauerte bis zur 42. Minute, ehe die Gäste den Gastgeber erstmals mit spielerischen Mitteln wirklich am Strafraum herumhetzen konnte.

Hinzu kam, dass die Bayern, wenn sie den Ball halbwegs sicher hatten (Barcelona presst unter Vilanova auch nicht mehr ganz so exzessiv wie unter Guardiola), die Abwehrkette extrem weit nach vorne zu schieben traute. Das ist gegen Barcelona aufgrund ihrer Stärke im Bälle in den Rücken der Abwehr spielen extrem gefährlich, weil aber das Barça-Zentrum gut angegangen wurde, funktionierte das.

Der Kampf im Mittelkreis

Busquets, Xavi und Iniesta standen im Zentrum Schweinsteiger, Martínez und Müller gegenüber. Die Bayern agierten in diesem Bereich relativ strikt Mann gegen Mann – so übernahm Schweinsteiger die Bewachung von Xavi, sobald dieser die Mittellinie überquerte, und zwar auch horizontal. Ähnliches galt für Javi Martínez und Iniesta, während Müller in höherer Position zumeist gegen Busquets am Werk war.

Dieses theoretische 3-gegen-3 versuchten die Bayern zu ihren Gunsten zu drehen, indem sich Gomez oft recht tief fallen ließ und/oder Robben von der rechten Seite weit in die Mitte zog, um in diesem Bereich eine Überzahl herzustellen. Genau dieses zentrale Vorhaben sprach Müller nach dem Spiel auch im TV-Interview mit Sky an. Das Pressing (weiter hinten) setzte vor allem Xavi und Busquets zu, während Iniesta mit dem robusten Spiel von Martínez extreme Probleme hatte, zwar oft am Ball war, aber praktisch nichts Konkretes zu Stande brachte.

Die Herangehensweise auf den Flügeln

Mit den Flügel-Achsen Lahm/Robben und Alaba/Ribéry hatten die Bayern nominell einen haushohen Vorteil, was das Bespielen der Außenbahnen angeht, weil Barcelona üblicherweise die Flügel nur jeweils nur mit einem Spieler besetzt, mit Dani Alves rechts und Jordi Alba links. Wie massiv der Respekt von Vilanova gegenüber der Bayern-Flügelzange ist, zeigte die Art und Weise, wie er seine Außenstürmer Pedro und Sánchez spielen ließ. Diese agierten nämlich extrem zurückgezogen und testeten Lahm und Alaba kaum, sondern erwarteten die Vorwärtsläufe dieser beiden recht tief, während Dani Alves und Jordi Alba die vertikale Arbeit verrichteten.

Auf der linken Seite arbeitete Ribéry extrem viel nach hinten mit und half Alaba gegen Dani Alves, sodass dieser kaum einmal wirklich ein offensiver Faktor war. Erstaunlich, dass sich Pedro dennoch nie wirklich dazu durchringen konnte, konstruktiv in dieser Zone des Feldes mitzuarbeiten. Auf der anderen Seite rückte Robben wie erwähnt recht hoch ein und überließ Lahm die Seite, und weil auch hier Alba die Hilfe von Sánchez fehlte – und Lahm eine ausgezeichnete Partie ablieferte – brannte nichts an.

Die Vertikal-Läufe von Schweinsteiger und Martínez, die als Nebeneffekt Platz für die aufrückenden Außen der Bayern schafften, wurden hingegen nicht konsequent genützt.

Messi und die Bayern-Innenverteidigung

Keine Frage – von „wirklich fit“ oder „annähernd 100 %“ war Messi drei Wochen nach seiner im Hinspiel gegen PSG erlittenen Verletztung meilenweit entfernt. Ihm fehlte die gewohnte Spitzigkeit, die Mobilität und die Fähigkeit, unerwartete Haken zu schlagen. Ihm fehlte aber auch die Unterstützung der in diesem Spiel massiv gebundenen Xavi und Iniesta. Das erlaubte es den Bayern, eine relativ unkomplizierte Taktik im Verteidigen von Messi zu spielen.

Diese stützte sich in erster Linie auf Dante. Der brasilianische Wuschelkopf spielt ganz generell eine herausragende Saison, zudem hat er die Fähigkeit, ein Spiel zu lesen, ist sehr passsicher und auch ziemlich resistent gegen Pressing. Gegen den oft Richtung Pedro bzw. Xavi driftenden Messi geriet Dante nie in Panik, im Gegenteil, er rückte wenn nötig geschickt heraus und wurde von Boateng bzw. Alaba abgedeckt. Was auch möglich war, weil aus dem Barcelona-Mittelfeld zu wenig nachgerückt wurde und Pedro überhaupt keine Bedrohung darstellte.

Das logische Manöver, um die Bayern an der Spieleröffnung zu hindern, wäre ein konsequentes Anpressen von Boateng gewesen. Der ist ein solider Innenverteidiger, aber kein Künstler und auch keiner von der vor allem mentalen Statur eines Dante. Alleine – es passierte nicht.

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Dante war der Chef in der Bayern-IV, Boateng das brave Helferlein.

Obwohl Boatengs Rolle hauptsächlich in der von Dantes treuem Helferlein bestand. Drei von vier Bällen, die Boateng spielte, lieferte er bei Dante selbst oder bei Neuer ab; wenig überraschend passierten ihm dabei auch keine Fehler. War der Pass für jemand anderen gedacht (also für Lahm und Robben, in erster Linie), kamen fast die Hälfte der Bälle nicht an. Anspiele auf Javi Martínez gab’s praktisch keine.

Ganz anders bei Dante: Dieser gab den Ball oftmals kurz zum zurückgerückten Schweinsteiger, sehr oft rückte er auch hinaus auf die linke Seite und eröffnete von dort für die dann aufgerückten Alaba und Ribéry, während Schweinsteiger abkippte und im Zentrum absicherte.

Die Tore

Dass sich der Gegentor-Schnitt von Barcelona von 0,55 pro Spiel (2010/11) auf mittlerweile über eines pro Spiel verdoppelt hat, liegt sicher zu einem großen Teil auch an der zunehmenden Verletzungsanfälligkeit von Puyol, dazu fehlte auch Mascherano; Adriano Correia (der im Viertelfinale gegen PSG innen spielte) ist eher Außenverteidiger, Busquets wurde im Mittelfeld gebraucht – so musste Marc Bartra ran. Der ist zwar grundsätzlich auch kein Schlechter, aber es ist sicherlich kein Zufall, dass drei der vier Tore aus knapp der Grundlinie entlang gespielten Querpässen resultierten (das erste, das zweite und das vierte).

