Live – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Wed, 20 Nov 2024 10:39:07 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Der ÖFB und sein Team: Gut gemeint und doch auf die Nase gefallen https://ballverliebt.eu/2024/11/19/nations-league-ofb-slowenien-kasachstan-rangnick-mitterdorfer-gartner/ https://ballverliebt.eu/2024/11/19/nations-league-ofb-slowenien-kasachstan-rangnick-mitterdorfer-gartner/#respond Tue, 19 Nov 2024 15:13:01 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20837 Der ÖFB und sein Team: Gut gemeint und doch auf die Nase gefallen weiterlesen ]]> Nein, nötig wäre das nicht gewesen. Ist es wirklich ein sportliches Drama? Naja. Österreich hat in den Schlussminuten des Heimspiels gegen Slowenien noch den Sieg hergeschenkt und mit dem 1:1 den Direktaufstieg in die A-Gruppe der Nations League verpasst. Verschmerzbar, es gibt ja eh noch das Aufstiegsplayoff, und selbst wenn man in der B-Gruppe bleiben sollte – eigentlich wurscht. Der erste Topf für die WM-Quali ist sich gerade noch ausgegangen, das ist sicher wichtiger.

Aber die beiden abschließenden Spiele der vierten Nations League sind aus österreichischer Sicht ein Spiegelbild des Krawalls im ÖFB, der eben nicht hinter den Kulissen stattfindet, sondern auf dem Altar der Öffentlichkeit.

Klare Parallelen

Das Team erledigte einen potenziell unangenehmen Job beim 2:0 in Kasachstan ohne Drama. Dann, in einem voller Erwartung ausverkauften Happel-Stadion, ist man gegen Slowenien voll auf Kurs, kommt aber vor der Ziellinie ins Straucheln und fällt auf die Nase, wird für seine Versäumnisse bestraft.

Im Präsidium war davor die von Präsident Klaus Mitterdorfer angestrebte Strukturreform durchgegangen, alles sah eigentlich fein und zukunftsträchtig aus: Ein CEO, dazu ein Abteilungsleiter Sport (Peter Schöttel) und ein Finanz-Chef, also die Neuhold-Rolle. Als mögliche Geschäftsführer kursierten zunächst der aktuelle Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer – dem im Frühjahr potenziell unangenehme Verhandlungen zum neuen TV-Vertrag ins Haus stehen – und der international bestens vernetzte ehemalige Bundesliga-Vorstand Georg Pangl, nun auch die von Mitterdorfer vorgeschlagene ehemalige Postbus-Chefin Silvia Kaupa-Götzl.

Und dann zerbröselt die Stimmung in schlechter Kommunikation und den verbalen Giftpfeilen, die sich die Beteiligten über die Medien gegenseitig zuwerfen: Die Mannschaft für Neuhold. Gartner gegen Rangnick („Man muss aufpassen, wo er hingaloppiert“). Alaba gegen Gartner (der verletzte Kapitän bezichtigt NÖFV-Präsidenten, unterstützt von OÖ-Präsident Götschhofer, bezüglich der von Gartner verbreiteten angeblichen Streik-Drohung der Spieler nun offen der Lüge). Mitterdorfer kann nur noch versuchen, die Brände auszutreten.

Wir erleben die größten Chaos-Tage im ÖFB seit dem Winter 2001/02, als Beppo Mauhart irgendwie einen Präsidenten Frank Stronach verhindern wollte und gleichzeitig ein neuer Teamchef gesucht wurde

Das 2:0 in Kasachstan

Dabei hat ja allgemein gefallen, was die Repräsentanten des ÖFB in diesem Jahr auf dem Rasen gezeigt haben, ach ja, Fußball wurde ja auch gespielt. Dem EM-Katerfrühstück im September (nur 1:1 in Slowenien, 1:2-Niederlage in Oslo) folgte die schwungvolle Auferstehung im September (4:0 gegen Kasachstan, gar 5:1 gegen Norwegen). Die Rechnung war klar: Zwei Siege in den letzten zwei Spielen, und Österreich ist Gruppensieger.

Der Flug ist lang, das Wetter kalt, das Stadion nicht mal halbvoll und der Gegner kann unangenehm sein – aber Österreich war in Kasachstan von der ersten Minute an da. Wie schon beim souveränen 4:0 in Linz war das ÖFB-Team wieder wach im Pressing, man ließ die Kasachen kaum Zeit am Ball und wenn die Hausherren doch mal am österreichischen Strafraum waren – wie in der 10. Minute – wirkte das so „hui, wir sind im Angriffsdrittel, ähm…. was mach ma jetzt? Na, versuch du was! Was? Keine Ahnung…“

Der kasachische Block ließ sich relativ leicht mittels Überladungen ins Zentrum ziehen, wodurch Posch extrem viel Raum zum Aufrücken hatte, zudem waren die beiden Ketten alles andere als kompakt – der einrückende Romano Schmid machte sich dort immer wieder anspielbar. Das 1:0 nach einer Viertelstunde wurde genau über so einen Pass rechts neben den in die Mitte geschobenen kasachischen Block vorgetragen, vor dem 2:0 versprach Marotchkin der Ball, was ihn zu einer Notbremse zwang. Der Freistoß saß, Kasachstan war einer weniger, das Match entschieden.

Österreich blieb griffig und giftig und die Kasachen (dann im 4-4-1) rissen den Zwischenlinienraum noch weiter auf, das war ein richtiger Ozean. Das ÖFB-Team bearbeitete diesen nach Belieben hätte bis zur Halbzeit schon auf 5:0 stellen können und nach nach dem Seitenwechsel gab es zwei, drei gute Aktionen, die jedoch nicht mit einem Tor endeten. So ab der 60. Minute wurde immer noch vorne draufgegangen, im eigenen Aufbau von hinten entwich jedoch das Tempo und die Bereitschaft zu Risikopässen. Das Spiel schlief ein wenig ein und plätscherte dem Endstand von 2:0 entgegen.

Das 1:1 gegen Slowenien

Da sich Norwegen am Donnerstag in Slowenien durchgesetzt hatte, brauchte Österreich auch im abschließenden Heimspiel gegen die Slowenen einen Sieg für Platz eins in der Gruppe und den direkten Aufstieg. Die Gäste überließen erwartungsgemäß dem ÖFB-Team den Ball und störte die Eröffnung.

Das sah in der Praxis so aus, dass die Stürmer Šeško und Vipotnik das österreichische ZM in den Deckungsschatten stellte und Timi-Max Elšnik aus dem Mittelfeld aufrückend und die österreichische IV anlaufend einen Eröffnungspass provizierte. Das in den schwarzen Trikots zum 50. Jubiläum der Kooperation mit Puma spielende ÖFB-Team löste diese Situationen zwar gefahrlos auf, situativ kippte Seiwald dafür ab. Es gelang aber nicht, etwa durch den entstehenden Raum zwischen Gnezda-Čerin und Mlakar hindurch nach vorne zu kommen.

Österreich vermied Risikopässe und achtete darauf, möglichst nicht in billige Ballverluste zu laufen. Wie in Kasachstan verdichtete man im Zentrum, Slowenien gab aber längst nicht so bereitwillig die Außenbahnen her. Die beste Route zum Tor ergab sich für Österreich, wenn man Slowenien aufgerückt erwischte – wie eben beim 1:0 nach einer halben Stunde. Ein Konter gegen Slowenien im eigenen Stadion, wenn sich die Gelegenheit ergibt, muss man sie auch nützen.

Allerdings: Das Bemühen, sich in den Zwischenlinienraum zu arbeiten und dort durch zu kommen, zeitigte ebenso immer wieder Erfolg. In der 33. Minute, als es aber knapp abseits war. In der 35. Minute, als Oblak gegen Baumgartner parierte. Wie Sabitzer, der in der 61. Minute aus aussichtsreicher Position zum Abschluss kam. Wie in der 64. Minute, als Sabitzer verzog. Defensiv schaffet es Österreich gleichzeitig, Šeško nie Tempo aufnehmen zu lassen.

Es war sicher nicht jene ultimative Glanzleistung, als die es Rangnick nach dem Spiel am ORF-Mikro zu verkaufen versuchte (was auch sicher eher als Signal und nicht als Analyse zu werten war), aber eine professionelle und konzentrierte, seriöse Darbietung, der einzig das Tor zur Entscheidung gefehlt hat. Erst, als nach 70 Minuten die Intensität kräftebedingt nachließ, konnte sich Slowenien etwas mehr ins Spiel einbringen. Matjaž Kek brachte einen neuen Flügelspieler, Rangnick beließ die Startformation hingegen bis kurz vor Schluss auf dem Feld.

Ohne neue Impulse und vor allem ohne frische Beine war es Österreich nun kaum mehr möglich, offensive Akzente zu setzen. Es ging darum, zumindest das 1:0 über die Zeit zu bringen. Bis Österreich in der 81. Minute einmal das slowenische Anlaufen nicht gut auflöste, Pentz‘ Befreiungsschlag beim Gegner landete und via Karničnik der völlig freie Gnezda-Čerin bedient wurde, der zum 1:1 abdrückte. Der Sieg war verspielt, damit der Gruppensieg.

We seem to have a knack for miscommunication…

Norwegen gewann gegen Kasachstan 5:0 und staubte diesen ab. Ärgerlich aber nicht tragisch. Also wieder Vorhang auf für das Bühnenstück im ÖFB. Komische Oper? Schicksalsschwangere Tragödie? Oder gar eine Farce?

Mitterdorfer jedenfalls hat eben im Oktober die Strukturreform durchgebracht, das geht nicht ohne zerschlagenes Porzellan. Wenn die Fraktion der üblichen Verdächtigen im Präsidium beleidigt ist, soll das so sein, es gibt wahrlich Schlimmeres. Es sollte wohl keinen offensichtlichen Sieger im seit Jahren tobenden Machtkampf zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und Wirtschafts-Vorstand Bernhard Neuhold geben (zumal Neuhold eine Rolle beim Aus von Gerhard Milletich gespielt hatte), dann müssen halt beide gehen – vom Blick von außen: nachvollziehbar. Dass sich Trainerstab und Mannschaft dabei öffentlich für den als umgänglich und professionell geltenden Neuhold in den Kugelhagel warfen, war aus ihrer Sicht notwendig, entsprechend verständlich war die verschnupfte Reaktion auf dessen Ausbootung. Fünf seiner sechs Monate Kündigungsfrist sind noch übrig.

Dass davor über Monate die Kommunikation zwischen Mitterdorfer und Rangnick zusammengebrochen war bzw. sein soll, sickerte erst nach der entscheidenden Präsidiumssitzung am 18. Oktober durch. Ein Eigentor von Mitterdorfer: Bei der Präsidiumssitzung im August war Rangnick dabei und dort forderte er weitere Schritte in Richtung Professionalisierung des vor allem auf Entscheider-Ebene immer noch ziemlich kleinmütig aufgestellten ÖFB. Die Blockadehaltung vor allem von NÖFV-Präsident Johann Gartner, der diese gerne und oft öffentlich vertritt, kann Mitterdorfer nicht entgangen sein. Umso fahrlässiger, dass er den starken und öffentlich überaus beliebten Teamchef für seine Pläne nicht näher an sich band, sondern im Gegenteil durch (kolportierten) fehlenden Kontakt von sich weg schob.

…that stabbed us in the back this time.

Nun ist Mitterdorfer, der als Macher und Reformer in die ÖFB-Geschichte eingehen hätte können, in einer Lose-Lose-Situation: Er hat das Präsidium UND die Mannschaft verloren. Und ein Sicherheit vermittelndes Signal an die Angestellten der ÖFB-Geschäftsstelle – wo sehr viele „Team Neuhold“ waren und nur sehr wenige „Team Hollerer“ – war die Vorgehensweise eher auch nicht.

„Wenn ich in meiner Teamchef-Zeit zu Präsident Mauhart gesagt habe, ich brauche dieses oder jenes, konnte ich mich darauf verlassen, dass er sich darum kümmert“, sagte Herbert Prohaska im ORF, angesprochen auf die öffentlich beleuchteten Bruchlinien innerhalb des ÖFB. Nun verband Beppo Mauhart mit Prohaska eine Nibelungentreue, wie sie wohl kein ÖFB-Präsident jemals mit einem der 27 anderen Teamchefs hatte. Die Machtfülle von Mauhart und die Strukturen innerhalb des Verbandes waren in den 1990ern aber noch anders als das Standing von Klaus Mitterdorfer im heillos zerstrittenen ÖFB-Präsidium.

