Analyse – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 02 Aug 2022 11:14:50 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 1:0 über Norwegen: ÖFB-Frauen im EM-Viertelfinale! https://ballverliebt.eu/2022/07/16/10-ueber-norwegen-oefb-frauen-im-em-viertelfinale/ https://ballverliebt.eu/2022/07/16/10-ueber-norwegen-oefb-frauen-im-em-viertelfinale/#comments Sat, 16 Jul 2022 09:51:02 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=18209 1:0 über Norwegen: ÖFB-Frauen im EM-Viertelfinale! weiterlesen ]]> Immer schon rein in die Wunde und darin herumbohren! Die ÖFB-Frauen haben in ihrem De-facto-Achtelfinale gegen Norwegen eine knappe Stunde lang alles getan, um sich einen Sieg zu verdienen. Sie gaben den mental nach dem 0:8 gegen England lädierten Gegner lange keine Gelegenheit, zu sich zu finden und am Ende wurde der 1:0-Erfolg über die Zeit verteidigt. Damit wurde wie 2017 die EM-Vorrunde überstanden, nun wartet im Viertelfinale Deutschland.

Irene Fuhrmann musste auf die corona-positive Katharina Naschenweng verzichten, dafür war die corona-genesene Laura Wienroither wieder mit dabei. Dunst (links) und Hickelsberger (rechts) spielten also auf den Außenstürmer-Positionen im österreichischen 4-3-3. Norwegens Teamchef Martin Sjögren griff auf das Team zurück, das zum Auftakt 4:1 gegen Nordirland gewonnen hatte – nur Innenverteidigerin Maria Thorisdottir, die beim 0:8 gegen England unter vielen Schlechten die Allerschlechteste war, musste draußen bleiben. Bergsvand spielte statt ihr.

Immenses Gegenpressing

Österreich machte sich von Anpfiff weg daran, Norwegen gar nicht erst Selbstvertrauen aufbauen zu lassen. Mit einem aggressiven Pressing wurde die Ballführende – wie kaum anders zu erwarten war – schnell gedoppelt und Abspielfehler somit provoziert, und zwar schon im Angriffsdrittel; rund um die Mittellinie sowieso.

Norwegen kam damit gar nicht dazu, auch nur mehr als zwei oder drei Pässe hintereinander spielen zu können und ein geregelter Aufbau war sowieso unmöglich. Nur über Einzelaktionen – und hier vor allem über Caroline Hansen – schafften sie es situativ, für so etwas wie Entlastung zu sorgen.

Hegerbergs Präsenz war spürbar

Man merkte den ÖFB-Frauen aber an, dass schon die schiere Präsenz von Ada Hegerberg für Respekt sorgte. Anstatt im Mittelfeld quer zu spielen und bei einem möglichen Ballverlust womöglich gleich Hegerberg gegen sich zu haben, wurde immer wieder lange Rückpässe auf Zinsberger gespielt, um dieses Risiko zu minimieren. Und auch im Aufbau von hinten galt eher die Devise „Lang und weit bringt Sicherheit“: Keine kurzen Pässe auf Puntigam wurden gespielt, die Kugel ging auf möglichst direktem Weg ins Angriffsdrittel.

Das spielte aufgrund der Gegebenheiten – den spielerischen wie den psychischen – Österreich in die Hände. Die ÖFB-Frauen gingen immer schön rein in die norwegischen Schwächen und die damit beim 0:8 aufgerissenen mentalen Wunden und bohrten mit Genuss darin herum. Das 1:0 durch Billa nach 37 Minuten war überfällig und hochverdient.

Kein Fuß auf den Boden

Denn Linksverteidigerin Blakstad sah gegen Hickelsberger null Land, brachte in der ersten Hälfte gefühlt keinen einzigen Vorwärtspass an die Mitspielerin. Reiten war bei Wienroither weitgehend abgemeldet, Engen ließ schon nach einer Viertelstunde die Schultern hängen, Bergsvands Stellungsspiel stand in puncto haarsträubend jenem von Thorisdottir gegen England um nichts nach und Mjelde rammte einmal das Knie und einmal den Ellbogen in Billas Gesicht – ungestraft.

Das scharfe Gegenpressing der ÖFB-Frauen lähmte die norwegischen Lebensgeister und  Österreich hingegen spielte die Mind-Games auch genüsslich aus. Wenningers ewig hinausgezögerter Freistoß aus der eigenen Hälfte machte die Norwegerinnen sichtbar fuchtig, beispielsweise. Auch die Verletzungspause von Torhüterin Pettersen brach Österreichs Rhythmus nicht.

ÖFB-Druck lässt nach

Erst nach 50 Minuten nahmen die ÖFB-Frauen erstmals den Fuß ein wenig vom Gas. Man ging dazu über, Norwegen eher an der Mittellinie zu erwarten und nicht mehr im Angriffsdrittel schon draufzugehen. Allzu kreativ ist diese Truppe nicht, sie war aber sehr wohl bemüht, diesen kleinen österreichischen Finger zu nehmen und sich so die ganze Hand zu schnappen. „Wir können nicht 95 Minuten lang nur draufdrücken“, hatte Irene Fuhrmann schon vor der EM gesagt, „das geht sich athletisch einfach nicht aus.“

Was sich aber nicht änderte, war die generelle Panik in der norwegischen Abwehr, wenn sich ein Ball näherte. Da wurde nichts gesichert, sondern nur rausgedroschen – bis irgendwann keine Österreicherin mehr nachlief, die gefährlich werden konnte. Torhüterin Guro Pettersen mühte sich, Sicherheit auszustrahlen und sie hielt, was zu halten war, aber ein bisschen wackelig wirkte sie dennoch immer.

Norwegen macht Druck

Nach einer Stunde versuchte Norwegens Teamchef Martin Sjögren nachzulegen, stellte Hansen auf ihre beste Position (am rechten Flügel) und bracht datür in Ildhusöy eine neue Stürmerin statt Eikeland auf das Feld. Wenig später brachte Tuva Hansen eine scharfe Flanke vor das Tor, die an allen vorbei zischte – die wohl heikelste Szene.

Nach 20 Minuten mit mehr Abwehr- als Angriffsarbeit erlöste Fuhrmann die erschöpfte Hickelsberger und wechselte Lisa Makas ein, die sich gleich einmal mit einem etwas zu zögerlichen Abschluss alleine vor Torhüterin Pettersen einführte. Das 2:0 in dieser 75. Minute wäre die Entscheidung gewesen. So aber war Norwegen immer mehr bemüht, irgendwie den Ball in den Strafraum zu bekommen, um dort die Kugel über die Linie stochern zu können. Viel Plan war nicht dahinter, eher Brechstange und Mut der Verzweiflung

Die Vermutung liegt nahe, dass dieses sich Zurückdrängen lassen zumindest in diesem zeitlichen Ausmaß wohl eher nicht geplant war – denn statt einem weiteren offensiven Wechsel wurde in der Schlussphase eher noch mehr der Rückwärtsgang eingelegt. Statt Stürmerin Billa kam Verteidigerin Georgieva, mit einem 5-4-1 wurden die restlichen Minuten über die Zeit gebracht. Einmal war Zinsberger vor Hegerberg am Ball, einmal lenkte sie einen Ildhusoy-Schuss noch knapp über die Latte. Norwegen hätte einen Sieg gebraucht, es gab nicht mal das Remis.

Fazit: Nein, 2017 war kein Zufall

Erstmals in seiner 32-jährigen Geschichte hat das ÖFB-Frauen-Nationalteam einen Sieg gegen einen Weltmeister gegeben. Der Lohn für den 1:0-Erfolg gegen den Welt-Champion von 1995 ist das zweite Erreichen der K.o.-Runde bei der zweiten EM-Teilnahme. War 2017 noch eine Überraschung, bei der man unvorbereitete Gegner mit dem Ausmaß der eigenen Stärke düpiert hat, ist diese zweite Viertelfinale-Teilnahme die Bestätigung, dass 2017 keine Eintagsfliege war.

Jetzt kennen die Gegner Österreich. Und trotzdem ist Österreich weiter – gerade nach diesem Spiel, zumindest den ersten 50 Minuten davon, sowas von verdient. Norwegen sah nicht aus wie eine Frauenfußball-Großmacht mit dem Selbstverständnis, auch nach einer bitteren Niederlage natürlich ein gutes Mittelklasse-Team wie Österreich zu besiegen. Sondern wie ein vom Anlass eines Entscheidungsspiels komplett überfahrenen Duckmäuser, der hofft, das Ausmaß der sportlichen Katastrophe möge sich im ertragbaren Rahmen halten. Nein, ein 0:8 wurde es nicht. Aber die Art und Weise, wie man 50 Minuten lang von Österreich vorgeführt wurde, kann nach dem Debakel gegen England nur bedeuten, dass der ohnehin in der Kritik stehende Martin Sjögren seinen Hut nehmen muss. Wie es mit Ada Hegerberg weitergeht, die den gleichen leeren Gesichtsausdruck hatte wie nach dem punkt- und torlosen Vorrunden-Aus vor fünf Jahren, wird sich weisen.

Für Österreich gibt es nun hingegen die nächste Belohnung nach dem Eröffnungsspiel im Old Trafford (übrigens: Norwegen hat 0:8 gegen England verloren und Nordirland 0:5, Österreich „nur“ 0:1). Am Donnerstag gibt es im Stadion von Brentford das Viertelfinale gegen Deutschland. Das wird wieder eine komplett andersartige Partie: Die DFB-Elf hat bisher vollends überzeugt, strotzt vor Selbstvertrauen und geht auf den EM-Titel los – und will nicht, so wie Norwegen, nur eine totale Blamage verhindern.

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Schwungvolle Australier gewinnen ziemlich schwunglosen Asiencup https://ballverliebt.eu/2015/02/01/schwungvolle-australier-gewinnen-ziemlich-schwunglosen-asiencup/ https://ballverliebt.eu/2015/02/01/schwungvolle-australier-gewinnen-ziemlich-schwunglosen-asiencup/#comments Sun, 01 Feb 2015 14:32:33 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=10816 Schwungvolle Australier gewinnen ziemlich schwunglosen Asiencup weiterlesen ]]> Beim 16. Asiencup siegte zum siebenten Mal der jeweilige Gastgeber – und zum ersten Mal das Team aus Australien. Verdient – nach einem Turnier, das allerdings über weite Strecken alles andere als sehenswert war. Verglichen mit dem durchaus ordentlichen Niveau beim letzten Turnier vor vier Jahren haben 90 % der Teams stagniert oder wurden sogar schlechter.

Dass ein Trainer mit seinem Team das Turnier gewonnen hat, der rechtzeitig die Probleme seiner Mannschaft erkannt und angeganen ist – und dabei die WM als Testturnier betrachtet hat – ist folgerichtig. Die Konsequenz, mit der Ange Postecoglou seine Australier in den letzten 14 Monaten nach seinen Vorstellungen formte (und mit dem Segen des Verbands auch formen durfte), darf durchaus als Vorbild für andere Teams herhalten.

Australien: Verdienter Sieger

Australien. Teamchef: Ange Postecoglou
Australien: Mit viel Schwung und Wille und den wenigsten Aussetzern zum Titel.

Wie erwartet: Australien war nicht die individuell beste Mannschaft des Turniers, aber diejenige, die am meisten Schwung und Unternehmensgeist zeigte und dabei sich die wenigsten Aussetzer leistete. Die von Ange Postecoglou seit seinem Amtsantritt vor 14 Monaten radikal verjüngte Truppe strahlte genau jene Verve aus, die ihr vor allem unter Vorgänger Holger Osieck – trotz des Finaleinzugs beim Asiencup 2011 – dramatisch gefehlt hat.

Oldboy Tim Cahill hat zwar nur noch Luft für 70 Minuten, aber sein Einsatzwille riss das Team mit, während Mile Jedinak und Mark Milligan – die einzigen beiden verbliebenen Routiniers in der Stammformation – für die Struktur im Spiel sorgten. Das 4-3-3 (bei der WM spielte Postecoglou noch in einem 4-2-3-1) entspricht den Stärken des Teams am Ehesten. Mit dem Vorwärtsdrang und der geschickten Raumaufteilung wurden Gegner oft zu langen Bällen gezwungen, die bei der robusten Abwehr der Aussies wenig erfolgversprechend waren. Zudem zeigte sich Mat Ryan als exzellenter Schlussmann und war wohl der beste Goalie des Turniers.

Im Finale gegen Südkorea litt man darunter, dass Tim Cahill in sehr effektive Manndeckung genommen wurde, letztlich waren es aber genau die Attribute des Never-Give-Up, die das entscheidende Siegestor in der Verlängerung brachten. Australien ist sicher der verdiente Sieger des Turniers und hat gezeigt, dass durchaus taugliche Spieler nachkommen wenn altverdiente Leute wie Tim Cahill nicht mehr da sind.

Südkorea: Etwas mehr Initiative – aber…

Südkorea. Teamchef: Uli Stielike
Südkorea: Nicht so miserabel wie bei der WM, aber immer noch nicht überzeugend.

Bei der WM waren die Koreaner eine der größten Enttäuschungen. Nach den drei Schritten zurück, die unter Uli Stielikes Vorgänge Hong Myung-Bo gemacht wurden, ging es nun zumindest einen wieder nach vorne. Aber obwohl Stielike kräftig das Personal gewechselt hat, änderte sich an der Herangehensweise nur wenig. Man zeigte zwar – vor allem gegen schwächere Gegner – dass man durchaus in der Lage ist, mit geschickten Pressingwegen die Spieleröffnung der Kontrahenten zu unterbinden, aber der Zug zum Tor fehlte weiterhin völlig.

