ballack – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 08 Jun 2012 08:09:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Die spanische Nacht von Wien https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/ https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/#comments Thu, 07 Jun 2012 23:18:29 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7400 Die spanische Nacht von Wien weiterlesen ]]> Iker Casillas stemmte den Cup in den Wiener Nachthimmel. Der Bann war gebrochen: Spanien, der ewige Under-Achiever, hatte endlich das Potenzial ausgeschöpft. Das Finale der Euro 2008 im Happel-Stadion brach den Bann, fortan etablierten sich die Spanier als bestes Team der Welt. Doch die Spielweise beim 1:0-Sieg über Deutschland war schon untypisch.

Spanien - Deutschland 1:0 (1:0)

Über die Russen hinweggefegt. Die Schweden niedergerungen, Griechenland mit einer B-Elf auch geschlagen. Im Elfmeterschießen gegen Italien die eigenen Dämonen aus der Vergangenheit ausgetrieben. Und auch im zweiten Spiel gegen Russland dem Gegner keine Chance gelassen: Das Turnier von Spanien war nicht nur von guten Leistungen geprägt, sondern auch von Siegen. War ja nicht immer der Fall.

Arbeitssieg gegen Polen, verdiente Pleite gegen Kroatien. Sich mit einem Gewalt-Freistoß über Österreich drüber gerettet. Portugal kontrolliert und ausgekontert. Und dann gegen das türkische Rumpf-Team mit ordentlich Glück und einem Tor in der Nachspielzeit ins Finale eingezogen: Das Turnier von Deutschland war, nun ja, typisch deutsch. Nicht geglänzt, aber irgendwie durchgewurschtelt.

Kein Villa, hoher Xavi, wenig Ballbesitz

Die Oberschenkel-Verletzung, die sich David Villa im Halbfinale gegen Russland zugezogen hatte, machten einen Einsatz im Endspiel im Wiener Happel-Stadion unmöglich. Darum kehrte Spaniens Teamchef Luis Aragonés zu jenem 4-1-4-1 zurück, das er schon in der Quali höchst erfolgreich angewendet hatte, und das er erst für das Turnier beiseite schob. Eben um für Villa UND Torres Platz zu schaffen. Das war nun nicht mehr nötig, also rutschte Fàbregas wieder ins Team, neben Xavi.

Erstaunlich war die hohe Positionierung von Xavi. Dieser schob, parallel mit Fàbregas, vor allem bei deutschem Ballbesitz oft weit in die gegnerische Hälfte hinein. Natürlich geschah das, um Druck auf die deutsche Spieleröffnung zu machen, aber es hieß auch, dass Xavi bei Ballgewinn nur eine Anspielstation vor sich hatte (eben Torres). Damit ist sicherlich auch zu erklären, wie es möglich war, dass die Deutschen in diesem Endspiel deutlich mehr Ballbesitz hatten als die Spanier, nämlich bei 55 Prozent.

Initiative beim deutschen Team

Im Halbfinale gegen die Türkei krankte das deutsche Spiel vor allem an der mangelnden Initiative und dem lange Zeit komplett fehlenden Zug zum gegnerischen Tor. Es war sofort zu merken, dass Ballack und Co. es diesmal ganz anders, viel besser machen wollten: Das Mittelfeld in Löws 4-2-3-1 rückte schnell auf, mit Schweinsteiger (rechts) und Podolski (links) gab es zwei agile Optionen auf den Flügeln. Und vor allem: Sturmspitze Miro Klose ließ sich sehr weit fallen.

Dadurch beschäftigte er Senna und entlastete sogleich Ballack. In der Anfangsphase hatte Deutschland das Mittelfeld komplett im Griff und hatte auch zwei kleinere Chancen. Auch, weil vor allem über die linke Seite mit Philipp Lahm und Lukas Podolski viel nach vorne gemacht wurde und so die Kreise von Sergio Ramos sehr gut eingeengt werden konnten.

Loch im Rücken des Mittefelds wird zum Problem

Nach rund 15 Minuten aber war zum einen der erste Schwung der Deutschen etwas verfolgen und zum anderen fanden die Spanier die zwei Schwachstellen im deutschen Team: Das Loch, das zwischen dem aufrückenden Mittelfeld und den Verteidigern entstand. Und, dass die deutschen Innenverteidiger Mertesacker und Metzelder massive Probleme bekommen, wenn ihre (eben nicht vorhandene) Schnelligkeit gefragt ist.

So breiteten sich Iniesta (eher über links, gegen den nach vorne sehr zurückhaltenden Friedrich) und David Silva (eher über rechts, im Rücken von Podolski) recht genüsslich zwischen den Linien aus, ohne dass sich vor allem Thomas Hitzlsperger groß um sie gekümmert hätte. Dazu zog sich nun auch Torres etwas zurück, um steil geschickt werden zu können und das Tempo-Defizit der deutschen Hintermannschaft ausnützen zu können.

Als das nach rund einer halben Stunde zum Erfolg, also zum 1:0 geführt hatte, lag die spanische Führung bereits in der Luft. Durch das Aufrücken von Fàbregas uns Xavi wich auch der Druck von Senna, weil dadurch auch Ballack gezwungen war, mehr nach hinten zu arbeiten. Die Spanier hatten sukzessive die Kontrolle über das Zentrum übernommen.

Deutsche Umstellungen…

Philipp Lahm musste mit einer Fleischwunde für die zweite Halbzeit passen, für ihn kam Marcell Jansen in die Partie. Normalerweise ist ein Ausfall von Lahm ein gewaltiges Problem für die deutsche Mannschaft, aber Jansen lieferte eine gute Partie ab. Wie zu Beginn der ersten Hälfte zeigten sich die Deutschen gewillt, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, aber die Spanier hatten sich auf das System und die Spielweise des Gegners eingestellt. Zudem hatte Ballack Probleme mit seiner Wade und konnte, je länger die Partie dauerte, dieser immer weniger seinen Stempel aufdrücken.

Löw sah, dass nichts weiterging, und opferte nach einer Stunde Achter Hitzlsperger und stellte mit Kevin Kuranyi eine zweite Spitze neben Klose. Das System war nun ein etwas schiefes 4-1-3-2. Schief, deshalb, weil Schweinsteiger von der rechten Seite sehr weit nach innen zog und die Flanke praktisch Arne Friedrich überließ. Weil dieser aber nun mal kein gelernter Außenverteidiger ist und ihm der Angriffsgeist fehlt, war diese Seite praktisch tot. Seltsam – denn mit Joan Capdevila war dort der klar schwächere der beiden spanischen Außenverteidiger postiert.

…und die spanische Reaktion

Luis Aragonés reagierte prompt auf die Umstellung von Löw und nahm Fàbregas aus dem Spiel. Für den Arsenal-Legionär kam mit Xabi Alonso ein zweite Mann für das defensive Mittelfeld – so stellte sich Spanien ab sofort in einem 4-2-3-1 auf, mit Xavi als Zehner, Cazorla (nun statt Silva dabei, der am Rande des Ausschlusses wandelte) rechts und Iniesta links bis halblinks.

Schlussphase

Die Absicht dahinter war klar: Mit Cazorla ein offensiver Mann gegen Jansen, um diesen nach hinten zu drängen und einen zweiten Sechser, um gegen Ballack und den nach innen ziehenden Schweinsteiger nicht in Unterzahl zu geraten.