Is this the end of the line?

Eine mögliche vorzeitige Vertragsverlängerung von Rangnick über die WM-Kampagne für 2026 hinaus wurde intern, wie kolportiert, seit Monaten auf Eis gelegt. Der Teamchef selbst tat das in seiner PK-Rede vor dem Flug nach Kasachstan aber ohnehin als nicht besonders pressierendes Thema ab – wird das WM-Ticket verpasst, wäre er sowieso von sich aus weg. Übrigens: Rangnick ist schon jetzt der viertälteste Teamchef der ÖFB-Geschichte (nach Brückner, Baric und Happel).

Rangnick wird jedoch eine Verlängerung über 2026 hinaus, dieses Urteil lässt seine bisherige Vita zu, auch von der Art und Weise abhängig machen, wie sich das Umfeld im ÖFB in den kommenden anderthalb Jahren entwickelt. Auf einen unprofessionellen Jahrmarkt der Eitelkeiten hat er keine Lust und mit dem muss er sich jetzt schon seit zweieinhalb Jahren herumschlagen.

Fraglos schwebte das Damoklesschwert eines schnellen Rangnick-Abgangs über der Abstimmung über die Struktur-Reform am 18. Oktober. Die nötige Zustimmung mit Zwei-Drittel-Mehrheit (die einzige, mit der aus seiner Sicht nicht gegebenen Zuständigkeit des Präsidiums für so eine Reform begründeten Gegenstimme kam von Josef Geisler aus Tirol, der sich im TT-Interview aber als Unterstützer des Teams in der Causa Neuhold präsentierte; Salzburg und Oberösterreich enthielten sich) wohl auch deshalb zustande, weil niemand derjenige sein wollte, der von mit Mistgabeln bewaffneten Nationalteam-Fans für eine Rangnick-Flucht ans Kreuz genagelt wird.

Dass einige von ihnen 2017 im Zuge der Ruttensteiner- und Koller-Entsorgung sogar vom ORF als Dorftrottel an die Öffentlichkeit gezerrt und als Karrieristen mit bestenfalls beiläufigem Sinn für die tatsächlichen Interessen des heimischen Spitzenfußballs gebrandmarkt wurden, haben die Landespräsidenten nicht vergessen. Es hat ihnen nicht gefallen.

Hinzu kommt: Mehrheitlich handelt es sich um Langzeit-Präsidenten, die nicht mehr lange in ihrem Amt sein werden. Götschhofer und Bartosch (beide 66) sowie Lumper (62) sind in Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg in ihren letzten Amtsperioden, sie gelten aber ohnehin als unverdächtig, was persönliches Machtstreben angeht. Salzburgs Ewig-Landeschef Herbert Hübel (66) hat sich vor zwei Monaten zurückgezogen, Geisler (69) hat seine letzte, bis 2028 laufende Amtszeit begonnen. Dieses Quintett wird die reduzierte Rolle der Landes-Chefs im ÖFB-Präsidium nicht mehr betreffen.

Sedlacek (69) hat sich dafür in Wien erst letztes Jahr in eine vierte Amtszeit wählen lassen und Gartner (73), im Jahr 2002 (!) erstmals NÖFV-Präsident, kann sich eine weitere Amtsperiode durchaus vorstellen.

Noch nicht lange amtieren Mitterdorfers Nachfolger in Kärnten, Jurist Martin Mutz (51), Salzburgs Übergangs-Chef Wolfgang Zingerle (65) sowie Georg Pangl (59) im Burgenland. Dieser macht keinen Hehl daraus, das Amt des ÖFB-Präsidenten anzustreben – aber nur hauptamtlich. Ob sich das bis zur nächsten Wahl in einem halben Jahr ausgeht? Zweifelhaft. So viel Reform auf einmal, und der ÖFB ist ein verkrustetes Schlachtschiff, kein agiles Startup.

Cos that would be a crime!

Wo bei alledem die Mannschaft selbst steht? Nun, sie steht vor Aufstiegsspielen für die A-Liga der Nations League (am 22. November wird einer aus dem Quartett Belgien, Serbien, Ungarn, Schottland zugelost) und vor einer WM-Qualifikation, die man als Team aus Topf 1 in Angriff nehmen wird.

Das heißt: Frankreich, Spanien, England, Deutschland, Portugal, Italien, Niederlande, Belgien, Kroatien, Dänemark und die Schweiz kommen als Gegner nicht in Frage. Die zwölf Gruppensieger fahren direkt zur WM nach Nordamerika, die Zweiten müssen in ein zweistufiges Playoff. Keine Frage: Die Voraussetzungen, sich erstmals seit 1998 für eine WM-Endrunde zu qualifizieren, sind so gut wie in den letzten sieben Turnieren vermutlich nie.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich durch den verbandsinternen Wirbel nicht Umwälzungen ergeben, welche diesem Ziel Knüppel zwischen die Beide werfen.

Cos that would be a crime.

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Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/ https://ballverliebt.eu/2024/10/18/osterreich-norwegen-kasachstan-nations-league/#comments Fri, 18 Oct 2024 21:27:52 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20738 Die Aktivität ist zurück: Österreich siegt 4:0 und 5:1 weiterlesen ]]> „Wenn man so gar nichts von seinen Stärken zeigt, obwohl alle Gelegenheiten dafür da gewesen wären, ist das nicht gut.“ Die ersten beiden, sehr schaumgebremsten und auch vom Resultat her unbefriedigenden Länderspielen nach der EM, hinterließen etwas Ratlosigkeit: Negativer Ausreißer oder doch mehr?

Das 4:0 gegen Kasachstan und das 5:1 gegen Norwegen – und hierbei vor allem die Art und Weise des Auftritts, nicht nur die nackten Zahlen – stellten nun klar: Die Enttäuschungen vom September zeigten nicht das neue, blutleere Gesicht des EM-Achtelfinalisten. Sie bleiben aber das Mahnmal dafür, wie das ÖFB-Team aussieht, wenn die geistige Bereitschaft für das aufwändige Spiel nicht zu hundert Prozent gegeben ist.

Das 4:0 gegen Kasachstan

Der Wille, den gehemmten Eindruck vom September zu revidieren, war schon in den ersten Minuten des Matches gegen Kasachstan zu erkennen. Die Probleme, sich gegen tief stehende Gegner durchzukombinieren, sind bekannt – nicht zuletzt ganz frappant zu sehen gewesen im EM-Achtelfinale gegen die Türkei – und das ÖFB-Team hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie es sich gar nicht erst auf endlos-brotlose Ballstaffetten einlassen muss.

„Der beste Spielmacher war das Gegenpressing“, sagte Teamchef Ralf Rangnick nach dem Spiel und das war auch genau so gemeint. Österreich schlug immer wieder die Bälle vor das kasachische Tor bzw. in die grobe Richtung der Sturmspitzen. Gar nicht so sehr, um die Pässe direkt an den Mann zu bringen, sondern vor allem, um den Bällen nachzupressen und sie sofort zu erobern, weil die technisch recht limitierten kasachischen Verteidiger wenig damit anzufangen wussten und auch sofort ein Schwarm von Österreichern über sie herfiel.

Zudem gab man mit diesen Bällen dem unsicheren Torhüter Igor Shatsky die Möglichkeit, Fehler zu machen und Österreich holte auf diese Weise auch einen Eckball nach dem anderen heraus – alleine in der ersten Halbzeit waren es acht, am Ende des Spiels hieß die Eckenbilanz 14:3 für die Hausherren.

Es waren vielleicht nicht explizit absichtliche Ballverluste, um das Gegenpressing auszulösen, aber es ging schon deutlich in diese Richtung.

Leistung für die innere Hygiene

Das 1:0 durch Baumgartner fiel justament aus einer jener Situationen, in denen Kasachstan den Ball hinten gegen das scharfe österreichische Pressing nicht schnell genug und schon gar nicht kontrolliert nach vorne gebracht hat und den Gästen kam es überhaupt nicht gelegen, dass man eben nicht in Ruhe den Strafraum verbarrikadieren konnte. Kasachstan kam nie wirklich in die von Stanislav Tcherchessov gewünschte und etwa beim 0:0 gegen Norwegen und danach auch beim knappen 0:1 gegen Slowenien in anständiger Qualität gezeigte, eigene Spielweise.

Nach der Pause fielen auch die Tore, um innerhalb kürzester Zeit mit dem 2:0 und dem 3:0 alles klar zu machen, am Ende hieß es 4:0 und das war natürlich auch in der Höhe absolut korrekt. Dass man gegen Kasachstan gewinnen würde (und das auch muss), stand nie ernsthaft zur Debatte, es ging aber in der Tat mehr um das „Wie“ als um das „Was“. Gelingt es, wieder ein willigeres, aktiveres Gesicht zu zeigen als im September?

Die klare Antwort war „Ja!“ und damit versicherte man sich auch selbst, dass es kein grundsätzliches Problem war vor allem beim Spiel in Oslo, sondern eine mentale Blockade, entstanden aus den psychischen Nachwirkungen des zu frühen EM-Aus und den spezifischen Umständen des Spiels (Norwegens lange Bälle, die man nicht verteidigt bekam und das Doppelmühle-Spiel, das Sørloth und Ødegård mit Prass veranstalteten).

Das 5:1 gegen Norwegen

Der klare Sieg gegen Kasachstan war schön, aber es wurde auch deutlich, dass dieses Team das eindeutig schwächste der Gruppe ist. Wie soll man also gegen Norwegen jene Problemfelder umgehen, die in Oslo so schlagend wurden – sprich: Wie kann Österreich das eigene Spiel aufziehen, ohne Norwegen wieder ins offene Messer zu laufen?

Einer der größten Faktoren waren die Pressingauslöser. Es wurden die norwegischen Innenverteidiger vor allem dann mit Macht angelaufen, wenn sie mit dem Rücken zum Spielgeschehen standen – also nicht unmittelbar die Gefahr eines langen norwegischen Passes bestand. Wenn die Gäste es schafften, diese erste Welle zu überspielen – wie in der 6. Minute – hatten sie im Zentrum sofort Platz, was gleich mit einem Pfostenschuss von Håland bestraft wurde.

Oder – wenn doch ein langer Ball in Richtung des österreichischen Sechserraumes geflogen kam – verdichtete Österreich so rasch in dieser Zone, dass Norwegen eben nicht ungehindert die zweiten Bälle aufsammeln konnten. Dazu ging das ÖFB-Team wiederum früh durch Arnautovic in Führung, Baumgartner hatte ausnahmsweise zu viel Platz im norwegischen Zwischenlinienraum gehabt, konnte quasi ungehindert vor das Tor, ähnlich wie schon beim 1:0 gegen Kasachstan.

Österreich war danach sehr bemüht, die Kontrolle über das Spiel zu etablieren, indem Ballbesitzphasen ausgedehnt wurden – auch gegen das Anlaufen der Norweger. Im Zweifel mal ein Rückpass, jeder Ballführende hatte immer eine Exit-Option. Zwischen der 20. und der 25. Minute gab es eine Phase von 41 Pässen, nur von einem norwegischen Befreiungsschlag unterbrochen, die in einem Torschuss von Baumgartner mündete. Es folgte eine weitere Ballbesitzphase mit 27 Pässen. Zwischen 21:15 und 25:15 Minuten Spielzeit gab es nur drei norwegische Ballkontakte: der erwähnte Befreiungsschlag sowie danach Torhüter Nyland und Pedersen, der den Ball dann wegdrosch.

Norwegen mit untauglichen Mitteln

Norwegen machte den Zwischenlinienraum zu und verdichtete dort extrem, wenn Österreich da rein wollte. Da macht die Gestaltung zäh und zwang Österreich auf die Flügel – mit der Führung im Rücken hatte das ÖFB-Team aber keine Veranlassung, das mit aller Macht verhindern zu wollen. Zudem hatte Norwegen versucht, durch ein Hochschieben von Thorsby die österreichische Eröffnung zu behindern. Aber weil sich Seiwald (gegebenenfalls auch Laimer) zurückfallen ließ und Österreich so aus einer Dreierkette eröffnete, hatte das für Norwegen nicht den erhofften Effekt.