Hinzu kommt, dass sich Barcelona vor allem bei Kopfbällen oft erstaunlich billig ausmanövrieren ließ – dabei wäre Gerárd Piqué 1,92 Meter groß. Dass das zweite Tor Abseits war und das dritte wegen den Blocks von Müller an Alba auch nicht zählen hätte dürfen, soll nicht verschwiegen werden – allerdings hätten auch die Bayern einen Hand-Elfmeter zugesprochen bekommen müssen und dass kurz vor dem Ende Alba nicht die rote Karte sah, als er Robben den Ball ins Gesicht warf, ist ebenfalls kaum nachvollziehbar. Viktor Kassai – der schon ein CL-Finale (das von Barcelona gegen Man Utd 2011), ein WM-Halbfinale (jenes zwischen Deutschland und Spanien 2010) und ein Olympia-Finale (das 1:0 von Argentinien gegen Nigeria 2008) leitete – hatte einen ganz schlechten Tag, benachteiligte aber beide Teams.

Barcelona lässt Raum und wird bestraft

Nach dem 2:0 kurz nach dem Seitenwechsel rückte das Mittelfeld von Barcelona auf, um für mehr Druck zu sorgen – was letztlich dazu führte, dass Heynckes mit Luiz Gustavo (statt Gomez) mehr Stamina ins Zentrum brachte. Dabei vernachlässigte die Innenvertigung mit Piqué und Bartra aber das Nachrücken, wodurch zwischen diesem Duo und Busquets ein ziemlich massives Loch entstand.

Die Bayern zermürbten Barcelona schon vor dem Seitenwechsel mit ihrem blitzschnellen Umschalten von Defensive auf Offensive und sorgten in der Barça-Abwehr damit für einige Verwirrung, mit dem Platz zwischen den Reihen in der zweiten Halbzeit hatten sie folglich ihre helle Freude. Der Konter über Ribéry, der via Schweinsteiger zu Robben flink auf die andere Seite verlagert wurde, wo die Abwehr aus der Position gezogen war (und Alba, nachdem er von Robben überwunden war, von Müller weggecheckt wurde), war dafür ein Paradebeispiel. Genauso wie der Konter über Alaba, der zum 4:0 führte.

Fazit: Bayern von A bis Z besser

Ein bärenstarker Müller, der das Barcelona-Mittelfeld zur Verzweiflung trieb. Ein gewohnt laufstarker Schweinsteiger, der jener Regisseur war, der Xavi hätte sein sollen. Ein extrem cooler Dante, der sich um (einen zugegebenermaßen waidwunden) Messi kümmerte und das Spiel von hinten eröffnete: Die Bayern waren von Abwehr bis Angriff dem FC Barcelona klar überlegen. Den Katalanen gelang es gegen das geschickte Pressing der Bayern, die gerade im Mittelfeld ihre Physis extrem intelligent ausspielten, nie, ihren Ballbesitz wirklich dauerhaft in die Nähe des Bayern-Strafraums zu verlegen.

Dazu fehlte es auch an den Impulsen von der Bank. Es ist seit Jahren der wohl größte Kritikpunkt an Barcelona, dass es keinen Plan B gibt. Das galt aber in der Regel für Spiele gegen Teams, die sich mit neun Feldspielern hinten einigeln – nicht, wenn man selbst im Mittelfeld angepresst wird und der Gegner sich traut, selbst aktiv zu werden. Damit hatte etwa Spanien im EM-Semifinale gegen Portugal schon ganz große Probleme, und die Bayern setzten diese Taktik gnadenlos um. Nicht, indem sie versuchten, Barcelona jetzt zwingend den Ballbesitz zu nehmen. Sondern ohne den Ball die Kreise des Gegners einzuengen und mit dem Ball schnell umzuschalten und die defensiven Fragezeichen von Barça zu nützen.

Letztlich ist der Sieg vielleicht um ein Tor zu hoch, aber dennoch ist dies das erste Mal, dass Barcelona von einem Gegner nicht nur kontrolliert wird, sondern die Schwächen gnadenlos aufgedeckt werden und das Team komplett zerlegt wird. Inwieweit das ein Wendepunkt der Geschichte ist, um mal das ganz große Ganze anzusprechen, wird sich zeigen, schließlich hat derzeit bis auf die Bayern praktisch keiner die Qualität, dieses Spiel gegen Barcelona so durchzuziehen (wie ernst man die Clásico-Niederlagen zuletzt in Cup und vor allem der längst entschiedenen Meisterschaft nehmen kann, ist eine Streitfrage).

Aber auf jeden Fall haben die Bayern gezeigt: Barcelona ist zu schlagen, auch, wenn man sich nicht hinten einigelt.

(phe)

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Warum sich Fußballstatistiken zwischen Opta und UEFA unterscheiden https://ballverliebt.eu/2013/04/12/warum-sich-fusballstatistiken-zwischen-opta-und-uefa-unterscheiden/ https://ballverliebt.eu/2013/04/12/warum-sich-fusballstatistiken-zwischen-opta-und-uefa-unterscheiden/#comments Fri, 12 Apr 2013 11:35:16 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8691 Warum sich Fußballstatistiken zwischen Opta und UEFA unterscheiden weiterlesen ]]> Nach unserem gestigen Artikel zur perfekten Passquote von Xavi gegen Paris St. Germain kamen einige Fragen von Usern auf. Die UEFA hatte auf ihrer Seite andere Werte für den spanischen Mittelfeldspieler (und alle anderen Spieler) ausgeworfen, als wir in unserer App von Opta bekommen haben. Bei der UEFA hatte Xavi nur eine Passgenauigkeit von 81% bei 93 versuchten Pässen. Wie kann das sein?

Wir haben bei OPTA nachgefragt. Das Unternehmen schwört, dass die eigenen Daten absolut akurat sind. „Wir arbeiten für Wettanbieter, im besonderen im Bereich Spread Betting“, antwortete uns Rob Bateman. Bei dieser Art der Wette zähle jeder einzelne Pass. „Unsere Zahlen müssen akribisch genau sein“, sagt er. Man registriere jeden Pass. Was in der Pass-Statistik allerdings nicht beinhaltet ist, sind die Standardsituationen bzw. insbesondere Eckbälle, die Xavi getreten hat. 4 seiner 7 Corner sind zum Gegner gegangen.