Natürlich half es auch nicht, dass sich Zehner Koo Ja-Cheol (von Mainz) und Lee Chung-Yong (von Bolton) früh verletzten und sich der Leverkusener Son Heung-Min in der Vorrunde auch mit einer Blessur herumplagte. Aber dass Park und Ki oft beide vor den Innenverteidigern stehen blieben, dass man den Usbeken im Viertelfinale die Flanken komplett überließ, dass – ganz generell – nicht wesentlich mehr Initiative ergriffen wurde, bei einem Personal, dass das absolut zulässt, ist schon eher verwunderlich.

Südkorea ist trotz des großen individuellen Potenzials und einer Schiffsladung von Spielern, die in starken europäischen Ligen (und auch in nicht so schlechten asiatischen Ligen) spielen, weit davon entfernt, das Potenzial auszuschöpfen. Daran änderte bislang auch Stielike nichts, und daran ändert vorerst auch der Einzug in dieses Finale nichts.

Japan: Trend der letzten Jahre bestätigt

Japan. Teamchef: Javier Aguirre
Japan: Grandiose Leistungen wechselten sich mit schwächlichen Darbietungen ab.

Wer sich an Japans Auftritte beim Confed-Cup im Sommer 2013 erinnert, wird wissen: Es gab ein grandioses Match gegen Italien, aber einen ganz guten aber harmlosen gegen Mexiko und einen völlig flachen gegen Brasilien. Bei der WM im letzten Sommer schied Japan sang-, klang- und sieglos aus.

Der Eindruck aus den Jahren nach dem glanzvollen Asiencup-Titel 2011 bestätigte sich auch diesmal: Die Mannschaft hat es immer noch drauf, einen guten Tag zu haben und einen Gegner völlig zu zerstören – wie in der Vorrunde gegen den Irak. Das Spiel endete zwar „nur“ 1:0, aber auch ein 6:0 oder ein 7:0-Sieg der Japaner wäre nicht zu hoch gewesen.

Und dann aber gibt es wieder Spiele, in denen man zwar 75 % Ballbesitz hat, sich gegen einen geschickt agierenden Gegner aber damit begnügt, den Ball zu haben und eben weder Glanz noch Torgefahr versprüht, wie im Viertelfinale gegen die Emirate. Die 36 Torschüsse, die den Japanern da am Ende verrechnet wurde, spiegeln das Geschehen nämlich nicht wieder: Da war kaum eine einzige ernsthafte Torchance dabei, ehe es in der 80. Minute das 1:1 gab. Es folgten zehn Minuten, in denen man das Spiel locker entscheiden hätte können, ehe in der Verlängerung wieder gar nichts passierte und 25-Meter-Schüsschen Richtung Eckfahne schon als Torschuss gewertet wurden.

Das Viertelfinal-Aus (im Elferschießen gegen die Emirate) ist nur logisch und folgerichtig. Wer auch immer Nachfolger von Javier Aguirre wird, steht vor der schwierigen Aufgabe, eine an sich nicht übertrieben überalterte Mannschaft (nur bei Hasebe und Endo wird es nicht mehr lange gehen) umzubauen und neu zu erfinden, denn die aktuelle weist mit etwa Honda, Kagawa und Nagatomo zu viele hoch veranlagte, aber mittlerweile zu wenig konstante Spieler auf. Dass Takashi Inui – der einzige Neue in der Startformation gegenüber der WM – auch schon 26 Jahre alt ist, ist kein gutes Zeichen.

China und Saudi-Arabien: Besserung / Beständigkeit

China: Variabel vom System her,
China: Sehr systemvariabel und eine klare Philosophie, aber nicht sehr aufregend.

Ihre Liga haben sie schon zu einer der Top-Adressen in Asien gepimpt, auf Nationalteam-Ebene aber hinken die Chinesen seit jeher ihren großen Ansprüchen hinterher. Vor vier Jahren blieb man nach einer vor allem inhaltlich komplett heillosen Vorrunde schon in einer wirklich nicht besonders schweren Gruppe hängen, in der Folge konnte auch ein Star-Trainer wie José Antonio Camacho den Abwärtstrend nicht stoppen.

Für dieses Turnier holte man sich Alain Perrin, Ex-Meistercoach von Olympique Lyon, und dieser schaffte es nun, darauf aufzubauen, dass die Spieler aus einer Liga kommen, in der absolute Qualitätstrainer vom Schlage eines Lippi oder Eriksson am Werk sind. Ob also mit einem 4-4-2 (wie gegen die Saudis), einem 5-1-3-1 (wie gegen Usbekistan), einem 4-2-3-1 (wie gegen Nordkorea) oder einem 4-3-3 (wie im Viertelfinale gegen Australien): Die Mannschaft kann sich vom System her gut dem Gegner anpassen, ohne dabei ihre grundsätzliche Philosophie ändern zu müssen.

Perrin  verpasste dem chinesischen Team eine Safety-First-Spielweise. Nach Ballgewinn wird selten schnell umgeschaltet, sondern erst einmal darauf geachtet, dass man den Besitz sichert. Mit einem sehr guten Goalie und einer meist recht sicheren Hintermannschaft war das in der Regel nicht aufregend zum zusehen, aber es erfüllte den Zweck. Mit drei Arbeitssiegen wurde die Vorrunde souverän überstanden, ehe man im Viertelfinale gegen die australische Wucht keine Chance hatte.

Angesichts der Tatsache, dass das Team ein Durchschnitts-Alter von 26 Jahren hat und die nächste WM in drei Jahren steigt, hat China in der aktuellen Generation aber nur eine Chance, sich für eine WM zu qualifizieren. So gesehen kann dieser Kader nur ein Übergangs-Team sein, wenn man aus der guten Arbeit, die national gemacht wird, längerfristig Kapital schlagen möchte.

S.-Arabien:
S.-Arabien: Mit Potenzial, aber es ist kein Team. Man spielt aneinander vorbei.

Bei den Saudis war alles wie immer, in den letzten Jahren: Die individuelle Qualität wäre durchaus vorhanden, aber es fehlt komplett an jeder Kontinuität im Umfeld, um diese auch in ein stimmiges und funktionierendes, inhaltliches Konzept einzubetten. Der Nachfolger von Cosmin Olaroiu, der auch nur für dieses Turnier verpflichtet wurde, wird bereits der siebente (!) Teamchef seit 2011 sein.

So spielten die Saudis bei diesem Turnier auch wieder recht konsequent auf eigene Faust und recht gezielt aneinander vorbei. Eine recht ansprechende halbe Stunde gegen China reichte nicht, gegen die Nordkoreaner musste man nur auf gegnerische Fehler warten und gegen Usbekistan fehlte es bei allem Ballbesitz eklatant am Zug zum Tor. An Auftritten wie bei diesem Turnier wird sich auch nichts grundlegendes ändern, ehe man nicht einem Teamchef mal über vier, fünf Jahre hinweg die Chance gibt, seinen Stempel längerfristig der Mannschaft aufzudrücken.

Dass das Team, das in der Blütezeit in den 90er-Jahren ein solides Top-30-Team weltweit war, mittlerweile im Elo-Ranking auf Rang 86 und im der FIFA-Weltrangliste jenseits von Platz 100 abgestürzt ist, hat man sich komplett selbst zuzuschreiben.

WM-Gastgeber 2022: Katar sportlich meilenweit weg

Katar:
Katar: Kein Konzept, keine einstudierten Spielzüge, kaum individuelle Qualität.

Das sollte der Grundstock jenes Teams sein, auf das Katar für die Heim-WM in sieben Jahren aufbaut. Wenn man die Spiele bei diesem Asiencup mit jenem beim Heim-Turnier vor vier Jahren vergleicht, ist allerdings ein eklatanter Rückschritt erkennbar.

Bis auf den trickreichen Hassan al-Haidos, den schon relativ routinierten Khalfan Ibrahim und der mobilen Sturmspitze Mohammed Muntari (einem eingebürgerten Ghanaer) ist niemand dabei, der auch nur annähernd die Qualität für ein WM-Team hätte. Die Abwehr agiert oft naiv, der Torhüter ist ein ständiges Sicherheitsrisiko, aus dem Zentrum kommen keine Impulse und niemand scheint zu wissen, was der andere gerade vorhat – so etwas wie einstudierte Laufwege oder gar Spielzüge suchte man drei Spiele lang vergeblich – vor allem der letzte Punkt erinnert frappant an Österreich unter Constantini, mit dem Unterschied, dass dort die individuelle Qualität höher war. Beim 1:4 gegen die Emirate war man komplett überfordert, gegen den Iran hielt man zumindest das Ergebnis von 0:1 knapp, und dass man dann auch noch gegen die wirklich nicht besonders gute Truppe vom kleinen Nachbar Bahrain verlor, war das Tüpfelchen auf dem i.

Nicht deutet im Moment darauf hin, dass Katar 2022 eine auch nur halbwegs konkurrenzfähige Mannschaft in die Heim-WM schicken kann. Aus aktueller Sicht besteht die einzige Hoffnung, dass man es so macht wie die Handballer – alles einbürgern, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, und sich mit der Gunst der Referees die nötigen Resultate holen.

VAE und Irak ganz gut, Iran und Usbekistan harmlos

VAE:
VAE: Hinten kompakt, schneidig im Stören und dazu vorne noch Wuschelkopf Omar.

Mit zwei Halbfinalisten konnte man vor dem Turnier nicht direkt rechnen: Mit den Emiraten – die am Ende Dritter wurden – und dem Irak. Dabei ist das Team aus den VAE das einzige, das sich gegenüber dem Cup vor vier Jahren wirklich signifikant verbessert hat. Damals, unter Srecko Katanec, schied man klar in der Vorrunde aus. Der aktuelle Teamchef Mahdi Ali formte aus den Kickern aus Dubai, Abu Dhabi und Al-Ain eine kompakte, gut funktionierende Truppe und hatte zudem die ganz große Entdeckung des Turniers in seinen Reihen: Spielmacher Omar Abdulrahman.

Der 23-Jährige, dessen Frisur – eine Mischung aus Marouane Fellaini und David Luiz – ihn schon rein optisch zu einer auffälligen Erscheinung werden lässt, ist das Um und Auf bei den Emiraten. Er ist mit allen Freiheiten ausgestattet, die Mitspieler rennen für ihn mit und decken geschickt die Räume ab, die er mit seinem freigeistigen Positionsspiel reißt. Die Viererkette und die beiden Sechser harmonieren gut und man traute sich auch, auf dem Papier klar überlegene Gegner die Japan aktiv zu stören. Mit Ahmed Khalil gibt es einen robusten Stoßstürmer, mit Ali Mabkhout einen flinken und torgefährlichen Offensiv-Allrounder, mit Amer Abdulrahman einen ruhigen Passgeber aus der Zentrale heraus.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Emirate nun glanzvoll für die nächste WM qualifizieren werden, aber man wird sicher deutlich näher dran sein als letztes Mal – da kassierte man gegen Südkorea, Kuwait und den Libanon bereits in der Zwischenrunde fünf Niederlagen in sechs Spielen.

Irak
Irak: Jung und mit guten Ansätzen, aber gegen gute Gegner viel zu passiv.

Auch der Irak kam zumindest einen Schritt weiter, als es der Papierform entsprochen hätte. Mit dem Shoot-Out-Sieg nach dem 3:3 nach Verlängerung gegen den Iran – dem mit sehr viel Abstand aufregendsten Spiel des Turniers – sicherte man sich den Platz im Semifinale. Die gegenüber dem Viertelfinal-Team 2011 auf sieben Positionen veränderte (und auf im Schnitt 24,1 Jahre verjüngte) Mannschaft spielte einen kompakten und eher auf Sicherheit bedachten Fußball – so spielte Abdul-Zahra, eigentlich ein Achter, konstant als hängende Spitze. Dazu war man vor allem gegen die stärkeren Teams (also Japan in der Vorrunde und Südkorea im Halbfinale) viel zu passiv, ließ das Spiel nur über sich ergehen.

Der Irak hat von einer günstigen Auslosung und relativ schwacher Konkurrenz profitiert. Man hat sicher eine ordentliche Mannschaft, die weiterhin konstant um asiatische Viertelfinali und in WM-Quali-Finalrunden der Top-10 des Kontinents mitspielen kann. Mehr ist aber nur drin, wenn mehr der jungen Spieler den Weg in bessere Ligen in der Region, wie die saudische oder die aus Katar, finden. Bleibt es dabei, dass die halbe Mannschaft beim nationalen Spitzenklub Al-Shorta in Bagdad spielt, wird es mit der Weiterentwicklung schwierig.

Iran
Iran: Nach vorne weiter mittellos, im Viertelfinale ging’s auch hinten schief.

Das mit der Weiterentwicklung ist auch beim Iran so eine Sache. Bei der WM machte man im Rahmen der (sehr begrenzten) spielerischen Möglichkeiten einen ganz ordentlichen Eindruck, aber man kann keine nach vorne stürmenden Ballkünstler herzaubern, wo einfach keine sind. Gegenüber der WM ließ Carlos Queiroz die Außenstürmer deutlich höher spielen, wollte mehr Druck ausüben gegen deutlich schwächere Kontrahenten als bei der WM. Das Mittelfeld ist mit Nekounam, Teymourian und Shojaei aber weiterhin alte Herren, die nicht besonders kreativ sind.