Der aus einem Freistoß resultierende 1:1-Ausgleich kurz vor der Pause – Pentz war auf der Linie geklebt – kam aus dem Nichts, sollte sich aber dank des reichlich ungeschickten Elfmeter-Fouls von Hanche-Olsen wenige Sekunden Beginn der zweiten Halbzeit nicht als nachhaltige Spaßbremse erweisen. Damit war Norwegen wieder gezwungen, selbst mehr zu tun, nun fiel das Fehlen von Martin Ødegaard so richtig ins Gewicht: Das Mittelfeld-Zentrum war kreativ tot, Linksaußen Nusa war vor der Pause kaum involviert und nach einer Stunde ausgewechselt; der wuchtige Ryerson hatte mit dem wuseligen Mwene große Probleme und Håland hing wie Sørloth in der Luft.

Österreich hingegen ging weiter drauf. Posch bedrängte nach einer Stunde Møller-Wolfe an der norwegischen Torlinie so sehr, dass letzterer einen Eckball hergab – der landete zum 3:1 im Netz. Wenig später behauptete der sehr fleißige Arnautovic, wie schon zuvor in vielen Situationen, von drei Norwegern bedrängt im Zehnerraum den Ball, erlaubte den Mitspielern das Aufrücken und er bediente Sabitzer, der schließlich das 4:1 assistierte.

Norwegen wusste nicht so recht, ob man das Ergebnis aufzuhübschen trachten sollte oder doch das 1:4 verwalten, und schon fing man sich aus einem Konter das 1:5. Vor allem Flanken aus dem Halbfeld auf die zweite Stange erwiesen sich als für Norwegen kaum zu verteidigen.

Wenn alles passt, ist es immer noch gut

Die norwegischen Medien übergossen ihr Team mit einer Lawine der Kritik. Knut Espen Svegaarden etwa, Beatwriter des norwegischen Teams für die größte Boulevard-Zeitung VG, sprach gar von der „katastrophalsten, peinlichsten Halbzeit Norwegens in meinen 40 Jahren als Sportjournalist“. Besonders bitter, weil Norwegen ja vor gerade mal einem Monat in Oslo auf Augenhöhe mit Österreich agiert habe und sogar gewonnen hat.

Aber war das da wirklich so? „Das sind wir“, betonte Marko Arnautovic nach dem 5:1 von Linz ins ORF-Mikro. Das in Oslo im September, das war nur ein Schatten des österreichischen Teams. Norwegen sah damals auf Augenhöhe aus, weil Österreich wirklich schlecht war, vermutlich das schlechteste Spiel der bisherigen Amtszeit von Ralf Rangnick abgeliefert hat. Das von Linz, das ist der tatsächliche Leistungsunterschied. Vielleicht nicht vier Tore, das war auch situationsabhängig. Aber spielt Österreich, was Österreich kann, kann Norwegen nicht mal hinschnuppern.

Die Art und Weise, wie Österreich diese beiden Spiele absolviert hat ist beruhigend. Die Ergebnisse sowieso. Aber, auch wenn ein 4:0 und ein 5:1 natürlich ein super Statement sind – hier ging es um das Selbstverständnis und um die Erkenntnis: Wenn die passende Strategie ordentlich umgesetzt wird, ist Österreich zu stark für die Gegner im B-Zug der Nations League. Wenn es aber nicht passt – der Gegner einen am falschen Fuß erwischt, das unglückliche EM-Aus noch im Hinterkopf ist, kein Druck ausgeübt wird – geht es eben auch gegen die Truppen aus dem B-Zug der Nations League schief.

Österreich hat den Gruppensieg nun in der eigenen Hand, Siege in Astana sowie in Wien gegen Slowenien reichen fix zum direkten Wiederaufstieg in die A-Gruppe. Spielt man so wie in den beiden Oktober-Matches, gelingt das. Spielt man so wie im September, eher nicht.

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Fehlstart in die Nations League: Warnschuss beim Erwartungs-Management https://ballverliebt.eu/2024/09/12/fehlstart-nations-league-osterreich-slowenien-norwegen/ https://ballverliebt.eu/2024/09/12/fehlstart-nations-league-osterreich-slowenien-norwegen/#comments Thu, 12 Sep 2024 05:48:30 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20474 Fehlstart in die Nations League: Warnschuss beim Erwartungs-Management weiterlesen ]]> Ein eher unglückliches 1:2 gegen die Türkei hat die EM früher als nötig beendet. Grundsätzlich war die EM okay, doch der Start in die Nations League ging völlig in die Hose, man kann’s schon als Blamage werten. Aber immerhin: Nach dem 1:4 gegen Georgen hat Tschechien durch einen 3:2-Sieg über die Ukraine die Kurve noch bekommen, wie es scheint.

Zugegeben, das war jetzt ein eher plumper Kunstgriff zum Einstieg. Die reinen Resultate sagen nicht immer alles aus. „Der Optimismus ist gekommen, um zu bleiben“, hieß es an dieser Stelle nach Österreichs knappen Achtelfinal-Aus gegen die Türkei, und: „Anders als in der Vergangenheit passen Zielsetzung und Leistungen nun tatsächlich zueinander“, weswegen „der bei Niederlagen in großen Spielen sonst immer einsetzende typisch österreichische Fundamental-Fatalismus längst nicht so ausgeprägt ist“, wie man das von früher kennt.

Und nun fängt die Post-EM-Zeit mit einem 1:1 in Slowenien und einer 1:2-Niederlage in Norwegen an. Und in beiden Spielen wäre ein Sieg auch nicht verdient gewesen. Resultate sagen nicht immer alles aus, nein. Aber besser als die Resultate waren die Leistungen Österreichs ja auch nicht.

Ganz andere Spiele als bei der EM

Wie wichtig ist diese Nations League für Österreich? Sportlich gesehen: nicht besonders. Natürlich sollte man aus einer Gruppe mit Slowenien, Norwegen und Kasachstan als Stärkster hervorgehen, aber selbst wenn nicht: Auch als Zweiter spielt man Aufstiegs-Playoff und wenn man in der B-Liga bleibt, macht das in Wahrheit auch keinen echten Unterschied.

Sehr wohl wichtig ist dieser Herbst aber, was das Erwartungs-Management angeht. Es ist kein Geheimnis, dass Österreich seine größten Schwächen gegen Mittelklasse-Teams hat, die dem ÖFB-Team die Bürde der Spielgestaltung überlassen – vor allem, wenn Österreich nicht früh in Führung geht. Vor diesem Nations-League-Start ist die Mannschaft in nur zwei der acht Spiele im Jahr 2024 nicht innerhalb der ersten Minuten nach Anpfiff in Führung gegangen. Beide Spiele, gegen Frankreich und die Türkei, wurden verloren.

Was mit „Erwartungs-Management“ gemeint ist? Nun: Spielt man so wie Österreich unter Rangnick, mutig und nach vorne verteidigend, sind das die Zutaten für kompetitive Matches gegen starke Kontrahenten – siehe Niederlande, Frankreich, Deutschland, Italien. Verweigert der Gegner aber einen eigenen Aufbau, wird es schwierig. Siehe Polen, siehe Türkei, siehe Slowenien. In diesem Herbst stehen praktisch nur solche Spiele an.

Das 1:1 in Ljubljana

Das Ziel ist, die vor und bei der EM entstandene Euphorie mitzunehmen in diesen Herbst und darüber hinaus. Die Kunst ist, umzuschalten: Vom Pressing-Fußball, den die Gegner nicht zulassen, auf einen Aufbau-Fußball, den Österreich einfach nicht besonders gut kann.

Das Angriffspressing ist zudem nicht immer sinnvoll anwendbar. Slowenien, im gewohnten 4-4-2, kann solche Situationen ideal auflösen, weil einfach der lange Ball auf den schnellen Stürmer Benjamin Šeško kommt. Das ist von Haus aus der Einser-Move, da braucht man die Slowenen – bei der EM ohne Niederlage im Elfmeterschießen des Achtelfinales gescheitert – nicht auch noch dazu einladen, so wohl der Gedankengang.

Also gab es ein solches Anlaufen der slowenischen Innenverteidigung auch nicht und darum sah das österreichische Spiel auch so statisch, so passiv aus. Rangnick drehte sein Mittelfeld-Zentrum um, ließ ein 4-1-4-1 spielen, womit Laimer und Sabitzer direkt auf Gnezda-Čerin und Elšnik standen, die beiden slowenischen Sechser schnell scharf anlaufen lassend. In der Theorie.

In der Praxis nämlich drehten die Slowenen den Spieß um, agierten sehr mannorientiert. Sie rissen ihren Block dadurch Löcher, welche die Österreicher aber nicht fanden. In den ersten 20 Minuten war der Ballbesitz tatsächlich bei 50:50 ausgeglichen. Erst nach dem Ausgleich – Laimer ist seinem Bewacher entwischt und Mwene hat einen super Pass in den freien Raum gespielt – etablierte Österreich den Ballbesitz. In der restlichen Spielzeit sollte er über 70 Prozent betragen, insgesamt waren es am Ende 61 Prozent.

Die Slowenen verstanden es jedoch weiterhin sehr gut, die Österreicher im Mittelfeld zu hetzen und eben nicht – wie es gegen die Türkei möglich war – in aller Seelenruhe den Ball hin und her zu schieben, auf dass sich eine Lücke auftun möge. Die Slowenen gaben diese zwar her, gleichzeitig verhinderten sie durch ihre mannorientierte Spielweise, dass die Österreicher diese auch bespielen konnten – weil auch die Laufwege dort hinein nicht genommen wurden.

Die Folge war, dass sich auch nach der Pause nie ein echter Spielfluss entwickeln konnte, kaum zielgerichtete Angriffsaktionen. Die Punkteteilung entsprach durchaus den gezeigten Leistungen.

Das 1:2 in Oslo

Norwegen hat höhere individuelle Qualität als Slowenien, hat aber in der jüngeren Vergangenheit nicht als Team funktioniert, schon gar nicht als kreatives – erstaunlich, hat man doch einen Martin Ødegård in seinen Reihen. Der Plan gegen ein Norwegen im gewohnten, statischen 4-1-4-1 wäre wohl recht simpel gewesen: Gib Ødegård einen Kettenhund (Seiwald etwa), lenke die norwegischen Angriffe auf die Außen und verzettle sie in Zweikämpfen. So hat es Kasachstan gemacht und ein 0:0 runterverteidigt.

Gegen Österreich hat es Ståle Solbakken aber anders angelegt. Er stellte ein 4-4-2 auf, in dem Ødegård nicht auf der Acht, sondern auf der rechten Seite spielte – und zwar nicht entlang der Linie, sondern halb eingerückt. Dafür wich der zweite Stürmer Sørloth, normalerweise im Team links außen daheim, immer wieder auf diese Seite aus. Damit nahmen die beiden Alexander Prass in die Doppelmühle und der Neo-Hoffenheim-Legionär zeigte rasch Wirkung.

Prass in der Doppelmühle, Seiwald hängt in der Luft

Er produzierte Fehlpässe und wusste oft nicht, ob er sich nun zu Sørloth oder zu Ødegård orientieren sollte. Seiwald war zu weit innen, um zu helfen und wenn Lienhart mit Sørloth rausrückte, um Prass zu unterstützen, bestand wiederum die Gefahr, Håland zu viel Raum zu gewähren. Gleichzeitig fehlte es Österreich nach vorne an den Ideen: Dadurch, dass Ødegård (normal rechter Achter) und Myhre (normal linker Achter) beide die nominellen Außen waren, hatte Seiwald im Zentrum niemanden zum anpressen und im Aufbau ist Seiwald nun mal nicht besonders hilfreich.

Nach etwa 20 Minuten tauschte Rangnick die Positionierungen von Sabitzer und Laimer, danach etablierte man mehr Kontrolle im Zentrum und man vermied es auch, Pässe auf die aufrückenden Außen zu spielen – vor allem Mwene wurde zuvor dort gut isoliert. Die verstärkte Konzentration auf die zentralen Kanäle tat Österreich gut und auch, wenn man nicht gut Tempo aufnehmen konnte, war das 1:1 doch korrekt.

Viel zu passiv

Womöglich in Erwartung einer österreichischen Reaktion ging Solbakken für die zweite Hälfte wieder auf ein 4-1-4-1, mit Ødegård zurück auf der Acht und mit Dribbler Nusa neu auf der linken Seite. Norwegen schob die Ketten relativ nahe zusammen und brachte die Bälle direkt von hinten auf die Flügel, womit Ødegård schon vor seiner verletzungsbedingten Auswechslung nach einer Stunde nicht mehr allzu involviert war. Sehr wohl aber musste sich Österreich erst recht wieder neu orientieren und Mwene, der gegen Nusa am Rande der gelb-roten Karte wandelte, zwang Rangnick zu einem eher nicht geplanten Wechsel.

