Taktikbesprechungen – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 18 Oct 2024 21:27:57 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/ https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/#comments Fri, 18 Oct 2024 21:27:52 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20738 Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 weiterlesen ]]> „Wenn man so gar nichts von seinen Stärken zeigt, obwohl alle Gelegenheiten dafür da gewesen wären, ist das nicht gut.“ Die ersten beiden, sehr schaumgebremsten und auch vom Resultat her unbefriedigenden Länderspielen nach der EM, hinterließen etwas Ratlosigkeit: Negativer Ausreißer oder doch mehr?

Das 4:0 gegen Kasachstan und das 5:1 gegen Norwegen – und hierbei vor allem die Art und Weise des Auftritts, nicht nur die nackten Zahlen – stellten nun klar: Die Enttäuschungen vom September zeigten nicht das neue, blutleere Gesicht des EM-Achtelfinalisten. Sie bleiben aber das Mahnmal dafür, wie das ÖFB-Team aussieht, wenn die geistige Bereitschaft für das aufwändige Spiel nicht zu hundert Prozent gegeben ist.

Das 4:0 gegen Kasachstan

Der Wille, den gehemmten Eindruck vom September zu revidieren, war schon in den ersten Minuten des Matches gegen Kasachstan zu erkennen. Die Probleme, sich gegen tief stehende Gegner durchzukombinieren, sind bekannt – nicht zuletzt ganz frappant zu sehen gewesen im EM-Achtelfinale gegen die Türkei – und das ÖFB-Team hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie es sich gar nicht erst auf endlos-brotlose Ballstaffetten einlassen muss.

„Der beste Spielmacher war das Gegenpressing“, sagte Teamchef Ralf Rangnick nach dem Spiel und das war auch genau so gemeint. Österreich schlug immer wieder die Bälle vor das kasachische Tor bzw. in die grobe Richtung der Sturmspitzen. Gar nicht so sehr, um die Pässe direkt an den Mann zu bringen, sondern vor allem, um den Bällen nachzupressen und sie sofort zu erobern, weil die technisch recht limitierten kasachischen Verteidiger wenig damit anzufangen wussten und auch sofort ein Schwarm von Österreichern über sie herfiel.

Zudem gab man mit diesen Bällen dem unsicheren Torhüter Igor Shatsky die Möglichkeit, Fehler zu machen und Österreich holte auf diese Weise auch einen Eckball nach dem anderen heraus – alleine in der ersten Halbzeit waren es acht, am Ende des Spiels hieß die Eckenbilanz 14:3 für die Hausherren.

Es waren vielleicht nicht explizit absichtliche Ballverluste, um das Gegenpressing auszulösen, aber es ging schon deutlich in diese Richtung.

Leistung für die innere Hygiene

Das 1:0 durch Baumgartner fiel justament aus einer jener Situationen, in denen Kasachstan den Ball hinten gegen das scharfe österreichische Pressing nicht schnell genug und schon gar nicht kontrolliert nach vorne gebracht hat und den Gästen kam es überhaupt nicht gelegen, dass man eben nicht in Ruhe den Strafraum verbarrikadieren konnte. Kasachstan kam nie wirklich in die von Stanislav Tcherchessov gewünschte und etwa beim 0:0 gegen Norwegen und danach auch beim knappen 0:1 gegen Slowenien in anständiger Qualität gezeigte, eigene Spielweise.

Nach der Pause fielen auch die Tore, um innerhalb kürzester Zeit mit dem 2:0 und dem 3:0 alles klar zu machen, am Ende hieß es 4:0 und das war natürlich auch in der Höhe absolut korrekt. Dass man gegen Kasachstan gewinnen würde (und das auch muss), stand nie ernsthaft zur Debatte, es ging aber in der Tat mehr um das „Wie“ als um das „Was“. Gelingt es, wieder ein willigeres, aktiveres Gesicht zu zeigen als im September?

Die klare Antwort war „Ja!“ und damit versicherte man sich auch selbst, dass es kein grundsätzliches Problem war vor allem beim Spiel in Oslo, sondern eine mentale Blockade, entstanden aus den psychischen Nachwirkungen des zu frühen EM-Aus und den spezifischen Umständen des Spiels (Norwegens lange Bälle, die man nicht verteidigt bekam und das Doppelmühle-Spiel, das Sørloth und Ødegård mit Prass veranstalteten).

Das 5:1 gegen Norwegen

Der klare Sieg gegen Kasachstan war schön, aber es wurde auch deutlich, dass dieses Team das eindeutig schwächste der Gruppe ist. Wie soll man also gegen Norwegen jene Problemfelder umgehen, die in Oslo so schlagend wurden – sprich: Wie kann Österreich das eigene Spiel aufziehen, ohne Norwegen wieder ins offene Messer zu laufen?

Einer der größten Faktoren waren die Pressingauslöser. Es wurden die norwegischen Innenverteidiger vor allem dann mit Macht angelaufen, wenn sie mit dem Rücken zum Spielgeschehen standen – also nicht unmittelbar die Gefahr eines langen norwegischen Passes bestand. Wenn die Gäste es schafften, diese erste Welle zu überspielen – wie in der 6. Minute – hatten sie im Zentrum sofort Platz, was gleich mit einem Pfostenschuss von Håland bestraft wurde.

Oder – wenn doch ein langer Ball in Richtung des österreichischen Sechserraumes geflogen kam – verdichtete Österreich so rasch in dieser Zone, dass Norwegen eben nicht ungehindert die zweiten Bälle aufsammeln konnten. Dazu ging das ÖFB-Team wiederum früh durch Arnautovic in Führung, Baumgartner hatte ausnahmsweise zu viel Platz im norwegischen Zwischenlinienraum gehabt, konnte quasi ungehindert vor das Tor, ähnlich wie schon beim 1:0 gegen Kasachstan.

Österreich war danach sehr bemüht, die Kontrolle über das Spiel zu etablieren, indem Ballbesitzphasen ausgedehnt wurden – auch gegen das Anlaufen der Norweger. Im Zweifel mal ein Rückpass, jeder Ballführende hatte immer eine Exit-Option. Zwischen der 20. und der 25. Minute gab es eine Phase von 41 Pässen, nur von einem norwegischen Befreiungsschlag unterbrochen, die in einem Torschuss von Baumgartner mündete. Es folgte eine weitere Ballbesitzphase mit 27 Pässen. Zwischen 21:15 und 25:15 Minuten Spielzeit gab es nur drei norwegische Ballkontakte: der erwähnte Befreiungsschlag sowie danach Torhüter Nyland und Pedersen, der den Ball dann wegdrosch.

Norwegen mit untauglichen Mitteln

Norwegen machte den Zwischenlinienraum zu und verdichtete dort extrem, wenn Österreich da rein wollte. Da macht die Gestaltung zäh und zwang Österreich auf die Flügel – mit der Führung im Rücken hatte das ÖFB-Team aber keine Veranlassung, das mit aller Macht verhindern zu wollen. Zudem hatte Norwegen versucht, durch ein Hochschieben von Thorsby die österreichische Eröffnung zu behindern. Aber weil sich Seiwald (gegebenenfalls auch Laimer) zurückfallen ließ und Österreich so aus einer Dreierkette eröffnete, hatte das für Norwegen nicht den erhofften Effekt.

Der aus einem Freistoß resultierende 1:1-Ausgleich kurz vor der Pause – Pentz war auf der Linie geklebt – kam aus dem Nichts, sollte sich aber dank des reichlich ungeschickten Elfmeter-Fouls von Hanche-Olsen wenige Sekunden Beginn der zweiten Halbzeit nicht als nachhaltige Spaßbremse erweisen. Damit war Norwegen wieder gezwungen, selbst mehr zu tun, nun fiel das Fehlen von Martin Ødegaard so richtig ins Gewicht: Das Mittelfeld-Zentrum war kreativ tot, Linksaußen Nusa war vor der Pause kaum involviert und nach einer Stunde ausgewechselt; der wuchtige Ryerson hatte mit dem wuseligen Mwene große Probleme und Håland hing wie Sørloth in der Luft.

Österreich hingegen ging weiter drauf. Posch bedrängte nach einer Stunde Møller-Wolfe an der norwegischen Torlinie so sehr, dass letzterer einen Eckball hergab – der landete zum 3:1 im Netz. Wenig später behauptete der sehr fleißige Arnautovic, wie schon zuvor in vielen Situationen, von drei Norwegern bedrängt im Zehnerraum den Ball, erlaubte den Mitspielern das Aufrücken und er bediente Sabitzer, der schließlich das 4:1 assistierte.

Norwegen wusste nicht so recht, ob man das Ergebnis aufzuhübschen trachten sollte oder doch das 1:4 verwalten, und schon fing man sich aus einem Konter das 1:5. Vor allem Flanken aus dem Halbfeld auf die zweite Stange erwiesen sich als für Norwegen kaum zu verteidigen.

Wenn alles passt, ist es immer noch gut

Die norwegischen Medien übergossen ihr Team mit einer Lawine der Kritik. Knut Espen Svegaarden etwa, Beatwriter des norwegischen Teams für die größte Boulevard-Zeitung VG, sprach gar von der „katastrophalsten, peinlichsten Halbzeit Norwegens in meinen 40 Jahren als Sportjournalist“. Besonders bitter, weil Norwegen ja vor gerade mal einem Monat in Oslo auf Augenhöhe mit Österreich agiert habe und sogar gewonnen hat.

Aber war das da wirklich so? „Das sind wir“, betonte Marko Arnautovic nach dem 5:1 von Linz ins ORF-Mikro. Das in Oslo im September, das war nur ein Schatten des österreichischen Teams. Norwegen sah damals auf Augenhöhe aus, weil Österreich wirklich schlecht war, vermutlich das schlechteste Spiel der bisherigen Amtszeit von Ralf Rangnick abgeliefert hat. Das von Linz, das ist der tatsächliche Leistungsunterschied. Vielleicht nicht vier Tore, das war auch situationsabhängig. Aber spielt Österreich, was Österreich kann, kann Norwegen nicht mal hinschnuppern.

Die Art und Weise, wie Österreich diese beiden Spiele absolviert hat ist beruhigend. Die Ergebnisse sowieso. Aber, auch wenn ein 4:0 und ein 5:1 natürlich ein super Statement sind – hier ging es um das Selbstverständnis und um die Erkenntnis: Wenn die passende Strategie ordentlich umgesetzt wird, ist Österreich zu stark für die Gegner im B-Zug der Nations League. Wenn es aber nicht passt – der Gegner einen am falschen Fuß erwischt, das unglückliche EM-Aus noch im Hinterkopf ist, kein Druck ausgeübt wird – geht es eben auch gegen die Truppen aus dem B-Zug der Nations League schief.

Österreich hat den Gruppensieg nun in der eigenen Hand, Siege in Astana sowie in Wien gegen Slowenien reichen fix zum direkten Wiederaufstieg in die A-Gruppe. Spielt man so wie in den beiden Oktober-Matches, gelingt das. Spielt man so wie im September, eher nicht.

]]>
https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/feed/ 1
Salzburg 3, Sturm Graz 4: Reife Blackies kochen Bullen ab https://ballverliebt.eu/2024/04/05/salzburg-sturm-graz-cup-halbfinale/ https://ballverliebt.eu/2024/04/05/salzburg-sturm-graz-cup-halbfinale/#respond Fri, 05 Apr 2024 15:27:06 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19891 Salzburg 3, Sturm Graz 4: Reife Blackies kochen Bullen ab weiterlesen ]]> Das nackte Ergebnis legt eine richtig wilde Partie nahe. Das Cup-Halbfinale zwischen den beiden deutlich besten Vereinsteams Österreichs lieferte viel Intensität und am Ende auch einige Tore, war aber doch nicht ganz so spannend, wie man bei einem 4:3 glauben könnte. Sehr wohl aber zeigte Sturm Graz, dass man eine sehr reife Truppe stellt, die sehr präzise gecoacht ist und sein Spiel auch gegen Widerstände durchziehen kann.

Zumindest einen Titel hat man den Bullen damit schon mal geraubt.

RB Salzburg – Sturm Graz 3:4 (1:1)

Nach dem hitzigen Ende beim 1:0-Sieg der Salzburger im Liga-Spiel vier Tage zuvor fehlten die beiden Sechser Lucas Gourna-Duath (Salzburg) und Jon Gorenc-Stankovič (Sturm). Die ausbleibende Untersuchung bezüglich einer Tätlichkeit von Oumar Solet dominierte die Schlagzeilen – bis zum Spiel selbst.

Kampf um die Halbfelder

Der dominierende Battleground auf dem Feld waren die jeweiligen Halbfelder. Da beide Teams de facto die gleiche Raufaufteilung spielen (4-1-3-2), wurde hier besonders schnell um den Ball verdichtet. Das Zentrum selbst war dicht, die Außenverteidiger wurden gut isoliert. Die Frage war also: Wer schafft es besser, aus dem Halbfeld heraus schnell und präzise aus dem Gegnerdruck heraus nach vorne zu kommen?

Salzburg hatte hier zunächst leichte Vorteile, nach dem 1:0 aus einem Eckball (11.) verpasste Konaté aus genau so einem Zuspiel aus dem Halbraum von Gloukh die mögliche 2:0-Führung.