Die Deutschen hatten zwar eine Phase, in der sie einige Male in den Strafraum kamen, aber nachhaltig war diese nicht – im Gegenteil. Weil das deutsche Team natürlich, je näher es dem Ende entgegen ging, immer mehr aufmachen musste, boten sich im Rücken von Ballack und Schweinsteiger natürlich immer mehr Räume. Torres hätte diese schon nützen können, der für „El Niño“ eingewechselte Güiza ebenso.

Ein zweites spanisches Tor, mit dem das Finale endgültig entschieden gewesen wäre, schien immer wahrscheinlicher zu sein, als ein Ausgleich der deutschen Mannschaft. Dem ungewohnten Minus in Sachen Ballbesitz zum Trotz.

Nötig war es nicht mehr. Spanien gewann 1:0. Und war erstmals seit 44 Jahren Europameister.

Nachwirkungen

Zwei Jahre nach der begeisternden Heim-WM schien Deutschland bei diesem Turnier in alte „Rumpelfußball“-Zeiten zurück zu fallen. Das sag aber vor allem an den Personalien Ballack und Frings – zwei Jahre später war die deutsche Mannschaft ohne diese beiden (Frings wurde aussortiert, Ballack war verletzt) spielerisch eines der stärksten bei der WM in Südafrika. Auf dem Weg entzauberte man die Russen in der Quali, rupfte die Engländer im Achtelfinale, machte im Viertelfinale aus Argentinien Kleinholz – und spielte im Halbfinale wieder gegen die Spanier.

Und das ist das große Paradoxon dieser beiden Mannschaften. Obwohl die deutsche Mannschaft beim Turnier in Südafrika um zwei Klassen besser war als bei jenem in Österreich und der Schweiz, obwohl mit dem Trio Özil/Khedira/Schweinsteiger im Zentrum statt Frings/Hitzlsperger/Ballack, war man in Durban „von A bis Z völlig und komplett ohne den Funken einer Chance„.

Spanien setzte in den Folgejahren auf personelle Kontinuität. Von den Finalisten von Wien waren nur Marchena und Senna zwei Jahre später beim WM-Titel nicht mehr mit dabei. Das Grundgerüst von Barcelona mit einer handvoll Real-Akteuren harmonierte, die Abwehr um Carles Puyol, möglicherweise dem weltbesten Abwehrspieler des Jahrzehnts, hielt komplett dicht.

Auch, wenn die Holländer im WM-Finale waren, steht doch außer Frage, dass in den Jahren nach der Euro 2008 die Spanier und die Deutschen die mit Abstand besten Nationalteams in Europa waren. So wurde in Wien durchaus so etwas wie ein Klassiker der Zeit begründet.

Spanien gegen Deutschland.

Das Personal

Spanien: Iker Casillas (27, Real Madrid) – Sergio Ramos (22, Real Madrid), Carles Puyol (30, Barcelona), Carlos Marchena (28, Valencia), Joan Capdevila (30, Villarreal) – Marcos Senna (31, Villarreal) – David Silva (22, Valencia), Xavi (28, Barcelona), Cesc Fàbregas (21, Arsenal), Andrés Iniesta (24, Barcelona) – Fernando Torres (24, Liverpool). Eingewechselt: Santi Cazorla (23, Villarreal), Xabi Alonso (26, Liverpool), Daniel Güiza (27, Mallorca). Teamchef: Luis Aragonés (69, seit vier Jahren).

Deutschland: Jens Lehmann (38, Arsenal) – Arne Friedrich (29, Hertha BSC), Per Mertesacker (23, Bremen), Christoph Metzelder (27, Real Madrid), Philipp Lahm (23, Bayern) – Torsten Frings (31, Bremen), Thomas Hitzlsperger (26, Stuttgart) – Bastian Schweinsteiger (23, Bayern), Michael Ballack (31, Chelsea), Lukas Podolski (23, Bayern) – Miroslav Klose (30, Bayern). Eingewechselt: Marcell Jansen (22, Bayern), Kevin Kuranyi (26, Schalke), Mario Gomez (22, Stuttgart). Teamchef: Joachim Löw (48, seit zwei Jahren).

(phe)

Die EURO 2008 in der Reihe „Ballverliebt Classics“:
Semifinals: Deutschland – Türkei 3:2 / Spanien – Russland 3:0
Viertelfinals:  GER-POR 3:2 / TUR-CRO 1:1 nV, 3:1 iE / RUS-NED 3:1 nV / ESP-ITA 0:0 nV, 4:2 iE
Gruppe A: Portugal 6, Türkei 6, Tschechien 3, Schweiz 3.
Gruppe B: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.
Gruppe C: Holland 9, Italien 4, Rumänien 2, Frankreich 1.
Gruppe D: Spanien 9, Russland 6, Schweden 3, Griechenland 0.

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Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/ https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/#comments Thu, 07 Jun 2012 00:04:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7389 Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen weiterlesen ]]> In den Halbfinals der Euro 2008 sahen jeweils klare Favoriten (Deutschland und Spanien) gegen zwei Außenseiter mit dem Turnierverlauf auf ihrere Seite (Türkei und Russland). Letztlich setzten sich die Favoriten durch, aber nicht ohne besondere Umstände. Die einen mussten den Sieg erzwingen, die anderen wurden von der Verletzung des Torschützenkönigs zum Glück gezwungen…

Na, wer fehlte den Türken denn diesmal? Antwort: Servet, Aşık, Güngör, Emre (alle verletzt), dazu Demirel, Arda und Nihat (gesperrt). Sprich: Den Türken stand für das Halbfinale gegen Deutschland ein flotter 15-Mann-Kader zur Verfügung. Darunter noch genau ein einziger Innenverteidiger. Kein Wunder, dass Fatih Terim im Vorfeld nur halb im Scherz meinte, dass womöglich der dritte Torwart Tolga als Feldspieler eingewechselt werden müsse.

Deutschland - Türkei 3:2 (1:1)

Freilich: Das war natürlich auch ein wenig Geplänkel, um die Deutschen in Sicherheit zu wiegen. Und das gelang auch, bis zu einem gewissen Grad. Dass sich die DFB-Elf aber generell schwer tat, ein Spiel selbst zu gestalten, war dem türkischen Trainer-Fuchs natürlich nicht entgangen und es spielte auch voll in seine Karten.

Es wären auch nicht typisch für die Türken in diesem Turnier gewesen, wenn sie nicht wieder in einem komplett neuen System angetreten wären. Nach einem symmetrischen 4-2-2-2 (gegen Portugal), einem 4-2-3-1 (gegen die Schweiz), einem assymmetrischen 4-2-2-2 (gegen Tschechien) und einem 4-3-3 (gegen Kroatien) war es diesmal ein ganz klares 4-1-4-1 mit einer wie auf einer Perlenkette aufgereihten Mittelfeldreihe.

Dahinter war Mehmet Aurélio weniger die klassische Absicherung, sondern vielmehr ein recht konsequenter Manndecker für Michael Ballack. Die Türken überließen den Deuschen recht bereitwillig den Ball, pressten ab der Mittellinie mit der Viererkette im Mittelfeld recht aggressiv, und nahmen den recht statischen und einfallslosen Deutschen die Anspielstationen vorne.