Es war ähnlich wie gegen Slowenien: Österreich traute sich die Innenverteidiger aus Sorge um die langen Bälle auf Sørloth und Nusa nicht anlaufen. Die Pressing-Trigger waren die Pässe auf die Außenverteidiger, hier schauten aber bestenfalls österreichische Einwürfe heraus, während die Innenverteidiger unbehelligt blieben, sogar bis ins Mittelfeld aufrücken konnten und selbst dort sind die Österreicher nicht in die Zweikämpfe gekommen.

Und dann steht Håland zehn Minuten vor Schluss halt einmal um eineinhalb Zentimeter nicht im Abseits, peng, verloren.

Wieder mehr „Underdog-Fußball“?

Alaba, Schlager, Gregoritsch, Danso, Kalajdzic, Trauner, Lainer, Entrup – natürlich ist die Liste der fehlenden Alternativen lang. „Wir müssen solche Spiele wie ein Underdog spielen und nicht wie ein vermeintlicher Favorit“, meinte Ralf Rangnick nach der Niederlage in Oslo. Gemeint hat er damit die Konsequenz im Anlaufen und den Willen, den Kampf anzunehmen.

Aber man ist ja Frankreich auch hoch angegangen, obwohl im Rücken der Pressinglinie ein Kylian Mbappé gelauert hat. So gesehen ist es nicht ganz verständlich, warum man nun – vor allem in der zweiten Hälfte gegen Norwegen – eben nicht anläuft. Norwegen hatte immerhin 45 Prozent Ballbesitz, und zwar in beiden Spielhälften, es ist also keineswegs so, dass die nur hinten zugemacht und gehofft hätten, dass Österreich mit dem Ball nichts einfällt.

Schuss vor den Bug

Slowenien war mit seinen Mannorientierungen zäh und die Räume, die man gehabt hätte, unkonventionell. Aber gegen Norwegen war es einfach nur zu passiv, zu zurückhaltend, ja, zu feig. „Nun ist Österreich natürlich kein europäisches Spitzenteam, zählt realistischerweise auch nicht zu den Top-8, aber man stellt sehr wohl gehobene Mittelklasse dar“, konstatierten wir Anfang Juli, und: „Dass es noch viel weiter nach oben geht, ist kaum darstellbar, […] aber den Status im Bereich des Rennens um den „Best Of The Rest“ zu halten, darf ein legitimer und realistischer Anspruch sein.“

Das ist er auch immer noch. Das Remis in Slowenien und die Niederlage in Norwegen ändern nichts daran. Sie tun im großen Ganzen auch nicht besonders weh, weil sie (noch) keine Konsequenzen haben. Sehr wohl aber sind sie ein klarer Schuss vor den Bug: Es ist das eine, Probleme bei der Lösungsfindung gegen destruktive, strikt defensive Teams zu haben, die sich hinten einbunkern, wie die Türkei in Leipzig.

Es ist auch verschmerzbar, wenn der Gegner ungut ist, wenig zulässt, auch selbst aggressiv ist und es versteht, die österreichischen Stärken einzudämmen und die Schwächen zu verstärken. Ein 1:1 in Slowenien ist keine Tragik und das wurde auch so eingeordnet. Der Bauchfleck in Norwegen zeigte aber: Wenn man so gar nichts von seinen Stärken zeigt, obwohl alle Gelegenheiten dafür da gewesen wären – wie in der zweiten Hälfte – ist das nicht gut.

Es ist ein Schuss vor den Bug. Die Spiele werden nicht unkomplizierter, Kasachstan wird sich in Linz mit Teamchef Stanislav Tchertchessov in einem 5-2-3 tief verteidigen, da heißt’s Bretter bohren. Danach im Heimspiel gegen Norwegen aber wird sich Österreich nicht noch einmal so zurückhaltend präsentieren dürfen, sonst schlägt das mit dem Erwartungs-Management dann eben doch wieder in Fatalismus um.

Denn Zielsetzung und Leistung haben – anders als bei der EM – nun zum Nations-League-Start nämlich definitiv nicht zusammen gepasst.

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0:4 beendet ernüchterndes Frühjahr für ÖFB-Frauen – woran lag’s? https://ballverliebt.eu/2024/07/20/osterreich-frauen-em-quali-2025-bilanz-deutschland-polen/ https://ballverliebt.eu/2024/07/20/osterreich-frauen-em-quali-2025-bilanz-deutschland-polen/#comments Sat, 20 Jul 2024 18:25:54 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20456 0:4 beendet ernüchterndes Frühjahr für ÖFB-Frauen – woran lag’s? weiterlesen ]]> Das Ende war doch eher ein Anti-Klimax. Mit einem soliden Heimsieg gegen Polen im 100. Länderspiel von Manuela Zinsberger und einer deutlichen Klatsche in Deutschland trudelte die Gruppenphase der EM-Qualifikation für die ÖFB-Frauen aus – eine realistische Chance auf das Direkt-Ticket gab es ohnehin nicht mehr und die (geringe) Gefahr eines Abstiegs wurde mit dem 3:1 über Polen endgültig gebannt.

Nachdem der vergangene Herbst mit Nations-League-Platz zwei vor Norwegen großen Optimismus versprüht hat, war dieses Frühjahr doch eher eine Ernüchterung. Vor allem die dünnen Vorstellungen in den entscheidenden Duellen gegen Island drücken auf die Stimmung, das 0:4 in Hannover aber ebenso wie auch der Umstand, dass die Auslosung für die erste Playoff-Runde Slowenien gebracht hat – also genau den einen der acht möglichen Gegner, den Teamchefin Irene Fuhrmann ausdrücklich nicht haben wollte.

Das 3:1 gegen Polen

„Bevor wir über taktische Feinheiten reden“, sagte Fuhrmann schon bei der Kaderbekanntgabe für die beiden Matches, „gilt es viel mehr, die Basics wieder auf den Platz zu bringen! Man kann gegen Island was liegen lassen, das ist eine reife Mannschaft. Aber das Wie hat mich enttäuscht und geärgert.“ Die Intensität gegen den Ball und die billigen Fehler im eigenen Aufbau haben sie gestört.

Und: „Die Griffigkeit und den Biss nach Ballverlust braucht es, die wir gegen Island vermissen haben lassen!“ Die Griffigkeit im Spiel gegen den Ball war in Altach jedenfalls da. Nach kurzer Findungsphase – Polen kam in einem 4-4-1-1 statt dem gewohnten 4-3-3 daher – engte Österreich die polnischen Ballführenden rasch ein, das spielerisch ohnehin nicht besonders starke Team kam kaum sinnvoll aus der eigenen Hälfte heraus.

Polen hatte drei echte Torchancen: Bei der ersten wurde ein schlampig-kurzer Querpass von Georgieva abgefangen (beim Stand von 0:0), bei der zweiten nützte Polen einen österreichischen Ballverlust im Angriffsdrittel (beim Stand von 0:1) und die dritte war eine Kopie der zweiten, führte zum polnischen Ehrentreffer (beim Stand von 0:3).

Österreich versuchte, nicht lange hintenrum zu spielen, sondern möglichst rasch den ersten Vorwärtspass zu setzen oder eine Außenverteidigerin hoch zu schicken. Ohne die verletzte Sarah Zadrazil schob Sarah Puntigam weiter nach vorne, während Celina Degen auf der Sechs abdeckte. Ohne Zadrazil fehlten in dieser Zone, auch weil Achcińska und Matysik gut verdichteten, so gut wie jegliche kreativen Impulse. Der vom Starkregen aufgeweichte Platz machte ein auf kurze Pässe aufgebautes Angriffsspiel zusätzlich schwierig.

Ihre besten Momente hatten die Österreicherinnen, wenn sich die Flügelspielerinnen Purtscheller (rechts) und Dunst (links) entweder alleine oder mit Unterstützung einer Mitspielerin – etwa Wienroither oder Höbinger – nach vorne tanken konnten. Mit dieser individuellen Qualität konnten die polnischen Außenspielerinnen nicht mithalten und aus einem über Dunst vorgetragenen Vorstoß resultierte jener Eckball, den Österreich nach 37 Minuten zum längst verdienten 1:0 nützte.

Der einzige echte Vorwurf, den sich die ÖFB-Frauen gefallen lassen müssen ist, nicht schon früher für die Entscheidung gesorgt zu haben – vor allem das Umschalten nach Ballgewinnen klappte nicht wie gewünscht. Ballgewinne gab es grundsätzlich zwar sehr wohl einige, aber sehr selten so kontrolliert, dass unmittelbar ein eigener Angriff aus aussichtsreicher Position gestartet werden konnte. Eine der wenigen Situationen, in denen das gelang, nützte Campbell prompt zum 2:0 und kaum anderthalb Minuten später lenkte Polens Verteidigerin Oliwia Woś eine eigentlich harmlose Flanke der für Degen eingewechselten Schasching zum 3:0 ins eigene Netz.

Das Gegentor zum 3:1 war unnötig, ändert aber nichts daran, dass dies eine angesichts der Personalsituation (Zadrazil out), Gruppenkonstellation (nach vorne ging nix mehr, gegen Polen durfte nicht verloren werden) und Wetter (bäh!) sehr solide Vorstellung war, die mit einem auch in der Höhe mindestens verdienten 3:1-Sieg belohnt wurde.

Das 0:4 in Hannover

Der Klassenerhalt war mit dem 3:1 für Österreich fix, aber weil Deutschland zeitgleich in ein peinliches 0:3 in Reykjavík lief – zwei grobe Schnitze von Torhüterin Merle Frohms inklusive – konnten die ÖFB-Frauen Island selbst bei einem eigenen Sieg in Deutschland nicht mehr überholen. So hatte das Match im mit 44.000 Zusehern ausverkauften Stadion in Hannover nur noch die Bedeutung eines Testspiels unter Wettkampfbedingungen.

Das Personal blieb das selbe und auch die Herangehensweise war recht ähnlich wie gegen Polen: Deutlicher Flügelfokus im Aufbau und gegen den Ball mit Campbell als erster Anläuferin ganz vorne und einem weit aufrückenden Mittelfeld als Absicherung. Bei Deutschland spielte im letzten Test vor Olympia Ann-Katrin Berger statt Frohms im Tor – und das sollte sich als Glücksgriff erweisen.

Denn Österreich schaffte es mit dem bekannten Anlaufen zumeist gar nicht so schlecht, einen gezielten deutschen Aufbau zu verhindern. Mit der spielstarken Berger im Tor aber hatten die angelaufenen Deutschen einen logischen Ausweg und Bergers lange und zentimetergenauen Abschläge hebelten die österreichische Pressing-Absicherung ein ums andere Mal aus. Mit Brand und Bühl sowie Schüller und Freigang, die mit Tempo auf die Restverteidigung zuliefen, hatte Deutschland eine brandgefährliche Waffe – die Österreich nie in den Griff bekam.

Zusätzlich fanden die Deutschen – wenn sie sich ohne Bergers Einbindung um die Pressingwelle herum spielen konnten – mit den in der ersten halben Stunde invers aufgestellten Flügeln (Linksfuß Bühl rechts, Rechtsfuß Brand links) mit schlauen Diagonalpässen auf die Außen immer wieder die Schnittstellen in der österreichischen Abwehrkette. So gelang Deutschland das frühe 1:0, ein langer Berger-Abschlag leitete kurz vor der Halbzeitpause das 2:0 ein.

Der Aufbau über die Flügel, der bei Österreich gegen Polen noch das bestimmende Feature gewesen war, kam in Hannover überhaupt nicht zur Geltung. Purtscheller blieb zumeist an Linder hängen und Barbara Dunst, so aktiv, stark und durchsetzungkräftig gegen Polen, produzierte Fehlpässe am laufenden Band. Wirkliche Torgefahr strahlte Österreich das ganze Spiel hindurch nicht aus.

Fuhrmann brachte für die zweite Halbzeit Feiersinger (statt Höbinger) und Schasching (statt Puntigam) – erstmals teilten sich also Schasching und Degen das zentrale Mittelfeld. Nach dem schnellen 3:0 für die Gastgeber (schnelles Umschalten nach Ballgewinn gegen Georgieva und Degen) war das Match endgültig durch, Deutschland ließ sich ein wenig zurückfallen und lud Österreich vermehrt zum Aufbau ein, störte aber robust und versuchte widerum, hinter die Mittelfeld-Kette zu kommen.