So blieb weiterhin nur die Variante „Hinten dicht und vorne beten“. Bis auf das Viertelfinale gegen den Irak – bei dem nach einer halben Stunde Linksverteidiger Pouladi des Feldes verwiesen wurde – stand die Defensive gewohnt sicher, aber nach vorne war halt nicht viel los. Mit dem jungen Sardar Azmoun, der in der russischen Liga unter Vertrag staht, gibt es zwar einen Hoffnungsträger im Sturmzentrum. Aber wenn er kaum brauchbare Bälle bekommt, kann auch ein solcher wenig ausrichten. In der Vorrunde gab es mit 4:0 Toren drei Siege. Im Viertelfinale war Schluss.

Usbekistan
Usbekistan: Solide, aber zuweiles etwas blutleer. Kein Schritt nach vorne.

Wie der Iran war auch Usbekistan als Gruppenkopf gesetzt (wie Gastgeber Australien und Titelverteidiger Japan), wie beim Iran war auch für die ehemalige Sowjet-Republik im Viertelfinale Endstation. Die Weißen Wölfe waren vor allem bei Flanken brandgefährlich und standen in der Abwehr recht solide (die beiden Gegentore gegen China kann man der Defensive kaum anlasten), scheiterten aber dennoch eher an sich selbst.

Teamchef Kosimov vollzog seinen Generationswechsel nämlich genau während des Turniers. Nach blutleeren Auftritten gegen China eliminiert er Kapitän Dsheparov und Routinier Kapadze und ersetzte sie durch junge Spieler, wie etwa Zehner Iskanderov (der Usbekistan bei der U-20-WM vor anderthalb Jahren ins Viertelfinale geführt hatte). Denen fehlte aber die nötige Routine und Persönlichkeit, um das Team an sich zu reißen. Man rettete sich ins Viertelfinale, dort war Endstation.

Gegen Südkorea kontrollierte man zwar die für dieses Team so wichtigen Flanken, aber es fehlte die Linie und der Punch aus der Zentrale heraus. So gab es zwar vor allem in der Anfangsphase gute Chancen, aber je länger das Spiel dauerte, desto mehr wurde deutlich, dass man gegenüber dem Halbfinal-Einzug 2011 keinen Schritt nach vorne gemacht hat.

Der schwindlige Rest

Mit gutem Willen kommt man also auf neun Teams, die halbwegs brauchbar Fußball spielen können. Der Rest – darunter auch das schon angesprochene Team aus Katar – war zuweilen von einer erschütternden Schwindligkeit, die dafür sorgte, dass man sich gerade die Vorrunde kaum ansehen konnte. Darunter etwa das Team aus Nordkorea, das zwar nicht grundsätzlich unbegabt ist, aber als Folge der kompletten Isolation des Landes vor allem im Abwehrbereich mit einer erstaunlichen Naivität zu Werke ging und daher auch folgerichtig alle drei Spiele verdient verlor.

Der Rest des untauglichen Teilnehmerfeldes bestand aus den kleinen Ländern im arabischen Raum. Also etwa die im Video gezeigte Truppe aus Kuwait, die in der Regel schon am ersten Pass aus der Abwehr heraus kläglich scheiterte. Oder die Underdogs aus Palästina, für deren Identität die Teilnahme wichtig war und sich auch im Rahmen der Möglichkeiten achtbar schlug, aber aufgrund der fehlenden Qualitäten dreimal deutlich verlor.

Zumindest einmal gewonnen hat der Oman, der in den letzten Jahren gute Ansätze zeigte, aber wo auch Paul le Guen (3x Meister mit Olympique Lyon) mit seiner Dreierkette nichts daran ändern konnte, dass Australien und Südkorea außerhalb der Reichweite bleiben. Einen Schritt zurück ging es bei Jordanien – vor vier Jahren gut organisierter Viertelfinalist, nun unter dem Engländer Ray Wilkins und seiner Mittelfeld-Raute zwar immer noch ganz okay hinten, aber völlig harmlos vorne (vom Spiel gegen die überforderten Palästinenser abgesehen). Und Bahrain konnte zwar durchaus verdient den ambitionierten Nachbarn Katar bezwingen, war aber auch meilenweit von echter Qualität entfernt.

Fazit: Negativer WM-Eindruck wurde bestätigt

Vor diesem Hintergrund ist es besonders befremdlich, dass für das Turnier 2019 (dessen Gastgeber noch nicht feststeht – im März fällt die Entscheidung zwischen dem Iran und den Emiraten) das Teilnehmerfeld von bisher 16 – was aufgrund der fehlenden Leistungsdichte schon um mindestens vier Teams zu viel ist – auf 24 aufgeblasen wird. Ein erst ab dem Viertelfinale einigermaßen kompetitives Turnier wird damit sportlich noch weiter entwertet. Annähernd zwei Drittel des Feldes wird aus teilweisen bis völligen Blindgängern bestehen.

Was dieser Asiencup bestätigt hat, war der negative Gesamteindruck, den Asiens Teams bei der WM hinterlassen haben. Australien zeigt schon in Brasilien noch das meiste ausgeschöpfte Potenzial, daran hat sich bis zu diesem Turnier nichts geändert. Von den Enttäuschten konnte weder Südkorea, noch Japan und der Iran einen wirklichen Turnaround vollziehen. Ein paar andere zeigen gute Ansätze, aber bei auf die VAE (deutlich) und China (ein wenig) wurde gegenüber 2011 sonst niemand besser.

Womit auch das Argument der arabischen Verbändie ins Leere läuft, die die Turniersieger Australien wieder aus dem asiatischen Verband werfen wollen – sie sind der Meinung, die Socceroos würden ihnen einen möglichen WM-Platz wegnehmen und nur ein zusätzlicher (und noch dazu) starker Konkurrent sein. Da es aber gerade die arabischen Teams waren, die bei diesem Turnier ganz besonders schlecht waren, ist wohl eher das Gegenteil wahr:

Im Moment bewahrt nur Australien die asiatischen Verband von der kompletten sportlichen Bedeutungslosigkeit.

(phe)

Asiencup komplett

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Österreich gegen die USA: Zweiter ÖFB-Anzug braucht noch Maßanfertigung https://ballverliebt.eu/2013/11/20/osterreich-gegen-die-usa-zweiter-ofb-anzug-braucht-noch-masanfertigung/ https://ballverliebt.eu/2013/11/20/osterreich-gegen-die-usa-zweiter-ofb-anzug-braucht-noch-masanfertigung/#respond Wed, 20 Nov 2013 14:23:17 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9857 Österreich gegen die USA: Zweiter ÖFB-Anzug braucht noch Maßanfertigung weiterlesen ]]> Aus Zeitmangel gibt es diesmal keine eigene Analyse auf Ballverliebt zum Länderspiel Österreich gegen die USA. Wir verweisen deshalb auf jene, die Tom für den Standard verfasst hat.

Vor allem aber war Österreich selbst im Konter einfach zu harmlos. Nur drei Mal kam man in der zweiten Hälfte zu einem nennenswerten Abschluss. Neben einem zu schwachen Schuss von Harnik aus guter Strafraumposition (77′), stehen allerdings nur ein Schuss aus Abseitsposition (Harnik, 48′) und ein gescheiterter Konter in in einer durch viele Wechsel zerfahrenen Phase der Partie (Ivanschitz, 93′) zu Buche. „Bei Ballgewinn hat die Bewegung nach vorne nicht so funktioniert. Man muss sich da aus vollem Lauf lösen. Wir haben etwas zu ungenau gespielt“, erklärte Koller auf Nachfrage das Problem.

Den ganzen Text auf derStandard.at lesen

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Die endgültige Abkehr von der Eigeninitiative: Umschaltspiel nun auch bei den Frauen „in“ https://ballverliebt.eu/2013/08/02/die-endgultige-abkehr-von-der-eigeninitiative-umschaltspiel-nun-auch-bei-den-frauen-in/ https://ballverliebt.eu/2013/08/02/die-endgultige-abkehr-von-der-eigeninitiative-umschaltspiel-nun-auch-bei-den-frauen-in/#comments Thu, 01 Aug 2013 23:48:31 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=9272 Die endgültige Abkehr von der Eigeninitiative: Umschaltspiel nun auch bei den Frauen „in“ weiterlesen ]]>

Es sah so aus, als wäre Norwegen dazu bestimmt, Schwedens EM-Erfahrungen bei diesem Turnier innerhalb eines Matches im Schnelldurchgang zu absolvieren. Zwei schwache Elfmeter in einem Spiel, beide pariert? Japp. Ein Stellungsfehler zum 0:1 gegen Deutschland? Das vermeintliche 1:1 erzielen, das wegen Abseits nicht zählt? Oh ja. Gegen Deutschland verlieren? Auch.

– Simon Bank, Aftonbladet, 29. Juli 2013

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„Vor der Raserei der Nordfrauen bewahre uns, gnädiger Herrgott!“ – Cover des Sportteils von Aftonbladet nach dem Viertelfinale

Einerseits hat die EM-Endrunde 2013 die Hierarchien im Frauenfußball aufgeweicht. Spanien etwa, eigentlich ein irrelevantes Land, bestätigte den bei diversen Junioren-Turnieren gezeigten Aufwärtstrend, kam in Viertelfinale. Ebenso wie Island, ein Team, das zuvor bei einer EM noch nie einen Punkt holen konnte. England, Finalist von 2009, und Holland, Halbfinalteilnehmer vor vier Jahren, krachten dafür schmählich in der Vorrunde raus.

Andererseits aber hat das Turnier die Hierarchien aber auch bestätigt. Deutschland holte mal wieder den Titel – zum sechsten Mal in Serie, zum achten Mal insgesamt -, mit Schweden und Norwegen waren zwei ganz klassische Frauenfußball-Nationen im Halbfinale, Dänemark stellt auch schon immer gute Teams.

Dass eben mit Schweden, Norwgen und Dänemark drei skandinavische Mannschaften im Halbfinale standen, verleitete Aftonbladet, die größte Zeitung Schwedens, dazu, auf dem Cover der Sportbeilage den Spielerinnen Ada Hegerberg (Norwegen), Lotta Schelin (Schweden) und Pernille Harder (Dänemar) Wikingerhelme aufzusetzen und in Anlehnung an das mitteleuropäische Gebet aus dem Mittelalter zu titeln: „Vor der Raserei der Nordfrauen bewahre uns, gnädiger Herrgott!“

…und Gott schickte die Deutschen

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Am Ende war aber dann doch alles wie immer: Wie schon 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005 und 2009 stemmte auch 2013 eine deutsche Kapitänin nach dem Endspiel den gläsernen EM-Pokal in die Luft. Das DFB-Team war sicher nicht die aufregendste Mannschaft des Turniers, wahrscheinlich auch nicht die beste, offenbarte vor allem in der Vorrunde teils massive taktische Unzulänglichkeiten. Aber als es drauf ankam, war Deutschland jenes Team, das die wenigsten entscheidenden Fehler machte.

Deutschland 4-4-1-1. Schwung kam erst ins Spiel, als Simone Laudehr in die Mannschaft rutschte.
Deutschland 4-4-1-1. Schwung kam erst ins Spiel, als Simone Laudehr in die Mannschaft rutschte.

Natürlich war Nadine Angerer die beste Torfrau des Turniers – mit viel Abstand. Natürlich hielt Annike Krahn mit ihrer Übersicht den Laden hinten zusammen. Und natürlich spielte Saskia Bartusiak im Halbfinale gegen Schweden die beste Partie ihres Lebens.

Letztlich war es aber doch ein anderer personeller Glücksgriff von Silvia Neid, der ihr das Turnier rettete. Nämlich jener, nach einer ziemlich erbärmlichen Vorrunde Simone Laudehr auf den linken Flügel zu stellen. Nun spielte zwar immer noch Lotzen auf der falschen Position, konnte Celia Okoyino da Mbabi ihr Tempo immer noch nicht ausspielen, musste Dzsenifer Marozsan immer noch viel zu hoch spilene in einem 4-4-1-1, das eigentlich ein astreines 4-4-2 ist und von deutschen Medien nur noch aus Gewohnheit fälschlicherweise immer noch als 4-2-3-1 angegeben wird. Aber Laudehr brachte Antrieb und Energie in ein lethargisches und kopfloses Team.

Ein abgefälschter Weitschuss nach einer Ecke im Viertelfinale gegen Italien. Ein Kullertor im Halbfinale gegen Schweden. Ein Konter im Finale gegen Norwegen. 1:o, 1:0, 1:0 – weil hinten keine entscheidenden Fehler gemacht wurde (letztlich waren ja auch die beiden geschenkten Elfer im Finale keine), reichte es zum Titel und die ganze (berechtigte!) Kritik an Silvia Neid ist vergessen.

Teamchefin mit Zugriff auf Vereins-Aufstellungen

Es erinnerte bei Schweden viel an die Herren-WM in Deutschland 2006: Ein mühsamer Auftakt, der Startschuss zur Mega-Euphorie im zweiten Spiel, und dann das Aus im Halbfinale. Nachdem das Trekronor-Team in den Monaten davor komplett auf links gedreht worden war. om schematischen Fußball mit Konzentration auf gute Defensive und ein dichtes Zentrum unter dem farblosen und etwas spröden Thomas Dennerby auf ein Spiel mit viel Tempo, hoher Abwehrlinie, Pressing und Flügelspiel. So wie es dem Naturell der vor Lebensfreude sprühenden Hobby-Rockmusikerin Sundhage entspricht.