Das weitere Statement beschreibt den Unterschied zwischen den manuellen Statistiken vom Opta und automatisierten wie etwa mittels Trackingkameras:

The people doing UEFA stats use a different system. If it is one based on cameras (that they use for speed and distance data) the cameras can sometimes get confused when players cross or enter a group melee. The players then have to be reassigned on the automated system. Also, a lot of the time they count different things like miscontrols, clearances or lost dribbles as unsuccessful passes as an automated system does not differentiate between different types of use of the ball. That said, it’s unclear why their total figure would be lower than ours.

Wir haben auch bei der UEFA um ihre Sicht der Dinge angefragt und aktualisieren diesen Artikel ggf. nach Erhalt einer Antwort. (tsc)

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Xavi im CL-Viertelfinale mit 100 Prozent Passgenauigkeit https://ballverliebt.eu/2013/04/11/xavi-im-cl-viertelfinale-mit-100-prozent-passgenauigkeit/ https://ballverliebt.eu/2013/04/11/xavi-im-cl-viertelfinale-mit-100-prozent-passgenauigkeit/#comments Thu, 11 Apr 2013 11:44:33 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8680 Xavi im CL-Viertelfinale mit 100 Prozent Passgenauigkeit weiterlesen ]]> Im Rückspiel zwischen Barcelona und Paris St. Germain hat Xavi am Mittwoch jeden einzelnen seiner Pässe aus dem Spiel angebracht. 87 Mal wurde der Spanier angespielt, 96 Mal gab er den Ball wieder erfolgreich ab. Eine beeindruckende Zahl, würde man meinen. Besonders wenn man bedenkt, dass komplette Mannschaften insgesamt oft nur 2-400 Pässe pro Spiel tätigen. Nachdem wir diese Statistik auf Twitter und Facebook verbreitet haben, kamen aber einige Rückmeldungen, die der Leistung etwas den Glanz absprechen wollten. „Tschuldigung, aber bei den Ein-Meter-Pässen, die Barcelona spielt, hat jeder, der geradeaus gehen kann, eine annähernd gute Quote“, sagte etwa jemand auf unserer Pinnwand. Ist das wahr?

Schon instinktiv hätte ich die Behauptung verneint, weil mir einige besonders elegante hohe und weite Bälle von Xavi in Erinnerung geblieben sind. Nach Ansicht der uns zur Verfügung stehenden Daten wird mein Eindruck nur weiter verstärkt. Wie das genau ausgesehen hat, zeigt diese Grafik:

Xavis Pässe für Barcelona gegen Paris SG (Quelle: FourFourTwo-App)
Xavis Pässe für Barcelona gegen Paris SG (Quelle: FourFourTwo-App)

Es ist zwar wahr, dass Xavi gemäß dem katalanischen Spielstil vor allem kürzere Pässe spielt (90 stuft Opta so ein, wobei auch da die wenigsten behauptete Ultakurzpässe waren, sondern durchaus deutlich zweistellige Meterzahlen überwinden). 31 seiner Pässe (also fast ein Drittel) haben im besonders fehleranfälligen Angriffsdrittel stattgefunden.

Nur ein knappes Viertel (26) hat das Statistikunternehmen als Querpass registriert, die gewöhnlich neben Rückpässen als Sicherheitsvariante angesehen werden. 46 seiner Pässe wurden von Opta als Vorwärtsspiel eingestuft. Diese haben wir hier herausgetrennt, um zu verdeutlichen, dass Xavi kurze Pässe eher vorne spielt. Hinten ist er für die Distribution der Bälle an die Flügelspieler verantwortlich, die er mit diagonalen Pässen von meist mittlerer Länge in Szene setzt. Seine wichtigsten Anspielpartner passen dazu, das waren Andres Iniesta, Jordi Alba und Dani Alves.

Xavis Vorwärtsspiel gegen Paris SG
Xavis Vorwärtsspiel gegen Paris SG

Wie dem auch sei, selbst Top-Innenverteidiger und ihr absolut auf Sicherheit angelegtes Passspiel erreichen in den wenigsten Spielen eine 100 Prozent-Passquote oder überhaupt fast 100 erfolgreiche Pässe – zentrale Mittelfeldspieler wie Xavi tun das praktisch nie. Das im Eifer eines hochklassigen Spiels wie einem CL-Viertelfinale zu vollbringen, schaffen auch annäherungsweise nicht allzu viele.

Zum Vergleich weitere Werte von zentralen Mittelfeldspielern der Viertelfinal-Rückspiele (geordnet nach Anzahl der erfolgreichen Pässe):

Xavi (Barcelona): 96/100%
Selcuk Inan (Galatasaray): 80/92%
Andres Iniesta (Barcelona): 70/93%
Bastian Schweinsteiger (Bayern): 70 erfolgreiche Pässe/83%
Felipe Melo (Galatasaray): 64/85%
Sergios Busquets (Barcelona): 60/87%
Ilkay Gündogan (Dortmund): 59/91%
Luka Modric (Real Madrid): 55/89%
Javi Martinez (Bayern): 50/91%
Sven Bender (Dortmund): 42/78%
Thiago Motta (PSG): 40/85%
Marco Verrati (PSG): 39/87%
Andrea Pirlo (Juventus): 39/78%
Jeremy Toulalan (Malaga): 29/67%
Sami Khedira (Real Madrid): 21/78%
Claudio Marchisio (Juventus): 20/83%
Ignacio Camacho (Malaga): 16/70%

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Auf Wiedersehen, Råsunda https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/ https://ballverliebt.eu/2012/11/23/auf-wiedersehen-rasunda/#comments Fri, 23 Nov 2012 01:21:26 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8041 Auf Wiedersehen, Råsunda weiterlesen ]]> Ein dezenter, gelber Kranz mit schwarzen Bändern war es, der vor dem Match am Mittelkreis platziert wurde. „Vila i frid“, stand darauf geschrieben, „Ruhe in Frieden“. Eine Schweigeminute folgte. Dann ein riesiges Feuerwerk und eine gigantische Choreo. Die Bildnisse von sechs Herren in gesetzterem Alter ragten auf dem Oberrang, darunter ein 60 Meter langes Spruchband: „Legenden des Råsunda – für alle Zeit unsterblich“.

Auf dem Unterrang: In großen Lettern „AIK“, dem Heimatverein des altehrwürdigen schwedischen Nationalstadions. Alternierend mit der Zahl 1937. Dem Jahr, in dem die Arena eingeweiht wurde. Jene Arena, für die nun endgültig der letzte Vorhang gefallen ist.