Die türkischen Außen, also Kâzım rechts und Boral links, rückten zudem immer wieder ein und wurden von Sabri und Balta hinten abgedeckt, sodass im Zentrum zuweilien vier Türken gegen maximal drei Deutsche standen. Bei Ballgewinn wurden bei den Türken schnell umgeschaltet – wie beim Lattenschuss nach rund zehn Minuten. Inhaltlich waren die Roten die klar bessere Mannschaft, und nach 22 Minuten wurde auch die defensive Passivität von Podolski ausgenützt: Er verhinderte Sabris Flanke nicht, und Boral verwertete den Abstauber, nachdem der Ball an die Latte geprallt war.

Die spielerische Brillanz bracht Jogi Löw erst in Richtung der WM in Südafrika in seine Mannschaft. Für das Team in diesem Turnier gab es im Grunde nur zwei Wege zum Torerfolg: Freistöße (einer gegen Österreich und zwei gegen Portugal) und Flanken von der linken Seite (einmal gegen Kroatien und einmal gegen Portugal). So war es auch in diesem Spiel. Podolski konnte in der ganzen ersten Hälfte nur zweimal in den Raum geschickt werden, einmal brachte er eine Flanke in die Mitte, wo Schweinsteiger verwertete – eine Kopie des ersten Tores gegen Portugal.

Konkreter wurden die Aktionen nach dem Seitenwechsel auch deshalb nicht, weil Rolfes verletzt ausscheiden musste und durch Frings ersetzt wurde. Kein guter Tausch – schließlich konnte Rolfes zumindest noch Ansatzweise sinnbringende Pässe nach vorne spielen, Frings war ein reiner Zerstörer.

So plätscherte das Spiel recht ereignisarm über weiter Strecken der zweiten Hälfte. Ehe die Deutschen aus einem Freistoß (wie auch sonst) etwas unverhofft zum 2:1 kamen – Rüştü kam aus seinem Tor, kam aber nicht mehr rechtzeitig vor Klose an den Ball, dessen Kopfball landete im Netz. Doch auch hier gilt: Die Türken wären nicht die Türken, wenn sie nach diesem Nackenschlag nicht doch wieder ausgleichen hätten können.

Terim brachte Gökdeniz (für den müde gelaufenen Boral auf links) und mit Mevlüt statt Ayhan eine zumindest hängende Spitze zu Semih dazu. Und natürlich war es auch wieder die Seite des defensiv recht, nun ja, passiven Lukas Podolski, über die Sabri durchging, sich auch gegen Lahm durchsetzte und einen Pass parallel zur Toraus-Linie zur Mitte brachte – wo Semih die Kugel an Lehmann vorbei ablenkte. Das 2:2.

Nun aber ging bei den Türken die Ordnung verloren. Was zuvor vorne klar strukturiert war und wo jeder seine genauen Aufgaben kannte, herrschte nach dem 2:2 etwas Chaos, und in der Rückwärtsbewegung war Sabri nicht so konsequent wie er hätte sein müssen. So war in der Nachspielzeit bei Deutschland wieder die Variante „Angriff von links“ an der Reihe, und Lahm wühlte den Ball zum 3:2 durch die Abwehr. Nun hatten die Türken keine Antwort mehr.

Nach 80 Minuten gegenseitiger Neutralisation und zehn Minuten wilden Treibens war Deutschland im Finale, das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Offensivleistung mehr als mau war. Ohne den komplett neutralisierten Ballack war kaum Kreativität vorhanden. Podolski sorgte auf der linken Seite zwar für einige gute Aktionen und war letztlich auch an allen Toren irgendwie beteiligt, war aber doch ein extremes Sicherheits-Risiko nach hinten. Und die Zentrale konnte mit dem aggressiven türkischen Mittelfeld kaum umgehen.

Eigentlich hatte Fatih Terim mit seinem verbleibenden Mini-Kader alles richtig gemacht. Doch ein beinahe klischeehaft erkämpfter, „typisch deutscher“ Sieg bedeutete für eine der faszinierendsten Teams des Turniers das Aus im Halbfinale.

Luis Aragonés hasst Gelb. Er hasst es. Und doch musste seine Mannschaft in den gelben Ausweich-Trikots zum Halbfinale gegen Russland antreten. „Dabei ist das nicht mal ein richtiges Gelb“, brummte der spanische Teamchef noch, „sondern mehr sowas Senf-ähnliches.“ Gelbe Trikots hin oder her, Aragonés wusste, dass er Juri Shirkov stoppen musste, um nach dem 4:1 im ersten Gruppenspiel auch im Halbfinale die Oberhand gegen die Russen zu behalten.

Spanien - Russland 3:0 (0:0)

Er wies Rechtsverteidiger Sergio Ramos an, so hoch wie möglich zu stehen, Shirkov schon in der russischen Hälfte festzunageln, und so dem Aufbauspiel der Russen die größte Waffe zu nehmen. Der Effekt für die russische Mannschaft war verheerend. Weil Shirkov der einzige Spieler war, der überhaupt auf diesem Flügel aufgeboten wurde, fehlte die Breite, wodurch die Sbornaja ins Zentrum gezwungen wurde – wo sie wegen den einrückenden Silva und Iniesta immer wieder in eine 3-gegen-4-Unterzahl gerieten.

Andrej Arshavin versuchte zwar, über seine Positionierung über die halbrechte Seite zu retten, was zu retten war und den Rückraum hinter Ramos zu nützen, aber weil Puyol sehr aufmerksam agierte, funktionierte das gar nicht und Arshavin war genauso aus dem Spiel genommen wie Shirkov.

Und damit das Tempo im Spiel der Russen. Die hatten zwar zunächst sogar mehr Ballbesitz, konnten aber nie Tempo aufbauen und wussten so nicht so recht, was sie mit der Kugel anfangen sollten. Allerdings kamen durch das extrem enge eigene Spiel auch die Spanier nicht so recht durch. Das änderte sich erst durch die Verletzung von David Villa nach einer halben Stunde.

Es wäre natürlich etwas hart, zu sagen, die Verletzung von Villa wäre das beste gewesen, was Spanien in diesem Spiel passieren hätte können. Was aber nichts daran ändert, dass es stimmt. Denn mit Cesc Fàbregas kam genau jener Spieler rein, der in der Folge den Unterschied ausmachte. Durch die tiefere Positionierung von Fàbregas gegenüber Villa hatten die Spanier nun teilweise eine Zwei-Mann-Überzahl im Zentrum, das sich brutal auswirkte.

Und nach dem Seitenwechsel schnell für die Vorentscheidung sorgte. Die Russen hatten nun auf so viele Spanier aufzupassen, dass Prioritäten gesetzt werden mussten, und in der Nähe des eigenen Strafraums lagen diese eher auf Torres, Silva und Fàbregas – nicht aber auf Xavi. Bei Inestas Flanke fünf Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Russen Xavi einfach nicht auf der Rechnung. Sie ließen ihn gewähren, er traf zum 1:0, und die Russen waren schwer getroffen.