Schweden: 4-4-2, extrem viel Eigeninitiative, hohe Linie, Konzentration auf das Flügelspiel
Schweden: 4-4-2, extrem viel Eigeninitiative, hohe Abwehrlinie, Konzentration auf das Flügelspiel

Die in ihrem Land so viel Rückhalt hatte, dass sie sogar den Vereinen diktieren konnte, wo sie ihre Spielerinnen im Liga-Betrieb aufzustellen hatten, damit sie im Nationalteam ins System passen. Nilla Fischer etwa, ein klassischer Sechser, sollte unter Sundhage Innenverteidigung spielen – Linköping-Trainer Sjögren gehorchte und stellte die Bald-Wolfsburgerin brav ins Abwehrzentrum.

Die Defensive funktionierte letztlich besser als erwartet (vor allem nach den wackeligen Eindrücken vom Algarve Cup), und es vielen gegen die bei Flanken überforderte finnische Mannschaft (5:0) und die vor Ehrfurcht erstarrenden Isländerinnen (4:0) jede Menge Tore. Aber ohne Flaws war auch Schweden nicht. Die Außenverteidiger-Positionen waren schwach besetzt (Thunebro körperlich zu langsam, Samuelsson gedanklich), auf dem linken Flügel war Göransson zu eigensinnig und Jakobsson zu wenig robust. Und Goalie Kristin Hammarström ist zwar gut auf der Linie, aber wehe, sie muss den Ball mit dem Fuß annehmen.

Sundhage hat Schweden inhaltlich zweifellos deutlich nach vorne gebracht, aber in Richtung WM in zwei Jahren gilt es noch einige Fragezeichen zu beheben. Etwa, wie es gelingt, massierte und gutklassige Abwehrreihen zu knacken. Da muss noch viel mehr von Kosse Asllani kommen. Denn dass man Schelin stoppen kann, wenn man Steilpässe in ihren Lauf verhindern kann, haben nun doch schon einige Trainer verstanden.

Frankreich, das Spanien des Frauen-Fußballs

Nun ist es dem französischen Verband also doch zu bunt geworden. Unnötige Selbstfaller und mangelnde Konsequenz in wichtigen Spielen kosteten Frankreich in den letzten vier Jahren (arguably) einen EM-Titel, ein WM-Finale und ein EM-Finale. Nach dem Turnier wurde Teamchef Bruno Bini nun also entlassen – weniger wegen taktischer Fehler (wiewohl es auch da einige kleinere Fragezeichen gab), sondern wegen konstantem Under-Achievements.

Dabei ist Frankreich so ein wenig, was Spanien lange bei den Herren war bzw. in Teilen noch ist. Die klar beste Klub-Mannschaft der letzten Jahre (Lyon, in den letzten vier Saisonen immer im CL-Finale), auf dem Papier der wohl beste Kader, aber man schafft es immer irgendwie, dennoch zu scheitern. Auch, weil es keinen wirklichen Plan B gibt – wie bei Spanien. Weil Plan A oft genug funktioniert. Aber wehe, wenn nicht.

Frankreich: 4-2-3-1 mit Abily auf rechts und Nécib im Zentrum. Womöglich die falsche Besetzung.
Frankreich: 4-2-3-1 mit Abily auf rechts und Nécib im Zentrum. Womöglich die falsche Besetzung.

So etwas wie die Brechstange gibt es bei Frankreich nicht. Auch, weil eine fehlt, die im Zentrum mal Kopfbälle holen könnte – allenfalls Wendie Renard, die als möglicher Plan B aus der Innenverteidigung nach vorne gehen könnte (es aber nicht tut). Dazu eine Louisa Nécib, die zwar eine tolle Technikerin ist, es ihr aber an der taktischen Disziplin fehlt.

Bini fehlte es vermutlich ein wenig an der Konsequenz, um wirklich die beste Mannschaft im besten System aufzustellen. Er wollte die umsichtige Bussaglia, die lange verletzt war, unbedingt in der Mannschaft haben. Er wollte Sandrine Soubeyrand, die Grand Dame des Teams, umbedingt drin haben. Womit er für Cammy Abily, bärenstark als Achter, eine neue Position brauchte – und diese rechts im Mittelfeld fand. Und er wollte aber auch nicht auf die Technik von Nécib verzichten.

Gegen Russland experimentierte Bini mit einem 4-3-3 mit Abily auf der Acht und Nécib als Rechtsaußen. Wenn er auf Nécib, die ihre Seite oft verwaist ließ, verzichtet hätte, wäre das wohl eine gute Option gewesen. Letztlich ging Bini aber wohl zu viele Kompromisse ein und die extrem flexible Mannschaft auf Dänemark packte in eine ihrer vielen Schubladen und kramte die Variante „Mauern“ aus.

So war für die am Papier beste Mannschaft es Turniers schon im Viertelfinale Feierabend. Auch, weil Nécib, die schon während des Spiels einen Elfer nur mit Mühe reinzitterte, im Shoot-Out randurfte und (natürlich) scheiterte.

Norwegische Glücksritter

Frankreich und sicher auch Schweden waren deutlich bessere Mannschaften als Norwegen. Dass es letztere aber ins Finale geschafft haben war mehr glücklichen Umständen zu verdanken als eindenen Verdiensten. Der Sieg gegen die da noch völlig indisponierten Deutschen in der Gruppe brachte dort den ersten Platz, dann profitierte man davon, dass sich der auf dem Papier logische Halbfinal-Gegner Frankreich schon im Viertelfinale praktisch selbst eliminierte. Dann besiegte man dann in der Vorschlussrunde Dänemark im Elfmeterschießen – und im Finale eröffneten zwei lächerliche Strafstöße sogar die Chance zum Turniersieg.

Norwegen: 4-3-3, wenig Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld lassen, wenig zulassen.
Norwegen: 4-3-3, wenig Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld gewähren, wenig zulassen.

Dabei war das 1:0 im zweiten Gruppenspiel gegen Holland der erste Sieg überhaupt, seit Even Pellerud, Weltmeister-Trainer von 1995, im Winter wieder das Zepter übernommen hatte. Auf meine Frage, ob er nach dem 1:1 zum Start gegen Island den Finaleinzug für möglich hielt, antwortete Co-Trainer Roger Finjorg, der Derwisch in der Coaching-Zone, unumwunden: „Nein, hätte ich nicht!“

Norwegen steigerte sich von Spiel zu Spiel, ließ hinten bis ins Finale sehr wenig zu (ein Elfer gegen Island, ein bedeutungsloses Tor in der Nachspielzeit gegen Spanien als es schon 3:0 stand und eins nach einem Eckball gegen Dänemark). Die tragenden Säulen der Mannschaft sind aber praktisch alle jenseits der 30 – die junge und fraglos talentierte Sturmreihe mit Hegerberg, Hansen und Hegland zeigte relativ wenig.

Damit, dem Gegner wenig Platz zwischen den Reihen zu gewähren, mit guter Physis und großer Erfahrung die Defizite im Tempo auszugleichen, ist Norwegen in diesem Turnier gut gefahren. Nachhaltig ist das mit dieser alten Mannschaft aber nicht – ein Generationswechsel ist zweifellos vonnöten. Obwohl Finjord sagt: „Bis zur WM in zwei Jahren soll auch von den Alten keine aufhören!“

Extrem flexibles Dänemark

Schade ist es schon, dass Kenneth Heiner-Møller dem Fußball (zumindest vorerst) den Rücken kehrt. denn der Teamchef der dänischen Mannschaft war ohne jeden Zweifel mit Abstand der flexibelste und interessanteste des Turniers. Er brachte in jedem Spiel eine zum Teil völlig andere taktische Einstellung ins Spiel und richtete sein Defensiv-Konzept voll und ganz am Gegner aus. Etwa mit tief abkippender Sechs und extrem hohen Außenverteidigerinnen gegen die flügelstarken Schwedinnen. Oder die volle Offensive gegen Finnland. Oder die beim Algarve Cup getestete strikte Defensive gegen Frankreich.

Dänemark: Flexibel zwischen 4-2-3-1 und 4-4-2, polyvalente Spielerinnen - aber vorne zu harmlos.
Dänemark: Flexibel zwischen 4-2-3-1 und 4-4-2, polyvalente Spielerinnen – aber vorne zu harmlos.

Und gegen Norwegen im Halbfinale stellte er zuweilen auf ein 3-3-4 um, als es galt, den 0:1-Rückstand aufzuholen. Was bei all den Überlegungen aber auch unverkennbar war: Pernille Harder konnte als Torjägerin überhaupt nicht glänzen. Dänemark war zwar hochinteressant, mit unerwarteten Varianten im Aufbau (etwa, dass Harder auf die Zehn geht, die LM in die Spitze und die LV hoch nach vorne).

Aber in der letztlich Konsequenz schlicht und einfach zu harmlos war. Wenn man einen Knipser hätte, wären am Ende der Vorrunde sieben Punkte zu Buche gestanden und nicht zwei, man hätte sich die unselige Auslosung gegen Russland erspart, wer noch als Gruppendritter weiterkommt, und es hätte gegen Norwegen nicht eines Glückstores gebraucht, um das 1:1 zu schießen und in die Verlängerung zu kommen.

Dennoch: Dänemark hat – obwohl kein einziges Spiel in 90 Minuten gewonnen wurde – inhaltlich überzeugt und hat damit mehr erreicht, als man vor dem Turnier erwarten konnte.

Überraschungs-Viertelfinalisten

Das gilt auch für Spanien und für Island. Spanien glänzte vor allem mit guter Technik (was vor allem gegen England offensichtlich wurde), hat mit Vero Boquete eine exzellente Stürmerin zur Verfügung und dazu jede Menge Talent in der Mittelfeld-Offensive.

Spanien: 4-2-3-1, starke Offensiv-Abteilung, aber absolut null Impulse von hinten heraus.
Spanien: 4-2-3-1, starke Offensiv-Abteilung, aber absolut null Impulse von hinten heraus.

Wo Jenni Hermoso als flexibles Mittelding aus Zehner und hängender Spitze viel Raum abdeckte, wo US-Legionärin Adriana Martín gute Spiele zeigte. Und wo U-19-Vize-Europameisterin Alexia Putellas mit ihrer Energie im Laufe des Turniers den Stammplatz von der routinierteren Sonia Bermudez bekommen hat.

Aber so groß das Talent vorne ist, so viel Nachholbedarf gibt es von hinten heraus. Weil die beiden Sechser Meseguer und Nago, aber auch die zuweilen statt Letzterer spielende Vilanova, nur Quer- und Rückpässe kommen, aber keinerlei Impulse nach vorne kommen. Auch die Innenverteidigung traut sich nicht, den ersten Pass zu spielen. Vor allem Irene Paredes, die mit ihrem eher patscherten Eigentor zum 0:2 im Viertelfinale gegen Norwegen das Aus besiegelte, drosch die Bälle nur blind nach vorne.

Das Viertelfinale hat man sich aber dennoch verdient, weil man klar besser war als England und Russland – nachdem vor dem Turnier ein Vorrunden-Aus programmiert schien.

Island: 4-4-2, in dem Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir ganz klar herausstechen.
Island: 4-4-2, in dem Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir ganz klar herausstechen.

Das war es auch Island. Das Team von der 300.000-Einwohner-Insel im Nordatlantik war beim Erstauftritt vor vier Jahren mit drei Niederlagen nach Hause geschickt worden und trat nun den Beweis an, dass auch mit nur zwei wirklich guten Spielerinnen (Viðarsdóttir und Gunnarsdóttir), einer soliden Torfrau und gutem Teamgeist in einer sonst ziemlich durchschnittlich besetzten Truppe reichen können, um ins Viertelfinale zu kommen.

Man erkämpfte sich ein 1:1 gegen Norwegen, war beim 0:3 gegen Deutschland komplett harmlos und wusste vor dem Spiel gegen Holland: Ein Sieg, und das Viertelfinale ist erreicht. So lauerte Island auf holländische Ballverluste, schaltete blitzschnell um, kam über die Flügel nach vorne und hatte so Chancen, auch deutlich höher als 1:0 zu führen. Nach der Pause wurde verwaltet und gemauert, es klappte. Dass es dann im Viertelfinale ein 0:4 gegen Schweden gab – geschenkt.

Was Island zeigte, war weder aufregend noch ausgeklügelt, aber es hat funktioniert. Klar ist aber auch: Das ist das absolute Plafond für Island.

Cabrini findet deutliche Worte

Italien, 4-3-3: Es ist alles auf Panico zugeschnitten. Das macht das Team ausrechenbar.
Italien, 4-3-3: Es ist alles auf Panico zugeschnitten. Das macht das Team ausrechenbar.

Der Plafond ist das Viertelfinale im Moment auch für Italien und mit dem anstehenden Karriereende der mittlerweile 38-jährige Patrizia Panico werden bald andere Verantwortung übernehmen müssen. Denn das ganze Spiel ist auf jene Frau zugeschnitten, die 1997 mit dem letzten italienischen Frauen-Team von Relevanz im EM-Finale gestanden war – zu einer Zeit, als es noch reichte zwei gute Stürmerinnen zu haben (neben Panico damals Carolina Morace). Das wurde im Viertelfinale gegen ein verwundbares deutsches Team deutlich. Dazu waren die Adjutanten des Altstars aus dem Spiel – Gabbiadini durch gute Gegenspieler, Camporese durch Verletzung.