Nach Oberdorfs Verletzung (sie wurde in der 70. Minute ausgewechselt) wollte oder konnte das deutsche Team nicht mehr so konsequent das Spiel umsetzen, dennoch brachten die ÖFB-Frauen Billa (war für Campbell gekommen) nur ein einziges Mal in eine aussichtsreiche Abschlussposition. Das vermeintliche deutsche 4:0 wurde dem DFB-Team von den sagenhaft schlechten niederländischen Schiedsrichter-Assistentin Franca Overtoom vorenthalten – sie und ihre Schwester Marisca an den Linien trafen falsche Abseits-Entscheidungen am laufenden Band, enthielten Deutschland eine ziemlich klare Ecke vor und es wurde eben auch übersehen, dass der Ball in der 91. Minute deutlich hinter der Linie war, ehe Barbara Dunst ihn klären konnte.

Das Frühjahr, eine Ernüchterung

Es gab die bärenstarke erste Hälfte in Linz gegen Deutschland, das wirklich solide Heimspiel gegen Polen – das waren die Höhepunkte eines im Ganzen eher ernüchternden Frühjahres. Wähnte man sich im Herbst, nach Gruppenplatz zwei vor Norwegen, weiter als man wirklich war? Möglich.

Man kommt aber nicht umhin, gerade die Spiele in Reykjavík und Hannover auch inhaltlich unter die Lupe zu nehmen. In Island war der Wind ein großes Thema und ja, auch Deutschland kam damit nicht zurecht. Aber: Man ist zwei Tage vor dem Match angereist, man wusste um die Wetterbedingungen – aber es gab keinerlei Anpassungen im eigenen Spiel, anders als bei Island.

Und in Hannover war der Lieblings-Move der Deutschen mit den langen, exakten Pässen von Ann-Katrin Berger hinter die österreichische Mittelfeldkette schon innerhalb der ersten Minuten erkennbar. Wirklich reagiert wurde darauf nicht, immer und immer und immer wieder kam Deutschland ziemlich billig vor die luftige österreichische Restverteidigung – und noch in der Nachspielzeit fing man sich auf diese Weise das 0:4 ein.

Hier müssen sich auch Irene Fuhrmann, ihr Co-Trainer Markus Hackl und ganz sicher auch die beiden Spielanalysten Julian Lauer und Sven Palinkasch Kritik gefallen lassen.

Die ÖFB-Frauen haben in diesem Frühjahr das Minimalziel – also Platz drei in der Gruppe vor Polen und damit den Klassenerhalt in der A-Gruppe – souverän erreicht. Knackpunkt im Rennen um das direkte EM-Ticket waren, wie erwartet, die beiden Spiel gegen Island – das glückliche 1:1 in Ried und das angesprochene 1:2 in Reykjavík, bei dem das Resultat noch das Beste war.

Woran lag es?

Es hat sicher nicht geholfen, dass Sarah Zadrazil in vier Spielen verletzt passen musste und Katharina Naschenweng in allen sechs, aber das alleine ist es nicht. „Wir müssen im Ballbesitz noch sicherer werden, noch bessere und noch schnellere Lösungen finden“, gab Barbara Dunst nach der Ohrfeige von Hannover zu Protokoll. Norwegen hatte sich im Herbst in drei von vier Halbzeiten vom österreichischen Pressing verrückt machen lassen, gegen das grundsätzlich lieber spielende als kämpfende Team aus Portugal war es ein patentes Mittel.

Island hat sich diesem Spiel komplett entzogen, da fand Österreich keine Lösungen. Dazu kam, dass Deutschland einfach die technische und fußballerische Klasse hat, sich aus dem Anlaufen zu Befreien (auch, wenn keine Berger im Tor steht, wie in Linz). Der isländische Sieg gegen die DFB-Frauen lässt den Abstand in der Tabelle auf Island mit sechs Punkten schon arg wild aussehen.

Etwas alarmierend ist, dass Österreich in den zwölf Pflichtspielen von Nations League und EM-Quali kein einziges Mal ohne Gegentor geblieben ist. Zugegeben, einige davon waren belanglos – die Treffer beim 2:1 gegen Norwegen und beim 2:1 gegen Portugal kassierte man in der Nachspielzeit, das beim 3:1 gegen Polen als man schon mit drei Toren im Vorsprung war. Aber wenn man kein einziges Zu-Null drüber bringt, verliert man halt irgendwann doch wichtige Punkte, wie daheim gegen Island. Niemand erwartet, dass Österreich gegen Frankreich und Deutschland stets den Kasten sauber hält. Gegen Polen oder Island sollte man das aber schon hin und wieder schaffen.

Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass einige der aus dem großen Team von 2017 verbliebenen Stützen ihren Zenit halt doch überschritten haben dürften. Sarah Puntigam verleiht nicht mehr ganz die defensive Stabilität früherer Tage und bei ihrem Klub läuft es auch nicht nach Wunsch – Houston hat von den bisher 16 Saisonspielen erst drei gewonnen. Verena Hanshaw sah auch in der Liga-Saison in Frankfurt im defensiven Umschalten mehr als nur einmal eher unglücklich aus, ihr Stellungsspiel war öfters Mal nicht astrein – vielleicht tut ihr der Wechsel zum italienischen Meister AS Roma als Aigbogun-Ersatz auf der linken Seiten gut.

Das zweistufige Playoff

Vermutlich war es auch nicht optimal, dass Fuhrmann explizit Slowenien als den einen Erstrunden-Gegner im Playoff herausgenommen hat, der es bitte nicht sein soll – Murphy’s Law, natürlich wurde es Slowenien. Ja, natürlich ist Slowenien der stärkste der acht möglichen Gegner gewesen. Aber das ist ein wenig so, als würde ein mittelguter Erstligist nach einer Cup-Auslosung gegen einen überlegenen Regionalliga-Meister stöhnen. Naja sicher hätte man sich gegen einen Landescup-Sieger aus der fünften Liga leichter getan, aber das ändert nichts daran, dass auch der Regionalliga-Meister eineinhalb Klassen schwächer ist als man selbst.

Slowenien hat eine Handvoll Qualitätsspielerinnen. Lara Prašnikar natürlich von Eintracht Frankfurt, dazu die grundsolide Kaja Eržen auf der rechten Seite und die umsichtige Sara Agrež. Sechser Kaja Korošec hat mit dem FC Paris letztes Jahr Wolfsburg eliminiert, Zara Kramžar wird großes Talent nachgesagt. Nur: Da ist halt auch die Innenverteidigung mit Spielerinnen aus Belgien und der 2. Liga in Italien; die – bei allem Respekt – alte Mateja Zver vom SKN St. Pölten, Čonč war selbst beim spanischen Beinahe-Absteiger Las Planas nur Wechselspielerin und Špela Kolbl, die ganz vorne spielt, ist in der schwachen eigenen Liga aktiv und war im Herbst noch Linksverteidigerin.

Apropos Herbst: Da ist Slowenien überraschend aus der B-Liga abgestiegen, deshalb war man ja überhaupt erst in der Situation, als C-Ligist gleich gegen ein A-Liga-Team spielen zu müssen. Sloweniens erste Elf kann schon ein zäher Gegner sein, gar keine Frage, aber schon innerhalb der Startformation ist das Leistungsgefälle groß und von den Spielerinnen, die Teamchef Saša Kolman von der Bank bringen kann, reden wir da noch gar nicht.

Slowenien hat die Gruppe mit Lettland, Nordmazedonien und Moldawien mit dem Punktemaximum und 26:0 Toren gewonnen. Zum Vergleich: Österreich hat in der EM-Quali für 2022 gegen Lettland und Nordmazedonien alleine 32:0 Tore angehäuft.

Wird die erste Runde gegen Slowenien im Oktober überstanden, und davon muss man ausgehen, würde im entscheidenden Duell – beide Runden werden in Hin- und Rückspielen ausgetragen – der Sieger aus dem Duell von Polen und Rumänien warten, also höchstwahrscheinlich wieder Polen.

Das sieht unglücklich aus, weil Polen der einzig mögliche Gegner aus der A-Gruppe war. Aber zumindest Portugal und Schottland sind sicher höher einzuschätzen als Polen, gegen die Österreich in den letzten Monaten eben zwei 3:1-Siege eingefahren hat und zwar deutlich sicherer, als man im Herbst zu zwei hart umkämpften 2:1-Siegen gegen Portugal gekommen ist, die beide auch anders ausgehen hätten können.

Die Zuschauerzahlen

In der Zuschauertabelle liegt Österreich auf Platz 12 mit 4.500 Zusehern in den drei Spielen. Das ist zwar ein Minus gegenüber dem Herbst (da waren es 5.400), aber dennoch ist man einen Rang geklettert – weil die Schweiz, Wales und Schottland nach dem Abstieg in die B-Liga jeweils rund die Hälfte der Zuseher eingebüßt haben (Portugal und Finnland haben Österreich im Gegenzug überholt).

Dies verdeutlicht, wie wichtig die weitere Zugehörigkeit für den ÖFB auch ist: Denn natürlich kann man Matches gegen Deutschland und Frankreich besser verkaufen als, wenn man den Vergleich mit der Schweiz zieht, gegen Aserbaidschan und Ungarn. Zuschauer-Krösus über die jeweils sechs Heimspiele in Nations League und EM-Quali ist übrigens England mit 45.000 Zuschauern pro Heimspiel.

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Salzburg 3, Sturm Graz 4: Reife Blackies kochen Bullen ab https://ballverliebt.eu/2024/04/05/salzburg-sturm-graz-cup-halbfinale/ https://ballverliebt.eu/2024/04/05/salzburg-sturm-graz-cup-halbfinale/#respond Fri, 05 Apr 2024 15:27:06 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19891 Salzburg 3, Sturm Graz 4: Reife Blackies kochen Bullen ab weiterlesen ]]> Das nackte Ergebnis legt eine richtig wilde Partie nahe. Das Cup-Halbfinale zwischen den beiden deutlich besten Vereinsteams Österreichs lieferte viel Intensität und am Ende auch einige Tore, war aber doch nicht ganz so spannend, wie man bei einem 4:3 glauben könnte. Sehr wohl aber zeigte Sturm Graz, dass man eine sehr reife Truppe stellt, die sehr präzise gecoacht ist und sein Spiel auch gegen Widerstände durchziehen kann.

Zumindest einen Titel hat man den Bullen damit schon mal geraubt.

RB Salzburg – Sturm Graz 3:4 (1:1)

Nach dem hitzigen Ende beim 1:0-Sieg der Salzburger im Liga-Spiel vier Tage zuvor fehlten die beiden Sechser Lucas Gourna-Duath (Salzburg) und Jon Gorenc-Stankovič (Sturm). Die ausbleibende Untersuchung bezüglich einer Tätlichkeit von Oumar Solet dominierte die Schlagzeilen – bis zum Spiel selbst.

Kampf um die Halbfelder

Der dominierende Battleground auf dem Feld waren die jeweiligen Halbfelder. Da beide Teams de facto die gleiche Raufaufteilung spielen (4-1-3-2), wurde hier besonders schnell um den Ball verdichtet. Das Zentrum selbst war dicht, die Außenverteidiger wurden gut isoliert. Die Frage war also: Wer schafft es besser, aus dem Halbfeld heraus schnell und präzise aus dem Gegnerdruck heraus nach vorne zu kommen?

Salzburg hatte hier zunächst leichte Vorteile, nach dem 1:0 aus einem Eckball (11.) verpasste Konaté aus genau so einem Zuspiel aus dem Halbraum von Gloukh die mögliche 2:0-Führung.

Offen im defensiven Umschalten

Beide Mannschaften zeigten sich oft erstaunlich offen in der Absicherung, wenn der Ball verloren wurde. Sowohl die Salzburger als auch die Grazer schafften es zumeist nicht, schnell wieder Spieler hinter den Ball zu bekommen. Vor allem Salzburg aber ließ den Nachdruck vermissen, diese Räume so zu nützen, dass man zum Abschluss kommt.

Andererseits schaffte es Sturm besser, nach offensiven Umschaltsituationen schnell viele Spiele an den Salzburger Strafraum zu bekommen – besonders auffällig war dies in einer Konter-Situation nach einer Salzburger Ecke in der 22. Minute, aber auch ganz generell spielten die Grazer diese Situationen besser aus.