Am Ende gab es ein Pfeifkonzert. Weil Edinson Cavani in Minute 93 seinen Elfmeter sicher in das aus sicher Sicht linke Eck geschoben hatte. Torhüter Turina war in die andere Richtung geflogen. Das 2:1, der Sieg für Napoli in diesem Europa-League-Spiel. Nicht einmal ein verdienter Punkt gegen das B-Team von Napoli war dem Stockholmer Traditionsklub AIK vergönnt, weil Verteidiger Niklas Backman den Torschützen recht plump im eigenen Strafraum umgehackt hätte.

AIK – Napoli 1:2

Es war ein Spiel, an das man sich nicht lange erinnern müsste. Die Gäste aus Italien verzichteten auf Stammspieler wie Cannavaro, De Sanctis, Campagnaro und Maggio; Hamsik, Zuñíga und Inler kamen erst im Laufe des Spiels. Wirklich interessiert schien die Truppe lange eher nicht.

Die Gastgeber traten in einem typisch schwedischen 4-4-2 auf, die Phantasie im Spiel nach vorne war enden wollend, einige der langen Bälle nach vorne dafür nicht. Immerhin, vom Rückstand ließ man sich nicht schocken, ein langer Flankenball von Lundberg fand den Kopf von Daníelsson, das 1:1. Im Gegensatz zum pathetischen Vorlauf ein Spiel von überschaubarer Qualität und eher begrenztem Unterhaltungswert.

Dabei hat dieses Stadion viel erlebt.

„Heja Sverige“ und die Geburtsstunde des Mythos namens Pelé

1958 etwa fand in Schweden die Weltmeisterschaft statt. An diese erinnert man sich in Deutschland eher ungern. Weil sich der amtierende Weltmeister völlig aus dem Konzept bringen ließ. Von Zuschauern, die das Heimteam lautstark mit Sprech-Chören anfeuerten! Eine Unerhörtheit, entfuhr es den Deutschen. Nachdem sie, komplett entnervt von den ständigen „Heja Sverige“-Rufen von den Rängen des Ullevi von Göteborg ihr Semifinale gegen den WM-Gastgeber 1:3 in den Sand gesetzt hatten.

Schweden – Brasilien 2:5 (1:2)

Weltmeister wurde Schweden damals aber nicht. Weil man im Finale im Råsunda mit 2:5 gegen Brasilien verlor. Jenes Team, in dem ein 17-Jähriger aufgeigte, der die Welt erstmals verzückte: Pelé! Sein Tor zum 3:1 nach einer Stunde war die Vorentscheidung, sein 5:2 in der Nachspielzeit war der Schlusspunkt.

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Schweden damals nicht zufällig und nicht nur wegen der ungewohnt heißblütigen Zuschauer ins Finale gekommen war. Spielmacher Gunnar Gren war schon ein Jahrzehnt Legionär für Milan und die Fiorentina in Italien; Nils Liedholm war ebenso bei den Rossoneri aktiv und wird dort noch heute als Klub-Legende verehrt. Auch Kurre Hamrin war schon zwei Jahre in Italien, er sollte dort noch weitere 13 Saisonen bleiben. Nacka Sköglund? Seit acht Jahren bei Inter Mailand. Und auch Orvar Bergmark sollte es später noch an den Stiefel verschlagen.

Eine Weltklasse-Truppe also – es sollte 35 Jahre dauern, bis das Trekronor-Team wieder in solche Sphären vorstieß.

Auch bei Heim-EM stark

Und zwar anlässlich der Europameisterschaft 1992 im eigenen Land. Jenes Turnier, das vor allem wegen Überraschungs-Sieger Dänemark in Erinnerung blieb. Für Schweden aber auch ein großer Erfolg war. Dem Halbfinal-Aus im Råsunda gegen Deutschland zum Trotz

Schweden – Deutschland 2:3 (0:1)

In einem Turnier, das von großer spielerischer Vorsicht und noch größerer Langeweile auf dem grünen Rasen geprägt war, ragt dieses Spiel – das wohl größte in der Karriere von Thomas Häßler – heraus. Schweden kämpfte tapfer, aber letztlich war gegen den amtierenden Weltmeister und den kleinen Berliner kein Kraut gewachsen.

Was aber nichts daran änderte, dass diese Mannschaft praktisch in selber Besetzung zwei Jahre später ihren größten Erfolg in der jüngeren Vergangenheit schaffte: Platz drei bei der WM in den Vereinigten Staaten. Mit dem umsichtigen Jonas Thern als Sechser, mit Parma-Stürmerstar Thomas Brolin. Mit Kennet Andersson, der danach ebenso in die Serie A ging. Mit Martin Dahlin, dem dunkelhäutigen Angreifer, der bei Borussia M’gladbach seine größte Zeit hatte. Mit Roland Nilsson, gestählt in Jahren in Englands höchster Liga.

Und natürlich mit Torwart-Dauerbrenner Thomas Ravelli, mit 143 Einsätzen der Rekord-Nationalspieler, der selbst dann noch im Tor stand, als er schon aussah wie Mitte 60.

[VIDEOS: Highlights der ersten Hälfte von Schweden-Deutschland und die der zweiten]

Schweden – Österreich 0:1 (0:1)

Der Anfang vom Ende der starken 90er-Jahre-Generation kam dann aber ebenso im Råsunda. Am 9. Oktober 1996 war es, als sich Andi Herzog im ÖFB-Teamdress durchtankte und das Tor zum 1:0-Endstand herstellte. Für Österreich der Startschuss zur erfolgreichen Qualifikation für die WM in Frankreich, für das Trekronor-Team der entscheidende Rückstand, dem man bis zum 0:1 ein Jahr später in Wien hinterher lief.

Die WM 1998 verpasste man also ebenso wie die Euro96. Schweden hatte aber das Glück, dass mit Henke Larsson, Freddie Ljungberg und später natürlich auch Zlatan Ibrahimovic die nächste starke Generation sofort nach kam. Von 2000 bis 2008 verpasste man kein einziges großes Turnier. Und die wichtigen Heimspiele in der Qualifikation wurde immer im alten Råsunda ausgetragen.