„Italien hat als klassisches Fußball-Land das Potenzial, auch bei den Frauen eine tragende Rolle zu spielen“, nahm Cabrini nach dem 0:1 im Viertelfinale den Verband in die Pflicht, „dafür muss der Frauen-Fußball aber bei unseren Entscheidungsträgern mehr Raum einnehmen. Sonst sitzen wir in vier Jahren wieder nach dem Viertelfinale hier und sagen: ‚Brav gespielt, aber halt verloren‘.“

Mit Neboli, De Criscio und Salvai gibt es gute, jüngere Abwehr-Leute, Alice Parisi ist ganz okay auf der Achter-Position. Aber die bringen Italien nicht in die Diskussion um Finalplätze. Vor allem aber braucht es Alternativen zu Panico ganz vorne. Die sind nämlich nicht in Sicht.

Der Total-Kollaps von England

Die BBC übertrug dieses Turnier flächendeckend. Umso bitterer, dass die englische Mannschaft – gemessen an ihren Erwartungen – die mit Abstand größte Enttäuschung bei diesem Turnier war. „Für die K.o.-Runde kommen nochmal mehr Leute von uns“, erklärte mir ein BBC-Moderator schon nach dem 2:3 zum Auftakt gegen Spanien nicht ohne einen gewissen Fatalismus, „es ist also wie immer: Wir rücken mit aller Macht an, wenn England draußen ist!“

England, 4-irgendwas-1: Im Zentrum herrschte das pure Chaos, nach vorne gab's keinen Plan, hinten war man fehleranfälig.
England, 4-irgendwas-1: Im Zentrum herrschte das pure Chaos, nach vorne gab’s überhaupt keinen Plan, hinten war man fehleranfälig.

Und man muss sagen: Die Three Lionesses haben alles dafür getan, um den Aufenthalt in Schweden so kurz wie möglich zu gestalten. Weil mein keine adäquate eigene Torfrau hat, wurde die US-Amerikanerin Bardsley eingebürgert – die schon gegen Spanien ein Gegentor verschuldete und ein zweites gleich höchst selbst fabrizierte.

Vor allem aber die Mittelfeld-Zentrale versank im Chaos. Asante, Williams und Jill Scott spielten einfach irgendwie, ohne offensichtlichen Plan. Jede durfte mal hinten, mal vorne, mal halblinks und mal halbrechts. Dabei schienen sie sich selbst aber mehr zu verwirren als die Gegner, weil sich permanent Räume öffenete. Und vorne war man ohne die (mal wieder) angeschlagene Kelly Smith ein Ausbund an Harmlosigkeit.

Von Spanien wurde mal vor allem was die individuelle Technik angeht lächerlich gemacht, gegen die eher biederen Russinnen musste ein abgefälschtes Dusel-Tor in der Nachspielzeit herhalten, um zumindest das 1:1 zu retten und gegen Frankreichs B-Garnitur war man sowieso chancenlos. Als auch nach Punkten schlechtestes Team des Turniers müsste eigentlich auch die langjährige Teamchefin Hope Powell ihre Position hinterfragen. Wenn es schon die FA nicht tut.

Vor allem aber wird es notwendig sein, sich zu professionalisieren – selbst bei den englischen Top-Klubs wird oft nur zwei-, dreimal pro Woche trainiert. So wird der Rückstand natürlich nicht kleiner.

Holland: 4-2-3-1, hinten ganz okay, aber vorne gab es keine Ideen und auch unverständliche Wechsel
Holland: 4-2-3-1, hinten ganz okay, aber vorne gab es keine Ideen und auch unverständliche Wechsel

Größer ist der Rückstand eindeutig für Holland geworden, seit Vera Pouw nicht mehr Teamchefin ist. Unter ihr war man vor vier Jahren noch ins Halbfinale gekommen und zwang dort England in die Verlängerung, nun gelang unter Roger Reijers in drei Spielen kein einziges Tor.

Weil man hinten zwar gut stand (nur zwei Gegentreffer), aber nach vorne erschreckend ideenlos war und auch, weil Reijners einige seltsame Wechsel vollführte – wie etwa, gegen Norwegen nach dem Rückstand Konterstürmerin Versteegt zu bringen statt Strafraum-Spielerin De Ridder. Auch seine Maßnahme, mit Spitse und Slegers zwei Sechser spielen zu lassen, aber auf einen Achter zu verzichten (obwohl mit Dekker ein guter da gewesen wäre), muss man nicht verstehen.

Die Vermutung liegt Nahe, dass das Potenzial von Oranje irgendwo zwischen Halbfinale (2009) und Totalversagen (2013) liegt. Wo genau, wird auch daran liegen, wie sich die gemeinsame Liga mit Belgien etabliert. Holländische Journalisten sind sich jedenfalls sicher: „Belgien profitiert davon sicher deutlich mehr als wir…“

Noch ein wenig Österreich-Bezug

Der letzte Pflichtspiel-Gegner der ÖFB-Frauen war letzten Herbst im Play-Off Russland. Damals war die Spielanlage der Russinnen reaktiv und auf Konter ausgelegt. Das war nun auch bei der EM so. Was zeigt: Ein System alleine sagt noch nichts. Man kann aus einem 4-3-3 reaktiv spielen (wie Russland letzten Herbst) und aus einem 4-4-1-1 (wie Russland bei der EM auftrat) genauso.

Russland, 4-4-1-1: Ein Team, das sich deutlich wohler fühlt, wenn es das Spiel nicht selbst machen muss.
Russland, 4-4-1-1: Ein Team, das sich deutlich wohler fühlt, wenn es das Spiel nicht selbst machen muss.

Mit dieser Spielanlage hätte man fast gegen England gewonnen, hätte man nicht in der Nachspielzeit noch ein unglückliches Tor geschluckt. Im letzten Gruppenspiel gegen Spanien war Russland dann aber gezwungen, selbst etwas für das Spiel zu tun (weil Spanien mit dem Stand von 1:1 zufrieden war und auch bei einer Niederlage im Viertelfinale gewesen wäre), und da merkte man sehr wohl die Limitierungen der Mannschaft.

Man versuchte es über die Flügel, aber da sind nun mal eher Konterspieler auf dem Feld. Die kleine Nelli Korovkina auf der Position der hängenden Spitze ist eine unangenehme Presserin, aber nicht torgefährlich. Alles in allem eine eher biedere Mannschaft, die dann auch noch das Pech hatte, dass sie gegen Spanien um einen klaren Elfmeter geprellt wurde und dann auch noch den Los-Entscheid um das Viertelfinale gegen Dänemark verlor.

Dennoch wurde man den Eindruck bei der EM nicht los, dass Russland gut genug und clever genug ist, in der Quali nichts anbrennen zu lassen und sich die Teilnahme an so einem Turnier durch diese Attribute zu sichern (wie gegen Österreich), aber für den nächsten Schritt – das tatsächliche Mitmischen – nicht die nötige Qualität da ist.

Finnland, 4-4-1-1: Das Zentrum ist phantasiebefreite Zone, die Abwehr ist bei Flanken verwundbar.
Finnland, 4-4-1-1: Phantasiebefreite Zemtrale und die Abwehr ist bei Flanken verwundbar.

Die nötige Qualität ließ mit Finnland der Hauptgegner des ÖFB-Teams um Gruppenplatz zwei in der im September startenden WM-Quali für Kanada 2015 vor allem in zwei Bereichen vermissen: Bei der Kreativität im Mittelfeld (die ist nicht vorhanden) und beim Verteidigien von Flanken (ein Desaster).

Der Schwung der Heim-EM 2009 (wo man sogar als Gruppensieger ins Viertelfinale kam) ist verflogen, da konnte auch Andrée Jeglertz, ein erfahrener und erfolgreicher Frauenfußball-Trainer nicht viel retten. Aus dem Mittelfeld-Zentrum kommen überhaupt keine Ideen, das ist eine phantasiebefreite Zone. Und, das wurde vor allem bei der 0:5-Abfuhr gegen Schweden deutlich: Die Außenverteidiger können Flanken nicht verhindern und die Innenverteidiger können sie nicht verteidigen.

Hier hat Österreich durchaus eine Chance, weil man rein vom Talent her garantiert nicht hinter Finnland einzureihen ist. Von der Erfahrung in wichtigen Spielen aber sehr wohl.

Fazit: Niemand ohne Flaws – und die Spielanlagen haben sich komplett gedreht

Vom Zuschauer-Zuspruch (8.600 pro Spiel, 41.000 beim Finale) war das Turnier die beste Frauen-EM überhaupt, und das gilt auch für das gezeigte Niveau – wiewohl natürlich klar ist, dass es noch ziemlich Luft nach oben gibt. Es ist keine Mannschaft dabei gewesen, der man aktuell zutrauen könnte, die USA in einem Ernstkampf zu besiegen.

Alle Teams zeigten Flaws. Alle, die ihre Ziele nicht erreicht haben, müssen sich an der eigenen Nase nehmen. Bis auf Island kann keine Mannschaft mit den gezeigten Leistungen wirklich zufrieden sein, nicht einmal Deutschland. Oder: Gerade Deutschland nicht. Es war ein erkämpfter Titel, kein glanzvoller. Zustandegekommen auch deswegen, weil sich mit Frankreich und Schweden die zwei Haupt-Konkurrenten mehr oder weniger selbst besiegten. Anders gesagt: Obwohl das generelle Niveau hoch wie nie bei einer EM war, wurde Deutschland vor allem deshalb Europameister, weil es alle anderen verdaddelt haben.

Frankreich durch Ratlosigkeit und schwache Elfer gegen Dänemark. Schweden mit horrend schlechter Chancen-Verwertung gegen Deutschland. Norwegen durch zwei verschossene Strafstöße im Finale.

Augenscheinlich wurde, dass (bis auf Dänemark) kein Team einen echten Plan hatte, wie man mit Rückständen umgehen solle. Dänemark hatte einen solchen zwar, aber dafür fehlten die torgefährlichen Spielerinnen. Nur wenige Teams nahmen wirklich das Heft des Handelns konsequent selbst in die Hand (Schweden, Frankreich, bis zu einem gewissen Grad auch Dänemark und Spanien). Das heißt: War es früher so, dass die guten Mannschaften vor allem von guten Stürmerinnen lebten (wie Hamm bei USA, Marta bei Brasilien, Prinz bei Deutschland, auch Morace/Panico bei Italien, Svensson/Ljungberg bei Schweden) oder Mittelfeld-Gestalterinnen (wie Moström bei Schweden, Neid bei Deutschland, Riise bei Norwegen), so ist diese EM der endgültige Pflock im Boden, der die Umkehr der Spielanlagen markiert.

Die überwiegende Mehrheit der Teams spielt nun aus einer gesicherten Defensive heraus ein Umschalt- und Konterspiel oder, wie etwa Deutschland, ein Pressing- und Umschaltspiel. In jedem Fall aber darauf ausgelegt, in den Umschaltphasen die Unordnung beim Gegner zu nützen, anstatt durch eigenes Kreativspiel zum Torerfolg zu kommen.

Womit auch der Frauen-Fußball von einem modernen Trend des Herren-Fußballs erfasst wurde.

(phe)

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Ist Ostösterreich im Fußball überrepräsentiert? https://ballverliebt.eu/2013/06/14/ist-ostosterreich-im-fusball-uberreprasentiert/ https://ballverliebt.eu/2013/06/14/ist-ostosterreich-im-fusball-uberreprasentiert/#comments Fri, 14 Jun 2013 13:46:13 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=8859 Ist Ostösterreich im Fußball überrepräsentiert? weiterlesen ]]> Nachdem wir in unserer Facebook-Gruppe kürzlich eine Karte der Bundesligamannschaften veröffentlicht haben, kam eine für allem für Westösterreicher stets verlockende Reaktion. Die Bundesliga sei ostlastig, hieß es. Wir überprüfen.

Die Ostbehauptung
Die Ostbehauptung

Natürlich hängt der Begriff „Osten“ ein bisschen damit zusammen, wo man gerade steht. Für Bregenzer könnte Innsbruck schon als Wilder Osten gelten. Kulturell und statistisch ist mit Ostösterreich im Allgemeinen aber die Region Niederösterreich-Wien-Burgenland gemeint. Westösterreich setzt sich aus Vorarlberg, Tirol Salzburg und zumindest Teilen von Oberösterreich zusammen, Südösterreich besteht aus Kärnten und der Steiermark.

Bundesliga-Orte 2013/14
Bundesliga-Orte 2013/14

Erste-Liga-Orte 2013/14
Erste-Liga-Orte 2013/14

Nimmt man diese Regionen zum Maßstab, so stellen in der kommenden Saison Ostösterreich 4, Südösterreich 2 und Westösterreich 4 Bundesligaklubs. In der zweiten Liga hat Ostösterreich 5, Südösterreich 2 und Westösterreich 3 Vereine am Start. Von den 20 Teams im österreichischen Profifußball sind also tatsächlich 9 aus dem Osten, 4 aus dem Süden und 7 aus dem Westen.

Ist also der Osten zu stark und wird der Süden ignoriert? Nein, denn diese Aufteilung entspricht auch ungefähr der Bevölkerungsaufteilung in Österreich. Ostösterreich beherbergt 43 Prozent der Einwohner dieses Landes, Westösterreich kommt auf 36 Prozent, Südösterreich lediglich auf 21 Prozent. Die Unterschiede ist also weder auf die 10 Bundesliga noch die 20 Profivereine bezogen statistisch relevant.