Offen im defensiven Umschalten

Beide Mannschaften zeigten sich oft erstaunlich offen in der Absicherung, wenn der Ball verloren wurde. Sowohl die Salzburger als auch die Grazer schafften es zumeist nicht, schnell wieder Spieler hinter den Ball zu bekommen. Vor allem Salzburg aber ließ den Nachdruck vermissen, diese Räume so zu nützen, dass man zum Abschluss kommt.

Andererseits schaffte es Sturm besser, nach offensiven Umschaltsituationen schnell viele Spiele an den Salzburger Strafraum zu bekommen – besonders auffällig war dies in einer Konter-Situation nach einer Salzburger Ecke in der 22. Minute, aber auch ganz generell spielten die Grazer diese Situationen besser aus.

Suchen nach der Schnittstelle

So ähnlich die grundsätzliche, aggressive Spielweise den beiden Teams auch ist, es gibt schon auch spürbare Unterschiede. Salzburg ist jene Mannschaft, die mit etwas mehr Geduld von etwas weiter hinten heraus aufbaut, während Sturm schneller den Vertikalpass zur Offensivreihe sucht. Entscheidend ist bei Sturm die Suche nach Schnittstelle in der gegnerischen Abwehr, welche die drei offensiven Mittelfeld-Spieler – Prass, Kiteishvili und Horvat – oft auch finden.

Einer dieser Pässe des Georgiers leitete das 1:1 nach 22 Minuten ein; die nicht immer astreine Abstimmung zwischen der Salzburger Innenverteidigung und den Aushilfs-Außenverteidigern Daniliuc und Guindou war ein gerne gesehenes Ziel für die Grazer Offensivreihe. Zudem nervte Sturm die Hausherren mit konsequentem Nachgehen nach an sich verlorenen Zweikämpfen, scharfem Anpressen bei jeder Unsicherheit in der Ballannahme und dem Provozieren von Fehlpässen von Gourna-Duath-Ersatz Diambou.

Mit der Führung

Hatten sich die beiden Teams in der ersten Halbzeit weitgehend neutralisiert und für ein intensives Spiel auf Augenhöhe gesorgt, brachte Schlagers Fehlgriff zur 2:1-Führung für Sturm das Spiel zum kippen. Mit der Führung im Rücken attackierte Sturm nun nicht mehr ganz so hoch, sondern zwang Salzburg mehr Ballbesitz auf, allerdings nur in ungefährlichen Zonen.

Man ließ die Bullen auch an der Außenlinie weiter nach vorne kommen, aber der Zehnerraum und vor allem der Strafraum blieben zu. Nach Ballgewinnen wurde weiterhin schnell und direkt nach vorne gespielt; der Aktionsradius von Tomi Horvat war beeindruckend. Mehr als eine Handvoll Halbchancen ließ Sturm nicht zu, darüber hinaus verstanden es die Grazer hervorragend, durch kleine Gemeinheiten die Bullen zu Nerven und aus dem Rhythmus zu bringen.

Ein simpler Einwurf wurde in der 68. Minute so lange zelebriert und der Ball herumgereicht, bis Referee Altmann zur Ermahnung schritt, es verging fast eine Minute. Kurz danach sackte Gazibegović nach einem Laufduell samt Abseitsentscheidung gegen Salzburg wie vom Blitz getroffen zusammen, wieder verging einige Zeit. Und in der 71. Minute schließlich erzielte Sturm aus einem Konter das 3:1.

Den Rhythmus brechen

Die Grazer haben durchaus so etwas wie ein Drecksack-Gen, diese Cleverness, einen Gegner in Schwierigkeiten noch weiter aus dem Konzept zu bringen. Das ist eine Qualität, die Salzburg aufgrund der individuellen Klasse der Spieler auf nationaler Ebene in der Regel nicht, darum können es die Salzburger auch nicht besonders gut.

An der Statik des Spiels änderte sich nach dem 3:1 wenig und der Salzburger Anschlusstreffer konnte keine Wirkung entfalten, weil Sturm nach einem Eckball postwendend den Zwei-Tore-Vorsprung wieder herstellte. Das dritte Salzburger Tor in der Nachspielzeit fixierte den äußerst unüblichen Endstand von 4:3, danach war Sturm dem fünften Treffer aber näher als Salzburg dem Ausgleich.

Fazit: Sturm ist reif geworden

Nach dem 2:2 im ersten Saisonduell im September hieß es an dieser Stelle, dass Salzburg mehr spielerische Lösungen sucht und Sturm direkter spielt (was immer noch so ist), dass Sturm die klarere und aggressivere Strategie gegen den Ball hat (was noch immer so ist) und das Sturm zwar wohl ein bisschen die Flexibilität und die Kadertiefe fehlt, aber definitiv das einzige Team ist, das Salzburg über eine Saison fordern kann (was auch noch immer so ist).

Sehr wohl ist nun im vierten Saisonduell der beiden klar besten Teams Österreich zu erkennen, dass die Grazer die Reife entwickelt haben, Salzburg nicht in einzelnen Spielen zu fordern, sondern im Grunde jederzeit besiegen zu können. Die beiden Grunddurchgangs-Duelle endeten 2:2 und 1:1, das erste in der Meisterrunde in einem korrekten, knappen Salzburg-Duell und nun jenes im Cup mit einem korrekten, knappen Sturm-Erfolg.

Dieses über mehrere Jahre gewachsene Grazer Team hat mit dieser reifen Leistung in einem wichtigen Spiel gezeigt, dass sie auch auswärts in Salzburg gewinnen kann – und das verdient. Das ist eine Erkenntnis, die für das womöglich vorentscheidende Liga-Spiel am viertletzten Spieltag wichtig sein kann.

Allerdings: Sturm liegt fünf Punkte zurück, ist im Titelrennen auf weitere Salzburg-Patzer angewiesen. Das Cup-Finale gegen Rapid ist durchaus heikel, weil Rapid unter Robert Klauß Schritte nach vorne macht und in einem Spiel immer alles passieren kann. Die Gefahr besteht also, dass Sturm zwar eine großartige Saison spielt, letztlich aber mit leeren Händen dasteht.

Die Chance besteht aber genauso, dass am Ende sogar das Double steht. So oder so ist es den Grazern aber in jedem Fall zu danken, dass sie diese Meisterschaft – wie schon jene im letzten Jahr – so lange ernsthaft spannend halten.

]]>
https://ballverliebt.eu/2024/04/05/salzburg-sturm-graz-cup-halbfinale/feed/ 0
Weltrekord und Kantersieg – wo steht das ÖFB-Team drei Monate vor der EM? https://ballverliebt.eu/2024/03/29/osterreich-slowakei-turkei-weltrekord-gregoritsch-rangnick/ https://ballverliebt.eu/2024/03/29/osterreich-slowakei-turkei-weltrekord-gregoritsch-rangnick/#comments Fri, 29 Mar 2024 16:08:57 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19826 Weltrekord und Kantersieg – wo steht das ÖFB-Team drei Monate vor der EM? weiterlesen ]]> Baumgartners Weltrekord-Treffer nach sechs Sekunden in Bratislava setzte den Ton. Mit zwei Siegen gegen EM-Teilnehmer startete das ÖFB-Team erfolgreich in das EM-Jahr, einem 2:0 in der Slowakei folgte das erstaunliche 6:1 in Wien gegen die Türkei. Die Resultate sehen gut aus, aber was genau sagen die Leistungen über den Stand der Dinge ohne David Alaba aus – und das Spiel gegen den Ball? Schließlich wird dies bei der EM ein großer Faktor sein, wenn es darum geht, die Vorrunde zu überstehen.

Wer spielt innen statt Alaba – und wie?

Kevin Danso hat beide Matches von Beginn an absolviert, war in drei der letzten fünf Matches erste Wahl – der Lens-Legionär sieht wie ein Fixstarter aus. Neben ihm hat zunächst Leopold Querfeld gespielt (der in der ersten Hälfte gegen die Slowakei ein wenig flatterhaft wirkte), dann Maximilian Wöber. Auch der derzeit verletzte Philipp Lienhart kann ein Kandidat sein, theoretisch auch Stefan Posch.

Klar wurde in diesen beiden Spielen, vor allem gegen die defensiv eingestellte Slowakei, dass Alaba defensiv ganz gut zu ersetzen ist, in der Spielgestaltung jedoch kaum. Der Rangnick-Fußball sieht lange Ballstafetten und geduldigen Aufbau von hinten gar nicht vor, natürlich sah man die auch gegen die Slowaken nicht. Sehr wohl fehlte aber der Vorwärtsdrang von Alaba, der immer wieder in Beckenbauer-Manier ins Mittelfeld aufrückt, Gegenspieler auf sich zieht, Lücken reißen oder zumindest erkennen kann und diese dann bespielt.

Dieses Element fehlte gegen die Slowakei völlig, entsprechend mühsam gestaltete sich das Spiel nach der 7. Spielsekunde dann auch.

Slowakei – Österreich 0:2 (0:1)

In unserer Analyse zum 2:0-Sieg gegen Deutschland wurde das Rangnick’sche Spielprinzip skizziert:

„Die Gegner anlaufen, sobald diese nicht mit dem Rücken zum eigenen Tor stehen. Strukturen für das Gegenpressing herstellen, um bei eigenem Ballverlust sofort doppeln zu können, ohne Gefahr zu laufen, Räume dahinter zu offenbaren. Tempowechsel im Aufbau, von gemächlichem Suchen der Lücke bis zum plötzlichen Steilpass auf den Zielspieler vorne, der den Ball ablegt. Den gegnerischen Aufbau durch das Zentrum lenken, indem man die Außenspieler isoliert. So kommen die eigenen Stärken – von der Pike gelernter Pressingfußball, Athletik – bestmöglich zur Geltung, während die Schwächen – fehlende spielerische Kreativität, fehlende echte Außenspieler – bestmöglich kaschiert werden.“

Das sah gegen die Slowakei so aus, dass der Aufbau zumeist über die Flügel vorgetragen wurde, raus aus dem Getümmel im Zentrum, wo Österreich eine 2-gegen-3-Unterzahl hatte. Nach dem ersten Vertikalpass aus der Abwehr wurde auf hohes Tempo in der Ballweiterleitung geachtet, was große Ungenauigkeit zur Folge hatte. Gleichzeitig fehlte zuweilen – vor allem in einer Phase zwischen der 20. und der 30. Minute – die Konsequenz im defensiven Umschalten und im Herstellen von 2-auf-1-Situationen in Ballnähe.

Dies war die beste Phase der Slowaken, in der sie auch ein, zwei Torchancen vorfanden.

Überzahl herstellen für Ballgewinne

Was sowohl in der Slowakei als auch gegen die Türken über weite Strecken gut funktionierte, war das strukturierte Doppeln, um Ballgewinne zu erzielen. Das Prinzip war einfach und erinnerte ein wenig an das Provozieren von Fumbles beim American Football: Zwei Österreicher stürmen auf den ballführenden Gegner zu und bedrängen ihn, verwickeln ihn in den Zweikampf.

Dabei war es völlig ausreichend, einfach nur den Ball vom gegnerischen Fuß wegzustoßen, weil ein dritter Teamkollege aus dem Hinterhalt dazustieß und den losen Ball aufnahm, um wiederum schnell die nächste Offensivaktion damit einzuleiten. Es ist viel Abstimmungsarbeit nötig, um die nötigen Strukturen dafür verlässlich herzustellen, aber wie etwa schon gegen Deutschland eindrucksvoll gezeigt wurde: Österreich kann das.

Das Stellen der gegnerischen Eröffnung

Was eher gegen die spielstärkeren Türken als gegen die biederen Slowaken ein Thema war, war das Verhindern einer gezielten Spieleröffnung des Gegners. Hier spielte Österreich mit den vier Offensiven konsequent auf die Viererkette: Schmid auf Müldür, Laimer auf Cenk Özkacar, Gregoritisch und Baumgartner auf Demiral und Ayhan. Weil klar war, dass sie sofort angelaufen würden, sobald sie den Ball hatten, war ein kurzer erster Pass von Torhüter Uğurcan stets mit Risiko verbunden.

Österreich – Türkei 6:1 (2:1)

Gleichzeitig waren Schlager und Seiwald im Mittelfeld-Zentrum sehr aufmerksam im Nachschieben: Sobald Schmid einen Sprint anzog, lief Schlager mit nach vorne, ebenso Seiwald mit Laimer. Beide rückten zudem weit auf, wenn die Türken ihrer Bedrängnis gewahr wurden. So provozierte man den Ballgewinn zum raschen 1:0, jenen zum 2:1 kurz vor der Pause und jenen zum Elfmeter zum 3:1 kurz nach der Pause.

Wie schon gegen Deutschland galt: Die Trigger zum Anlaufen sind verinnerlicht, die Strukturen im Gegenpressing sitzen und – anders als noch beim Match in der Slowakei – wurden nun auch genug dieser Ballgewinne in Tore verwertet.

Es war auch Spielglück dabei

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das 6:1 deutlich zu hoch ausgefallen ist. Etwa, weil man vor dem 1:0 auch Foul hätte geben können und weil es ohne VAR weder den Elfmeter zum 3:1 gegeben hätte, noch jenen zum 5:1 – wohlgemerkt wurde zu dessen Gunsten das vermeintliche 2:4 aus türkischer Sicht wieder einkassiert. Damit war der türkische Widerstand gebrochen und das eingewechselte Offensivtrio Weimann, Cham, Entrup wollte sich selbst auch noch in die Schützenliste eintragen.