Suchen nach der Schnittstelle

So ähnlich die grundsätzliche, aggressive Spielweise den beiden Teams auch ist, es gibt schon auch spürbare Unterschiede. Salzburg ist jene Mannschaft, die mit etwas mehr Geduld von etwas weiter hinten heraus aufbaut, während Sturm schneller den Vertikalpass zur Offensivreihe sucht. Entscheidend ist bei Sturm die Suche nach Schnittstelle in der gegnerischen Abwehr, welche die drei offensiven Mittelfeld-Spieler – Prass, Kiteishvili und Horvat – oft auch finden.

Einer dieser Pässe des Georgiers leitete das 1:1 nach 22 Minuten ein; die nicht immer astreine Abstimmung zwischen der Salzburger Innenverteidigung und den Aushilfs-Außenverteidigern Daniliuc und Guindou war ein gerne gesehenes Ziel für die Grazer Offensivreihe. Zudem nervte Sturm die Hausherren mit konsequentem Nachgehen nach an sich verlorenen Zweikämpfen, scharfem Anpressen bei jeder Unsicherheit in der Ballannahme und dem Provozieren von Fehlpässen von Gourna-Duath-Ersatz Diambou.

Mit der Führung

Hatten sich die beiden Teams in der ersten Halbzeit weitgehend neutralisiert und für ein intensives Spiel auf Augenhöhe gesorgt, brachte Schlagers Fehlgriff zur 2:1-Führung für Sturm das Spiel zum kippen. Mit der Führung im Rücken attackierte Sturm nun nicht mehr ganz so hoch, sondern zwang Salzburg mehr Ballbesitz auf, allerdings nur in ungefährlichen Zonen.

Man ließ die Bullen auch an der Außenlinie weiter nach vorne kommen, aber der Zehnerraum und vor allem der Strafraum blieben zu. Nach Ballgewinnen wurde weiterhin schnell und direkt nach vorne gespielt; der Aktionsradius von Tomi Horvat war beeindruckend. Mehr als eine Handvoll Halbchancen ließ Sturm nicht zu, darüber hinaus verstanden es die Grazer hervorragend, durch kleine Gemeinheiten die Bullen zu Nerven und aus dem Rhythmus zu bringen.

Ein simpler Einwurf wurde in der 68. Minute so lange zelebriert und der Ball herumgereicht, bis Referee Altmann zur Ermahnung schritt, es verging fast eine Minute. Kurz danach sackte Gazibegović nach einem Laufduell samt Abseitsentscheidung gegen Salzburg wie vom Blitz getroffen zusammen, wieder verging einige Zeit. Und in der 71. Minute schließlich erzielte Sturm aus einem Konter das 3:1.

Den Rhythmus brechen

Die Grazer haben durchaus so etwas wie ein Drecksack-Gen, diese Cleverness, einen Gegner in Schwierigkeiten noch weiter aus dem Konzept zu bringen. Das ist eine Qualität, die Salzburg aufgrund der individuellen Klasse der Spieler auf nationaler Ebene in der Regel nicht, darum können es die Salzburger auch nicht besonders gut.

An der Statik des Spiels änderte sich nach dem 3:1 wenig und der Salzburger Anschlusstreffer konnte keine Wirkung entfalten, weil Sturm nach einem Eckball postwendend den Zwei-Tore-Vorsprung wieder herstellte. Das dritte Salzburger Tor in der Nachspielzeit fixierte den äußerst unüblichen Endstand von 4:3, danach war Sturm dem fünften Treffer aber näher als Salzburg dem Ausgleich.

Fazit: Sturm ist reif geworden

Nach dem 2:2 im ersten Saisonduell im September hieß es an dieser Stelle, dass Salzburg mehr spielerische Lösungen sucht und Sturm direkter spielt (was immer noch so ist), dass Sturm die klarere und aggressivere Strategie gegen den Ball hat (was noch immer so ist) und das Sturm zwar wohl ein bisschen die Flexibilität und die Kadertiefe fehlt, aber definitiv das einzige Team ist, das Salzburg über eine Saison fordern kann (was auch noch immer so ist).

Sehr wohl ist nun im vierten Saisonduell der beiden klar besten Teams Österreich zu erkennen, dass die Grazer die Reife entwickelt haben, Salzburg nicht in einzelnen Spielen zu fordern, sondern im Grunde jederzeit besiegen zu können. Die beiden Grunddurchgangs-Duelle endeten 2:2 und 1:1, das erste in der Meisterrunde in einem korrekten, knappen Salzburg-Duell und nun jenes im Cup mit einem korrekten, knappen Sturm-Erfolg.

Dieses über mehrere Jahre gewachsene Grazer Team hat mit dieser reifen Leistung in einem wichtigen Spiel gezeigt, dass sie auch auswärts in Salzburg gewinnen kann – und das verdient. Das ist eine Erkenntnis, die für das womöglich vorentscheidende Liga-Spiel am viertletzten Spieltag wichtig sein kann.

Allerdings: Sturm liegt fünf Punkte zurück, ist im Titelrennen auf weitere Salzburg-Patzer angewiesen. Das Cup-Finale gegen Rapid ist durchaus heikel, weil Rapid unter Robert Klauß Schritte nach vorne macht und in einem Spiel immer alles passieren kann. Die Gefahr besteht also, dass Sturm zwar eine großartige Saison spielt, letztlich aber mit leeren Händen dasteht.

Die Chance besteht aber genauso, dass am Ende sogar das Double steht. So oder so ist es den Grazern aber in jedem Fall zu danken, dass sie diese Meisterschaft – wie schon jene im letzten Jahr – so lange ernsthaft spannend halten.

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Weltrekord und Kantersieg – wo steht das ÖFB-Team drei Monate vor der EM? https://ballverliebt.eu/2024/03/29/osterreich-slowakei-turkei-weltrekord-gregoritsch-rangnick/ https://ballverliebt.eu/2024/03/29/osterreich-slowakei-turkei-weltrekord-gregoritsch-rangnick/#comments Fri, 29 Mar 2024 16:08:57 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19826 Weltrekord und Kantersieg – wo steht das ÖFB-Team drei Monate vor der EM? weiterlesen ]]> Baumgartners Weltrekord-Treffer nach sechs Sekunden in Bratislava setzte den Ton. Mit zwei Siegen gegen EM-Teilnehmer startete das ÖFB-Team erfolgreich in das EM-Jahr, einem 2:0 in der Slowakei folgte das erstaunliche 6:1 in Wien gegen die Türkei. Die Resultate sehen gut aus, aber was genau sagen die Leistungen über den Stand der Dinge ohne David Alaba aus – und das Spiel gegen den Ball? Schließlich wird dies bei der EM ein großer Faktor sein, wenn es darum geht, die Vorrunde zu überstehen.

Wer spielt innen statt Alaba – und wie?

Kevin Danso hat beide Matches von Beginn an absolviert, war in drei der letzten fünf Matches erste Wahl – der Lens-Legionär sieht wie ein Fixstarter aus. Neben ihm hat zunächst Leopold Querfeld gespielt (der in der ersten Hälfte gegen die Slowakei ein wenig flatterhaft wirkte), dann Maximilian Wöber. Auch der derzeit verletzte Philipp Lienhart kann ein Kandidat sein, theoretisch auch Stefan Posch.

Klar wurde in diesen beiden Spielen, vor allem gegen die defensiv eingestellte Slowakei, dass Alaba defensiv ganz gut zu ersetzen ist, in der Spielgestaltung jedoch kaum. Der Rangnick-Fußball sieht lange Ballstafetten und geduldigen Aufbau von hinten gar nicht vor, natürlich sah man die auch gegen die Slowaken nicht. Sehr wohl fehlte aber der Vorwärtsdrang von Alaba, der immer wieder in Beckenbauer-Manier ins Mittelfeld aufrückt, Gegenspieler auf sich zieht, Lücken reißen oder zumindest erkennen kann und diese dann bespielt.

Dieses Element fehlte gegen die Slowakei völlig, entsprechend mühsam gestaltete sich das Spiel nach der 7. Spielsekunde dann auch.

Slowakei – Österreich 0:2 (0:1)

In unserer Analyse zum 2:0-Sieg gegen Deutschland wurde das Rangnick’sche Spielprinzip skizziert:

„Die Gegner anlaufen, sobald diese nicht mit dem Rücken zum eigenen Tor stehen. Strukturen für das Gegenpressing herstellen, um bei eigenem Ballverlust sofort doppeln zu können, ohne Gefahr zu laufen, Räume dahinter zu offenbaren. Tempowechsel im Aufbau, von gemächlichem Suchen der Lücke bis zum plötzlichen Steilpass auf den Zielspieler vorne, der den Ball ablegt. Den gegnerischen Aufbau durch das Zentrum lenken, indem man die Außenspieler isoliert. So kommen die eigenen Stärken – von der Pike gelernter Pressingfußball, Athletik – bestmöglich zur Geltung, während die Schwächen – fehlende spielerische Kreativität, fehlende echte Außenspieler – bestmöglich kaschiert werden.“

Das sah gegen die Slowakei so aus, dass der Aufbau zumeist über die Flügel vorgetragen wurde, raus aus dem Getümmel im Zentrum, wo Österreich eine 2-gegen-3-Unterzahl hatte. Nach dem ersten Vertikalpass aus der Abwehr wurde auf hohes Tempo in der Ballweiterleitung geachtet, was große Ungenauigkeit zur Folge hatte. Gleichzeitig fehlte zuweilen – vor allem in einer Phase zwischen der 20. und der 30. Minute – die Konsequenz im defensiven Umschalten und im Herstellen von 2-auf-1-Situationen in Ballnähe.

Dies war die beste Phase der Slowaken, in der sie auch ein, zwei Torchancen vorfanden.

Überzahl herstellen für Ballgewinne

Was sowohl in der Slowakei als auch gegen die Türken über weite Strecken gut funktionierte, war das strukturierte Doppeln, um Ballgewinne zu erzielen. Das Prinzip war einfach und erinnerte ein wenig an das Provozieren von Fumbles beim American Football: Zwei Österreicher stürmen auf den ballführenden Gegner zu und bedrängen ihn, verwickeln ihn in den Zweikampf.

Dabei war es völlig ausreichend, einfach nur den Ball vom gegnerischen Fuß wegzustoßen, weil ein dritter Teamkollege aus dem Hinterhalt dazustieß und den losen Ball aufnahm, um wiederum schnell die nächste Offensivaktion damit einzuleiten. Es ist viel Abstimmungsarbeit nötig, um die nötigen Strukturen dafür verlässlich herzustellen, aber wie etwa schon gegen Deutschland eindrucksvoll gezeigt wurde: Österreich kann das.

Das Stellen der gegnerischen Eröffnung

Was eher gegen die spielstärkeren Türken als gegen die biederen Slowaken ein Thema war, war das Verhindern einer gezielten Spieleröffnung des Gegners. Hier spielte Österreich mit den vier Offensiven konsequent auf die Viererkette: Schmid auf Müldür, Laimer auf Cenk Özkacar, Gregoritisch und Baumgartner auf Demiral und Ayhan. Weil klar war, dass sie sofort angelaufen würden, sobald sie den Ball hatten, war ein kurzer erster Pass von Torhüter Uğurcan stets mit Risiko verbunden.

Österreich – Türkei 6:1 (2:1)

Gleichzeitig waren Schlager und Seiwald im Mittelfeld-Zentrum sehr aufmerksam im Nachschieben: Sobald Schmid einen Sprint anzog, lief Schlager mit nach vorne, ebenso Seiwald mit Laimer. Beide rückten zudem weit auf, wenn die Türken ihrer Bedrängnis gewahr wurden. So provozierte man den Ballgewinn zum raschen 1:0, jenen zum 2:1 kurz vor der Pause und jenen zum Elfmeter zum 3:1 kurz nach der Pause.

Wie schon gegen Deutschland galt: Die Trigger zum Anlaufen sind verinnerlicht, die Strukturen im Gegenpressing sitzen und – anders als noch beim Match in der Slowakei – wurden nun auch genug dieser Ballgewinne in Tore verwertet.

Es war auch Spielglück dabei

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das 6:1 deutlich zu hoch ausgefallen ist. Etwa, weil man vor dem 1:0 auch Foul hätte geben können und weil es ohne VAR weder den Elfmeter zum 3:1 gegeben hätte, noch jenen zum 5:1 – wohlgemerkt wurde zu dessen Gunsten das vermeintliche 2:4 aus türkischer Sicht wieder einkassiert. Damit war der türkische Widerstand gebrochen und das eingewechselte Offensivtrio Weimann, Cham, Entrup wollte sich selbst auch noch in die Schützenliste eintragen.