Wie sieht es gemäß der fußballerischen Verbands-Gliederung in Ost-Mitte-West über die Regionalligen aus? Hier wandert Oberösterreich aus dem West in die Mitte. Im Profifußball stammen demnach 9 Vereine aus der Ost-Liga, 5 aus der Mitte und 6 aus dem Westen. Wie wirkt sich das auf die Repräsentation der Bevölkerung auf der Profifußball aus? Die Regionalliga Ost steht unverändert für 43 Prozent der Bevölkerung und 45 Prozent der Vereine. Der Westen fällt auf 19 Prozent der Bevölkerung, stellt aber 30 Prozent der Vereine. Und in der Mitte befinden sich zwar nunmehr 38 Prozent der Menschen, aber nur mehr 25 Prozent der Vereine.

Der „Westen“ ist im im Profifußball eher über- als unterrepräsentiert. Auch wenn mans nach einem eigenwilligen West-Definition untersucht und nur Tirol und Vorarlberg als „Westösterreich“ definieren würde, ändert sich die Diagnose nicht: Mit 15 Prozent der Profi-Vereine und 13 Prozent der Bevölkerung ist auch dieses „Westösterreich“ adäquat repräsentiert.

Freilich sind an den kleineren Ungleichheiten zwischen den Regionalliga-Zugehörigkeiten keine strukturellen Ungerechtigkeiten schuld. Ganz konkrete sportliche, finanzielle oder organnisatorische Probleme beim LASK, GAK und BW Linz haben je nach Einteilung den Süden oder die Mitte zurückgeworfen (während der Westen mit dem FC Lustenau-Rückzug sich auch noch selbst geschwächt hat). Auch dass Innsbruck in der Bundesliga als einziger Verein aus Vorarlberg und Tirol dasteht (was rein optisch auf Landkarten eine West-Armut vorspiegelt), hat er dem erbärmlichen Frühjahr der Austria Lustenau und damit sich selbst zu verdanken.

Der in Österreich gerne als Wasserkopf verschmähte Osten, ist hingegen in keiner Statistik überrepräsentiert, sondern bringt sich derzeit und auf absehabre Zeit gemäß seiner Bevölkerungsstärke in den Profifußball ein.

Und als Ausblick? Diverse immer mögliche Pleiten in der kaputten zweiten Liga außen vor gelassen, ist keine Schwächung des Westens zu zu erwarten. Mit dem LASK und Austria Salzburg als vielversprechende Aufstiegsaspiranten in RL Mitte und West könnte er im Profifußball eher gestärkt werden, während in der Ostliga (muss gegen West relegieren) kein offensichtlicher Aufsteiger auszumachen ist. Wer aus der Ersten Liga absteigt ist naturgemäß schwer abzuschätzen, aber die Kandidaten Hartberg und Horn werden eher Süden und Osten schwächen, als den Westen. (tsc)

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Jiracek macht den Unterschied – Polen verpasst den Aufstieg https://ballverliebt.eu/2012/06/17/jiracek-macht-den-unterschied-polen-verpasst-den-aufstieg/ https://ballverliebt.eu/2012/06/17/jiracek-macht-den-unterschied-polen-verpasst-den-aufstieg/#respond Sat, 16 Jun 2012 22:49:10 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7526 Jiracek macht den Unterschied – Polen verpasst den Aufstieg weiterlesen ]]> Turnier-Fehlstarter Tschechien holte sich im Duell mit Co-Gastgeber Polen heute den Gruppensieg. Nach 72 Minuten war es Flankenflitzer Jiracek, der in einem mittelklassigen Spiel dem dominanteren Team zum Sieg verhalf. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Hop-oder-Drop-Ausgangssituation ließen beide Teams das letzte Risiko vermissen.

Tschechien -- Polen 1:0 (0:0)

Es ist nicht so, dass man den Tschechen oder den Polen Feigheit vorwerfen müsste. Ein Offensivspektakel sieht jedoch anders aus, und auch diese Anmerkung muss letztlich im Lichte der dem starken Regen geschuldeten Platzverhältnisse gesehen werden. Letztlich wirkte sich die Tatsache, dass Sieg und Niederlage heute mit Aufstieg oder Ausscheiden gleichbedeutend waren, aber doch lange auf das Geschehen am Rasen aus.

Kein Weg führt durchs Zentrum

Tschechen-Coach Michal Blek schickte ein 4-2-3-1 auf den Rasen, dessen Ausrichtung in der Defensive das Zustellen der Mitte war, während Angriffe in der Regel über die Seiten gefahren wurden.Ähnlich legte es auch Franciszek Smuda an, wenngleich sein Team über weiter Strecken als 4-1-4-1 mit Dudka als Vorstopper vor der Abwehr bzw. Antreiber im hinteren Zentrum agierte. Offensiv baute das Team auf die Dortmund-Achse Blaszczykowski-Lewandowski, was eine deutliche Rechtslastigkeit des Angriffspiels zur Folge hatte. Dort funktionierte das Zusammenspiel mit Obraniak und Murawski in der Regel auch harmonischer.

Im Zentrum neutralisierten sich beide Mannschaften über 70 Minuten. Ging der Ball doch einmal über die Mitte, wurde es dort sehr schnell so eng, dass die agierende Mannschaft entweder den Weg zurück bzw. auf die Seite antreten musste, oder den Ballbesitz durch einen ungenauen Pass oder im Zweikampf verlor. Hier standen beide Teams vor dem eigenen Sechzehner dicht, diszipliniert und verschoben ihre Reihen konsequent mit. Die Innenverteidiger beider Teams rückten nach vorne nicht besonders weit und oft erst mit Verzögerung nach.

Vertrauen in die Flügel

Auf den Flügeln war es individuelle Klassen, die den Unterschied darüber machte, ob einem der Teams ein Ball in den Strafraum glückte. Konkret hieß auf Seiten der Tschechen die treibende Kraft Jiracek, der gut mit Gebe Selassie zusammenarbeite und vorn Support von Kolar bekam. Bei den Polen ließ der bereits erwähnte Blaszczykowski seine Gegner im Zusammenspiel mit Obraniak verzweifeln. Sein Hintermann, Pisczek, spielte nach vorne deutlich verhaltener als sein Pendant bei den Tschechen. Die Feldbreite wurde von beiden Teams nicht übermäßig effizient genutzt.

Insgesamt wirkten die Tschechen frischer und besser abgestimmt, spielten weniger fehlerbehaftet und waren bereits in der an gefährlichen Chancen armen ersten Halbzeit feldüberlegen Für beide Mannschaften ergaben sich gefährliche Situationen aber oft nur aus hoch gespielten Standards und dem folgenden Getümmel im Strafraum. Vereinzelte Konter brachten aufgrund der stets auf Backup bedachten Matchpläne so gut wie keine Überzahlsituationen und endeten selten mit nennenswerter Gefahr. Angesichts dessen verwundert es wenig, dass ein Weitschuss von Boenisch auf das Tor vot.t, zumal auch das Spiel in die Breite bei den Polen eher mangelhaft.

Jiracek belohnt sich im Konter

In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild der Partie. Der Wandel war kein drastischer, jedoch erhöhten beide Truppen ihre Risikobereitschaft angesichts der verstreichenden Zeit und des Spielstands in der Parallelpartie, der bei einem 0:0 in Breslau sowohl die Griechen als auch die Russen in die KO-Runde geschickt hätte. Das punktuelle Pressing wurde verstärkt, die Abwehr- und Mittelfeldreihen rückten früher auf.

Es waren die Tschechen, die letztlich von dieser Veränderung profitieren sollten, obwohl Polen zuerst mit einer personellen Änderung aufwartete. Der für den brav ackernden, aber letztlich kaum auffallenden und immer unsichtbar werdenden Polanski schickte Smuda Grosicki auf das Grüne, der nach einer kurzen Schwungphase aber ebenfalls gesichtslos bleiben sollte. Nach einer Stunde war anhand  des steigenden Drucks der Tschechen und einer wachsenden Fehlerquote beim Gastgeber langsam zu merken, an welchem Team die verstreichende Zeit größere Spuren hinterließ. Polen trug seine Angriffe zwar beherzt vor, scheiterte aber nicht selten schon deutlich vor der Strafraumgrenze in seinen Bemühungen.

So auch beim entscheidenden und einzigen Gegentor in der 72. Minute, als Unglücksrabe Wasilewski im vorderen Mittelfeld einen Kurzpass in den Lauf von Milan Baros setzte, der davonzog und schließlich Jiracek bediente, dem ein Haken ausreichte, um seinen Gegenspieler am nassen Rasen zu versetzen und den Ball mit einem Flachschuss einzunetzen. Der gerechte Lohn für das Arbeitstier am rechten Flügel und das überlegene Team.

Gastgeber bemüht, aber harmlos

Smuda reagierte mit einem Doppeltausch, jedoch konnten auch Brozek und Miercejewski das Ruder nicht mehr herumreissen. Die Tschechen gingen es nun gelassener an und strahlten selbst dabei noch mehr Gefahr aus, als die immer überstürzend spielenderen Polen. Im Verlauf der letzten zehn Minuten ersetzte Blek nicht nur den Torschützen, sondern auch sein Gegenüber auf der linken Seite, Pilar, mit frischen Kräften in Form von Rajtorac und Rezek. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit war dann auch für Baros der Arbeitstag vorbei.

Mehr durch Zufall als durch spielerisches Geschick hatte „Kuba“ in der letzten der vier Minuten Nachspielzeit dann doch noch den Ausgleich am Fuß. Gerettet hätte es die Russen, die nach einem beeindruckenden 4:1-Start gegen die Tschechen, deren Viertelfinalauftritt nun zur allgemeinen Überraschung daheim im TV verfolgen müssen. Genauso wie die Polen, die dafür zumindest kein Flugticket benötigen.

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Sturm ist Meister, Zeit für Zahlen https://ballverliebt.eu/2011/05/26/sturm-ist-meister-zeit-fur-zahlen/ https://ballverliebt.eu/2011/05/26/sturm-ist-meister-zeit-fur-zahlen/#comments Thu, 26 May 2011 04:03:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=4818 Sturm ist Meister, Zeit für Zahlen weiterlesen ]]> Die Schlacht ist geschlagen. Nach 36 Runden und einem teils sehr dramatischen Finish stemmte Sturm Graz den Meisterteller gen Himmel. Tränen hingegen flossen in Wien. Einerseits weil Rapid vorzeitig die Europacup-Quali verfehlte, andererseits weil die Austria zum hundertjährigen Jubiläum den Meistertitel und Platz zwei verspielte. In Salzburg durfte man aufatmen: Eine über viele Strecken verkorkste Saison fand mit dem Vizemeistertitel immerhin einen versöhnlichen Abschluss. Wir widmen uns den zwei Hauptfragen: Was war mit Österreichs „Großen Vier“ los? Und warum wurde Sturm eigentlich Meister?

Jaja. Sturm ist Meister, weil sie am Ende der Saison am meisten Punkte am Konto hatten. Das wäre natürlich die einfache Antwort, die sich jeder beim Blick auf die Tabelle selbst geben kann. Doch so einfach machen wir uns das freilich nicht. Immerhin war der Verein vor einem halben Jahrzehnt noch Bankrott und hat im Vergleich mit Rapid, der Austria und Krösus Red Bull auch weniger Budget. Überhaupt, im Vergleich mit der Truppe, die sich unter Ivica Osim in den Jahren 1998 und 1999 den Titel sicherte, ist heute eine ziemliche Noname-Truppe am Werk, der die wirklich großen Stars fehlen. Doch genug tiefgestapelt. Zeit für Statistiken und Diagramme.

Punkteschnitt-Entwicklung

Mysteriöse Wandlungen der Winterzeit

Fakt ist: Nach 19 Runden, am Ende der Herbstsaison, war die SV Ried (37 Zähler) an der Tabellenspitze. Sturm, Salzburg (je 33),  die Austria (32) und Rapid (30) trennten nur drei Punkte. Es läßt sich also folgern: Die „Großen Vier“ waren in etwa gleich gut unterwegs. Am Ende der Meisterschaft lagen zwischen Sturm, Salzburg und der Austria nur 5 Punkte. Das spricht für die Ausgeglichenheit des heurigen Ligabewerbs, insbesondere für das Kopf-an-Kopf-Rennen dieser drei Mannschaften. Sie beendeten das Ligajahr 2010/11 in der gleichen Reihenfolge. Auffällig soweit nur: Der Absturz von Ried (letztlich 8 Punkte Rückstand auf Sturm) und Rapid (-13) im Frühjahr.

Tabellen-Entwicklung

Was uns diese Zahlen aber nicht preisgeben ist die seltsame Umkehr der Heim- und Auswärtsbilanzen nach der Jahreswende. Besonders deutlich sichtbar bei Rapid und Salzburg. Beide begannen die Saison sehr heimstark – die Bullen führten zu Jahresende die Heimtabelle sogar mit 21 Punkten aus 10 Spielen an. Rapid schaffte nur einen Zähler weniger. Nach den letzten 8 Heimspielen hatte sich das deutlich verändert: Mit 3 Siegen, 3 Remis und 2 Niederlagen bilanzierte Red Bull in Wals-Siezenheim nur noch schwach positiv. Rapids Bilanz rutschte von einer nachweislichen Heimstärke in durchschnittliche Ausgeglichenheit. Salzburg jedoch vermochte die Minderleistung vor eigenem Publikum aber wett zu machen, und legte in der Auswärtsbilanz kräftig zu. Machte man im Herbst 1,33 Punkte pro Spiel in der Fremde, so waren es in den letzten 17 Runden jeweils stolze 2 Zähler.