Das 6:1 ist aber auch deshalb zu hoch, weil die Türkei in der ersten Halbzeit wesentlich höheres Niveau gezeigt hatte als die Slowakei und keineswegs schlechter war als Österreich. Die türkische Abwehr klärte Bälle in Bedrängnis nicht – anders als die Slowaken, aber auch sie selbst nach der Pause – weit nach vorne und nicht kurz. Damit zwangen sie Österreich erneut zum eigenen Aufbau von hinten, der ohne Alaba eben stockte.

Den Türken gelang es zudem gerade auf engem Raum, auch im österreichischen Strafraum, viel flotter und technisch besser als den Slowaken, Verwirrung und Hektik in der österreichischen Abwehr zu stiften. Beispielhaft sei hier jene Aktion genannt, in der Danso den Ball mit der Hand streifte und so den Elfmeter zum zwischenzeitlichen (verdienten!) 1:1 für die Türken verursachte.

Bis zum Ende aktiv

Im Spiel gegen den Ball gab es auch Aspekte, die in diesen beiden Matches nicht von Gegnern angebohrt wurden. Vor allem bei der Slowakei war es extrem auffällig, dass es keinerlei Seitenverlagerungen gab, mit denen man den österreichischen Block zum schnellen Verschieben zwang. Die Slowaken griffen stur gerade nach vorne an, womit es Österreich kein Problem war, die Angriffe rasch zu stellen.

Sehr auffällig in beiden Spielen war jedoch, dass Österreich jeweils gerade in der zweiten Hälfte besonders konzentriert zu Werke ging. Das ist nicht immer typisch für solche Testspiele, aber gegen die Slowakei war gerade die Phase um die 60. Minute jene, in der die Laufwege im Anlaufen am Präzisesten und am Konsequentesten durchgezogen wurden. Gegen die Türkei drückte man auch nach dem 5:1 (das in der 78. Minute fiel) mit Macht auf das sechste Tor.

Fazit: Reif analysieren und die Situation managen

Es waren zwei Spiele, die als Mutmacher dienen können, dass in der nominell sehr schweren EM-Gruppe mit Frankreich, Holland und – wie seit diesem Länderspieltermin feststeht – mit Polen ein Einzug ins Achtelfinale absolut möglich ist, sei es als einer der besseren Gruppendritten oder sogar direkt als Gruppenzweiter.

Es waren aber auch zwei Spiele, die in gewissen Bereichen aufgezeigt haben, was nicht optimal funktioniert. Das spielerische Element ohne Alaba ist noch dünner als mit ihm und in gewissen Phasen – gegen die Slowakei in Teilen der ersten Halbzeit, gegen die Türken praktisch in der kompletten – wurde das Anlaufen nicht mit dem nötigen Nachdruck vollzogen. Das gilt es Aufzuarbeiten.

Sehr gut klappte aber das Gegenpressing, das Stellen der gegnerischen Eröffnung, ganz generell das Spiel gegen den Ball, wenn alle konzentriert bei der Sache waren. Gerade im Match gegen die Türkei war man auch gut dabei, was das Nützen von Torchancen angeht. DAZN-Kommentator Oliver Faßnacht forderte nach dem Türkei-Spiel, als Österreich „doch mal ein bisschen selbstbewusster, ein bisschen optimistischer“ zu sein, denn „ihr habt so ein geiles Team!“

Ja, möchte man antworten, als Österreicher ist man aber auch ein gebranntes Kind, was allzu große Euphorie angeht. Darum: Optimismus ist zweifellos angebracht. Aber vorsichtiger Optimismus. „Österreich sah man – nicht nur im In-, sondern auch im Ausland – als potenziellen Viertelfinalisten, jedenfalls aber ohne gröbere Troubles in der K.o.-Runde“, hieß es hier vor knapp acht Jahren, vor dem letzten EM-Gruppenspiel 2016 gegen Island, „wer nichts erwartet, kann nur positiv überraschen. Für jene, denen viel zugetraut wird, ist die Fallhöhe deutlich größer. […] Der gelernte Österreicher kann nun mal genau eines nicht: Mit großen Fallhöhen umgehen.“

Ebenso wichtig wie das realistische Einordnen von Misserfolg ist es, im Erfolg nicht die Bodenhaftung zu verlieren, sondern klaren Verstands einzuordnen. Das ÖFB-Team von 2024 ist von der Kadertiefe und der sportlichen Reife her viel weiter als jenes von 2016. Von daher ist absolut zu erwarten, dass die beiden Spiele intern nüchtern aufgearbeitet werden und dass die Spieler besser mit der Erwartungshaltung umgehen können als ihre Vorgänger vor acht Jahren.

Wie das mit den Fans und vor allem dem medialen Umfeld ist, bleibt auch nach dem 2:0 in der Slowakei und dem 6:1 gegen die Türkei abzuwarten.

]]>
https://ballverliebt.eu/2024/03/29/osterreich-slowakei-turkei-weltrekord-gregoritsch-rangnick/feed/ 1
Österreich führt Deutschland vor: Wie kam es und was heißt das? https://ballverliebt.eu/2023/11/22/oesterreich-fuehrt-deutschland-vor-wie-kam-es-und-was-heisst-das/ https://ballverliebt.eu/2023/11/22/oesterreich-fuehrt-deutschland-vor-wie-kam-es-und-was-heisst-das/#comments Wed, 22 Nov 2023 22:15:10 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19476 Österreich führt Deutschland vor: Wie kam es und was heißt das? weiterlesen ]]> Eine Mannschaft hat an diesem Abend in Wien exakt gewusst, was zu tun ist. Wer wann wie welchen Laufweg einzuschlagen, welchen Pass zu spielen, welche Idee zu befolgen hat. Die andere Mannschaft war Deutschland.

Der österreichische 2:0-Sieg war kein vom Spielverlauf begünstigtes Resultat, bei dem Österreich den Gegner mit einer offensiven Herangehensweise überraschte, wie Córdoba 1978. Kein Freak Result eines sportlich eines sportlich sonst eher bedeutungslosen Teams wie Wien 1986. Kein Anzeichen für eine etwas überhebliche Denke bei Deutschland, die ein paar Wochen später bei der WM offen zu Tage treten sollte, wie Klagenfurt 2018.

Das war eine sportliche, läuferisch, taktische und inhaltliche Vernichtung – nach einem Jahr, in dem Österreich ordentlich an Selbstvertrauen gewonnen hat und Deutschland vor der Heim-EM ein zielloser, von taktischen Experimenten verunsicherter Haufen ist.

Österreich – Deutschland 2:0 (1:0)

Dass die Umsetzung schwierig ist, steht außer Frage. Aber das Grundprinzip jenes Fußballs, den Ralf Rangnick von seinem österreichischen Team sehen will, ist nicht besonders kompliziert: Die Gegner anlaufen, sobald diese nicht mit dem Rücken zum eigenen Tor stehen. Strukturen für das Gegenpressing herstellen, um bei eigenem Ballverlust sofort doppeln zu können, ohne Gefahr zu laufen, Räume dahinter zu offenbaren. Tempowechsel im Aufbau, von gemächlichem Suchen der Lücke bis zum plötzlichen Steilpass auf den Zielspieler vorne, der den Ball ablegt. Den gegnerischen Aufbau durch das Zentrum lenken, indem man die Außenspieler isoliert.

So kommen die eigenen Stärken – von der Pike gelernter Pressingfußball, Athletik – bestmöglich zur Geltung, während die Schwächen – fehlende spielerische Kreativität, fehlende echte Außenspieler – bestmöglich kaschiert werden. So hat sich das ÖFB-Team souverän für die EM qualifiziert, noch dazu als bester der zehn Gruppenzweiten.

Klare erste Elf vs. Herumprobieren

Österreich ist gegen Deutschland im gewohnten 4-4-1-1 angetreten, mit zwei Änderungen gegenüber dem Spiel in Estland: Mwene startete links hinten statt Wöber, dazu tauschten Laimer und Baumgartner die Plätze; Laimer spielte gegen Deutschland rechts im Mittelfeld, Baumgartner als hängende Spitze. Alles in allem: So klar, so gewohnt, so erwartbar.

Bei Deutschland schraubte schon Hansi Flick im Frühjahr heftig und maximal erfolglos an der Systemschraube, bei Julian Nagelsmann ist es ähnlich. Bei seinen ersten beiden Matches im Rahmen einer USA-Reise kam ein 4-2-2-2 zum Einsatz: Zwei Zehner (Wirtz und Musiala), vorne ein Strafraumstürmer und ein oft weit auf den rechen Flügel ausweichender Leroy Sané, dafür links ein offensiver Linksverteidiger (Gosens) und einem defensiveren Rechtsverteidiger (Süle bzw. Tah). Als defensiver Anker verblieben Gündogan und Groß im Mittelfeld-Zentrum.

Es wurde vorne viel rochiert und es gab offensiv durchaus vorzeigbare Darbietungen beim 3:1 gegen die USA und dem 2:2 gegen Mexiko – gerade das Angriffsspiel war unter Hansi Flick extrem statisch und vorhersehbar, damit selbst für Gegner aus der zweiten Reihe wie Polen recht leicht zu verteidigen. Die andere Seite der Medaille war aber auch, dass Deutschland in diesem Matches sehr anfällig für Konter war.

Nagelsmanns „Havertz-Idee“

Was vor den Matches in Berlin gegen die Türkei und in Wien gegen Österreich als großer, wilder taktischer Kniff verkauft wurde – „Havertz als Linksverteidiger“ – ist in der Realität nicht anderes als ein etwas asymmetrisches 3-4-3. In Berlin gab also Havertz den linken Wing-Back (und er machte das auch recht gut), problematisch war aber, dass sein Gegenstück auf der rechten Seite – Leroy Sané – das mit der Defensivarbeit weitgehend verweigerte. Die Türken bohrten diesen eklatanten Schwachpunkt an und kamen zu einem 3:2-Sieg.

In Wien war nun Julian Brandt mit dieser Rolle betraut – im offiziell angegebenen 4-2-2-2 schien er als rechter Zehner auf und Havertz als Linksverteidiger.

All das ist per se nichts, was einen Fußball-Profi von Arsenal, Bayern, Dortmund oder Leverkusen kognitiv überfordern sollte – im Gegenteil. Das Problem ist nur: Im Verein hat man viel Zeit, solche Ideen zu verfeinern, Abläufe einzustudieren, Automatismen herzustellen. Als Nationaltrainer ist das ganz anders. Nicht von ungefähr ist der Klubfußball wesentlich schneller, komplexer, sportlich attraktiver als der Nationalteam-Fußball.

Schwächen kaschieren …

Die große Schwäche von Deutschland in den letzten Jahren ist es, dass es einfach keine Verteidiger von Welt-Niveau gibt. Innen kaum und außen schon gar nicht. In der letzten Auflage der halbjährlichen „Rangliste des deutschen Fußballs“ schafften es überhaupt nur fünf Außenverteidiger in der Liga in die Auflistung – ein Portugiese, ein Holländer und ein Franzose, dazu ein Deutscher, der mittlerweile aufgehört hat (Hector) sowie Benjamin Henrichs.

Diese Schwäche will kaschiert werden, und Nagelsmanns Plan war es, mit dem Überhang an guten offensiven Mittelfeldspielern den Ballbesitz vorne zu etablieren, um gar nicht erst in defensive Verlegenheiten zu kommen. Die gab es zwar auch schon in Hartford und Philadelphia gegen die USA und Mexiko, aber dort funktionierte zumindest das Rochaden und Ballkontroll-Spiel in der gegnerischen Hälfte.

…und Stärken ausspielen

Und hier kam die große Stärke des ÖFB-Teams in Spiel und der eklatante Unterschied, der zur DFB-Mannschaft augenscheinlich wurde. Österreich presste den ballführenden Deutschen konsequent an, aber nicht wild, sondern sehr kontrolliert und mit klaren Pressing-Triggern. Wenn die Deutschen Ballbesitz etabliert hatten, zog sich Österreich mit zwei Viererketten zurück.

In dem Moment, wo ein deutscher Spieler abdrehen musste, der Ball nach außen gespielt wurde – kurz: Wo nicht unmittelbar ein Steilpass in den Rücken der Pressingwelle drohte – liefen die Österreicher den Gegner an. Das war gleichzeitig risikominimierend, weil eben kaum die Gefahr bestand, in dieser Vorwärtsbewegung kalt erwischt zu werden.

Andererseits war es extrem effektiv, weil bei Österreich nach anderthalb Jahren mit 17 Spielen Rangnick tatsächlich jeder immer wusste, was wann wie wo zu tun ist. Bei den Deutschen, ohne Automatismen, fehlte das Tempo im Realisieren der Passoptionen bzw. zum Herstellen selbiger. Daher dauerte es oft zu lange bis zum Abspiel, daher waren sie leichte Opfer für das reibungslos funktionierende österreichische Pressing.

Deutschland neutralisiert

Havertz hatte Lainer und Posch gegen sich, zwei spezialisierte Balleroberer. Für Schlager und Seiwald im Zentrum ist sowieso genau das die Kernkompetenz. und vorne gab es mit Gregoritsch einen Zielspieler und mit Baumgartner eine sehr mobile zweite Spitze. Das österreichische Umschalten war sehr schnell, gewohnt direkt und die deutsche Verteidigung hatte dem nicht viel entgegen zu setzen. Hummels war noch nie schnell, Tah traf einige falsche Entscheidungen, an Goretzka flogen die Bälle vorbei.