Mit Fàbregas im Mittelfeld dominierte Spanien nun nach Belieben. Shirkov blieb abgemeldet, Arshavin isoliert und mit Ausnahme von fünf Minuten in der ersten Halbzeit war auch von Pavlyuchenko nicht viel zu sehen. Stattdessen drehten die Spanier an der Temposchraube und verwirrten die Russen mit ihren ständigen Rochaden immer mehr. Torres wurde in der Folge fast im Minutentakt bedient, er vernebelte aber die besten Chancen – ehe der halb durch die zweite Hälfte für ihn eingewechselte Güiza in der 73. Minute mit seinem 2:0 den Deckel draufmachte.

Bei den Russen waren zuvor Sychov für Saenko gekommen (rechte Angriffsseite), und mit Bilyaletdinov statt Semshov (der sich erfolglos darum bemüht hatte, Xavis Kreise einzuengen) sollte etwas mehr Punch nach vorne kommen – doch mit dem 2:0 und mit der Einwechslung von Xabi Alonso für Xavi, um die vorgezogene Positionierung von Bilyaletdinov auszugleichen, war alles vorbei. Das 3:0 durch den großartig aufspielenden David Silva war nur noch die Draufgabe.

So wurde Luis Aragonés mehr oder weniger zu seinem Glück gezwungen – die Einwechslung von Fàbregas bescherte seinem Team den entscheidenden Vorteil im Mittelfeld und damit den letzlich ungefährdeten Sieg.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/#comments Wed, 30 May 2012 08:23:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7215 Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ weiterlesen ]]> Was bleibt für Österreich von der Heim-EM? Ein paar gute Sprüche von Josef Hickersberger („Haben nur unsere Stärken trainiert, darum war die Einheit nach 15 Minuten vorbei“). Zu spätes Aufwachen gegen Kroatien. Eine Lastwagenladung vergebener Großchancen gegen Polen. Und ein Endspiel gegen Deutschland, in dem Michael Ballacks Gewaltschuss das Ende besiegelte. Aber auch Formationen, in denen seither kein ÖFB-Team mehr gespielt hat – vor allem das 3-4-2-1 gegen Kroatien und das für dieses Spiel perfekt passende 3-4-3 gegen die Deutschen. In in dieser Gruppe auch so ihre Mühe hatten.

Österreich - Kroatien 0:1 (0:1)

Österreich-Kroatien 0:1 (0:1)

Ein Rempler von Aufhauser, ein Pfiff von Referee Vink – das Spiel war 2 Minuten und 42 Sekunden alt, als es die richtige Entscheidung auf Elfmeter gab. Luka Modrić verwandelte sicher.

Die Österreicher? In einer Schockstarre, und die ultra-defensive Aufstellung half dabei nicht weiter. Nominell schickte Hickersberger ein 3-4-2-1 auf’s Feld, mit nur drei offensiv denkenden Spielern, und die waren zunächst weitgehend vom Spiel abgeschnitten. Das lag auch an den Wings-Backs – was Standfest und vor allem Gercaiu an Pässen ins Nirwana schlugen oder gleich direkt zum Gegner, war ein Wahnsinn.

Hinzu kam, dass die Kroaten mit der Art und Weise, wie sie ihr 4-4-2 interpretierten, die Schwächen der Österreicher gut nützten. Kranjčar zug vom linken Flügel gerne in die Mitte, beschäftigte dort Aufhauser, während Pranjić auf dem Flügel blieb und Standfest dort hielt. Womit er Modrić half, die Zeit für seine intelligenten Pässe zu haben. Auf der anderen Seite hielt sich Ćorluka eher zurück und unterstützte Niko Kovač, dafür preschte Darijo Srna viel nach vorne und hatte gegen den überforderten Gercaliu keine Probleme.

Vorne bewegten sich Olić und Petrić viel und gut, kam gegen die Dreierkette eher von außen oder bewegten sich von innen nach außen, um einen Verteidiger rauszuziehen und in der Mitte Löcher zu schaffen. Eine halbe Stunde lang zogen die Kroaten Österreich am Nasenring durch’s Stadion. Die Lage entspannte sich für den Gastgeber erst, als sich die Kroaten etwas zurücknahmen.

Doch nicht nur dass Hickersberger nicht sofort auf die Unzulänglichkeiten reagiert hätte, nein, sogar zu Beginn der zweiten Halbzeit änderte er genau nichts. Der effektivste Weg nach vorne blieben 60m-Bälle von Pogatetz zu Harnik (die gab’s im Fünf-Minuten-Takt) und selbst, als er nach einer Stunde Vastic für Säumel brachte, bedeutete das keine offensive Umstellung. Weil Vastic genau jene Position im defensiven Mittelfeld einnahm, die zuvor Säumel inne gehabt hatte. Erst nach 70 Minuten drehte sich die Partie zu Gusten der Österreicher, als Ümit Korkmaz statt Gercaliu kam und Hickersberger auf ein 4-3-3 umstellte – mit Korkmaz links und Harnik rechts als Außenstürmer, Kienast als Stoßstürmer; dahinter Ivanschitz als Zehner, Vastic als Achter und Aufhauser als Sechser.

Vor allem die jugendliche Energie von Korkmaz und das Tempo von Harnik gegen den langsamen Šimunić nagelten die Kroaten hinten fest. Denen war bis dahin alles viel zu leicht gegangen und sie hatten sich selbst eingelullt. Auf die plötzliche Gefahr und den Sturmlauf der bis dahin komplett harmlosen Österreicher reagierten sie mit greifbarer Nervosität, billigen Fehlpässen und einem gehetzten Gesichtsausdruck.

Erst, als Bilić sieben Minuten vor dem Ende mit Vukojević (statt Olić) einen zweiten Sechser brachte und auf ein 4-2-3-1 ging, beruhigte sich die Lage, weil die Sechser nun außen helfen konnten und die Mitte durch Modrić immer noch abgedeckt war. Die Auftaktpartie der Österreicher ging also mit 0:1 verloren, und es blieb die Erkenntnis, dass es 70 Minuten zu lang gedauert hat, bis man sich endlich getraut hat, die Kroaten unter Druck zu setzen.

Deutschland - Polen 2:0 (1:0)

Deutschland – Polen 2:0 (1:0)

Die Polen sind so etwas wie Quali-Experten: Der Weg zu einem Großereignis wird recht souverän bestritten, aber beim Turnier selbst geht nicht viel. Das war 2002 der Gall, 2006 ebenfalls, und 2008 machte da auch keine Ausnahme.

Mit ihrem holländischen Teamchef Leo Beenhakker stellten sich die Polen in ihrem ersten Spiel den Deutschen in einem 4-2-3-1 entgegen, allerdings nicht ohne Flaws. Die Außenverteidiger Golański und Wasilewski machten sehr wenig nach vorne und der auf die Zehn gestellte Jacek Krzynówek ist eher ein Flügelspieler.

Immerhin: Gegen das Mittelfeld-Duo im deutschen 4-4-2, Ballack und Frings, gelang es gemeinsam mit den Sechsern Dudka und Lewandowski, das Zentrum zu kontrollieren und die Deutschen auf die Flügel zu zwingen. Dort spielten Podolski links (was zu diesem Zeitpunkt eine komplette Neuheit war) und Fritz ersetzte den nicht ganz fitten Schweinsteiger auf der rechten Außenbahn.