Alt und charmant

Es ist alles ein wenig eng im Råsunda

Dass es sich bei dem im Stadtteil Solna im Westen Stockholms gelegenen Stadion, in das etwas mehr als 30.000 Leute reinpassen, nicht gerade um eine moderne Fußball-Arena handelte, wurde einem an jeder Ecke des Baus klar. Vielleicht noch nicht so sehr an der Haupttribünen-Seite, wo bis vor Kurzem auch der schwedische Verband seinen Hauptsitz hatte. Aber innen drin. Dort ist alles recht beengt, es wirkt alles zuweilen etwas improvisiert. Nicht, dass schon der Putz herunterbröckelt. Aber viel fehlt da wohl nicht mehr.

Nicht am allerneuesten Stand der Technik

Es gab zuletzt eine Vidiwall, die auf dem Dach der recht niedrigen Haupttribüne angebracht war. Ansonsten verbreiteten die Anzeigetafeln eher den Charme aus der elektonischen Gründerzeit. Außerhalb des Stadions (wie am Bild rechts, an der Südtribüne angebracht) oder auch im Stadion selbst, wo eine baugleiche Anzeige bis zuletzt auf der Gegentribüne auf Höhe der Mittellinie angebracht war und die Zuschauer über Spielstand und die abgelaufene Zeit informiert.

Die Vidiwall auf der Haupttribüne ist nicht gerade ein Megatron

Das Råsunda auf europäische Bühne

Es gab eine Zeit, in der man aber auch als solches Mittelklasse-Stadion europäische Endspiele ausrichten konnte. Und während Michael Konsel mit seinem Sieg im Tor des ÖFB-Teams im Oktober 1996 gute Erinnerungen an dieses Stadion haben kann, setzte es für seinen langjährigen Konkurrenten um den Platz zwischen den Team-Pfosten, Franz Wohlfahrt, im Mai 1998 eine bittere Niederlage. Im vorletzten Finale des Europapokals der Pokalsieger.

Chelsea – Stuttgart 1:0 (0:0)

71 Minuten lang hielten die Stuttgarter das 0:0, ehe Chelsea-Spielertrainer (!) Gianluca Vialli sich einen neuen Sturm-Partner einwechselte. Statt Tore André Flo kam also Gianfranco Zola ins Spiel, und kaum eine Minute drin, besorgte der Joker auch schon das 1:0. Der letzte internationale Titel für die Blues, bevor Roman Abramovich den Klub mit seinem Geld erschlug. Und der letzte internationale Titel für die Blues, ehe jener Italo-Schweizer, der im Råsunda neben Raubein Dennis Wise auf Krassimir Balakov aufpasste, als Trainer dieses Klubs 14 Jahre später die Bayern ärgerte.

Die Erinnerung an dieses Spiel verbindet Wohlfahrt übrigens mit einem damals noch recht jungen Trainer am Anfang seiner Trainer-Karriere: Joachim Löw. Der nach dieser Saison, in der er ins Europacup-Finale kam, sich als Bundesliga-Vierter für den Uefa-Cup qualifizierte und erst im Pokal-Halbfinale an den Bayern gescheitert war, entlassen wurde – wegen Erfolglosigkeit.

Eine Weltpremiere für das Råsunda

Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Drei Jahre vor dem Europacup-Endspiel gab es für das Stadion von Schwedens Hauptstadt bereits eine absolute Weltpremiere: Als erstes Fußball-Stadion überhaupt wurde das Råsunda zu einer Arena, in der ein WM-Finale der Herren UND eines der Frauen ausgetragen wurde. Im strömenden Regen schlugen sich Fans der im Viertelfinale ausgeschiedenen Gastgeber auf die Seite des Nachbarn aus Norwegen und sie wurden nicht enttäuscht. Zwei recht derbe deutsche Abwehrfehler in der ersten Hälfte ermöglichten Tore von Hege Riise und Mariann Pettersen.

Vier Jahre später wurde die Rose Bowl von Los Angeles zum zweiten Stadion, das WM-Finale von Männern und von Frauen gesehen hat. Bis heute sind das die beiden einzigen Arenen, und mindestens bis 2019 wird das auch so bleiben.

Ein junger Xavi zu Gast

Mit den Erfolgen des schwedischen Nationalteams kamen die Klubs aus der Allsvenskan nur sehr vereinzelt mit. Und noch seltener waren echte internationale Highlights des elffachen Meisters AIK – vier davon wurden im Råsunda gefeiert.

AIK – Barcelona 1:2 (0:0)

1999 schaffte man sogar den Sprung in die Champions League. Und die Begann gleich mit einem Kracher: Der FC Barcelona gab sich die Ehre. Das war jenes Team der Katalanen, in dem Trainer Louis van Gaal zu Beginn der Post-Bosman-Ära so etwas wie ein „Ajax, Version 2.0“ aufbauen wollte. Mit dem selben taktischen Grundgerüst wie zur seiner großen Ajax-Zeit, und zum Teil sogar mit dem selben Personal – die De-Boer-Zwillinge, Jari Litmanen, Patrick Kluivert, auch mit Winston Bogarde.

Und mit einem sehr jungen Xavi, gerade mal 19 Jahre alt. In der Gruppe mit den Katalanen, mit der Fiorentina von Trapattoni um Rui Costa und Batistuta, und mit dem Arsenal von Wenger um Bergkamp und Overmars gab es für das Team des schottischen Trainers Stuart Baxter, wie kaum anders zu erwarten war, nur einen Zähler – ein 0:0 daheim gegen die Italiener.

Vom Tor des bosnischen Stürmers Nebojsa Novakovic, mit dem er AIK gegen das Star-Ensemble aus Barcelona sogar mit 1:0 in Führung brachte, schwärmen Fans des Klubs natürlich bis heute. Dass es durch Gegentore in den Minuten 86 und 93 noch eine 1:2-Niederlage gab – vergeben und vergessen.

Was bleibt, sind Souvenirjäger…

Als der erste Ärger über den verpassten Punkt gegen Napoli verraucht war, setzte auf der vollbesetzten Tribüne recht schnell wieder die Wehmut zurück. Das wissen, dass dieses Europa-League-Spiel gegen Cavani und Co. das allerletzte Spiel an dieser historischen Stätte war. Dass das Råsunda das erste WM-Finalstadion der Geschichte wird, das abgerissen wird und vollkommen von der Bildfläche verschwindet, und nicht „nur“ renoviert wird.