Der gigantische Raum, der sich beim 1:0 bot, war in seinem Ausmaß geradezu schockierend und es war beleibe nicht die einzige derartige Szene.

Harmloser EM-Gastgeber

Nachdem sich Leroy Sané zu Beginn der zweiten Hälfte zu einer impulsiven Dummheit gegen Mwene hinreißen ließ und die rote Karte sah, ging Deutschland auf ein konventionelleres 4-4-1 – mit Henrichs links und Tah rechts hinten, dafür ging Havertz auf die rechte Mittelfeld-Seite. Deutschland sah im konventionelleren sofort stabiler aus, ohne aber viel zulegen zu können.

Als Österreich in der 74. Minute das 2:0 erzielt hatte – einer der schnellen Vertikalpässe von Alaba wurde von Zielspieler Gregoritsch auf Baumgartner weitergeleitet, der Hummels aussteigen ließ – hatte Deutschland nur ein einziges Mal ernsthaft auf das Tor von Alexander Schlager gezielt, das war nach einer halben Stunde. Erst danach kamen einige Torannäherungen, aber Österreich war dem 3:0 näher als Deutschland dem Ehrentor.

So geht Nationalmannschaft

Der Umstand, dass Österreich eine gutklassige – wenn auch nicht ganz der absoluten Elite zugehörende – Mannschaft ist, hat das Jahr 2023 gezeigt. Das gilt vor allem, wenn zumindest weite Teile des Stammpersonals auch auf dem Feld sind, so wie gegen Deutschland. Michael Gregoritsch neigt dazu, die (vermeintlich) leichten Chancen nicht zu nützen, um dann bei den komplizierten Dingen aufzutrumpfen – auch das zieht sich durch dieses Jahr, man denke an das Heimspiel gegen Estland.

Rangnicks ÖFB-Team ist der Prototyp einer gelungenen Nationalmannschaft: In der knappen Zeit, die einem am Trainingsplatz zur Verfügung steht, werden die Stärken so in die Spielstrategie eingebaut, dass die Schwächen so wenig wie möglich zum Tragen kommen. Dieser Spagat zwischen vielen Ideen und wenig Zeit erfordert eine besondere Arbeitsweise. Julian Nagelsmann wäre nicht der erste profilierte Klub-Trainer, der an diesem Spagat scheitert, und er wäre auch nicht der letzte.

Umso erstaunlicher, dass Rangnick – der noch nie ein Nationalteam trainiert hat – das offenkundig so gut hinbekommt.

Erwachsener Auftritt in Estland

Dazu passt auch der Auftritt beim letzten EM-Quali-Spiel fünf Tage zuvor in Tallinn. Das Match war für die bereits qualifizierten Österreicher von minimaler tabellarischer Bedeutung und für die am letzten Platz einzementierten Esten von gar keiner.

Wie so ein Spiel aussehen kann, haben wir im Herbst 2019 erleben müssen, keine 300 Kilometer südlich von Tallinn, in Rīga. Damals spielte ein wild zusammen gewürfelter und ziemlich offensichtlich in keinster Weise auf den Gegner eingestellter Haufen von Reservisten in Lettland so erbarmungswürdig aneinander vorbei, dass der bis dahin punktelose Letzte der wirklich nicht besonders starken Gruppe sogar 1:0 gewonnen hat.

Seriös und geduldig

Das Österreich von 2023 hat aber so gut wie nichts mehr mit dem Österreich von 2019 zu tun. Rangnick – womöglich auch vorsichtig nach dem unglücklichen Auftritt einer Experimental-Elf gegen Moldawien im September – schickte die Einserpanier auf das novembergatschige Feld und dieses bot einen hochseriösen, konzentrierten und geduldigen Vortrag.

Estland – Österreich 0:2 (0:1)

Man rückte in die vom estnischen 5-3-2 freigegebenen Halbräume vor, spielte keine riskanten Pässe und schüttelte Estland mit blitzschnellen Tempoverschärfungen durcheinander. Man war schnell und konsequent im Gegenpressing, leitete die estnische Spieleröffnung mit den in den Halbräumen zumachenden Baumgartner und Sabitzer ins Zentrum.

Zwei Schlampigkeitsfehler von Lienhart bescherten Estland Chancen, aber anders als im März in Linz ging der Außenseiter nicht in Führung und mit dem österreichischen 1:0 (schnelle Kombination über die linke Seite) und dem schnell folgenden 2:0 (Lienhart nach Eckball) war die Sache erledigt.

Österreich hat, was Deutschland nicht hat

Der deutsche Blick ging durchaus neidvoll auf das österreichische Team: Hier greift ein Rädchen ins andere, die Einheit funktioniert tatsächlich als Mannschaft, alle haben in ihrem Notenheft die selbe Seite aufgeschlagen und spielen im selben Takt.

Hinzu kommt, dass es vor allem in David Alaba eine gestandene Persönlichkeit gibt, die immer anspielbar ist, das Spiel lesen kann, dirigiert und der eine unumstößliche Autorität hat. Wie mühsam waren die jahrelangen Diskussionen, auf welcher Position er im Nationalteam am wertvollsten ist und die Freiheiten, die er sich in den späten Koller-Jahren nahm, beschädigten die Mannschaft und den damaligen Teamchef in einer ähnlichen Weise, wie dies nun bei Joshua Kimmich und dem DFB-Team der Fall ist.

Alaba hat seine Position gefunden, in Klub ebenso wie im ÖFB-Team, und er füllt die Regie-Rolle aus der Innenverteidigung mit so großer Präsenz, solcher Übersicht und solcher kognitiver Verlässlichkeit, dass ein Bruno Pezzey stolz auf ihn wäre. Die öffnenden Pässe von Instinkt-Fußballer Martin Hinteregger auf der selben Position waren eine der wenigen funktionierenden Moves der lähmenden Foda-Jahre. Die allumfassende Kontrolle, die der mittlerweile 31-Jährige ausstrahlt, stellt das allerdings in den Schatten.

Nicht davontragen lassen

Österreich hat sich in diesem Jahr souverän für die EM qualifiziert. Hat Belgien gefordert und Schweden zweimal besiegt – und das waren keine leichten Spiele, sondern solche, die zeitweise auf der Kippe standen und die Geduld, Ruhe und Vertrauen in die eigene Spielweise erforderten. Und man hat zum krönenden Abschluss den Deutschen ein krachende Ohrfeige verpasst.

Es fällt tatsächlich schwer, sich nicht vollends davontragen zu lassen und diese Truppe als die Wiedergänger des Wunderteams zu feiern, auserkoren um die Welt zu erobern. Tatsächlich hat es das Team unter Rangnick geschafft, mit einer aktiven Spielweise die Massen zu begeistern und das Happel-Oval, vom oft nicht anzusehenden Gewürge unter Foda fast schon aktiv aus dem Stadion vertrieben, mühelos mit begeisterten Fans zu füllen.

Nur: Eine unkritische Euphorie birgt die altbekannte Gefahr, ob der Fallhöhe sehr hoch werden zu lassen. Die Begeisterung war 1989 nach dem DDR-Spiel und den Testspielsiegen gegen Argentinien und Spanien gewaltig, aber das Team war längst nicht so gut, wie es den Anschein hatte – Landskrona hat viel zerstört. Die Begeisterung war 1997 gewaltig, aber das Team war über dem Zenit und war bei der WM am absteigenden Ast – Valencia hat viel zerstört. Die Begeisterung war auch 2015 gewaltig, aber das Team war zu grün auf diesem Niveau, zu dünn aufgestellt, Verletzungen und Formkrisen konnten nicht aufgefangen werden – die EM selbst hat viel zerstört.

Es ist denkbar, dass die aktuelle Truppe genau den Sweet Spot erwischt, in dem sie auf ihrem Höhepunkt zu einem großen Turnier antritt. Die Wahrheit ist, dass kaum eine Mannschaft derart präzise gecoacht zur EM im kommenden Sommer fahren wird wie Österreich. Wenige Nationalteams spielen einen so aggressiven, nach vorne gerichteten Stil wie das ÖFB-Team und von den sechs Teams im insgesamt nicht sehr beeindruckenden zweiten Topf ist Österreich wohl jenes, das die anderen wohl am ehesten nicht haben wollen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das österreichische Team sehr ausgeglichen und gut besetzt ist, aber von der reinen individuellen Qualität realistischerweise nicht zu den Top-10 am Kontinent gehört. Gerade bei Nationalteams, wo die Dichte an sehr guten Trainern viel, viel geringer ist als im Klub-Fußball, kann man hier einiges mit Hirnschmalz ausgleichen. Aber alles geht auch hier nicht.

Also: Genießen, ja. Gerne auch ein bisserl Schadenfreude in Richtung Deutschland, das gehört dazu. Frohsinn darüber, eine richtig coole Nationalmannschaft zu haben – auf jeden Fall! Aber auch nicht ganz ohne Netz den Boden unter den emotionalen Füßen verlieren.

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/11/22/oesterreich-fuehrt-deutschland-vor-wie-kam-es-und-was-heisst-das/feed/ 1
Mehr Erkenntnisse als Tore zwischen Blau-Weiß Linz und Lustenau https://ballverliebt.eu/2023/10/22/analyse-blau-weiss-linz-0-lustenau-0/ https://ballverliebt.eu/2023/10/22/analyse-blau-weiss-linz-0-lustenau-0/#respond Sun, 22 Oct 2023 12:34:36 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19345 Mehr Erkenntnisse als Tore zwischen Blau-Weiß Linz und Lustenau weiterlesen ]]> Aufsteiger gegen Schlusslicht: Besonders sexy klingt das Duell nicht. Aber das Match zwischen Blau-Weiß Linz und Austria Lustenau sagt durchaus etwas über den Verlauf des Abstiegskampf der heimischen Bundesliga aus, ebenso wie natürlich über die beiden Teams – die solide Basis mit der dünnen Offensive in Linz, das praktisch völlige Fehlen aller maßgeblichen Attribute in Lustenau.

Blau-Weiß Linz – Austria Lustenau 0:0

Sieben Niederlagen in Folge mit 2:20 Toren – Lustenau, in der abgelaufenen Saison als Achter souverän in der Liga geblieben und sogar im Europacup-Playoff – kam als siegloses Schlusslicht zum elften und letzten Spiel des ersten Durchgangs. Die Abgänge von Sechser Türkmen (in die Türkei), Linksverteidiger Guenouche (zur Austria) und Innenverteidiger Hugonet (in die 2. Liga in Deutschland) konnten nicht kompensiert werden.

Blau-Weiß war in den ersten Spielen nach dem Aufstieg von Gegnern und Tempo ein wenig überfordert, fand sich in den letzten Wochen aber immer besser zurecht – acht Punkte aus den letzten fünf Spielen, dem 1:0-Hit-and-Run in Salzburg inklusive, daheim immer noch sieglos, aber auch erst mit einer Niederlage. „Von Lustenau absetzen“ wollte sich Trainer Gerald Scheiblehner im direkten Duell.

Gute Grundlagen bei Blau-Weiß

Gegenüber dem Aufstiegsteam wurde für der Kader für die Bundesliga nur geringfügig verändert, der größte Handlungsbedarf entstand durch die Abgänge von Seidl und Mayulu (beide zu Rapid) im Angriff. Man holte sich den Deutsch-Iren Conor Noss von der Regionalliga-Mannschaft von Mönchengladbach, der sofort Stammspieler wurde, und den bulligen Stefan Feiertag aus Amstetten – das sind die Sphären, die das Budget des Liga-Neulings hergibt.

Umso mehr müssen die vorhandenen Spieler miteinander funktionieren. Das Spiel ist darauf ausgelegt, möglichst schon im Mittelfeld die Bälle zu gewinnen (vor allem Marco Krainz tat sich gegen Lustenau dabei hervor) und dann über zwei Kanäle nach vorne zu kommen: Entweder mit Pässen auf die Außenstürmer Noss und Mensah, die in den Strafraum ziehen – oder mit einem Anspiel auf Aufstiegsheld Ronivaldo im Angriffszentrum, der dann auf seine Nebenmänner ablegt.

Gleichzeitig wird darauf geachtet, immer mindestens eine, möglichst zwei defensive Passrouten offen zu haben. Es ist die kontrollierte Offensive: Man versucht schon, nach vorne zu kommen, aber nicht um jeden Preis und möglichst risikominimierend. Das 3-4-3 ermöglicht zudem eine solide Absicherung über die ganze Spielfeldbreite.

Stumpfe Offensive beim Aufsteiger

In den ersten Saisonspielen war die Abwehr noch ziemlich offen (drei Gegentore gegen Hartberg, zwei vom LASK, fünf von Rapid und vier von Sturm), hier hält man gegen die weniger potenten Angriffsreihen der Kontrahenten aus der unteren Tabellenhälfte deutlich besser dagegen. Das größte Problem bleibt aber die Offensive – 6:7 Tore gab es in den fünf Matches vor dem Duell mit Lustenau, alleine vier der Tore gelangen beim Sieg bei Wattens.

Wenn Ronivaldo eine bestenfalls mäßige Leistung zeigt, wie gegen Lustenau, fällt schon viel weg. Vor allem am potenziellen Assist hapert es, der „letzte Pass“: Blau-Weiß kommt, bei aller Spielkontrolle, so gut wie nie in gute Abschlusspositionen. Man war Lustenau in praktisch allen Belangen überlegen, mehr als zwei wirklich gute Möglichkeiten schauten dabei aber nicht heraus.