Die Deutschen kontrollierten den Ball, rieben sich aber im Zentrum auf und bekamen überhaupt keinen Zugriff auf den Mittelkreis. Die erste Aktion, in der es doch mal über die Mitte ging, verwertete Podolski zum 1:0 nach zwanzig Minuten. Das Problem mit dem Zentrum blieb aber bestehen. Die Polen wurden zwar (mit einer einzigen Ausnahme nach rund einer halben Stunde) überhaupt nicht gefährlich, aber das zugemachte Zentrum setzte den Deutschen zu – Vorwärts-Läufe von Metzelder sollten immer wieder Abhilfe schaffen, taten das aber nicht wirklich.

Für die zweite Hälfte stellte Beenhakker um, brachte Guerreiro für die Zehn, stellte Krzynówek auf dessen linke Seite und Smolarek ging für den ausgewechselten Żurawski in die Spitze. Mit dem gebürtigen Brasilianer kam merklich Schwung ins Offensiv-Spiel der Polen, auch weil Krzynówek gegen Fritz ganz gut agierte. Löw konterte wenige Minuten später, indem er Schweinsteiger für Fritz brachte – aber weniger für die rechte Seite, sondern eher in eine zentralere Rolle um die Unterzahl dort etwas auszugleichen. Das erforderte im Gegenzug von Lahm, dass er deutlich mehr nach vorne marschierte als zuvor.

Zudem kam mit Schweinsteiger mehr Kampfkraft ins deutsche Spiel und eine zusätzliche Option für Angriffe, die nicht nur über die Flanken gingen. Ehe es ein guter Einsatz des neuen Mannes war, der in der 70. Minute das 2:0 für Deutschland einleitete. Das sicherte den Arbeitssieg der deutschen Mannschaft, aber die Probleme wurden selbst gegen die harmlosen Polen schon angedeutet: Im 4-4-2 fehlt es an Optionen im Zentrum, auch weil Frings ein reiner Zerstörer ist und Ballack in der Gestaltung aus dem Zentrum auf sich alleine gestellt war.

Stand nach dem ersten Spieltag: Deutschland 3, Kroatien 3, Österreich 0, Polen 0.

Kroatien – Deutschland 2:1 (1:0)

Wenn das die biederen Polen schon zumindest kontrollieren können, nützen das die individuell deutlich besseren Kroaten natürlich gnadenlos aus. Bilić stellte Kranjčar als hängende Spitze hinter Olić. Dadurch, dass sich Kranjčar bei Bedarf ins Mittelfeld zurückziehen konnte, war dort ein 3-gegen-2 gegen Frings und Ballack.

Kroatien - Deutschland 2:1 (1:0)

Womit die Kroaten das Zentrum in der Hand hatten und durch die aktiven Außenspieler von den Deutschen nichts befürchte mussten. Vor allem Ćorluka und Srna hatten keinerlei Mühe, auf der anderen Seite ließen sich Lahm und Fritz von den sich sehr gut bewegenden Pranjić und Raikitić oft aus der Position ziehen – so entstand das 1:0 von Srna nach einer Flanke von Pranjić.

Doch nicht nur die deutschen Spieler lieferten eine schwache Performance ab, auch Joachim Löw trug dazu bei. Er brachte für die zweite Hälfte Odonkor statt Jansen, dafür ging Lahm nach links, Fritz nach hinten und Odonkor auf die rechte Mittelfeld-Seite. Ein Komplett-Flop – denn Odonkor konnte kaum Bälle halten. Konnte sein Tempo nicht ausspielen, weil er erstens zu hoch stand und zweitens nie steil geschickt wurde. Und drittens war Pranjić noch freier als zuvor.

Zudem wurde auch das fragwürdige Positionsspiel der Außenverteidiger im Rücken der offensiven Mittelfeld-Außen nicht besser, so fiel das 2:0 durch Olić nach einer Stunde, weil Rakitić unbedrängt flanken hatten dürfen. Löw stellte wiederum nur innerhalb des Systems um – Gomez raus, Podolski nach vorne, Schweinsteiger rein – und behob das Grundproblem nicht. Ballack rückte zwar auf, aber Frings war mit dem sehr mobilen und gerne auf der Tiefen kommenden Modrić etwas überfordert.

Zwar fiel zehn Minuten vor Schluss der Anschlusstreffer durch Podolski. Doch schoss sich Löw mit seiner dritten Umstellung endgültig ins Knie: Kuranyi kam (für Fritz), es wurde auf ein 4-3-3 mit drei klaren Stürmern umgestellt, und Odonkor musste auf die LV-Position. Dort war dieser aber dermaßen verunsichert, dass es da wieder vermehrt Gefahr gab – während die Kroaten hinten nun mit einer Fünferkette (Knežević war für Kranjčar gekommen) das 2:1 über die Zeit schaukelte. Und am Ende sogar einer mehr war, weil Schweinsteiger nach einer Tätlichkeit die rote Karte sah.

Eine verdiente Niederlage für Deutschland in einem der wenigen Spiele, dass Jogi Löw komplett vercoacht hat.

Österreich - Polen 1:1 (0:1)

Österreich – Polen 1:1 (0:1)

Nein, eine Offensiv-Taktik gegen Polen werde es nicht geben. Nein, Ümit Korkmaz wird nicht von Beginn an spielen. Ja, es wird wieder genauso ultra-vorsichtig angelegt wie gegen Kroatien. Pepi Hickersberger verscheißerte mit seinen Aussagen im Vorfeld der Partie nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Leo Beenhakker, denn der stellte Żewłakow auf die linke Abwehr-Seite, um dort auf Harnik aufzupassen, dafür mit Bąk und Jop zwei robuste, aber langsame Innenverteidiger gegen Linz.

Zudem trug er seiner Mannschaft auf, mit einer extrem hohen Verteidigungslinie zu spielen, um die Österreicher, wenn sie sich schon hinten einigelten, wenigsten mit Manpower zu überfahren. Was für ein grandioser Fehler das war! Hickersberger schickte ein seltsames Mittelding aus 4-3-3 und 4-2-4 auf’s Feld, in dem Linz und Harnik zentraler agierten, Ivanschitz tendenziell von der linken Seite kam. Und in dem die hohe Linie der Polen höchst offensichtlich bloßgestellt wurde – weil Jop fürchterlich spielte, Wasilewski mit Korkmaz nicht mitkam, Żewłakow keine Ahnung hatte, wen er decken sollte, und man daraus auch nicht lernte.

Zumindest nicht, ehe Harnik und Leitgeb diverse Male im Rücken der Abwehr alleine auf Boruc zugelaufen waren, es aber immer irgendwie geschaffte hatten, den Ball nicht im Tor unterzubringen. Und bis Roger Guerreiro, den Beenhakker diesmal auf die Zehn in seinem 4-2-3-1 stellte, völlig entgegen des Spielverlaufs zum 1:0 für Polen traf. Dabei stand er zwar meterweit im Abseits, aber das Tor zählte.

Die Polen reagierten auf den unverhoffte Führung gut: Zum einen zogen sie ihre Vertedigungslinie 30 bis 40 Meter zurück, zum anderen setzten sie den jeweils ballführenden Österreicher unter Druck, sodass das ÖFB-Team erst mal gar nicht dazu kam, sich schnell zu erholen und sofort zurück zu schlagen. Zudem stellte Beenhakker für die zweite Hälfte seine Viererkette um, nahm den inferioren Jop raus und brachte mit Golański einen gelernten Linksverteidiger. Somit stand auch die Abwehr besser, Korkmaz kam kaum mehr durch und die Fehlpässe im österreichischen Aufbau häuften sich.