Dass ihnen die Gäste aus Italien nicht einmal die eher zweifelhafte Ehre gelassen haben, wenn schon nicht das letzte Tor geschossen, dann doch zumindest den letzten Ausschluss zu lassen (Salvatore Aronica musste nach einer Notbremse an Mohamed Bangura frühzeitig vom Platz) – geschenkt. Schnell wurde begonnen, sich alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest war. Naja – eigentlich sogar auch, was niet- und nagelfest war. Schilder, Sitze, braucht ja keiner mehr.

…und der Umzug nach Fan-Voting

Wo es im Jahr 2013 für AIK weitergeht? Ein Verein, der die Rückennummer 1 nicht vergibt, weil diese für die Fans reserviert ist, kann das natürlich nicht entscheiden, ohne die eigenen Anhänger zu fragen. Darum wurde ein Voting veranstaltet: In das neue, hochmoderne 50.000-Zuschauer-Nationalstadion in der Nachbarschaft oder in die ebenfalls brandneue 30.000-Mann-Arena im Süden Stockholms? Das Ergebnis war eindeutig: Die Nationalmannschaft und AIK werden sich auch weiterhin eine gemeinsame Heimstätte haben.

Sich ein Stadion mit dem ungeliebten Rivalen Hammarby zu teilen? Na, das wäre ja wohl auch noch schöner!

(phe)

Alle Bilder: phe

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Ballverliebt Interaktiv: Leseranalysen zum 2:1 von Real Madrid bei Barça https://ballverliebt.eu/2012/04/23/ballverliebt-interaktiv-leseranalysen-zum-21-von-real-madrid-bei-barca/ https://ballverliebt.eu/2012/04/23/ballverliebt-interaktiv-leseranalysen-zum-21-von-real-madrid-bei-barca/#comments Mon, 23 Apr 2012 08:54:51 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7093 Ballverliebt Interaktiv: Leseranalysen zum 2:1 von Real Madrid bei Barça weiterlesen ]]> Mit dem 2:1-Sieg in Barcelona machte Real Madrid die spanische Meisterschaft so gut wie fix. Für dieses Spiel gab’s von unserer Seite ein Experiment: Die erste interaktive Ballverliebt-Leseranalyse! Vier Einsendungen haben wir bekommen. Viel Spaß damit!

Barça - Real 1:2 (Grafik von Andreas Himmelbauer)

Andreas Himmelbauer: Tello statt Sánchez, Thiago statt Fàbregas…

…Guardiolas gescheitereter Schachzug im Detail.

Diese Überraschung ist Pep Guardiola gelungen. Ausgerechnet im vielleicht wichtigsten Spiel der Saison setzte der Barca-Trainer auf die beiden Jungstars Thiago Alcantara und Cristian Tello und nicht auf die eigentlichen Stammkräfte Cesc Fabregas und Alexis Sanchez. Diese Umstellungen hatten weitreichende Folgen und veränderten das gesamte Spiel. Allerdings nicht in der Art und Weise wie es sich Pep Guardiola vorgestellt hat.

Obwohl man im Vorhinein annehmen konnte, dass Thiago und Tello die Positionen von Fabregas und Sanchez eins zu eins übernehmen werden, war dies nicht der Fall. Vor allem die Aufstellung von Tello hatte große taktische Auswirkungen. Er besetzte nämlich nicht die Position als rechter Stürmer, sondern spielte am linken Flügel, also auf der Position, die im Normalfall für Iniesta vorgesehen ist. Dieser rückte dafür mehr ins Zentrum und spielte fast schon auf einer Höhe mit Messi. Den rechten Flügel belegte Dani Alves, der normalerweise als sehr offensiver Rechtsverteidiger agiert. Der Brasilianer spielte einen Außenstürmer wie er im Buche steht und heutzutage eigentlich kaum noch Verwendung findet.

Auch Thiago übernahm nicht direkt die Rolle von Fabregas. Während Letzterer normalerweise als zweite „falsche Neun“ spielt und eine direkte Verbindung zwischen Mittelfeld und Sturm verkörpert, spielte Thiago um einiges defensiver und war hauptsächlich dafür verantwortlich, den Ball aus der eigenen Hälfte in die gegnerische zu tragen. Diese Aufgabe füllte er auch tadellos aus. Dank seiner überragenden Ballführung und Übersicht, war er nur schwer vom Ball zu trennen. Das Ergebnis all dieser Umstellungen war eine 3-3-4/3-4-3 Hybridformation von Barcelona, die man schon von früheren Spielen in der Primera Division kannte.

Guardiolas Absichten hinter diesen Umstellungen waren wohl einerseits mehr Breite ins Spiel der Katalanen zu bringen und andererseits im Zentrum möglichst viele Kreativspieler zu haben, die Messi ins Szene setzen konnten. Tello links und Alves rechts zogen zwar das Spiel enorm in die Breite, allerdings konnten sie sich nur sehr selten gegen ihre Bewacher Coentrao und Arbeloa durchsetzen und wirkten oft isoliert. Vor allem Alves war auf rechts ziemlich alleine gelassen. Er bekam zwar einige Bälle von Xavi, konnte diese aber dann mangels Unterstützung nicht weiter verarbeiten und blieb nicht selten an Coentrao und Ronaldo hängen. Auf links hatte Barca zwar mit Iniesta, Tello, Thiago und teilweise auch Messi Überzahl, man konnte das allerdings nie wirklich nutzen, da die Räume viel zu eng waren. Der junge Tello versuchte zwar oft, sich gegen Arbeloa durchzusetzen, scheiterte aber immer.

Hinzu kam, dass durchs Zentrum so gut wie gar nichts ging. Verantwortlich dafür war in erster Linie Andres Iniesta, der die Rolle als Messi-Unterstützer längst nicht so gut ausfüllte, wie es Fabregas zuvor schon oft gezeigt hatte. Zusammengefasst kann man sagen, dass Barca die Balance zwischen Flügel- und Zentrumsspiel fehlte. Im sonst üblichen 4-3-3 spielt man meistens durch die Mitte und besetzt die Flügel oft nur durch die aufrückenden Außenverteidiger. Man hat dadurch fast immer 5 Offensivspieler in Bewegung, die zwischen Zentrum und Flügel pendeln und den aufrückenden Außenverteidiger unterstützen. Genau dieses Pendeln fehlte gegen Real im 3-3-4 System. So spielte man aufgrund der isolierten Flügelstürmer quasi in Unterzahl. Guardiolas Idee des breiten
Spiels konnte schlichtweg nicht umgesetzt werden.