Völlig verunsicherte Lustenauer

Rein von den Resultaten her sind die Vorarlberger ganz ordentlich in die Saison gestartet – Auswärts-Remis in Hartberg und Wolfsberg, vertretbare Niederlagen gegen Sturm und die Austria – aber nach dem 0:3 im Derby gegen Altach ging es richtig bergab. Zu den Abgängen kam die Unruhe um Lukas Fridrikas (der seinen Unmut über den vom Klub verweigerten Transfer öffentlich kundtat) und die Verletzung von Kapitän und Abwehrchef Maak (in dessen Folge von 3-4-1-2 auf 4-2-3-1 umgestellt wurde)

Was die Spielidee sein soll, wurde beim Auftritt in Linz aber nie so richtig klar. Der Ball wurde im Mittelfeld verloren? Weder wurde dem Ballverlust nachgegangen, noch sich konsequent zurückgezogen. Einstudierte Laufwege? Pässe, vor allem im Mittelfeld, landeten in Dauerschleife irgendwo im Nirwana – jene gute Abstimmung, die die Linzer zeigten, fehlte Lustenau komplett. Im Gegenteil, man wirkte ob der zahlreichen Rückschläge in jüngster Vergangenheit völlig verunsichert.

Diaby und Linzer Schnitzer

Am ehesten gab es noch Vorstöße über die Außenbahnen, vor allem über Yadaly Diaby (der mit Fridrikas immer wieder die Seiten tauschte) – aber für jedes gute Dribbling des Clermont-Leihspielers aus Guinea folgen drei misslungene, sei es durch technische Annahmefehler oder dem verpassten Zeitpunkt des Abspiels. Sturmspitze Nikolaj Baden-Fredriksen war kaum mehr als körperlich anwesend, Fridrikas war wirkungslos, Surdanovic versuchte das Spiel zu lenken, aber es gab keine Impulse.

Lustenau wurde nur dann gefährlich, wenn die Blau-Weißen individuelle Schnitzer einbauten. Entgegen des Spielverlaufs landete der Ball zwar vor der Pause zweimal im Linzer Netz, aber beide Tore zählten wegen Abseitspositionen nicht. Vor allem in der Mitte der zweiten Hälfte wurde Lustenau ziemlich in die Seile gedrückt, erst in der Schlussphase befreite man sich etwas: Bobzien (statt Fridrikas) band mit seinen Dribblings Linzer Gegenspieler besser als Fridrikas vor ihm, dazu fehlte bei Blau-Weiß die Substanz von der Bank.

Fazit: Blau-Weiß mit besseren Karten – aber!

Für die Linzer war das 0:0 absolut eine verpasste Chance, den Abstiegsplatz zehn Punkte (bzw. fünf nach der Punkteteilung) hinter sich zu lassen. Das Match zeigte die Stärken und die Defizite des Aufsteigers exemplarisch offen: Immer voller Einsatz, gute Abstimmung, das Risikomanagement wurde den neuen Gegebenheiten in der Bundesliga angepasst – all das Eigenschaften eines soliden Teams, das sich um den Klassenerhalt keine großen Sorgen machen müsste. Aber: Der Angriff ist in dieser Form langfristig sicher nicht bundesligatauglich, der Offensiv-Output ist viel zu gering, es braucht zweifellos mehr Qualität im Kreieren von Torchancen.

Im Lustenauer Lager verkaufte man ihren über weite Strecken miserablen Kick in Linz tatsächlich als Fortschritt, was Bände über die bisherige Saison spricht. Dass man ohne Sieg und mit nur fünf eigenen Toren aus elf Matches überhaupt noch in Schlagdistanz zur Rettung liegt, hat mehr mit der ähnlich schwachen Saison von Wattens sowie der Aussicht auf die Punkteteilung zu tun. Viele der Attribute von Blau-Weiß fehlen den Lustenauern aber: Die Abstimmung ist inexistent, ein über individuelle Dribblings hinausgehender Offensivplan ebenso. Ja, die Defensive hielt stand, allerdings gegen einen Gegner ohne großen Punch.

Stand jetzt hat Blau-Weiß sicher ganz gute Karten im Rennen um den Verbleib in der Bundesliga, um den Handlungsbedarf wissen Trainer Scheiblehner und Sportdirektor Schößwendter selbst am Besten Bescheid. Lustenau muss sich in wesentlich mehr Bereichen steigern, damit es nicht wieder runter geht. Der Modus und vor allem Wattens lassen aber (noch) alle Möglichkeiten offen.

source: https://ballverliebt.substack.com/p/analyse-blau-wei-linz-0-lustenau

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/10/22/analyse-blau-weiss-linz-0-lustenau-0/feed/ 0
Mit zähem 1:0 in Baku bringt ÖFB-Team das EM-Ticket über die Linie https://ballverliebt.eu/2023/10/16/mit-zaehem-10-in-baku-bringt-oefb-team-das-em-ticket-ueber-die-linie/ https://ballverliebt.eu/2023/10/16/mit-zaehem-10-in-baku-bringt-oefb-team-das-em-ticket-ueber-die-linie/#respond Mon, 16 Oct 2023 21:57:11 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19307 Mit zähem 1:0 in Baku bringt ÖFB-Team das EM-Ticket über die Linie weiterlesen ]]> Mit einem 1:0 in Baku macht das ÖFB-Team den letzten Schritt und fixiert die Teilnahme an der EM 2024 auch rechnerisch. Angesichts des von Verletzungen ziemlich gerupften Kaders blieb nur eine Rumpftruppe übrig, die eine Halbzeit – ähnlich wie gegen Moldawien – ziemlich aneinander vorbei spielte. Nachdem einige zunächst zurückgehaltene Stammkräfte eingewechselt wurden, brachte ein Elfmeter-Tor die Wende, schön wurde es aber bis zum Ende nicht.

Aserbaidschan – Österreich 0:1 (0:0)

Das Personal

Zu Alaba, Arnautovic, Posch, Mwene, Trauner und Oniwiso gesellten sich auch Gregoritsch und Danso, die wegen Blessuren nicht im Flieger nach Baku saßen. Mit Prass (links) und Seiwald (rechts) begannen jene beiden Sechser/Achter, die gegen Belgien am Ende dort postiert waren, positionsfremd als Außenverteidiger im 4-1-4-1, Romano Schmid bildete mit Xaver Schlager das Mittelfeld-Duo vor Grillitsch, Flo Kainz begann links offensiv und Sasa Kalajdzic ganz vorne; Wöber verteidigte neben Lienhart.

Auf der Bank nahmen zunächst Sabitzer, Baumgartner und Wimmer Platz, das sollte noch wichtig werden. Die Vermutung liegt nahe, dass Rangnick diese zunächst bewusst zurück hielt, um im Falle des Falles Qualität nachschießen zu können.

Die erste Halbzeit

Eine gute Abstimmung ist im modernen, schnellen Fußball zur Grundvoraussetzung geworden – darum war auch das offensiv bewusst viel auf Improvisation basierende Spiel unter Foda so ungenau, langsam und chaotisch. Beim Rangnicks Pressing-Spiel ist diese Eingespieltheit umso wichtiger, weil die Strukturen hinter der Pressingwelle ebenso wie die Laufwege nach Ballgewinnen exakt sitzen müssen, um schnell vor das Tor zu kommen.

Dieser Truppe, die nie vor dem Match in Baku so zusammen gespielt hat und das auch nach Baku nie wieder tun wird müssen, fehlte all das logischerweise völlig. Die Laufwege passten oftmals nicht zu den gespielten Pässen, schnelle Kombinationen waren unmöglich. Hinzu kam, dass die Azeris in ihrem 3-4-1-2 mit den drei Offensivspielern recht geschickte Deckungsschatten stellten. Eine kurze Eröffnung auf Grillitsch war damit kaum möglich, lange Pässe kamen selten an und die Außenspieler wurden von den schnell im Block verschiebenden Azeris rasch isoliert.

Allenfalls über die rechte Angriffsseite über Laimer gelang es einige Male, zur Grundlinie zu kommen und von dort in den Strafraum zu flanken. Links setzte Kainz seine schwache Köln-Form fort; Schmid war bemüht, setzte aber kaum Akzente und Prass ließ einige Schwächen in der defensiven Zweikampfführung erkennen – aus diesen resultierten auch gefährliche Angriffe der Azeris.

Einziger auffälliger Pluspunkt war Sasa Kalajdzic, der als Zielspieler vorne in einigen Aktionen erkennen ließ, warum er vor seiner Verletzung schon drauf und dran war, wichtige Stammkraft zu werden: Er machte viele Bälle fest, hielt sie und ließ Mitspieler aufrücken und verteilte die Kugel auch auf engem Raum oft mit guten Ideen.

Die zweite Halbzeit

Dieses Trio blieb auch in der Kabine, in die es nach einer sehr zähen ersten Halbzeit mit 0:0 gegangen war. Rangnick stellte mit Baumgartner und Wimmer eine neue Flügelzange auf (Wimmer begann links, ging dann nach rechts); Sabitzer und Laimer gaben die Achter und Xaver Schlager – ja, Schlager – durfte nun den Linksverteidiger geben.

Zweite Halbzeit

Wie viel Einfluss die neue Besetzung gehabt hätte, wäre es länger 0:0 gestanden, ist unmöglich zu sagen, da praktisch mit der ersten Aktion erst ein Freistoß für Österreich entstand und aus diesem der Hand-Elfmeter, den Sabitzer zum 1:0 verwertete.

Mit der Führung konnte das ÖFB-Team nun das Spiel umstellen. Die Hausherren waren nun gefordert, selbst kreativ zu werden, und das können sie nicht besonders gut. Zuvor waren sie – ähnlich wie Österreich – nur gefährlich geworden, wenn sie Ballverluste beim Gegner provozierten und schnell umschalteten, spielerische Lösungen hatten die Azeris kaum.

An der Uhr drehen

Die österreichische Angriffskette konnte nun gezielt auf die Spieleröffnung von Aserbaidschan laufen, um ohne viel Mühe einen gezielten Aufbau zu verhindern. Die Message war relativ schnell klar: Selbst gelingt uns heute nicht viel, dann sagen wir eben „Danke“ für das 1:0 und bringen das über die Zeit.

Die letzten 25 Minuten sahen zunehmend aus wie ein Spiel aus der Foda-Zeit gegen einen vergleichbaren Gegner: Die Bemühungen nach vorne werden nicht grundsätzlich eingestellt, aber es wurde auch nicht nachgerückt – mehr als drei Österreicher waren nur bei Standards im Angriffsdrittel; der Rest verblieb als Absicherung, wenn auch nicht ganz so weit hinten wie unter Foda.

Die Defensive ist erstens diese Spielweise unter Rangnick nicht gewohnt und zweitens eben auch nicht eingespielt, dennoch gelang es gut, die Angriffe der Azeris möglichst durch die Mitte zu lenken, wo Wöber und Lienhart aufräumen konnten. Einmal, in der Nachspielzeit, rutschte aber ein Angriff durch – hätte Bayramov besser gezielt und nicht alleine vor Schlager stehend die Außen- statt der Innenseite des Pfostens getroffen, wäre das Spiel 1:1 ausgegangen.

Fazit: Job erledigt, um mehr ging’s nicht

Rangnick betonte nach dem Match, stolz auf die Truppe zu sein. Das nimmt man ihm auch ab, aber dass das Match in Baku nach dem doch recht vorzeigbaren Auftritt in Wien gegen Belgien inhaltlich nicht ganz nach seinem Geschmack war, wird er wohl auch nicht verleugnen. Vieles erinnerte an den Moldawien-Test in Linz vor fünf Wochen, nur ohne das frühe Gegentor, und die inhaltlichen Erkenntnisse sind die selben. „Das nicht eingespielte Team fand nie in den gewünschten Rhythmus, es lief alles ein wenig aneinander vorbei, vieles war umständlich, wenig war zwingend“, analysierten wir damals.

Angesichts der personellen Lage war es womöglich nicht ganz ohne Risiko, aber – so wie es letztlich gelaufen ist – wohl nicht ganz un-clever, sich drei der verbliebenen Stammkräfte für die zweite Halbzeit aufzuheben, wenn bei Aserbaidschan die Qualität durch die Wechsel eher runter geht. Mit Baumgartner, Sabitzer und Wimmer lief einiges runder, flüssiger.

Letztlich ging es ausschließlich darum, das Match irgendwie zu gewinnen. Man ist nach Baku gekommen, um einen Job zu erledigen, egal wie dreckig. Das wurde geschafft, dazu wurde mit dem Kurzauftritt von Guido Burgstaller – der Stürmer kam nach vier Jahren zurück ins Team, nur um zehn Minuten nach seiner Einwechslung in der Nachspielzeit ausgeschlossen zu werden – eine kuriose Nebengeschichte geschrieben.

Für die sportliche, spielerische und taktische Entwicklung unter Rangnick bedeutet dieses Spiel rein gar nichts. Dazu haben zu viele gefehlt, dazu war die Ausgangslage nicht angetan, es zählte einzig das Ergebnis. Gott sei Dank, wenn man die sich die Geschehnisse in Brüssel vor Augen führt.