Daran änderte sich auch nichts, als Vastic für Ivanschitz kam – der 39-Jährige war unsichtbar, schlug schreckliche Ecken, noch schrecklichere Freistöße und war eigentlich ein untragbarer Zustand – und auch nicht, obwohl mit Kienast (für Linz) ein Stürmer kam, der die Bälle besser halten konnte. Die Polen standen tief, machten die Räume eng; raubten den Österreichern so deren größter Stärke (dem Tempo) und förderten deren größte Schwäche (Spielgestaltung gegen einen defensiven Gegner) zu Tage. Die Maßnahme, Passgeber Säumel statt des Zerstörers Aufhauser zu bringen, war ein Schritt in die richtige Richtung, aber es brauchte einen Elfer in der Nachspielzeit, um doch noch zum Ausgleich zu kommen. Referee Webb ahndete ein Trikotvergehen von Bąk an Prödl, Vastic verwertete eiskalt. Die einzige gelungene Aktion des Oldies, aber sie rettete das 1:1 und damit die Chance auf das Viertelfinale.

Stand vor dem letzten Spieltag: Kroatien 6, Deutschland 3, Österreich 1, Polen 1.

Polen - Kroatien 0:1 (0:0)

Polen – Kroatien 0:1 (0:0)

Die Kroaten waren indes bereits fix Gruppensieger, weswegen Slaven Bilić gegen Polen die Reservisten ran ließ. Was aber nicht bedeutete, dass diese locker ließen. Im Gegenteil, vor allem Vukojević  und Porkivač im zentralen Mittelfeld machten komplett zu.

Beenhakker ließ mit Murawski einen zusätzlichen Mann für das offensive Mittelfeld ran, dahinter spielte der grimmige Lewandowski als alleiniger Sechser; Dudka ging in die Innenverteidigung. Was aber alles nichts daran änderte, dass das Spiel der Polen zu langsam und zu umständlich von Statten ging. Da Lewandowski keiner für die Spieleröffnung ist, standen Murawski und Guerreiro alleine gegen Vukojević  und Porkivač, da gab es kein Durchkommen.

Und weil mit Wasilewski und Wawrzyniak auch die Außenverteidiger nicht genug Dampf nach vorne machten um die Flügelspieler Łobodziński und Krzynówek zu unterstützen, hatte Kroatien keine groben Probleme. Im Gegenteil, vor allem Danijel Pranjić zeigte große Spielfreude, hinterlief Rakitić oft und legte auch das Siegtor von Rakitić kurz nach der Pause auf.

Beenhakker versuchte für die zweite Halbzeit, das Passspiel im Mittelfeld zu stärken, indem er Lewandowski aus dem Spiel nahm, Dudka nach vorne zu und Kokoszka neu für die Verteidigung brachte, und tatsächlich merkte man nun schon, dass das Mittelfeld einen sichereren Eindruck machte. Aber dennoch: Chancen konnte man sich bis zum Schluss keine herausspielen. Eine Qualitätsfrage; bei Kroatien machte auch die B-Elf einen guten Eindruck, bei den Polen fand man eben kein Rezept. Darum ist die eine Mannschaft Gruppensieger, die andere Gruppenletzte.

Österreich – Deutschland 0:1 (0:0)

Österreich - Deutschland 0:1 (0:0)

Nein, großgewachsen sind die österreichischen Offensiv-Kräfte nicht. Mertesacker und Metzelder in der deutschen Abwehr aber schon. „Soll ich jetzt sagen“, sagte Hickersberger vor der Partie, „Komm, Ümit, nimm deiner Leiter mit auf’s Feld?“ Ob er es tat, ist nicht überliefert. Korkmaz spielte aber. Genau wie Harnik – und Hoffer statt Linz in der Zentrale.

Überhaupt war das System ziemlich un-österreichisch. Mit einem astreinen 3-4-3 lief Österreich auf. Als Folge einer Reihe von Überlegungen, die allesamt Sinn machten. Hinten standen also Stranzl, Hiden (statt des gesperrten Prödl) und Pogatetz in einer Dreier-Kette gegen das Sturm-Duo Klose/Gomez. Im Zentrum kümmerte sich Aufhauser um Ballack, während Ivanschitz den Spielgestalter gab – ausgeglichene personelle Verhältnisse, bei Ballack und Frings war die Aufteilung ähnlich.

Der Clou war aber, dass Garics (rechts) und Fuchs (links) als Wing-Backs sehr hoch agieren konnten, somit einerseits Fritz und vor allem Podolski am Offensiv-Drang hindert konnten. Und andererseits, dass sie die beiden Außenstürmer Korkmaz und Harnik unterstützen konnten, ohne dabei defensiv in Troubles zu kommen, weil ja noch die Außenspieler der Dreierkette absichern konnten. Womit Friedrich und Lahm komplett hinten festegenagelt wurden.

Und weil eh kein Österreicher gegen Merte und Metze ein Kopfballduell holen könnte, durfte Wusler Jimmy Hoffer im Zentrum ran – den langen Kienast behielt Hicke als Joker auf der Bank. Hoffer war zwar extrem nervös, konnte kaum einen Ball stoppen und verstolperte einige gute Möglichkeiten, die Überlegung hinter seiner Nominierung war aber nachvollziehbar.

Nach einem von Gomez – der ein schreckliches Turnier spielte – aus einem Meter vergeben Torchance spielte dann auch nur noch Österreich. „Die Deutschen scheißen sich jetzt in die Hose“, hatte Martin Harnik im Vorfeld etwas gar vollmundig gemeint – der U20-Held von Kanada war zum Zeitpunkt des Turniers immerhin Stammspieler in Bremens Regionalliga-Team – und eine gewisse Verunsicherung war beim DFB-Team durchaus zu spüren. Weil eben wie schon in den ersten beiden Spielen das Mittelfeld-Zentrum neutralisiert wurde und durch die extrem offensiven Außen der Österreicher auf über die Flanken keine Impulse gesetzt werden konnten.

Alleine, die Konsequenz im Abschluss fehlte. Gerade Per Mertesacker machte eine starke Partie und Jens Lehmann war, anders als noch beim Testspiel im Februar ’08, recht sicher. So war Österreich die aktivere Mannschaft, die den Gegner mit einem passenden System erfolgreich bekämpfte, aber zur Halbzeit stand es Null zu Null. Übrigens nicht nur an Toren, sondern auch an Trainern in den Coaching-Zonen: Löw und Hickersberger mussten in der 40. Minute beide auf die Tribüne, weil sich der vierte Offizielle, Damir Skomina, bemüßigt fühlte, sich zwischen den lautstark Anweisungen gebenden Teamchefs etwas wichtig machen zu müssen.

Ein Unentschieden reichte den Deutschen für das Viertelfinale, aber sich auf ein 0:0 zu verlassen war gegen die beherzten Österreich doch etwas riskant. Ehe sich in der 48. Minute das Spiel mit nur einem Sechser rächte und Ivanschitz im Zurücklaufen in einen Defensiv-Zweikampf mit Lahm zu spät kam. Gelb, Freistoß aus 30 Metern – und dieser wurde per Gewaltschuss von Ballack, unhaltbar für Macho, zum 1:0 für Deutschland verwertet.