Und Sturm? Die Blackies starteten und beendeten die Saison als zweitbestes Auswärtsteam und schoben sich 2011 vom fünften auf den ersten Rang der Heimtabelle vor. Insgesamt verbesserten  salle „Großen“ ihren Punkteschnitt im Frühjahr. Nur bei Rapid ging es relativ deutlich bergab – von 1,58 auf 1,35, da half auch der kurze „Zoki-Effekt“ nur wenig.

Die "Big 4"-Tabelle

Der Meister ließ die „Big Points“ liegen

Was sind in diesem Falle die „Big Points“? Normalerweise wird dieser Begriff verwendet, wenn (nah beinander liegende) Tabellennachbarn gegeneinander antreten. Gemessen an den Endtabellen der letzten paar Jahren waren stets Rapid, die Austria, Sturm und Salzburg – also eben die schon benannten „Großen Vier“ meist im direkten Wettstreit um die Europa-Tickets. Auch heuer lagen diese Teams (Ausnahme: Rapid im letzten Drittel) immer knapp beinander. Es bietet sich also durchaus an, die 24 Spiele, die diese Teams untereinander bestritten, gesondert zu betrachten.

Sofort fällt ins Auge: Sturm Graz hat die Meisterschaft nicht in Hütteldorf, Favoriten oder Wals-Siezenheim entschieden. Im Gegenteil: Im direkten Vergleich stinken die Blackies sogar ziemlich ab. Nur zwei Mal reichte es überhaupt zu einem Sieg (je ein Auswärtserfolg bei beiden Wiener Klubs). Mit 4 Remis und insgesamt 10 von 36 möglichen Punkten fällt ausgerechnet diese Bilanz ziemlich mager aus. Die fetteste Ausbeute machte die Truppe von Neo-Coach Ricardo Moniz, für die es mit 6 Siegen, 5 Unentschieden und nur einer Niederlage zu 21 Punkten gereichte. Die hohe Quote an Punkteteilungen verhinderte aber, dass sich ein Team sehr deutlich nach oben absetzte und Sturm für seine Patzer bestraft wurde. 9 Mal gab es ein X, damit gab es in jedem zweiten bis dritten Spiel keinen Sieger. Kurios: Alle 4 Teams holten sich das Gros ihrer „Big Points“ auswärts – Sturm und die Austria glückte dabei kein einziger Heimerfolg.

Die Punkte-Aufteilung

Kleinvieh macht viel, viel Mist

Mattersburg, Kapfenberg und Co. – die „Provinzklubs“ waren also die wichtigsten Punktelieferante für Sturm Graz. Einfach gerechnet: 56 von 66 Zählern holte man sich nicht aus Wien oder Salzburg. Dort gab es im Schnitt nur einen Punkt pro Spiel für die Grazer. Ging es gegen die „Kleinen“, so fuhr man im Schnitt 2,33 (!) Zähler nach 90 Spielminuten ein. Ein überlegener Wert. So gesehen profitierte nur Salzburg klar von den Erfolgen in den direkten Duellen, denn am Ende – durch den 4:2-Auswärtssieg bei den Veilchen – machten sie den kleinen Unterschied zwischen Rang zwei und drei. Besonders oft stolperte der SK Rapid über die vermeintlich leichteren Gegner. Die Hütteldorfer fuhren je Match in dieser Statistik nur unterdurchschnittliche 1,46 Zähler ein. Da waren die soliden Leistungen gegen Red Bull und Co. am Ende deutlich zu wenig.

Die Fieberkurve

Beständigkeit heißt: Oben bleiben

Wer Sturm heuer öfter spielen gesehen hat, wird bezeugen können, dass die spielerische Leistung am grünen Rasen teilweise alles andere als konstant gut war – rein subjektiv gesehen, versteht sich. Doch auch ein Sieg mit Hängen und Würgen ist eben ein Sieg, und so manifestierte sich der Erfolg trotz allen Makels früh in der Tabelle. Und ist damit ein mehr als eindeutiger Beweis, dass Sturm auch entgegen seiner Big-4-Bilanz der würdige Titelträger ist.

Man werfe einen Blick auf die Fieberkurve: Seit Runde 7, sprich: die letzten 29 Spieltage, befinden sich die Blackies in den Top 3. Kein anderes Team hielt sich dort derart kontinuierlich. Ähnliches brachten heuer nur die Klubs am Tabellenende fertig. Über den genau gleichen Zeitraum hat sich etwa am Tabellenplatz von Kapfenberg nichts verändert. Die Gregoritsch-Truppe hat sich seit dem 11. September 2010 auf Rang 7 einzementiert. Nicht einmal Mattersburg und der LASK : Diese  beiden Klubs liegen seit dem 12. Spieltag, dem 23. Oktober des Vorjahres, an 9. bzw. letzter Stelle.

Sturms Fieberkurve ab Rd 7

Red Bull war im Herbstdurchgang ein seltener Gast auf den Europacuprängen, rückte am Ende aber immer mehr auf. Rapid belegte überhaupt nur in der 30. Runde für eine Woche einen internationalen Startplatz, womit man sich die Abwesenheit aus der Europa League durchaus verdient hat.

Ried gegen die Big 4

Exkurs: Aber was ist mit Ried?

War da nicht gleich ein völlig unerwarteter Herbstmeister? Mit 37 Punkten zur Winterpause und seinem System aus Dreierketten hatten Paul Gludovatz‘ Wikinger aus Oberösterreich die Tabelle ziemlich aufgemischt. Manch Verwegener spekulierte zu diesem Zeitpunkt schon damit, dass der Meisterteller am Ende gar ins Innviertel gelangen könnte. Am Ende jedoch beendeten die Rieder die Saison auf Rang 4, was immer noch ein passables Ergebnis darstellt. Mit der Europa-Quali über die Meisterschaft wurde es aber nichts mehr, es wartet aber noch das Cupfinale als internationales Sprungbrett. Aber was war passiert?

Ein Blick auf die Heim- und Auswärtstabellen belegt: Ried wurde nach der Jahreswende kontinuierlich schwächer, obwohl man in den letzten 17 Runden kein einziges Mal zu Hause verlor. Dafür schaffte man auswärts auch nur  einen einzigen Sieg, ein 2:0 bei Wiener Neustadt. Der Punkteschnitt insgesamt sank von 1,95 Zählern pro Spiel auf 1,24, womit man in der Frühjahrstabelle auf Rang 7 zurückfiel.

Die „Big 4“ taten sich allesamt eher schwer mit den Riedern. Niemand schaffte mehr als 2 Siege gegen die Gludo-Elf, die Austria gar nur einen. Red Bull konnte in 4 Partien immerhin 8 Punkte einfahren und stieg damit gegen die Innviertler am besten aus. Die Meisterschaft entschied sich aber nicht auf diesem Wege, lediglich die Austria hat Grund hier dem einen oder anderen Punkt nachzutrauern. Die Veilchen haben als einziges Team der „Großen 4“ eine negative Bilanz gegen Ried. Die Oberösterreicher vollbrachten gegen die Großklubs wiederum auch keine Wunder. 5 Siege, 4 Remis und 7 Niederlagen sowie ein Punkteschnitt von 1,19 weisen Lexa & Co. nicht gerade als Favoritenkiller aus.

Fazit: Pflicht vor Kür, „braves“ Sturm ist verdienter Meister

Gegen die „Kleinen“ hui, gegen die „Großen“ pfui. Dazu eine eher mittelmäßige Heimbilanz vor der Winterpause. Die Blackies holten sich die Punkte dort, wo sie es von der Papierform her auch mussten. Und weil das mehr als „gut“ gelang, blieben die zahlreichen Ausrutscher gegen die Großklubs letztlich ohne Folgen. Dazu war die Steigerung im Frühjahr generell beachtlich, ebenso wie die Serie zu Saisonende. Sturm musste in den letzten 7 Partien keine Niederlage mehr einstecken. Auch das ist Beständigkeit.

Die Schlußtabelle

Besonders bitter war das für die Austria, die sich im Jubiläumsjahr mit dem dritten Platz anfreunden muss. Der Weg zum Titel schien geebnet, bis man im Endspurt in eine Desaster-Serie rutschte. Eine Chance, die sich Sturm nicht nehmen ließ. Am frühesten aus dem Rennen ging der Stadtrivale Rapid. Dort wollte es das ganze Jahr über nicht richtig laufen. Die Turbulenzen um Pacult und seinen Abgang nach Leipzig taten ihr Übriges, Zoran Barisic vermochte das Ruder nicht mehr herum zu reißen. Schöttel wird es richten müssen.

Bleibt noch Salzburg: Auch dort sah man einen Trainer gehen. Der Abgang des mürrischen Stevens scheint sich aber positiv auf die Stimmung in der Mozartstadt ausgewirkt zu haben. Die Bullen mutierten von einer heimstarken Truppe zu einem gefürchteten Auswärtsteam. Dass ein Erfolg im Horr-Stadion am Ende Rang zwei rettete, darf da fast schon als symptomatisch durchgehen. Mutig jedenfalls die Entscheidung, den Philosophiewechsel jetzt zu vollziehen und – wohl diesem Folge leistend – den unerfahrenen Ricardo Moniz als Cheftrainer zu behalten. Für ihn wird das kommende Jahr nach der erfolgten Kaderausmistung eine Feuerprobe werden. Und wie immer gilt: In wenigen Wochen geht es wieder los, die Karten werden neu gemischt. (gp)

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Salzburg-Villarreal: Alles Schwegler/Tchoyi, oder was? https://ballverliebt.eu/2009/10/02/salzburg-villarreal-alles-schweglertchoyi-oder-was/ https://ballverliebt.eu/2009/10/02/salzburg-villarreal-alles-schweglertchoyi-oder-was/#comments Fri, 02 Oct 2009 12:40:48 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1523 Salzburg-Villarreal: Alles Schwegler/Tchoyi, oder was? weiterlesen ]]>
sbg-vil
Pass-Analyse von Salzburg gegen Villarreal (2:0)

Wie vor zwei Wochen beim Spiel von Rapid beim 3:0 gegen Hamburg verlegten sich auch die Salzburger (siehe unser Gewinnspiel mit signierten RBS-Trikots) gegen eine objektiv deutlich bessere Mannschaft vor heimischem Publikum auf die Konter. Und auch diesmal ging das Konzept des grundsätzlich defensiv eingestellten Gastgebers voll auf: Die Bullen gewannen doch etwas überraschend 2:0 gegen die international sehr routinierte Truppe aus Spanien.

Die defensive Grundhaltung ist aber nicht die einzige Parallele zu Rapid. Nein, mit Somen Tchoyi verfügen auch die Salzburger über eine sehr zentrale Figur. Der Kameruner zieht die Bälle an wie ein Magnet  – praktisch die komplette Mannschaft versuchte immer, Tchoyi ins Spiel zu bringen. Das ging vor allem auch deshalb, weil er (wie Hofmann bei Rapid üblicherweise) seine nominelle rechte Seite sehr oft verlässt und im Grunde einen Freigeist spielt, der beinahe die ganze Platzbreite für sich ausnützt. Doch im Unterschied zu Rapid, wenn Hofmann auf rechts spielt und nicht, wie zuletzt öfter, in der Zentrale, geht das bei Salzburg gut – weil Schwegler im Gegensatz zu Andi Dober die beiden Positionen gleichzeitig spielen kann.

Stichwort Schwegler. Der Schweizer ist der Boss auf der rechten Seite. Er beackert die komplette Flanke, geht sehr oft auch weit in die gegnerische Hälfte mit, ohne jedoch dabei seine Defensivaufgaben zu vernachlässigen – die eigentlich dominante rechte Seite von Villarreal (Capdevila-Cazorla, an sich ein Weltklasse-Duo), spielte überhaupt keine Rolle. Der 25-Jährige ist ein Rechtsverdeitiger von hochmodernem Zuschnitt, der schon jetzt wertvoller für die Mannschaft ist, als es sein Vorgänger Laszlo Bodnár jemals war.

Daher kommt es auch nicht von umsonst, dass die rechte Seite eindeutig die Hauptlast des Salzburger Offensiv- bzw. Konterspiels trägt. Was auch daran liegt, dass mit Leitgeb jemand im rechten Halbfeld spielt, der gut ins Spiel eingebuden wird. Anders die linke Seite: Ulmer und Svento agierten weitgehend isoliert von der restlichen Mannschaft, brachten auch kaum einen Ball wirklich in die Spitze zu (dem gegen Villarreal recht fleißigen) Marc Janko. Gerade Svento hatte wahrlich keinen guten Tag.

So richtig ins Mannschaftsgefüge integriert ist, im Gegensatz zum wesentlich dominanteren Leitgeb halbrechts, Nikola Pokrivac im linken Halbfeld nicht. Auffällig beim kroatischen Neuzugang ist aber: Während er vor der Pause einen kompletten Fremdkörper im Team darstellte, kaum Bälle sah (und wenn doch, die entweder alibimäßig kurz abspielte oder, noch häufiger, gar nicht an den Mann brachte), taute er nach dem Seitenwechsel sichtlich auf und avancierte zu einem ähnlich wichtigen Mann im Umschalten von Defensive auf Offensive wie Leitgeb. Fast doppelt so viele Ballkontakte wie vor der Pause, nur drei (!) davon brachte er nicht an den Mann. Da deutete er an, das er durchaus ein wichtiger Teil der Mannschaft sein kann.