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/10/16/mit-zaehem-10-in-baku-bringt-oefb-team-das-em-ticket-ueber-die-linie/feed/ 0
Österreich reagiert (zu) spät auf gnadenlose Belgier – 2:3 https://ballverliebt.eu/2023/10/14/oesterreich-reagiert-zu-spaet-auf-gnadenlose-belgier-23/ https://ballverliebt.eu/2023/10/14/oesterreich-reagiert-zu-spaet-auf-gnadenlose-belgier-23/#comments Fri, 13 Oct 2023 23:34:37 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19289 Österreich reagiert (zu) spät auf gnadenlose Belgier – 2:3 weiterlesen ]]> Am Ende wäre sich das Remis fast noch ausgegangen. Das ÖFB-Team von Ralf Rangnick liefert Belgien einen Kampf bis zur letzten Minute, unterliegt aber doch mit 2:3. Die Niederlage ist nicht unverständlich, hätte aber nicht sein müssen.

Beide Teams waren vor dem Spiel so gut wie sicher bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland dabei. Es war klar, den Vorsprung von 7 Punkten auf Schweden würden beide in den letzten drei Runden nicht mehr hergeben. Der Gruppensieg und wichtige Punkte für Setzranglisten waren aber im Spiel.

Enorm viele Ausfälle

Das musste beide ersatzgeschwächt antreten. Belgien musste auf Thibaut Courtois (Real), Kevin De Bruyne (ManCity), Leandro Trossard (Arsenal) und Thomas Meunier (BVB) verzichten. Österreich kam mit den Ausfällen von Marko Arnautovic (Inter), David Alaba (Real), Stefan Posch (Bologna), Philipp Mwene (Mainz) und Michael Gregoritsch (Freiburg), sowie den nicht vollfitten Marcel Sabitzer (BVB), Sasa Kalajdzic (Wolverhampton) und Christoph Baumgartner (RB Leipzig) argumentierbar sogar noch deutlich schlechter weg. Die Liste ließe sich noch fortführen.

Die Erwartungen vor dem Spiel mussten demnach als gedämpft gelten.

EM Quali 2024: Österreich gegen Belgien - Taktikanalyse

Rangnick musste improvisieren. Manprit Sarkaria (Sturm Graz) begann im Angriff, Nicolas Seiwald auf der ungewohnten rechten Verteidigerposition. Die Formation war mehr ein 4-2-3-1 als 4-4-2, zeigte sich am Feld aber ohnehin ziemlich flexibel. Das konterfixierte 4-4-2 von Domenico Tedescos Belgien war demgegenüber relativ geradlinig.

Flexibles ÖFB-System

Im Ballbesitz rückten Österreichs Außenverteidiger Seiwald und Maxi Wöber (Gladbach) gerne auf, Grillitsch kippte neben die Innenverteidigung heraus, um eine Dreierkette in einem 3-5-2 zu bilden. Damit schuf Österreich im Mittelfeld Breite und Überzahl im Zentrum. Wobei man vor allem versuchte, den Raum hinter der Mittelfeldlinie der Belgier mannstark zu besetzen. 4-5 Leute tummelten sich dort mitunter.

Spielte Belgien den Ball vom Tormann weg, stellte man sich hingegen in ein 4-1-3-2, in dem Grillitsch den Sechser und Baumgartner den zweiten Stürmer gaben. All die Bewegung war interessant anzusehen und hatte vor allem den Effekt, dass Belgien die meiste Zeit über taktisch deaktiviert schien. Eigene, zwingende Chancen gelangen Österreich über weite Strecken dann auch nicht. Dennoch zeigten sich eher verständliche Schwächen in der Abstimmung und auch eher unverständliche Konzentrationsfehler im Abspiel sorgten immer wieder für ungute Momente.

Die Belgier auf der anderen Seite ließen mit dem Ball die Außenbahnspieler Dodi Lukebakio (Sevilla) und Jeremy Doku (Manchester City) in die Angriffsreihe drängen, standen oft eher in einem 4-2-4. Über sie suchte man den direkteren Weg nach vorne – vor allem in den vielen Phasen, als die zentralen Stürmer bei der österreichischen Innenverteidigung gut aufgehoben waren. Die österreichische 5-Mann-Zustellversuche beim Spiel von hinten wurde entweder mit einem Abschlag weiter zurück gezwungen oder über die Breite doch oft zu einfach umspielt.

Qualität macht im entscheidenden Moment den Unterschied

Schlussendlich muss man in einem Spiel der vielen Ausfälle über die Qualität der Verbliebenen sprechen. Die machten den wesentlichen Unterschied. Das 0:1 (12.) durch Lukebakio entsprach zwar schon irgendwie der bereits angesprochenen belgischen Ausrichtung über außen durchzukommen – war aber auch keine zwingend herausgespielte Torchance, sondern einfach ein knappes Laufduell mit Philipp Lienhart (Freiburg), dass der rechte Flügel der Gäste auch aus der Balance kommend noch gut abschloss.

Auf der anderen Seite scheiterten die Österreicher bei ihren 2-3 größeren Chancen vor der Pause. Der deutlich vermehrte Ballbesitz versandete sonst zu oft. Belgien ließ hinter der Abwehr nicht viel Platz – damit verminderte man die Chance, dass der 36-jährige Innenverteidiger Jan Vertonghen (Anderlecht) auf sein Tempo getestet wurde. War die Möglichkeit doch einmal offen, machte Österreich entweder den Pass oder den Lauf nicht. Das bemühte und gut eingestellte Rumpfteam hatte merkbare Limitierungen in der Kreativität.

Auch nach der Pause hatte Österreich aber mehr vom Spiel, ohne ganz zwingend zu werden. Baumgartner setzte einen Weitschuss knapp daneben, Wöber traf aus spitzem Winkel das Tor nicht (Sarkaria hätte mit etwas mehr Selbstverständnis als Teamspieler vielleicht aus selbst was versuchen statt ablegen können).

Kurze Schockstarre bei Österreich

Die erste wirklich herausgespielte Aktion der Belgier setzte Romelu Lukaku (AS Roma) an die Latte. Österreich hatte Glück, die Rechnung glich sich aber umgehend aus. Ein kurz abgespielter Freistoß auf Lukebakio wurde gleich zwei mal abgefälscht und landete beim 0:2 (55.) im kurzen Eck.

Völlig überrumpelt wurde man dann drei Minuten später. Eigentlich in klarer Überzahl gegen zwei Angreifer schien der Schock vom Gegentor noch zu wirken. 1 cleverer Pass von Dolu, ein cleverer Lauf von Lukaku – 0:3. Folgerichtig aus dem Spielverlauf war nichts davon, viel vorzuwerfen hatte sich Österreichs improvisierte Elf auch nicht, aber die Kaltblütigkeit der Belgier war nunmal bei zumindest zwei der Treffer auch kein bloßer Zufall.

Im Rückblick ärgerliches Zögern

Ich hatte zu dem Zeitpunkt “Game over” auf dem Zettel notiert und dabei gar nicht viele Vorwürfe an die ÖFB-Elf gehabt. Was ich vermisste, war vielleicht ein früheres Eingreifen von der Bank. Ja, die Möglichkeiten waren beschränkt. Dass etwa Sabitzer und Kalajdzic einen Unterschied machen könnten, war auf der anderen Seite klar. Natürlich ist auch nicht unverständlich, dass man beide frisch Genesenen nicht unnötig früh riskieren wollte.

Das Spiel tröpfelte in der Folge vor sich hin. Rangnick reagierte schließlich in der 66. Minute mit einem Dreifachtausch. Muhammed Cham (Clermont), Kalajzdic und Samson Baidoo (Salzburg) kamen für Danso, Sarkaria und Baumgartner. Kurz darauf brachte Tedesco Johan Bakayoko (PSV) für Lukebakio und Rangnick noch Alexander Prass (Sturm Graz) für Wöber. In dem Moment hätte man das als “Spielpraxis geben” verzeichnen können. Wenn Rangnick der Meinung war, früher zu wechseln wäre unnütz gewesen, wäre das irgendwie verständlich. (Nach einem langen Tag wollte ich offen gesagt nicht mehr auf die Pressekonferenz nach dem Spiel warten, um es ihn zu fragen.) Kurioserweise widerlegte das ÖFB-Team die These jedenfalls in der Folge.

Österreich kommt doch noch zurück

In der 72. Minute erwachte Österreich dann plötzlich wieder. Konrad Laimer (Bayern) eroberte im Pressing den Ball selbst, machte Meter und zog ab. Nicht nur war das ein Tor, wie man sich das vermutlich im Gameplan so vorgestellt hatte. Anders als bei anderen Versuchen des Tages ging Laimer auch auf Platzierung statt Kraft, schlenzte den Ball ins Eck. 1:3 – das Happel erwachte.

Großchancen blieben bei Österreich dann aber erstmal aus. In der 77. Minute hätte es eine geben können, aber die ÖFB-Spieler verzichteten darauf, den Abschluss zu suchen.

Eine Minute später war die Hoffnung bei Österreich aber endgültig zurück. Amadou Onana (Everton) traf Xaver Schlager (RB Leipzig) etwas unglücklich, aber klar. Er sah Gelb-Rot. Rangnick brachte Sabitzer für Wimmer. Und kurz nach Minute 80 bekam Wout Faes (Leicester) den Ball im Strafraum an die Hand. Aus irgendeinem Grund übersah das nicht nur der Schiedsrichter – auch der Videoassistent brauchte eine Ewigkeit, um ein klares Handspiel zu erkennen. Zwischen dem Vergehen und dem Tor zum 2:3 vom Punkt durch Sabitzer vergingen mehr als drei Minuten.

Unzwingendes Drängen in Schlussphase

Tedesco nahm Bakayoku nach nur 17 Minuten wieder vom Platz, auch Doku vom Feld, wollte das Ergebnis irgendwie drüber bringen. Österreich kam noch zu einer Chance durch Grillitsch (90., ein Schuss etwas über das Tor), ansonsten verzögerte Belgien das Spiel aber über die Zeit.

Was dabei half? Die in der zweiten Spielhälfte bei 8 Wechseln, 4 Toren, einem Ausschluss, mehreren Verletzungspausen, einem 3 Minuten langen VAR-Check und minutenlangem, (quälend ungeahndeten) belgischem Zeitspiel mit 6 Minuten geradezu lächerlich bemessene Nachspielzeit. Der spanische Schiedsrichter Jesus Gil Manzano hat das Spiel sonst an sich gut gepfiffen. Die Zeitlupe gab ihm bei fast allen am ersten Blick im Stadion seltsam wirkenden Pfiffen recht. Er braucht aber eine Nachschulung beim Lesen der Uhr.

Fazit

Lange Rede, kurzer Sinn: Zwei stark ersatzgeschwächte Teams lieferten sich ein gut aufeinander eingestelltes Spiel, in dem je nach Vorliebe der etwas günstigere Spielverlauf oder die etwas höhere übrig gebliebene, individuelle Qualität den Unterschied machte.

Belgien ist nach diesem Sieg schon fix bei der EM 2024 und wird ziemlich sicher Gruppensieger. Wenn die roten Teufel am Montag erwartungsgemäß Schweden zumindest ein Unentschieden abringen oder Österreich gleichzeitig und gleichermaßen erwartungsgemäß in Aserbaidschan gewinnt (oder im November im Estland), fahren auch die Österreicher hin.

Man ist sehr versucht zu garantieren: Irgendetwas davon wird passieren. Vermutlich alles.

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/10/14/oesterreich-reagiert-zu-spaet-auf-gnadenlose-belgier-23/feed/ 2
Wie Leoparden gegen Hauskatzen: Das macht Bayer so stark https://ballverliebt.eu/2023/10/09/wie-leoparden-gegen-hauskatzen-das-macht-bayer-so-stark/ https://ballverliebt.eu/2023/10/09/wie-leoparden-gegen-hauskatzen-das-macht-bayer-so-stark/#respond Mon, 09 Oct 2023 06:34:27 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19230 Wie Leoparden gegen Hauskatzen: Das macht Bayer so stark weiterlesen ]]> Sieben Runden sind in der deutschen Bundesliga gespielt, und es führt nicht Bayern – sondern Bayer. Was macht Leverkusen so stark, dass der einzige Punktverlust das 2:2 in München war? Beim geradezu beängstigend überlegenen 3:0 im Derby gegen Köln zeigten sie vieles davon. Was die beiden ÖFB-Teamspieler Flo Kainz und Dejan Ljubicic dem entgegen setzen konnten? Nun ja… sehr wenig.

Leverkusen – Köln 3:0 (2:0)

Seit fast genau einem Jahr ist Xabi Alonso Trainer von Bayer Leverkusen, und der designierte Ancelotti-Nachfolger bei Real Madrid hat Bayer schnell seinen Stempel aufgedrückt. Er führte das Team in der letzten Saison national von Platz 17 auf Rang fünf und in der Europa League ins Halbfinale. Dort, gegen die Roma, war ganz deutlich die Qualität im Kader der limitierende Faktor, nicht der Trainer.

Im Sommer hat sich Leverkusen klug verstärkt, womit Xabi Alonso nun vollends seine Idee vom Fußball umsetzen kann. Der passsichere Mittelfeld-Muskel Granit Xhaka (von Arsenal), der schnelle Flügelspieler Álex Grimaldo (von Benfica), der fleißige Allrounder Jonas Hofmann (von Gladbach) und der bullige Angriffsblitz Victor Boniface (von Union St.-Gilloise) waren die Puzzlesteine, die gefehlt haben.