Letzte halbe Stunde

Der ein halbes Jahr nach diesem Spiel an Krebs verstorbene Peter Persidis, der nun in Vertretung von Hickersberger die Geschicke auf der Bank leitete, stellte nach einer Stunde um. Er löste die Dreierkette auf, brachte die Ballverteiler Säumel und Leitgeb statt der Zerstörer Aufhauser und Hiden; zudem stellte er mit Kienast (statt Harnik) nun doch einen Langen in den Strafraum.

Österreich warf mit dem Mut der Verzweiflung alles nach vorne. Garics übernahm die rechte Seite im Alleingang, auf der linken taten Fuchs und Korkmaz ihr möglichstes; dazu war Leitgeb sehr aktiv. Aber bis auf einen Drehschuss von Hoffer, der knapp links am Tor vorbeiging, gab es keine wirklichen Chancen mehr. Ein Spiegelbild des Turniers für das ÖFB-Team: Bemüht, zuweilen durchaus ansehnlich, aber harmlos vor dem Tor.

Am Ende schwanden neben der Hoffnung nach naturgemäß auch die Kräfte. Vor allem Philipp Lahm nützte das vermehrt für Vorstöße, und in der Schlussphase war die deutsche Mannschaft doch die mit den größeren Reserven. Der kurz vor Schluss für den schwachen Podolski gekommene Neuville vergab in der Nachspielzeit noch die Chance auf das 2:0. Aber das machte keinen Unterschied mehr.

Endstand der Gruppe: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.

Österreich belegte am Ende verdientermaßen den dritten Gruppenplatz. Man zeigte sich engagierte und kompakter als das Team aus Polen, das in zweieinhalb Spielen klar schlechter war als der Gegner. Es wurde aus Sicht des Gastgebers nicht die allseits befürchtete Total-Blamage, konditionell war man voll dabei und ab der zweiten Hälfte gegen Kroatien passte auch der Einsatz. Das alles konnte aber nicht über die fehlende Klasse, das fehlende technische Rüstzeug und die fehlende internationale Erfahrung in Teilen der Mannschaft hinweg täuschen.

Das alles zeigten die Kroatien klar am Besten, die zittrige Schlussphase gegen Österreich war der Mannschaft ganz deutlich eine Warnung, das Spiel gegen Polen wurde selbst vom B-Team mit großer Ernsthaftigkeit durchgespielt. Die deutsche Mannschaft zeigte in allen drei Spielen, dass das 4-4-2 mit Frings und Ballack im Zentrum keine Option mehr war, mit der man im Turnier noch viel erreichen hätte können. Darum war der 1:0-Arbeitssieg gegen den Gastgeber auch das letzte Spiel mit dieser Formation. Schon im Viertelfinale gegen Portugal kam die System-Umstellung…

(phe)

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Viva España – Am Schluss lebt Spanien hoch https://ballverliebt.eu/2008/06/30/viva-espana-am-schluss-lebt-spanien-hoch/ https://ballverliebt.eu/2008/06/30/viva-espana-am-schluss-lebt-spanien-hoch/#respond Sun, 29 Jun 2008 22:25:09 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=237 Viva España – Am Schluss lebt Spanien hoch weiterlesen ]]> Vorbei ist es. Das wahrscheinlich größte Fußballereignis, das Österreich in absehbarer Zeit erleben wird, hat diesen Abend sein Ende und seinen Sieger gefunden. In einer durchwegs sehenswerten Partie, die gut aus der Reihe vielfach langweiliger Finalspiele fällt, bezwang die „Seleccion“ aus Spanien ihre deutschen Kontrahenten mit 1-0. Es war die 33. Minute, in der Fernando Torres gleichsam Philipp Lahm und Jens Lehmann bezwang, und den Ball über letzteren in die lange Ecke lupfte. Kronkorken Deutschland vs. Spanien

Spanien jubelt, Wien ist so rot wie schon lange nicht mehr. Die heimischen Fans dürften mehrheitlich auf Seiten der Iberer gestanden haben.
Dabei sah es eine gute Viertelstunde nach einem gegenteiligen Ergebnis aus. Gehemmt wirkende Spanier brachten kaum einen präzisen Pass im Mittelfeld zustande, die Kicker in weiß-schwarz hingegen waren drauf und dran die Führung zu erzielen. Bis Lehmann plötzlich einen von Metzelder gemein abgefälschten Ball parieren muss. In dem Moment scheint der deutschen Equipe der Faden gerissen zu sein. Kurz darauf schmeckt das runde Leder Metall, als Torres (glaube ich) den Final-Europass an die Stange köpft.

Adidas EuropassEs folgen größere und kleinere Chancen für die Rocha, auf der anderen Seite läuft sich Podolski zweimal fest. Das Kräfteverhältnis wechselte klar zugunsten des Teams aus dem Südwesten des Kontinents und sollte sich bis zum Schluss nicht mehr ändern. Der Fehler des zur Pause verletzungsbedingt ausgewechselten Lahm, die erneute Glanzlosigkeit von Kapitän Ballack, und auch die fehlenden Impulse der Wechselspieler Kuranyi und Gomes waren ausschlaggebend, dass Schwarz-Rot-Gold nicht zulegen konnte, sich keine zwingenden Chance erarbeitete. Ebenso mitverantwortlich für den rotgelben Finaltriumph: Icker Casillas, der die wenigen Prüfungen dieser Partie souverän meisterte.

Obwohl sie in der zweiten Hälfte deutlich defensiver auftraten, waren die Spanier nervlich nicht ganz sattelfest. Es war Minute 66, da hätte Da Silva dank eines Kopfstoßes eigentlich vom Platz gehen müssen. Damit bleibt eine der berühmten „Was-wäre-wenn?“ Fragen stehen – ob die Spieler von Aragones mit einem Mann weniger und nur einem Tor Vorsprung überlebt hätte, wir wissen es nicht. Ungeachtet dessen bot Roberto Rosetti, der mit seinem ersten Auftritt die EM eröffnete und sie mit seinem vierten beschloss, eine solide Leistung. Sowohl in diesen 90 Minuten, als auch in den anderen drei Partien, war er der Unparteiische, den man sich etwa bei Österreich – Deutschland gewünscht hätte.

Juegos olímpicos Pekín 2008Nun reckten Fernando Torres und seine Mannschaft den Pokal in den Nachthimmel über Wien. Ein schönes Spiel, ein verdienter Sieger, ein letztlich auch verdienter Vize-Europameister. In Österreich wird es nun Zeit, ein bisschen was von der Euphorie und vom Gelernten in den bald beginnenden Liga-Alltag mitzunehmen. Bis mit dem nächsten Confederations Cup und der WM 2010 wieder internationale Großereignisse folgen, wird er nebst den europäischen Pokalbewerben ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rutschen.

Obwohl, nicht ganz: In Peking wird ein Fußball-Olympiasieger gekürt werden. 2004 waren dies die Argentinier. 2008 qualifizierten sich Holland, Belgien, Serbien und Italien über die U21-EM 2007 für unseren Kontinent. Formell die größten Chancen als Titelträger haben die Oranjes, doch die Konkurrenz aus dem Rest der Welt wird da ein Wörtchen mitzureden haben.