Das 6:1 ist aber auch deshalb zu hoch, weil die Türkei in der ersten Halbzeit wesentlich höheres Niveau gezeigt hatte als die Slowakei und keineswegs schlechter war als Österreich. Die türkische Abwehr klärte Bälle in Bedrängnis nicht – anders als die Slowaken, aber auch sie selbst nach der Pause – weit nach vorne und nicht kurz. Damit zwangen sie Österreich erneut zum eigenen Aufbau von hinten, der ohne Alaba eben stockte.

Den Türken gelang es zudem gerade auf engem Raum, auch im österreichischen Strafraum, viel flotter und technisch besser als den Slowaken, Verwirrung und Hektik in der österreichischen Abwehr zu stiften. Beispielhaft sei hier jene Aktion genannt, in der Danso den Ball mit der Hand streifte und so den Elfmeter zum zwischenzeitlichen (verdienten!) 1:1 für die Türken verursachte.

Bis zum Ende aktiv

Im Spiel gegen den Ball gab es auch Aspekte, die in diesen beiden Matches nicht von Gegnern angebohrt wurden. Vor allem bei der Slowakei war es extrem auffällig, dass es keinerlei Seitenverlagerungen gab, mit denen man den österreichischen Block zum schnellen Verschieben zwang. Die Slowaken griffen stur gerade nach vorne an, womit es Österreich kein Problem war, die Angriffe rasch zu stellen.

Sehr auffällig in beiden Spielen war jedoch, dass Österreich jeweils gerade in der zweiten Hälfte besonders konzentriert zu Werke ging. Das ist nicht immer typisch für solche Testspiele, aber gegen die Slowakei war gerade die Phase um die 60. Minute jene, in der die Laufwege im Anlaufen am Präzisesten und am Konsequentesten durchgezogen wurden. Gegen die Türkei drückte man auch nach dem 5:1 (das in der 78. Minute fiel) mit Macht auf das sechste Tor.

Fazit: Reif analysieren und die Situation managen

Es waren zwei Spiele, die als Mutmacher dienen können, dass in der nominell sehr schweren EM-Gruppe mit Frankreich, Holland und – wie seit diesem Länderspieltermin feststeht – mit Polen ein Einzug ins Achtelfinale absolut möglich ist, sei es als einer der besseren Gruppendritten oder sogar direkt als Gruppenzweiter.

Es waren aber auch zwei Spiele, die in gewissen Bereichen aufgezeigt haben, was nicht optimal funktioniert. Das spielerische Element ohne Alaba ist noch dünner als mit ihm und in gewissen Phasen – gegen die Slowakei in Teilen der ersten Halbzeit, gegen die Türken praktisch in der kompletten – wurde das Anlaufen nicht mit dem nötigen Nachdruck vollzogen. Das gilt es Aufzuarbeiten.

Sehr gut klappte aber das Gegenpressing, das Stellen der gegnerischen Eröffnung, ganz generell das Spiel gegen den Ball, wenn alle konzentriert bei der Sache waren. Gerade im Match gegen die Türkei war man auch gut dabei, was das Nützen von Torchancen angeht. DAZN-Kommentator Oliver Faßnacht forderte nach dem Türkei-Spiel, als Österreich „doch mal ein bisschen selbstbewusster, ein bisschen optimistischer“ zu sein, denn „ihr habt so ein geiles Team!“

Ja, möchte man antworten, als Österreicher ist man aber auch ein gebranntes Kind, was allzu große Euphorie angeht. Darum: Optimismus ist zweifellos angebracht. Aber vorsichtiger Optimismus. „Österreich sah man – nicht nur im In-, sondern auch im Ausland – als potenziellen Viertelfinalisten, jedenfalls aber ohne gröbere Troubles in der K.o.-Runde“, hieß es hier vor knapp acht Jahren, vor dem letzten EM-Gruppenspiel 2016 gegen Island, „wer nichts erwartet, kann nur positiv überraschen. Für jene, denen viel zugetraut wird, ist die Fallhöhe deutlich größer. […] Der gelernte Österreicher kann nun mal genau eines nicht: Mit großen Fallhöhen umgehen.“

Ebenso wichtig wie das realistische Einordnen von Misserfolg ist es, im Erfolg nicht die Bodenhaftung zu verlieren, sondern klaren Verstands einzuordnen. Das ÖFB-Team von 2024 ist von der Kadertiefe und der sportlichen Reife her viel weiter als jenes von 2016. Von daher ist absolut zu erwarten, dass die beiden Spiele intern nüchtern aufgearbeitet werden und dass die Spieler besser mit der Erwartungshaltung umgehen können als ihre Vorgänger vor acht Jahren.

Wie das mit den Fans und vor allem dem medialen Umfeld ist, bleibt auch nach dem 2:0 in der Slowakei und dem 6:1 gegen die Türkei abzuwarten.

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Österreich führt Deutschland vor: Wie kam es und was heißt das? https://ballverliebt.eu/2023/11/22/oesterreich-fuehrt-deutschland-vor-wie-kam-es-und-was-heisst-das/ https://ballverliebt.eu/2023/11/22/oesterreich-fuehrt-deutschland-vor-wie-kam-es-und-was-heisst-das/#comments Wed, 22 Nov 2023 22:15:10 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19476 Österreich führt Deutschland vor: Wie kam es und was heißt das? weiterlesen ]]> Eine Mannschaft hat an diesem Abend in Wien exakt gewusst, was zu tun ist. Wer wann wie welchen Laufweg einzuschlagen, welchen Pass zu spielen, welche Idee zu befolgen hat. Die andere Mannschaft war Deutschland.

Der österreichische 2:0-Sieg war kein vom Spielverlauf begünstigtes Resultat, bei dem Österreich den Gegner mit einer offensiven Herangehensweise überraschte, wie Córdoba 1978. Kein Freak Result eines sportlich eines sportlich sonst eher bedeutungslosen Teams wie Wien 1986. Kein Anzeichen für eine etwas überhebliche Denke bei Deutschland, die ein paar Wochen später bei der WM offen zu Tage treten sollte, wie Klagenfurt 2018.

Das war eine sportliche, läuferisch, taktische und inhaltliche Vernichtung – nach einem Jahr, in dem Österreich ordentlich an Selbstvertrauen gewonnen hat und Deutschland vor der Heim-EM ein zielloser, von taktischen Experimenten verunsicherter Haufen ist.

Österreich – Deutschland 2:0 (1:0)

Dass die Umsetzung schwierig ist, steht außer Frage. Aber das Grundprinzip jenes Fußballs, den Ralf Rangnick von seinem österreichischen Team sehen will, ist nicht besonders kompliziert: Die Gegner anlaufen, sobald diese nicht mit dem Rücken zum eigenen Tor stehen. Strukturen für das Gegenpressing herstellen, um bei eigenem Ballverlust sofort doppeln zu können, ohne Gefahr zu laufen, Räume dahinter zu offenbaren. Tempowechsel im Aufbau, von gemächlichem Suchen der Lücke bis zum plötzlichen Steilpass auf den Zielspieler vorne, der den Ball ablegt. Den gegnerischen Aufbau durch das Zentrum lenken, indem man die Außenspieler isoliert.

So kommen die eigenen Stärken – von der Pike gelernter Pressingfußball, Athletik – bestmöglich zur Geltung, während die Schwächen – fehlende spielerische Kreativität, fehlende echte Außenspieler – bestmöglich kaschiert werden. So hat sich das ÖFB-Team souverän für die EM qualifiziert, noch dazu als bester der zehn Gruppenzweiten.

Klare erste Elf vs. Herumprobieren

Österreich ist gegen Deutschland im gewohnten 4-4-1-1 angetreten, mit zwei Änderungen gegenüber dem Spiel in Estland: Mwene startete links hinten statt Wöber, dazu tauschten Laimer und Baumgartner die Plätze; Laimer spielte gegen Deutschland rechts im Mittelfeld, Baumgartner als hängende Spitze. Alles in allem: So klar, so gewohnt, so erwartbar.

Bei Deutschland schraubte schon Hansi Flick im Frühjahr heftig und maximal erfolglos an der Systemschraube, bei Julian Nagelsmann ist es ähnlich. Bei seinen ersten beiden Matches im Rahmen einer USA-Reise kam ein 4-2-2-2 zum Einsatz: Zwei Zehner (Wirtz und Musiala), vorne ein Strafraumstürmer und ein oft weit auf den rechen Flügel ausweichender Leroy Sané, dafür links ein offensiver Linksverteidiger (Gosens) und einem defensiveren Rechtsverteidiger (Süle bzw. Tah). Als defensiver Anker verblieben Gündogan und Groß im Mittelfeld-Zentrum.

Es wurde vorne viel rochiert und es gab offensiv durchaus vorzeigbare Darbietungen beim 3:1 gegen die USA und dem 2:2 gegen Mexiko – gerade das Angriffsspiel war unter Hansi Flick extrem statisch und vorhersehbar, damit selbst für Gegner aus der zweiten Reihe wie Polen recht leicht zu verteidigen. Die andere Seite der Medaille war aber auch, dass Deutschland in diesem Matches sehr anfällig für Konter war.

Nagelsmanns „Havertz-Idee“

Was vor den Matches in Berlin gegen die Türkei und in Wien gegen Österreich als großer, wilder taktischer Kniff verkauft wurde – „Havertz als Linksverteidiger“ – ist in der Realität nicht anderes als ein etwas asymmetrisches 3-4-3. In Berlin gab also Havertz den linken Wing-Back (und er machte das auch recht gut), problematisch war aber, dass sein Gegenstück auf der rechten Seite – Leroy Sané – das mit der Defensivarbeit weitgehend verweigerte. Die Türken bohrten diesen eklatanten Schwachpunkt an und kamen zu einem 3:2-Sieg.

In Wien war nun Julian Brandt mit dieser Rolle betraut – im offiziell angegebenen 4-2-2-2 schien er als rechter Zehner auf und Havertz als Linksverteidiger.

All das ist per se nichts, was einen Fußball-Profi von Arsenal, Bayern, Dortmund oder Leverkusen kognitiv überfordern sollte – im Gegenteil. Das Problem ist nur: Im Verein hat man viel Zeit, solche Ideen zu verfeinern, Abläufe einzustudieren, Automatismen herzustellen. Als Nationaltrainer ist das ganz anders. Nicht von ungefähr ist der Klubfußball wesentlich schneller, komplexer, sportlich attraktiver als der Nationalteam-Fußball.

Schwächen kaschieren …

Die große Schwäche von Deutschland in den letzten Jahren ist es, dass es einfach keine Verteidiger von Welt-Niveau gibt. Innen kaum und außen schon gar nicht. In der letzten Auflage der halbjährlichen „Rangliste des deutschen Fußballs“ schafften es überhaupt nur fünf Außenverteidiger in der Liga in die Auflistung – ein Portugiese, ein Holländer und ein Franzose, dazu ein Deutscher, der mittlerweile aufgehört hat (Hector) sowie Benjamin Henrichs.

Diese Schwäche will kaschiert werden, und Nagelsmanns Plan war es, mit dem Überhang an guten offensiven Mittelfeldspielern den Ballbesitz vorne zu etablieren, um gar nicht erst in defensive Verlegenheiten zu kommen. Die gab es zwar auch schon in Hartford und Philadelphia gegen die USA und Mexiko, aber dort funktionierte zumindest das Rochaden und Ballkontroll-Spiel in der gegnerischen Hälfte.

…und Stärken ausspielen

Und hier kam die große Stärke des ÖFB-Teams in Spiel und der eklatante Unterschied, der zur DFB-Mannschaft augenscheinlich wurde. Österreich presste den ballführenden Deutschen konsequent an, aber nicht wild, sondern sehr kontrolliert und mit klaren Pressing-Triggern. Wenn die Deutschen Ballbesitz etabliert hatten, zog sich Österreich mit zwei Viererketten zurück.

In dem Moment, wo ein deutscher Spieler abdrehen musste, der Ball nach außen gespielt wurde – kurz: Wo nicht unmittelbar ein Steilpass in den Rücken der Pressingwelle drohte – liefen die Österreicher den Gegner an. Das war gleichzeitig risikominimierend, weil eben kaum die Gefahr bestand, in dieser Vorwärtsbewegung kalt erwischt zu werden.