1. – Das Tempo

Köln, ganz schlecht in die Saison gestartet und als Tabellenletzter ins Match gegangen, stellte sich in einem 4-1-3-2 auf und wurde komplett überrollt. Leverkusen spielte um so vieles schneller, athletischer und gedankenschneller, ließ den Ball so viel flinker rotieren – es sah aus, als würde man das Bayer-Spiel in 1,5-facher Geschwindigkeit ablaufen lassen, während Köln in Normalgeschwindigkeit unterwegs ist.

2. – Raus aus dem Deckungsschatten

Aufeinander abgestimmte und einstudierte Laufwege sind beim Tempo des modernen Fußballs schon lange eine Unerlässlichkeit. Besonders auffällig bei Leverkusen ist, wie konsequent diese bereits in der Spieleröffnung wichtig sind. Hier wird das Credo von den zwei Anspielstationen, die sich immer ergeben müssen, mit hoher Präzision vollzogen.

Köln hatte fünf Spieler gegen die Eröffnung der Leverkusener Dreier-Abwehr, dennoch gelang es nie, Deckungsschatten zu etablieren. Die Spieler von Bayer waren immer in Bewegung, erkannten Räume, bewegten sich in diese hinein – aber niemals zwei in den gleichen. Das „Juego de Posicion“, das Alonso einst als Spieler in München bei Guardiola vermittelt bekommen hat, impft er nun als Trainer seinem Team in Leverkusen ein.

3. – Die Ballzirkulation

Die schnellen Pässe und die rasante Ballzirkulation folgen einem klaren Endzweck – nämlich, die Formation des Gegners so zu manipulieren, dass sich außerhalb des gegnerischen Blocks (zumeist in der Breite) die Räume ergeben. Die kurzen Abstände zwischen den Bayer-Spielern ermöglichen diese schnellen Pässe, sie locken aber auch die Kontrahenten in Ballnähe – weil diese natürlich selbst danach trachten, den Raum für Bayer eng zu machen.

So leicht wie die Kölner machen es die meisten Teams den Leverkusenern zwar nicht, aber gegen den Effzeh war es besonders frappant zu erkennen: Sobald man den Kölner Block in Richtung Ball orientiert hatte, gab es ein, zwei, drei Pässe und schon war die Kugel auf der anderen Seite des Feldes, weit und breit kein Gegenspieler und ab geht die Post. Das Tor zum 2:0 war ein gutes Beispiel dafür, dass das auch im Strafraum funktioniert.

4. – Das Erkennen von Räumen

Grundsätzlich hat jeder Spieler bei Xabi Alonso eine sehr genaue Rollenbeschreibung, wobei die Formation an sich nicht streng immer gleich ist – zumeist kommt Bayer aus einem 3-4-2-1, manchmal – wie gegen die Bayern – wird auch auch ein schiefes 4-4-2 gewechselt. Entscheidend ist, wie man am Besten das System des Gegners ausnützen kann.

Schlüsselrollen kommen dabei jenen Spielern zu, die direkt hinter der Spitze (zumeist, wie auch gegen Köln, Boniface) spielen; in der Regel sind dies Florian Wirtz und Jonas Hofmann. Diese haben scheinbar alle Freiheiten, vertikal zu verschieben – aber all das folgt natürlich auch einem genauen Plan und auch hier ist es das Ziel, viele Spieler in Ballnähe zu bekommen, um den Gegner dorthin zu locken und dann in den sich bietenden Raum dahinter zu bespielen.

Köln machte es Leverkusen durch die Eigenheiten des 4-1-3-2-Systems besonders leicht, weil sich neben Sechser Martel in den defensiven Halbräumen Platz ergab, weil die Außenspieler gegen das rauten-ähnliche Kölner Mittelfeld Platz hatten, weil sich Martel nicht alleine um Wirtz UND Hofmann kümmern konnte, nachdem von Kainz und Huseinbasic nicht immer Hilfe zu erwarten war. Dann rückte auch im Ballbesitz gerne einer der äußeren Innenverteidiger auf und sorgte zusätzlich für Überzahl.

5. – Das Pressing

Die Kölner Spieler waren permanent in einer Doppelmühle gefangen: Es schien egal, wie sie sich bewegten, alles machte Räume für Bayer auf. Liefen die den Leverkusener an, war der Rückraum blank. Blieb man, kam von irgendwoher ein weiterer Leverkusener daher, der lockerleicht angespielt werden konnte.

Gegen Köln hatte Bayer in jedem Bereich des Feldes eine Überzahl. Natürlich drei gegen zwei in der Abwehr. Dann zwei gegen einen in jedem Bereich des Mittelfeldes – alle drei nominell offensiven Kölner Mittelfeld-Spieler hatte sofort zwei Leverkusener gegen sich. Martel gegen Wirtz und Hofmann. Das Bayer-Gegenpressing sorgte für Hast und Ungenauigkeit im Kölner Ballbesitz, das Angriffspressing erstickte jeden Versuch eines kontrollierten Aufbaus von Köln schon im Ansatz.

Und Köln?

Bei Köln von einem „Pressing“ zu sprechen, würde der Sache nicht gerecht. Es war – vor allem verglichen mit dem griffigen, rasanten Anlaufen von Bayer – kaum mehr als ein lauwarmes Antraben, welches den Leverkusenern nicht mal ein Lächeln kostete. Wenn doch mal draufgerannt wurde, sicherte im Rücken keiner ab, gerade bei Kainz war das häufig zu sehen. Dieser krasse Gegensatz zum Spiel des Gegners vermittelte auch in Körpersprache und Herangehensweise den Eindruck eines Duells von Hauskatzen gegen Leoparden.

Da sich die Effzeh-Spieler kaum einmal in Ruhe aufdrehen konnten, wurde oft sehr schnell der direkte Weg nach vorne gesucht, wo sich Alidou und Selke aber nicht in Szene setzen konnten. Vieles wirkte improvisiert oder aus der Not geboren, aber nicht besonders planvoll.

Trainer Baumgart reagierte in der Pause, indem er auf ein 4-4-1-1 umstellte (Alidou ging auf die rechte Außenbahn, Huseinbasic neben Martel ins defensive Zentrum). Die Mittelfeld-Kette stand dabei sehr eng, mutmaßlich um Bayer die Hoheit im Zentrum etwas zu nehmen, gleichzeitig gab es aber Platz auf den Außen, die wiederum Kossounou als aufrückender Innenverteidiger zu bespielen half. Bayer ist schon so gefestigt, dass man nur kurz an zwei Schräubchen drehen muss, um auf einen sich verändernden Gegner zu reagieren.

Die totale Unterlegenheit von Köln vor allem im Mittelfeld wird auch dadurch deutlich, dass Ljubicic, der 90 Minuten auf der Zehn bzw. als hängende Spitze agiert hat, nur exakt fünfmal den Ball im Mittelkreis beführt hat; Kapitän Flo Kainz hatte keinen einzigen Ballkontakt im Umkreis von fünf Metern zum Mittelkreis.

Einmalige Chance für „Vizekusen“

Am Ende hieß es 3:0 für Leverkusen und Köln hatte es hauptsächlich Keeper Marvin Schwäbe zu verdanken, dass es nicht höher wurde. Natürlich: Es spielte hier der Tabellenführer gegen den Letzten, es sah ein wenig aus wie ein Spitzenteam der Premier League daheim gegen ein gutes, aber nicht zur Spitze gehörendes Team aus der österreichischen Bundesliga. Echte Aussage darüber, was Leverkusen kann, geben natürlich andere Spiele eher, wie das hochverdiente 2:2 bei den Bayern oder der 3:2-Sieg zum Saisonstart in Leipzig. Den Europacup kann man in der vermutlich schwächsten Europa-League-Gruppe bis Weihnachten problemlos nebenher laufen lassen.

Sehr wohl aber war dieser Sieg gegen den Nachbarn von der linken Rheinseite eine klare Aussage darüber, was genau das Leverkusen unter Xabi Alonso so stark macht. Das Tempo, die Laufwege, das Passspiel, das Positionsspiel, die Spielintelligenz, das extrem exakte Pressing – an diesem Team werden sich noch einige Gegner die Zähne ausbeißen.

Kann Bayer aber tatsächlich erstmals Meister werden? Klar scheint, dass diese Saison eine einmalige Chance darstellt. Zum einen, weil die Bayern immer noch in der Findung sind, weil Dortmund schwächelt, weil Leipzig immer mal wieder Punkte lässt. Vor allem aber, da klar scheint: Nach dieser Saison ist Xabi Alonso weg, wechselt zu Real Madrid – eine Besetzung, die ebenso seit Jahren designiert scheint wie jene von Xavi beim FC Barcelona.

Spielt Real dann so wie Leverkusen jetzt, dürfte Xabi Alonso dort nicht nur eine sehr spektakuläre, sondern auch sehr erfolgreiche Zeit für ihn und den Verein folgen. Leverkusen hat in den letzten 25 Jahren schon öfter spannenden, innovativen Fußball erlebt – aber nie die Luft gehabt, das auch mit Trophäen zu untermauern. Ein UEFA-Cup-Sieg 1988 und ein DFB-Pokal-Sieg 1993 stehen zu Buche, dafür viele Near-Misses. Kann aus „Vizekusen“ kann 2023/24 durchaus ein Meisterkusen werden? Möglich ist das, aber den Benefit Of The Doubt hat dieser Klub nicht.

source https://ballverliebt.substack.com/p/wie-leoparden-gegen-hauskatzen-das

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/10/09/wie-leoparden-gegen-hauskatzen-das-macht-bayer-so-stark/feed/ 0
So hat’s der LASK gegen Liverpool angelegt https://ballverliebt.eu/2023/09/21/lask-liverpool-europa-league/ https://ballverliebt.eu/2023/09/21/lask-liverpool-europa-league/#respond Thu, 21 Sep 2023 21:39:03 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19175 So hat’s der LASK gegen Liverpool angelegt weiterlesen ]]> Liverpool hier, Liverpool da: In der oberösterreichischen Landeshauptstadt (und in Bad Leonfelden nahe der tschechischen Grenze, wo der Klub logiert hat) gab es in den letzten Tagen nur ein einziges Thema. Das Spiel und dessen Ausgang selbst war da fast zweitrangig. Am Ende gab es eine 1:3-Niederlage des LASK, der einige Zeit sogar in Führung gelegen war.

Und wie haben es Thomas Sageder und seine Truppe angelegt?

LASK – Liverpool 1:3 (1:0)

Für die Linzer war es womöglich das bedeutsamste internationale Heimspiel seit dem 1:0 gegen Inter Mailand vor 38 Jahren – für Liverpool ein Match gegen ein unbekanntes Team aus einer in England völlig unbeachteten Liga, das es halt zu absolvieren gilt, möglichst ohne was liegen zu lassen.

Da konnte Jürgen Klopp noch so sehr betonen, dass ihm das Spiel selbstverständlich wichtig ist: Aber wenn am Ende doch nur drei, vier echte Stammkräfte einlaufen, ist die Realität eben die, dass es für Liverpool ein Ligacup-Spiel mit längerer Anreise war. Ryan Gravenberch (auf der Acht) und der erst 17-jährige Ben Doak (rechts vorne) gaben ihr Startelf-Debüt für die Reds, Wataru Endo war zum zweiten Mal bei einem Anpfiff auf dem Platz, Bajcetic spielte out of position rechts hinten statt des angeschlagenen Trent Alexander-Arnold, Caoímhin Kelleher hütete statt Alisson das Tor.

Der LASK bleibt sich treu

Nach einem holprigen Start in die Saison ist der LASK unter dem neuen Trainer Thomas Sageder spürbar in Schwung gekommen. Nach dem Jahr mit stabilem, aber zuweilen staubigem Fußball mit Individual-Fokus (Stichwort Nakamura) soll Sageder, in Wolfsburg Co-Trainer von Oliver Glasner, wieder etwas mehr Glasner-Fußball spielen lassen. Dafür opferte er den langjährigen Mittelfeld-Anker Peter Michorl, weil für seine Spielidee Robert Zulj wichtiger ist – und mehr als einen Spieler, der zu langsam für das konsequente Anlaufen ist, will sich Sageder nicht erlauben.

Auch gegen Liverpool lief der LASK in einem 3-4-3 mit Zulj als leicht zurückhängendem Mittelstürmer ein und auch gegen Liverpool traute man sich, aktiv nach vorne zu verteidigen. Sprich: Schon jenseits der Mittellinie lief jeweils einer der schnellen Spitzen Havel und Ljubičić situativ die Spieleröffnung von Liverpool an, während Zulj und der ballferne Stürmer Endo und den ballfernen Liverpool-Innenverteidiger in Manndeckung nahmen.

Auf den Seiten isolieren

Mit Zulj offensiv, Horvath und Jovičić dahinter sowie mit den Richtung außen schiebenden Ljubičić und Havel machte der LASK den Mittelkreis dicht, zumal Liverpool ohnehin lieber über die Außen aufbaut und zwischen Elliott, Endo und Gravenberch sichtlich keine Abstimmung herrschte. Der LASK schob, sobald der Liverpool-Außenverteidiger die Mittellinie erreicht hatte, im Verbund so nach außen, dass dort eine 3-gegen-1-Überzahl hergestellt wurde.