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Österreich – Deutschland: Spielbericht https://ballverliebt.eu/2008/06/17/osterreich-deutschland-spielbericht/ https://ballverliebt.eu/2008/06/17/osterreich-deutschland-spielbericht/#respond Mon, 16 Jun 2008 22:23:53 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=224 Österreich – Deutschland: Spielbericht weiterlesen ]]> Langsam find’t der Tag sei End und die Nacht beginnt
In der Kärtnerstrass’n do singt aner „Wunder von Wien“
Hat a rotes Kapperl an, steht da ganz verlor’n
Und der Steffl der schaut owa auf den oarmen Kickerbuam
Der hat woll’n a Wunder seg’n im Ernst Happel Oval,
Hat glaubt a Sieg führt uns aus dem großen Fußball-Jammertol
Aus der Traum zerplatzt wia Seifenblos’n nix is blieb’n
Ois wia a paar Fahndl’n in seiner Jockentosch’n drin.

(Textanleihe an „STS – Fürstenfeld“)

Das „Wunder von Wien“ ist nicht eingetreten. Man mag mich schelten, mir vorwerfen ich würde jetzt groß reden, aber ich hatte es im Bauchgefühl. Den ganzen Tag schon wusste ich irgendwie, dass es wohl das wahrscheinlichste aller Ergebnisse sein würde, dass nach den 90 Minuten die Videowand des Hannapel-Stadions ziert. Österreich hat verloren, nicht ganz unverdient.

Zu Beginn: Die pure Angst

Aus terminlichen Gründen konnte ich weder die Vorberichterstattung noch die ersten vier Spielminuten sehen. Meine Mitzuseher bestätigten mir aber, dass diese nicht wesentlich anders verliefen als die folgenden 20. Entgegen der mutigen Feststellung Martin Harniks, die Deutschen hätten die Hosen voll, grassierte die nackte Angst unter den Mannen in den roten Dressen. Verunsichert wurde der Ball hin und her gespielt, verschenkt und kaum zurückerobert. Als erste Reminiszenz an das Kroatienspiel machten die Deutschen wahnsinnigen Druck, und im Grunde verdanken wir es einer Menge Glück, Gomez‘ Janko-Einlage und zuletzt auch Jürgen Macho, dass man bis Mitte der Halbzeit nicht schon im Rückstand war.

Dann: Ein Schiri ausser Rand und Band

So langsam stabilisierte sich dann das Spiel unserer Mannen. Der Ball wurde nicht mehr dauernd in sinnlosem Mittelfeldgeplänkel verschenkt, und auch die Quote erfolgreicher Pässe stieg rapide an. Dazu kamen die Deutschen immer seltener zu wirklich brenzligen Vorstößen, waren aber weiter spielbestimmend. Positiv überraschte mich der für Prödl einspringende Martin Hiden, der eine durchaus akzeptable Leistung lieferte. Ganz im Gegensatz zum spanischen Referee. Fragwürdige gelbe Karten und eine eigenwillige Foulpolitik brachten ihm weder unter den Spielern noch unter den Trainern große Sympathien ein, und die Stimmung drohte bisweilen gefährlich aggressiv zu werden. Während beide Mannschaften sich einen offenen, wenngleich behäbigen Schlagabtausch am Feld lieferten, mussten Josef Hickersberger wie sein deutsches Gegenüber Jogi Löw auf der Tribüne Platz nehmen. Auslöser, so Hicke nach dem Spiel im Interview, war wohl ein etwas übermotivierter vierter Mann. Ob man jetzt dem Referee einen Vorwurf machen kann, dass aufgrund dessen Weisung die Co-Trainer das Zepter übernahmen, weiß ich nicht. Er dürfte mit dem ruppig geführten Spiel schon genug zu tun gehabt haben, und erwies sich da schon häufig als überfordert.

Hop und Drop und Ballack

Wie das Ende der ersten Halbzeit ließ sich dann die zweite Spielhälfte an. Ein etwas bedächtiger gewordener Schiedsrichter leitete ein Match, das ein österreichisches Team mit Vorteilen im defensiven und offensiven Mittelfeld aufzeigte, dessen Abwehr jedoch nicht 100%ig sattelfest war, während der Sturm weitgehend harmlos war. Schafften es die deutschen erst einmal über die Mitte des Feldes, wo sich ihre Kicker mit dagegenhaltenden Österreichern redlich abmühten, so waren sie das deutlich gefährlichere Team. Auf der anderen Seite schien vor dem Strafraum so etwas wie ein eiserner Vorhang zu hängen. Einzelaktionen sah man nur drei, zwei erfolglose von Ümit Korkmaz, eine von Ivanschitz. Pässe in den Strafraum erfolgten wenig präzise, die Organisation des Angriffs war an dem 16er gelinde gesagt eine Katastrophe. Die wenigen Weitschüsse, die einem Lehmann im Formtief gefährlich geworden wären, blieben immer an jemanden hängen oder fielen einfach zu schwach aus. Es war schließlich Michael Ballack, der mit einem gut gezirkelten Freistoß auf Rechts, vorbei an einer suboptimal platzierten Mauer und einem herausgekommenen Jürgen Macho, in die Maschen beförderte.

Das Kroatien Revial

Ab da verlief das Spiel ein wenig wie ein Dejavue. Bis in die letzten 10 Minuten beschlossen die Löw-Kicker nur noch das Allernötigste zu tun, kamen ein paar mal harmlos nach vorne, beschränkten sich ansonten aber darauf, ihr letztes Spielfelddrittel zu verteidigen. Österreich rannte an, kam regelmäßig bis nach vorne, um dort den Ball vor lauter Offensivplanlosigkeit wieder zu verschenken. Mit Leitgeb und Säumel wurde das nur unwesentlich besser, schon vorher hatte das Spiel etwas daran gekrankt, dass Harnik unter bisher gezeigten Leistungen geblieben war. Die Hereinnahme von Kienast brachte einen letzten kleinen Schwung und zwei eher zufällig entstandene Möglichkeiten, auf der Gegenseite lief die aufgeknöpfte Defensive jedoch in mehrere Konter, die den Deutschen gut und gerne ein bis zwei Goals hätte bescheren können. Letztlich war es diese zu Beginn und am Schluß des Spiels latente Gefährlichkeit unserer Kontrahenten, die sie zu einem verdienteren Sieger machten, als es die Kroaten gewesen waren.

Fazit

Die Performance von Verteidigung und Mittelfeld war mit kleineren Abstrichen okay (zumindest gegen Deutsche, die – so drückte es Beckenbauer aus – ergebnisorientiert gespielt hatten), doch die Leute für die letzten Meter gehen uns ab. Hier sehe ich Zukunft, wenn etwa Kavlak, Junuzovic, Okotie und vielleicht auch Janko ihren Weg ins Team schaffen. Maierhofer ist und bleibt maximal ein Brecher für Ausnahmesituationen. Viel Kampf, wenig Effizienz ist das wiederum zwiespältige Fazit dieses Abends. Cordoba wird uns wohl noch ein Weilchen begleiten. Aus diesem Team jedenfalls kann noch etwas werden, und die erfolgreiche Quali für Südafrika 2010 ist ein realistisches Ziel. Unter wessen Federführung das ÖFB Team sich auf diesen Weg begibt, wird sich in den nächsten Tagen weisen.

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