Womöglich hat Guardiola auch mit einem weitaus defensiver eingestelltem Real gerechnet. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte sich Barca wohl viel leichter getan. Anders als in der letzten Saison presste Real aber phasenweise schon im Mittelfeld und nutzte die Schwächen der 3-3-4 Formation somit gut aus.

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Mirco Reimer: Die (verschenkte) Rolle von Lionel Messi

Mit seiner Aufstellung überraschte Guardiola wahrscheinlich die meisten Fußball-Fans, hier sprechen wir jedoch nicht nur von dem überraschenden Startplatz für Tello, sondern auch von der Rolle von Xavi. Diese sollte großen Einfluss auf das Spiel von Lionel Messi haben.

Xavi agierte nämlich in der Sachenz/Fabregas-Rolle als offensiver Zuarbeiter für Messi. Die Aufgabe von Xavi in diesem Clasico war, dass er die Räume ausnutzen sollte die Messi schuf, wenn dieser in seiner Rolle als falsche Neun nach hinten abdriftete. Um dies zu ermöglichen und weiter Gefahr durch das Zentrum auszustrahlen muss bei einem solchen Abdriften ein Spieler im Zentrum vorhanden sein, der diese Räume öffnet, gegenfalls auch ausnutzt und Messi öffnet die Möglichkeit gibt Doppelpässe zu spielen. Sanchez beherrscht dies wie kaum ein anderer, war jedoch nicht fit und wurde deshalb von Guardiola erst spät (zu spät?) gebracht.  Deswegen sollte Xavi diese Aufgabe in einer ähnlichen Art und Weise ausfüllen. Dies misslang jedoch aus mehreren Gründen, einer waren die vielen Fehlpässe die Messi zu verzeichnen hatte (zur Halbzeit hatte nur Barcelona-Keeper Valdes eine schwächere Passquote) und zum anderen, dass die Real Spieler ihn geschickt aus dem Spiel nahmen.

Die Madrider-Doppelsechs mit Alonso und Khedira agierte nämlich unmittelbar vor Viererkette, die gleichzeitig sehr hoch positioniert war. So gab es für Messi und seine Kollegen wenig Platz welches Barcelona überdurchschnittlich oft ins Abseits oder zu einem Rückpass zwang. Dieser taktische Kniff von Mourinho resultierte außerdem in einem kompakten Zentrum, sodass Messi sich sehr schwer damit tat in den Strafraum zu gelangen. Ein Grund hierfür war die gute Abstimmung zwischen Alonso und Ramos.

Alonso begann auf der Position im defensiven Mittelfeld und positionierte sich so,  dass er auf Messis traf wenn dieser sich ins Mittelfeld zurückzog. So hatte Real mit Messis Dribblings keine großen Probleme. Zwar war er mit Abstand der Spieler mit den meisten erfolgreichen Dribblings auf dem Platz, jedoch war er durch Reals Taktik oftmals gezwungen diese weit vom gegnerischen Tor entfernt zu starten. Sollte Messi doch ins Rollen kommen wurden diese mit geschickten Fouls unterbunden. Nur einmal brach Messi jedoch durch, als er 4 Madrid-Spieler auf sich zog und zu Xavi durchspielte, der jedoch an Casilias scheiterte.

Das Hauptproblem ergab sich also schon zu Spielbeginn, Messi war durch Guardiolas Entscheidung auf zwei klassische Flügelspieler, Tello und Alves, zu setzen isolierte Messi im Zentrum und das Experiment mit Xavi als „Sanchez-Kopie“ scheiterte. Erst mit der Einwechslung von Sanchez für eben Xavi änderte sich dies und resultiere auch in dem zwischenzeitlichen Ausgleich. Es wäre interessant gewesen zu beobachten was passiert wäre, wenn Sanchez früher eingewechselt worden wäre oder Madrid nicht unmittelbar nach dem 1:1 wieder in Führung gegangen wäre.

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Alexander Neuper: 1:2 – Madrid auf dem Weg zur Meisterschaft

Barcelona - Real Madrid 1:2

„Only a win will do“ sagte Pep Guardiola noch vor dem Spiel und beschrieb die Tabellenkonstellation damit sehr treffend. Um diesen zu erreichen setzte der Barcelona Trainer auf eine leicht veränderte Elf gegenüber dem CL‐Spiel gegen den FC Chelsea am Mittwoch, und brachte Thiago und Tello für Fabregas und den angeschlagenen Alexis Sanchez in die Partie. Jose Mourinho hingegen schickte dieselbe Elf, die Dienstag noch mit 1:2 in München verloren hatte, auf den Platz.

Tello rückte auf den linken Flügel, Thiago übernahm die Rolle des Spielgestalters im zentralen defensiven Mittelfeld und Xavi rückte dafür ungewöhnlich weit nach rechts. Auf der rechten Seite trieb ein extrem offensiver Dani Alves sein Unwesen, nachdem Guardiola hier offenbar Reals Schwäche vermutete. Der Plan ihn ins 1:1 mit Coentrao zu schicken scheiterte aber meist an der guten defensiven Unterstützung durch Xabi Alonso und den rausrückenden Sergio Ramos. Auch Chrstiano Ronaldo war defensiv wohl aktiver als Barcelona dies erwartet hätte, so dass Puyol diesem relativ weit folgte, ohne jedoch selbst aktiv in die Offensivbemühungen einzugreifen.

Auf der linken Seite stand Adriano ebenfalls relativ hoch, wurde aber von Di Maria gebunden und konnte sich offensiv kaum mit einschalten, was auch dafür sorgte, dass Tello wenig Zuspiele bekam, bei denen er seine Geschwindigkeitsvorteile gegenüber dem tiefstehenden Arbeloa ausspielen hätte können. Somit blieb Barcelona nur das Spiel durch die Mitte, wo Alonso, Khedira und der aus der Abwehr rückende Pepe das Spielfeld für Iniesta, Xavi und Messi so eng wie nur möglich machten.

Real wartete auf Fehler von Barcelona, die unter dem anfangs aggressivem Pressing auch kamen, um schnell umzuschalten und die Schnelligkeit von Christiano Ronaldo auszuspielen. Auf diese Art entstand auch der Eckball, in Folge dessen Real das 0:1 erzielen können.