Das bremste Liverpool oft, aber nicht immer. In einigen Situationen gelang es den Gästen, die Pressingwelle zu durchbrechen, dann ging es schnell in Richtung Strafraum. Ziereis und Luckeneder haben ihre Schwächen in der Spieleröffnung (weshalb das Spiel unter Kühbauer auch so solide, aber der Aufbau auch oft so behäbig wirkte), sie sind aber sehr patent im Kerngeschäft als Verteidiger. Sie drängten die anstürmenden Gegenspieler zumeist gut ab und ließen selten wirklich gute Abschlusspositionen zu.

Liverpool erhöht das Tempo…

Die Führung der Linzer durch einen Weitschuss nach einer Ecke erlaubte es dem LASK umso mehr, sich auf das Spiel gegen den Ball zu verlegen und die B-Elf der Gäste hatte es bis zur Pause nicht geschafft, den Ausgleich zu erzielen. Dieser sollte erst in Folge eines eher patscherten als bösen, aber doch elfmeterwürdigen Fouls von Ziereis an Díaz in der 56. Minute gelingen.

Schon zu Wiederbeginn war Liverpool sichtlich daran gelegen gewesen, im Teamverbund höher zu stehen, die Linzer weiter hinten zu beschäftigen, mehr Körper in den Strafraum zu bekommen und im Angriffsdrittel das Tempo höher zu halten. So gesehen war der Ausgleich in der Entstehung unnötig, nichtsdestoweniger hatte er sich aber schon ein wenig angedeutet. Einige Minuten später bekam der LASK einen jener Tiefendurchbrüche, die der Spielweise geschuldet waren, nicht verteidigt und es stand 2:1 für Liverpool.

…und zieht die Daumenschrauben an

Der Favorit hatte das Spiel kippen lassen und Klopp brachte unmittelbar vor dem 2:1 bereits Szoboszlai und Mac Allister (für Endo und Doak) sowie Joe Gomez (für Bajcetic) und danach kam auch Salah (für Gravenberch). Klopp konnte die Daumenschrauben anziehen, Sageder hatte seine besten Leute schon auf dem Platz und denen ging spätestens ab der 70. Minute spürbar die Luft aus. Die Eingewechselten (Mustapha und Koné, dann Roma-Leihgabe Darboe) brachten keine Wende.

Immer mehr waren die Linzer nun einen Schritt hintennach, körperlich eine Spur zu kaputt, Gedanklich eine Spur zu langsam, auch die Technik-Defizite gegen Weltstars aus der Premier League kamen öfter zum Vorschein. Salah trickste kurz vor Schluss noch das 3:1 über die Linie, geschlagen war der LASK aber schon vorher.

Was sagt das Spiel über den LASK?

Die Linzer waren dem großen Namen über weite Strecken ein absolut kompetenter Gegner – eine Halbzeit lang auf jeden Fall, bis zumindest zur 65. Minute lässt sich diese Feststellung auf jeden Fall argumentieren. Freilich wird das Personal der Reds am Sonntag gegen West Ham ein anderes sein und eine Augenhöhe mit den Gästen lässt sich aus einer starken Stunde gegen die B-Elf der Reds selbstverständlich nicht ableiten.

Sehr wohl aber hat der couragierte Auftritt gezeigt, dass der taktische Reset, den Sageder durchführen sollte, schon wesentlich schneller ins Selbstverständnis der Spieler vorgedrungen ist, als es die katastrophale Leistung beim Liga-Start gegen Rapid und der ziemlich dünne Auftritt danach bei Sturm befürchten ließen. Es ist aber das eine, gegen Lustenau zu dominieren und im Mittelfeld genug Platz zu haben, dass Horvath nach Laune aufdrehen, dribbeln, schauen und lenken kann.

Es ist aber schon noch etwas anderes, auf europäischer Ebene gegen Liverpool so draufzugehen, dass die Abwehrlinie 40 Meter vom eigenen Tor entfernt ist und sich sicher zu sein, dass man schon so im neuen System und der neuen Strategie gefestigt ist, dass man mit Durchbrüchen des Gegners schon zurecht kommen wird. Es geht darum, das Vertrauen in die Spielweise so zu verinnerlichen, dass einem die defensiven Risiken, die diese Strategie in sich birgt, weniger wehtun als einem die offensiven Möglichkeiten, die diese Strategie bietet, bringen.

Dieses Vertrauen hat den LASK in der Glasner-Zeit und dem Jahr unter Ismael stark gemacht. Dieses Vertrauen ist unter Thalhammer sukzessive verloren gegangen, Wieland konnte es nicht zurückbringen. Kühbauers Safety-First-Zugang – verbunden mit der Leistungs-Explosion von Keito Nakamura, die dem Verein 12 Millionen Euro ab Ablöse einbrachte – war, was der verunsicherte Klub gebraucht hat.

Der LASK ist noch längst nicht zurück, wo er schon mal war. Von Salzburg gar nicht zu sprechen, ist auch Sturm in der Entwicklung der aktuellen Mannschaft um Jahre weiter als das Sageder-Projekt, das sieben Liga-, ein Cup- und drei Europapokalspiele alt ist. Die Entwicklung der letzten Wochen – und auch dieses Spiel gegen Liverpool – dürfen aber einen vorsichtigen Optimismus untermauern, dass die Richtung stimmt.

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/09/21/lask-liverpool-europa-league/feed/ 0
Analyse: Sturm Graz 2, Salzburg 2 https://ballverliebt.eu/2023/09/17/analyse-sturm-salzburg-2023/ https://ballverliebt.eu/2023/09/17/analyse-sturm-salzburg-2023/#respond Sun, 17 Sep 2023 09:00:37 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19139 Analyse: Sturm Graz 2, Salzburg 2 weiterlesen ]]> Vor ihren Europacup-Matches gegen die Lissaboner Großklubs kreuzte das Top-Duo der österreichischen Bundesliga die Klingen. Sturm Graz und Salzburg, beides Teams mit aggressivem Spiel gegen den Ball, lieferten sich eine intensive und teilweise hektische Partie, die am Ende keinen Sieger fand.

Sturm Graz – Salzburg 2:2 (0:1)

Salzburg spielt am Mittwoch bei Benfica, Sturm empfängt am Donnerstag Sporting. Für die Tabelle könnte dieses erste von vier Liga-Saisonduellen das am wenigsten bedeutsame gewesen sein, aber es schien beiden Teams sehr wichtig zu sein, beim Gegner Eindruck zu hinterlassen.

Sturms Pressingtrigger

Die klare Strategie bei Sturm war es, die Salzburger Außenverteidiger zu attackieren. Sobald aus der Innenverteidigung ein Ball in Richtung Terzić oder Dedić kam, sprinteten Hierländer bzw. Prass auf diese zu. Wegen des Salzburger Rauten-Systems war der Longline-Pass keine Option, damit war dieses Anlaufen ein ziemlich probates Mittel, einen kontrollierten Salzburger Aufbau zu verhindern.

Sobald Salzburg über der Mittellinie war, verzichtete Sturm hingegen auf ein Anlaufen und anstatt Salzburger beim Spielen der Pässe zu hindern, ging es den Grazern hier vor allem darum, das Annehmen der Pässe zu unterbinden oder zumindest zu stören. Die Salzburger sind individuell gut genug, um hier zumindest dennoch den Ballbesitz zu behaupten, es gelang aber zunächst nicht, allzu große Gefahr auszustrahlen: Bis zur Feuerwerks-Unterbrechung in der 21. Minute gab es nur einen Abschluss innerhalb des Strafraums. Danach verlor Sturm den Faden ein wenig und geriet auch – durchaus nicht unverdient – in Rückstand.

Sturms Offensivplan bestand vor allem darin, die Bälle schnell vertikal zu die Spitzen zu bringen. Mit überschaubarem Erfolg: diese 50-Meter-Pässe kamen so gut wie nie an und die Fehlpassquote von exorbitanten 48 Prozent (!!!) spricht eine klare Sprache über die Absichten. Lange Anspiele mit geringer Erfolgsquote – aber wenn doch mal einer ankommt und durchrutscht, wird’s gefährlich.

Salzburger Asymmetrie

Die Salzburger setzten eher auf Gegenpressung und sie machten das enge Mittelfeld-Zentrum zu Nutze. Hier verdichteten sie extrem schnell rund um den Ball, sobald Sturm diesen in diese Zone hatte bzw. ihn dort eroberte. Der Mittelkreis gehörte komplett den Gästen, Sturm hatte hier überhaupt keinen Zugriff.

Auffällig war bei Salzburg auch die asymmetrische Interpretation des 4-3-1-2. Der linke Achter Kjærgaard links stand wesentlich höher als der rechte Achter Bidstrup. Gäste-Trainer Struber hatte offenkundig Gazibegović als Schwachpunkt in der Sturm-Abwehr ausgemacht und testet diesen damit: Zum einen verschob Stürmer Konaté immer wieder weit in Richtung Außenlinie, zum anderen lockte Salzburg den Grazer Block oft auf die linke Abwehrseite – es folgte der schnelle Seitenwechsel und Terzić bzw. Kjærgaard hatten viel Raum, auf dem Gazibegović etwas allein gelassen wurde.

Die Grazer erspielten sich in der ersten Halbzeit keine einzige zwingende Torchance, auf der anderen Seite musste Sturm-Keeper Scherpen diverse Male eingreifen. Die 1:0-Pausenführung des Meisters war absolut korrekt.

Ausgleich und Adaptierungen

Wenige Minuten nach Seitenwechsel schweißte Kiteishvili nach einem Eckball einen Weitschuss eher aus dem Nichts zum 1:1-Ausgleich unter die Latte und die Grazer adaptierten ihr Angriffspressing. Nun wurden nicht nur die Außenverteidiger angelaufen, sondern auch die Innenverteidiger Piątkowski und Baidoo. Der Pole reagierte, indem er die Bälle auf Keeper Schlager zurückpasste, der ÖFB-U21-Teamspieler drosch die Kugel blind nach vorne.

Es war dies die gefährlichste Phase der Grazer und ein extrem gescheiter kurzer Pass von Kiteishvili in den Rücken des aus seiner Position gezogenen Gourna-Douath auf Sarkaria leitete das 2:1 für Sturm in der 63. Minute ein.

Grant steigt, Genauigkeit sinkt

In den folgenden Minuten eskalierte die bis dahin intensive, aber nicht bösartige Partie, Zündpunkt war die Entscheidung auf Elfmeter wenige Minuten nach der Sturm-Führung (der eingewechselte Koita verwertete zum 2:2). Die Entscheidung von Referee Weinberger, nachdem sich dieser die Bilder angesehen hat, war für Sturm schwer zu akzeptieren und Weinberger – der Ruhe auszustrahlen versuchte, dabei aber eher unsicher wirkte – bekam die Emotionen überhaupt nicht mehr eingefangen.

Die Genauigkeit in den Aktionen sank in dieser hektischen Phase auf beiden Sieten, Sturm ließ sich von den Umständen aber etwas mehr beeinflussen. Salzburg war sichtbar bemüht, den Fokus auf die taktische Marschroute zu legen, Ballbesitz zu etablieren und schnell Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Der Meister kam in der Schlussphase auch noch zu einigen Abschlüssen, die Grazer nicht mehr.

Fazit: Grazer bleiben Salzburgs größte Gefahr

Nach dem Spielverlauf ist es ein eher unglückliches Remis für Sturm, nach den nackten Zahlen ein eher glückliches, am Ende geht das 2:2 so in Ordnung. Wie schon in der vergangenen Saison ist Sturm Graz weiterhin das einzige Team in der Liga, das Salzburg voll fordern kann und gegen das sich die Bullen wirklich 90 Minuten lang anstrengen müssen. Das schaffen die anderen Mannschaften in Phasen, aber nicht annähernd so konstant wie die Grazer.

Trotz allem sind die Salzburger doch das komplettere und vor allem facettenreichere Team – obwohl sie selbst einen weiteren personellen Umbruch hinter sich haben. Sturm hatte eine klare und effektive Strategie, den Spielaufbau von Salzburg zu behindern und es war sichtlich in jedem Abschnitt des Platzes genau definiert, wer was wie wann zu machen hatte. Dazu kommt ein Tausendguldenschuss der Marke „Tor des Monats“ und ein wirklich starker Torhüter.

Die größeren spielerischen Lösungen hatten aber die Salzburger. Was das Manipulieren der Räume und den Raumgewinn mit Ballkontrolle angeht, waren die Bullen den Grazern deutlich überlegen und Struber konnte auch früher höhere Qualität nachschießen als Ilzer, der – vom Stürmer-Wechsel Bøving statt Włodarczyk in der Pause abgesehen – bis in die Nachspielzeit keine Wechsel mehr vornahm. Prass wurde da wohl eher wegen akuter Gelb-Rot-Gefährdung vom Platz genommen, er blieb in der Schlussphase der im Ballbesitz konzentrierteste Grazer.

Angesichts der Erfahrungen der letzten beiden Saisonen und weil sowohl der LASK (im inhaltlichen Umbruch) und Rapid (zu unkonstant) zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, ist Sturm aber fraglos das aktuell einzige heimische Team, das Salzburg über die Saison gesehen fürchten muss. Der Serienmeister hat die größeren Personalreserven und ist daher vor allem in den Matches gegen den Rest der Liga besser dafür ausgerüstet, nicht doch zwei-, dreimal zu oft Punkte liegen zu lassen.

Aber die direkten Duelle versprechen auch in dieser Saison attraktive Angelegenheiten zu bleiben.

]]>
https://ballverliebt.eu/2023/09/17/analyse-sturm-salzburg-2023/feed/ 0