Dennoch spielten die Salzburger de facto nur mit neun Feldspielern. Denn zwischen den routinierten Innenverteidigern Afolabi/Sekagya und dem defensiven Mittelfeld (eben der durchgängig ordentilche Leitgeb und der immer besser werdende Pokrivac) nahm Fränky Schiemer im Grunde nicht an der Partie teil. In der kompletten Spielzeit wurde er von seinen Mitspielern nur sieben Mal angespielt – also im Schnitt einmal alle zwölf Minuten. Ich möchte nicht sagen, dass das Platzieren eines Spielers zwischen einer dominanter IV und einem ballsicherem DM pure Verschwendung war, aber diesen elften Spieler hätte man wohl auch gewinnbringender einsetzen können.

Zum Beispiel als zusätzlichen Mann in einer zentralen Mittelfeldrolle, den da klaffte im Gegensatz zur überbevölkerten Defensivzentrale ein riesiges Loch. Klar, Somen Tchoyi übernahm diese Position bis zu einem gewissen Grad mit, aber während über ihn viel ging und über Svento links wenig, aber doch hin und wieder etwas, war das zentrale offensive Mittelfeld komplett inexistent. Bezeichnend, dass der häufigste Passweg im Salzburger Spiel der Abschlag von Torhüter Gustafsson zu Janko war.

Eine bemerkenswerte Tatsache fiel dann noch in den letzten etwa zehn Minuten auf, als Zickler für Janko ins Spiel kam. Der Deutsche ging nämlich nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, in die Sturmzentrale, sondern übernahm die rechte Mittelfeldposition von Somen Tchoyi, der wiederum in der Schlussphase den Mittelstürmer gab. Was ihn letztendlich auch in die Position brachte, das zweite Tor zu erzielen.

Fazit: Das Duo Schwegler/Tchoyi hat, in Verbindung mit einem braven Leitgeb den offensiven Löwenanteil an dem 2:0-Sieg gegen Villarreal, neben einer enorm zweikampfstarken Innenverteidigung mit gutem Stellungsspiel. Über Svento und Ulmer ging diesmal weniger, durch die Mitte (in Ermangelung eines Spielers auf dieser Position) gar nichts.

Ballkontake
49 – Schwegler
47 – Gustafsson
45 – Tchoyi
40 – Sekagya
39 – Leitgeb

Passgeber
32 – Gustafsson
29 – Sekagya
25 – Tchoyi
25 – Ulmer
24 – Leitgeb

Passempfänger
40 – Tchoyi
27 – Janko
26 – Schwegler
25 – Leitgeb
22 – Sekagya

(phe)

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Die dreigeteilte Bundesliga – Teil 1/3 https://ballverliebt.eu/2008/11/23/die-dreigeteilte-liga-teil-13/ https://ballverliebt.eu/2008/11/23/die-dreigeteilte-liga-teil-13/#comments Sun, 23 Nov 2008 01:34:25 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=1114 Die dreigeteilte Bundesliga – Teil 1/3 weiterlesen ]]> Sieht man von Rapid und Sturm ab, so haben alle 10 Teams der Bundesliga nun mehr als die Hälfte aller Saisonspiele hinter sich. Und in diesem fortgeschrittenen Stadium lohnt sich nun auch ein Blick auf die gesamte Tabelle. Das Feld der Klubs hat sich, ähnlich einem Radrennen, in drei (fast) gleich große Gruppen aufgeteilt, die ich hier ein wenig beleuchten will.

Das Spitzenfeld

Die Teams, die am ehesten den Meisteranspruch stellen werden, sind Salzburg, Sturm, Rapid und die Austria. Auch wenn es heute für Red Bull Salzburg gegen den Tabellenletzten aus Kapfenberg ein eher peinliches 2:5 setzte, hat Adriaanse nach dem wenig berauschenden Saisonstart (auch international) mittlerweile aufblitzen lassen, dass er doch ein Trainer mit Format ist. Wenigstens mit deutlich mehr, als es seine Vorgänger besaßen (ob das schwer zu toppen war, ist freilich eine andere Frage). Das legionärsstärkste Spiel hätte heute eine Vereinsrekord aufstellen können, aber selbst ohne sind sie momentan im Besitz einiger Spieler in toller Form. Allen voran natürlich Mark Janko, der diesen Nachmittag in Minute 47 zuschlug.

[ad#bv_test]Bei Sturm Graz wiederum ist es Franco Foda, der beweist dass auch ein weniger weit gereister Trainer modernen Fußball aufziehen kann. Obgleich auch Sturm im UEFA Cup nicht weit kam so sind sie doch aus der Perspektive eines Sturm-Sympathisanten von allen rotweißroten Teilnehmern noch am ehesten mit Pech ausgeschieden. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Blackies nunmehr mit einem dezimierten Kader bestehen müssen. Abwehrstütze Prödl etwa ging zu Werder Bremen und steuert auf schwere Zeiten zu, Sallmutter verdient sich seit heuer beim LASK in Linz seine Brötchen. Neben einigen reaktivierten, älteren Spielern gibt es aber immer noch ambitionierte Youngsters. Man sollte da Marko Stankovic im Auge behalten, oder auch Hölzl, der den Türken letzten Mittwoch zwei mal einschenkte, doch eine Niederlage nicht abwenden konnte.

Bei Rapid Wien ist er Motor ein wenig ins Stottern gekommen. Pacult hadert ein wenig mit den jungen Spielern, und hat seine liebe Not damit, die Mannschaft offensiv und effektiv spielen zu lassen, wenn die Tagesform des Dreh- und Angelpunktes Steffen Hoffman mal nicht passt. Gnade den Grünweißen, sollte er sich mal länger verletzen, denn „sportpolitisch“ gesehen ist er quasi der „Lebensmensch“ der Pacult-Elf. Wenn der Coach es nicht versemmelt, ließe sich aus dem Potential des Rapidnachwuchses mit Sicherheit einiges machen. Wenn sich etwa Drazan weiter so gut entwickelt, böte er sich als gute Alternative für den Flügel des Nationalteams an. Der Ex-Hütteldorfer Korkmaz kämpft mit erneutem Beinbruch, Harnik ist angeschlagen und war davor nur mäßig erfolgreich, Arnautovic wirkte im letzten Spiel farblos, zumindest in der kurzen Zeit in der er am Feld stand.

Dann bleibt noch die Wiener Austria übrig. Es ist noch gar nicht lange her, da standen die Veilchen an der Spitze der Bundesliga. Karl Daxbacher erlaubte daraufhin offiziell das Träumen vom Meistertitel (eigentlich war das ja nichts als die PR-Version von „Wir stellen den Meisteranspruch“) und – schwupps – gings bergab. Hat er da seinen Mannen zu viel Druck zugemutet, und das zur Mitte der Saison? Oder geht da einigen vor dem Winter nur die Puste aus? War die Austria bis dahin nur glücklich und überschätzt? Der Ex-LASK Coach beschäftigt sich mit einem ähnlichen Problem wie sein Derbygegenüber Peter Pacult, wenngleich es sich auf spielerischer Ebene nicht ganz so stark auszuwirken scheint und besser verteilt ist. Geht’s Blanchard bzw. Acimovic gut, geht’s der Austria gut, und vice versa. Auch hier wird einiges von der Entwicklung des jungen Potentials abhängen, Okotie war zuletzt die Erfüllung seines Tortraumes gegen die Türken leider verwehrt geblieben, dafür hat er heute gegen Ried seinen „Kontostand“ um einen Zähler erhöht.

(to be continued…)

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Österreich – Malta: Taktikbesprechung Tom https://ballverliebt.eu/2008/05/31/osterreich-malta-taktikbesprechung-tom/ https://ballverliebt.eu/2008/05/31/osterreich-malta-taktikbesprechung-tom/#comments Sat, 31 May 2008 01:08:08 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=182 Österreich – Malta: Taktikbesprechung Tom weiterlesen ]]> Vercoacht nochmal. Einseitiges Flügelspiel auf zwei Seiten.

Für mich hat Teamchef Hickersberger (unter Vorbehalten) das Match gegen Malta genauso „vercoacht“ wie das Dienstagsspiel gegen Nigeria. Die Anfangsvariante mit den Außenspielern im Mittelfeld war vom Gedanken geprägt, dass Leitgeb und Korkmaz auf beiden Seiten ihren Dienst antreten können. Korkmaz begann links, Leitgeb rechts.

(Wenn rechts, wie Blumenau sagt, Ivanschitz sein sollte, dann war der dort so gut wie gar nicht – nominell war es für mich Leitgeb. Sowas ist aber im TV manchmal freilich schwer genau zu sehen.)

Nach den ersten 20 Minuten kam es zu einem Wechsel. Leitgeb ging nach links, Korkmatz nach rechts. Der Effekt: Der zu Beginn noch engagierte aber unsicherer Christoph Leitgeb ließ die linke Seite absterben (wieder, wenn da Ivanschitz hinsollte, war er dort auch nicht und Leitgeb war dann zusätzlich auch noch halbrechts unsichtbar).

Leitgeb gehört einfach nicht auf die Außenbahn (Ivanschitz auch nicht), ist ein waschechter Halbseitler im Mittelfeld und drängt permanent in die Mitte. Korkmaz, links noch ein reger Unruheherd, konnte rechts auch nicht so recht auf Touren kommen.

Logisch wäre es an dieser Stelle für mich gewesen, Harnik für Leitgeb zu bringen und Korkmaz wieder nach links zu schieben. Teamchef Hickersberger entschied sich in der Pause dafür, Korkmaz runter zu nehmen und an seiner Stelle Harnik zu bringen.

Der Grund muss nicht unbedingt Unfähigkeit gewesen sein – eventuell ist die „junge Flügelzange“ wirklich ein Instrument, dass sich Hicke für die Europameisterschaft aufspart. Die Handlungen des Trainers in den letzten beiden Spielen waren jedenfalls zum Teil so wirr, dass ich nicht anders kann, als für mich unerkennbare Motive dahinter zu vermuten.

Als Resultat seines Eintausches begann Harnik das zu tun, was er immer tut. Er war der beste Mann am Platz und beschäftigte die gegnerische Abwehr (gegen Deutschland war seine Auswechslung der Grund, warum die Deutschen sich hinten um nichts mehr kümmern müssten und die Österreicher an deren 16er festnageln konnten). Und erstmals in den beiden Mai-Spielen machte das Team Druck über die rechte Seite. Ganz beeindruckend ist das sogar auf der Spieler-Durchschnittspositionen-Grafik vom Standard zu sehen.


(Bildmontage basierend auf Ausschnitten von derStandard.at)

Rechts passiert dort bis zur 50. Minute gar nichts, dann werden erste Positionen von Harnik eingeblendet – und plötzlich ist da jemand. Krönung dieses schönen Offensiv-Flügelspiels (auch wenn es ein paar Ballkontakte Eingewöhnungszeit brauchte) war nicht nur der herausgeschundene Elfmeter, sondern vielmehr die „U20-Helden“-Kooperation Prödl-Harnik zum 5:1.

Harnik spielte (wie beauftragt) stark nach vorne ausgerichtet – gegen einen Gegner wie Malta verständlich und notwendig, bei der Euro wird er selbstverständlich ein wenig defensiver agieren müssen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass auch Hickersberger dieses klar gelöste Stammformations-Ticket nicht übersehen konnte.

Die linke Seite verhungerte ohne Korkmaz in der zweiten Hälfte übrigens völlig. Auch das ist ein klares Statement. Wenn es bei der EM nach vorne gehen soll, dann sind diese beiden jungen Spieler unersetzlich. (Was übrigens auch Chefanalytiker Prohaska richtig erkannte.)

Hickersberger reagierte im Spiel weder auf diese Einseitigkeit mit sinnvollen Wechseln (nachdem Korkmaz ausgetauscht wurde, fehlte da auch die Alternative) noch auf das über weite Strecken ideenlose Spiel mit dem Versuch einer taktischen Umstellung. Er versuchte hingegen das 4-4-2-System zu halten und Vastic als echte Spitze einzusetzen, was ebenso leidlich funktionierte, wie die zurückhängende Variante vom Dienstag.

Sollte Vastic bei der EM spielen rate ich zu seiner Beobachtung, wenn ein Angriff läuft. In den meisten Fällen wird er irgendwann einen Haken schlagen um das Spiel zu verlangsamen, aufschauen und dann versuchen sein gutes Auge einzusetzen. Das war Anfang des Jahrtausends internationale Klasse, heute ist es (meiner bescheidenen Meinung nach) zu langsam.

Um bezüglich der Trainerkritik fair zu bleiben: Hickersberger hat nie behauptet, dass es ihm in dieser Partie um einen großartigen Systemtest geht. Das ist (hoffentlic) auch der Grund, warum eine echte klare Linie heute schwer zu erkennen war.

Wenigstens blieben ganz besonders waghalsige Stunts aus. Der arme Jimmy Hoffer musste sich nicht als Libero versuchen. Dessen Leistung war heute übrigens eher mau. Er ist eben weniger der Belagerungs-Stürmer, sondern braucht Situationen in denen er seine Schnelligkeit ausspielen kann. Bei der EM werden die mit Sicherheit häufiger kommen. Hoffer ist die perfekte Ergänzung zur jungen Flügelzange.

Zu meinem Verdruss ließ der Coach zum Ende dann noch die wandelnde Verstandsprovokation Martin Hiden einige Minuten einlaufen. Das ist für mich unverzeihlich. Ich hoffe, das hatte mit seiner „Die Leute, die bei der EM spielen, sollen Praxis bekommen“-Ankündigung nichts zu tun. (tsc)

PS: Weitere Beobachtungen gibt es bei Georg.

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