Obwohl Barcelona sichtlich engagierter aus der Kabine kam, änderte sich am Spielbild lange Zeit nichts, bis Pep Guardiola schließlich in der 69. Minute Alexis Sanchez ins Spiel brachte. Der ging sofort auf die rechte Seite,   und vollendete nur eine Minute später eine Hereingabe von der linken Seite in bester Strafraumstürmer‐Manier. Fast im Gegenzug konnte Real aber erneut in Führung gehen, nachdem Özil Ronaldo mit einem perfekten Laufpass in Szene gesetzt hatte, dieser Mascherano im Laufduell keine Chance lies und aus schwierigem Winkel zum 1:2 einnetzte.

Fazit:Während die Bayern am Dienstag zeigten, wie anfällig die Außenverteidiger von Real Madrid sind wenn man sie mit Überzahlsituationen konfrontiert, schafft es Barcelona im aktuellen System nicht und lässt die Flügel nur einfach besetzt. Wenn man dann auf einen Gegner trifft, der über das nötige Spielermaterial verfügt um die Mitte dicht zu machen und Messi weit weg vom eigenen Tor zu binden, fehlen Barcelona im Moment die Optionen. Die Einwechslung von Sanchez hat gezeigt, dass er aktuell dem Barcelona‐Spiel erst die notwendige Schärfe verpasst, da er aber angeschlagen ist, kann man sein Fehlen in der Startelf wohl nicht als taktischen Fehler beurteilen. Vielmehr sollte man wohl hinterfragen, ob Barcelona im Moment über eine Kaderdichte verfügt, die es ihnen erlaubt Meister und Champions League Sieger zu werden – zumindest in einem Fall kann man sie wohl schon mit „Nein“ beantworten.

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Mirko Nikolic: Barcelona vs. Real Madrid 1:2

Barca spielte im typischen 4-3-3, welches sich im Spiel als ein 3-2-2-3 (und manchmal auch 3-2-5) herausstellte. Real Madrid wie erwartet im 4-3-3 mit defensiv eingestelltem rechten Flügel bzw. hängender Spitze (Di Maria/Özil) lediglich Ronaldo (links) und Benzema an vorderster Front waren von Defensiv aufgaben Großteils befreit.

Mit drei Mann hatte es Barca in der Verteidigung angelegt (Puyol-Mascherano-Adriano), also quasi Mann gegen Mann. Der eigentliche vierte Verteidiger Dani Alves spielte einen rechten Außenstürmer und war teilweise vorderster Angreifer, da im Angriffszentrum ein echter Stürmer (Sánchez angeschlagen, Villa verletzt) fehlte. Der Spielaufbau erfolgte über das Zentrum mit Busquets und Xavi, halblinks war Iniesta das Bindeglied zum linken Flügel Tello.

Die Rolle von Messi und Benzema als Spitze konnte unterschiedlicher nicht sein: Benzema als Stoßstürmer bei Kontern, welcher immer wieder auf die Flügel auswich und so Raum schaffte für die nachrückenden Özil, Ronaldo und Di Maria. Messi, als eigentliche Anspielstation im Zentrum an der Strafraumgrenze, ließ sich immer wieder ins Mitteldrittel zurückfallen um den Zwängen der beiden Sechser von Real zu entfliehen.

In den ersten Minuten zeigte Madrid aggressives, geschlossenes Pressing, man zwang Barca dadurch zu ungewöhnlich vielen Abspielfehlern. Real war dafür bei schnellen Gegenstößen über Ronaldo (links) und Benzema (oft rechts ausgewichen) immer wieder gefährlich und kam dadurch zu Standardsituationen. Das gut zugestellte Zentrum zwang Barca zudem, den Spielaufbau über die Flügel (Tello, Alves) zu forfieren. Tello, der durch Iniesta immer wieder unterstützt wurde, kam ab und an auf dem Flügel durch, war allerdings beim letzten Pass oder beim Abschluss hektisch und ineffektiv. Auf der anderen Seite machte Coentrao gegen Alves eine hervorzuhebende Partie.

Durch das 3-2-2-3 oder 3-2-5 mit Messi im Zentrum hatte Barcelona ein Problem: das unbesetzte Sturmzentrum.  Zwar hat man das Spiel nach dem Rückstand in den Griff bekommen (Xavi und Iniesta spielten jetzt aggressiver, weitläufiger und beweglicher, um Alonso und Khedira aus dem weg zu gehen). Allerdings hatte das den Effekt, das Messi sich mehr in den Spielaufbau einbrachte um keine Lücke als Anspielstation zu hinterlassen und eben dadurch blieb das Zentrum leer.

Die Angriffsbemühung Madrids waren klar strukturiert: Den Ball im kompakten Zentrum erobern und schnell – entweder mit direkten Pässen durch die Mitte oder langen Präzisen Pässen auf die Flüge – das Mittelfeld überbrücken und die Verteidiger Barcelonas in 1-gegen-1-Situationen verwickeln. Ronaldo stellte mit seiner Schnelligkeit und Robustheit Puyol, Mascherano und Busquets immer wieder vor Schwierigkeiten. Real kam dadurch zu diversen Standardsituationen.

Fazit: Durch die taktische und aggressive Einstellung von Real schaffte es Barcelona nicht, das typisches Spiel in ein gutes Ergebnis umzumünzen. Ein schwacher Messi, ein fehlender Plan B und die fast perfekt eingestellte Mannschaft Mourinhos (defensiv sehr starker Özil und Di Maria klare und einfache Strukturierte Konterangriffe) als auch ein überragender und immer gefährlicher Ronaldo, machen Real Madrid zum verdienten Sieger und wohl verdienten Meister.

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Video: Das 3-3-4 von Barcelona https://ballverliebt.eu/2012/04/12/video-barcelonas-3-3-4-erklart/ https://ballverliebt.eu/2012/04/12/video-barcelonas-3-3-4-erklart/#comments Thu, 12 Apr 2012 20:22:40 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7061 Video: Das 3-3-4 von Barcelona weiterlesen ]]> Wie in „Inverting the Pyramid“ (dt.: „Revolution auf dem Rasen„) von Jonathan Wilson schön beschreibt, reduziert der moderne Fußball die Position des Stürmers. Oft nur ein oder zwei, in vergleichsweise seltenen Fällen drei Stürmer dominieren die taktische Welt des Sports. Mit Barcelona verzichtet aber ausgerechnet die beste Mannschaft der letzten Jahren komplett darauf, diesem Trend zu gehorchen. Wir haben das hier bereits mehrmals angemerkt und auch analysiert, dass die Mannschaft im Ballbesitz mittlerweile immer wieder zu einem 3-3-4 greift. Das folgende Video erklärt das sehr schön anhand des Spiels gegen Getafe.

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