Andererseits war es extrem effektiv, weil bei Österreich nach anderthalb Jahren mit 17 Spielen Rangnick tatsächlich jeder immer wusste, was wann wie wo zu tun ist. Bei den Deutschen, ohne Automatismen, fehlte das Tempo im Realisieren der Passoptionen bzw. zum Herstellen selbiger. Daher dauerte es oft zu lange bis zum Abspiel, daher waren sie leichte Opfer für das reibungslos funktionierende österreichische Pressing.

Deutschland neutralisiert

Havertz hatte Lainer und Posch gegen sich, zwei spezialisierte Balleroberer. Für Schlager und Seiwald im Zentrum ist sowieso genau das die Kernkompetenz. und vorne gab es mit Gregoritsch einen Zielspieler und mit Baumgartner eine sehr mobile zweite Spitze. Das österreichische Umschalten war sehr schnell, gewohnt direkt und die deutsche Verteidigung hatte dem nicht viel entgegen zu setzen. Hummels war noch nie schnell, Tah traf einige falsche Entscheidungen, an Goretzka flogen die Bälle vorbei.

Der gigantische Raum, der sich beim 1:0 bot, war in seinem Ausmaß geradezu schockierend und es war beleibe nicht die einzige derartige Szene.

Harmloser EM-Gastgeber

Nachdem sich Leroy Sané zu Beginn der zweiten Hälfte zu einer impulsiven Dummheit gegen Mwene hinreißen ließ und die rote Karte sah, ging Deutschland auf ein konventionelleres 4-4-1 – mit Henrichs links und Tah rechts hinten, dafür ging Havertz auf die rechte Mittelfeld-Seite. Deutschland sah im konventionelleren sofort stabiler aus, ohne aber viel zulegen zu können.

Als Österreich in der 74. Minute das 2:0 erzielt hatte – einer der schnellen Vertikalpässe von Alaba wurde von Zielspieler Gregoritsch auf Baumgartner weitergeleitet, der Hummels aussteigen ließ – hatte Deutschland nur ein einziges Mal ernsthaft auf das Tor von Alexander Schlager gezielt, das war nach einer halben Stunde. Erst danach kamen einige Torannäherungen, aber Österreich war dem 3:0 näher als Deutschland dem Ehrentor.

So geht Nationalmannschaft

Der Umstand, dass Österreich eine gutklassige – wenn auch nicht ganz der absoluten Elite zugehörende – Mannschaft ist, hat das Jahr 2023 gezeigt. Das gilt vor allem, wenn zumindest weite Teile des Stammpersonals auch auf dem Feld sind, so wie gegen Deutschland. Michael Gregoritsch neigt dazu, die (vermeintlich) leichten Chancen nicht zu nützen, um dann bei den komplizierten Dingen aufzutrumpfen – auch das zieht sich durch dieses Jahr, man denke an das Heimspiel gegen Estland.

Rangnicks ÖFB-Team ist der Prototyp einer gelungenen Nationalmannschaft: In der knappen Zeit, die einem am Trainingsplatz zur Verfügung steht, werden die Stärken so in die Spielstrategie eingebaut, dass die Schwächen so wenig wie möglich zum Tragen kommen. Dieser Spagat zwischen vielen Ideen und wenig Zeit erfordert eine besondere Arbeitsweise. Julian Nagelsmann wäre nicht der erste profilierte Klub-Trainer, der an diesem Spagat scheitert, und er wäre auch nicht der letzte.

Umso erstaunlicher, dass Rangnick – der noch nie ein Nationalteam trainiert hat – das offenkundig so gut hinbekommt.

Erwachsener Auftritt in Estland

Dazu passt auch der Auftritt beim letzten EM-Quali-Spiel fünf Tage zuvor in Tallinn. Das Match war für die bereits qualifizierten Österreicher von minimaler tabellarischer Bedeutung und für die am letzten Platz einzementierten Esten von gar keiner.

Wie so ein Spiel aussehen kann, haben wir im Herbst 2019 erleben müssen, keine 300 Kilometer südlich von Tallinn, in Rīga. Damals spielte ein wild zusammen gewürfelter und ziemlich offensichtlich in keinster Weise auf den Gegner eingestellter Haufen von Reservisten in Lettland so erbarmungswürdig aneinander vorbei, dass der bis dahin punktelose Letzte der wirklich nicht besonders starken Gruppe sogar 1:0 gewonnen hat.

Seriös und geduldig

Das Österreich von 2023 hat aber so gut wie nichts mehr mit dem Österreich von 2019 zu tun. Rangnick – womöglich auch vorsichtig nach dem unglücklichen Auftritt einer Experimental-Elf gegen Moldawien im September – schickte die Einserpanier auf das novembergatschige Feld und dieses bot einen hochseriösen, konzentrierten und geduldigen Vortrag.

Estland – Österreich 0:2 (0:1)

Man rückte in die vom estnischen 5-3-2 freigegebenen Halbräume vor, spielte keine riskanten Pässe und schüttelte Estland mit blitzschnellen Tempoverschärfungen durcheinander. Man war schnell und konsequent im Gegenpressing, leitete die estnische Spieleröffnung mit den in den Halbräumen zumachenden Baumgartner und Sabitzer ins Zentrum.

Zwei Schlampigkeitsfehler von Lienhart bescherten Estland Chancen, aber anders als im März in Linz ging der Außenseiter nicht in Führung und mit dem österreichischen 1:0 (schnelle Kombination über die linke Seite) und dem schnell folgenden 2:0 (Lienhart nach Eckball) war die Sache erledigt.

Österreich hat, was Deutschland nicht hat

Der deutsche Blick ging durchaus neidvoll auf das österreichische Team: Hier greift ein Rädchen ins andere, die Einheit funktioniert tatsächlich als Mannschaft, alle haben in ihrem Notenheft die selbe Seite aufgeschlagen und spielen im selben Takt.

Hinzu kommt, dass es vor allem in David Alaba eine gestandene Persönlichkeit gibt, die immer anspielbar ist, das Spiel lesen kann, dirigiert und der eine unumstößliche Autorität hat. Wie mühsam waren die jahrelangen Diskussionen, auf welcher Position er im Nationalteam am wertvollsten ist und die Freiheiten, die er sich in den späten Koller-Jahren nahm, beschädigten die Mannschaft und den damaligen Teamchef in einer ähnlichen Weise, wie dies nun bei Joshua Kimmich und dem DFB-Team der Fall ist.

Alaba hat seine Position gefunden, in Klub ebenso wie im ÖFB-Team, und er füllt die Regie-Rolle aus der Innenverteidigung mit so großer Präsenz, solcher Übersicht und solcher kognitiver Verlässlichkeit, dass ein Bruno Pezzey stolz auf ihn wäre. Die öffnenden Pässe von Instinkt-Fußballer Martin Hinteregger auf der selben Position waren eine der wenigen funktionierenden Moves der lähmenden Foda-Jahre. Die allumfassende Kontrolle, die der mittlerweile 31-Jährige ausstrahlt, stellt das allerdings in den Schatten.

Nicht davontragen lassen

Österreich hat sich in diesem Jahr souverän für die EM qualifiziert. Hat Belgien gefordert und Schweden zweimal besiegt – und das waren keine leichten Spiele, sondern solche, die zeitweise auf der Kippe standen und die Geduld, Ruhe und Vertrauen in die eigene Spielweise erforderten. Und man hat zum krönenden Abschluss den Deutschen ein krachende Ohrfeige verpasst.

Es fällt tatsächlich schwer, sich nicht vollends davontragen zu lassen und diese Truppe als die Wiedergänger des Wunderteams zu feiern, auserkoren um die Welt zu erobern. Tatsächlich hat es das Team unter Rangnick geschafft, mit einer aktiven Spielweise die Massen zu begeistern und das Happel-Oval, vom oft nicht anzusehenden Gewürge unter Foda fast schon aktiv aus dem Stadion vertrieben, mühelos mit begeisterten Fans zu füllen.

Nur: Eine unkritische Euphorie birgt die altbekannte Gefahr, ob der Fallhöhe sehr hoch werden zu lassen. Die Begeisterung war 1989 nach dem DDR-Spiel und den Testspielsiegen gegen Argentinien und Spanien gewaltig, aber das Team war längst nicht so gut, wie es den Anschein hatte – Landskrona hat viel zerstört. Die Begeisterung war 1997 gewaltig, aber das Team war über dem Zenit und war bei der WM am absteigenden Ast – Valencia hat viel zerstört. Die Begeisterung war auch 2015 gewaltig, aber das Team war zu grün auf diesem Niveau, zu dünn aufgestellt, Verletzungen und Formkrisen konnten nicht aufgefangen werden – die EM selbst hat viel zerstört.

Es ist denkbar, dass die aktuelle Truppe genau den Sweet Spot erwischt, in dem sie auf ihrem Höhepunkt zu einem großen Turnier antritt. Die Wahrheit ist, dass kaum eine Mannschaft derart präzise gecoacht zur EM im kommenden Sommer fahren wird wie Österreich. Wenige Nationalteams spielen einen so aggressiven, nach vorne gerichteten Stil wie das ÖFB-Team und von den sechs Teams im insgesamt nicht sehr beeindruckenden zweiten Topf ist Österreich wohl jenes, das die anderen wohl am ehesten nicht haben wollen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das österreichische Team sehr ausgeglichen und gut besetzt ist, aber von der reinen individuellen Qualität realistischerweise nicht zu den Top-10 am Kontinent gehört. Gerade bei Nationalteams, wo die Dichte an sehr guten Trainern viel, viel geringer ist als im Klub-Fußball, kann man hier einiges mit Hirnschmalz ausgleichen. Aber alles geht auch hier nicht.

Also: Genießen, ja. Gerne auch ein bisserl Schadenfreude in Richtung Deutschland, das gehört dazu. Frohsinn darüber, eine richtig coole Nationalmannschaft zu haben – auf jeden Fall! Aber auch nicht ganz ohne Netz den Boden unter den emotionalen Füßen verlieren.

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Mehr Erkenntnisse als Tore zwischen Blau-Weiß Linz und Lustenau https://ballverliebt.eu/2023/10/22/analyse-blau-weiss-linz-0-lustenau-0/ https://ballverliebt.eu/2023/10/22/analyse-blau-weiss-linz-0-lustenau-0/#respond Sun, 22 Oct 2023 12:34:36 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19345 Mehr Erkenntnisse als Tore zwischen Blau-Weiß Linz und Lustenau weiterlesen ]]> Aufsteiger gegen Schlusslicht: Besonders sexy klingt das Duell nicht. Aber das Match zwischen Blau-Weiß Linz und Austria Lustenau sagt durchaus etwas über den Verlauf des Abstiegskampf der heimischen Bundesliga aus, ebenso wie natürlich über die beiden Teams – die solide Basis mit der dünnen Offensive in Linz, das praktisch völlige Fehlen aller maßgeblichen Attribute in Lustenau.

Blau-Weiß Linz – Austria Lustenau 0:0

Sieben Niederlagen in Folge mit 2:20 Toren – Lustenau, in der abgelaufenen Saison als Achter souverän in der Liga geblieben und sogar im Europacup-Playoff – kam als siegloses Schlusslicht zum elften und letzten Spiel des ersten Durchgangs. Die Abgänge von Sechser Türkmen (in die Türkei), Linksverteidiger Guenouche (zur Austria) und Innenverteidiger Hugonet (in die 2. Liga in Deutschland) konnten nicht kompensiert werden.

Blau-Weiß war in den ersten Spielen nach dem Aufstieg von Gegnern und Tempo ein wenig überfordert, fand sich in den letzten Wochen aber immer besser zurecht – acht Punkte aus den letzten fünf Spielen, dem 1:0-Hit-and-Run in Salzburg inklusive, daheim immer noch sieglos, aber auch erst mit einer Niederlage. „Von Lustenau absetzen“ wollte sich Trainer Gerald Scheiblehner im direkten Duell.

Gute Grundlagen bei Blau-Weiß

Gegenüber dem Aufstiegsteam wurde für der Kader für die Bundesliga nur geringfügig verändert, der größte Handlungsbedarf entstand durch die Abgänge von Seidl und Mayulu (beide zu Rapid) im Angriff. Man holte sich den Deutsch-Iren Conor Noss von der Regionalliga-Mannschaft von Mönchengladbach, der sofort Stammspieler wurde, und den bulligen Stefan Feiertag aus Amstetten – das sind die Sphären, die das Budget des Liga-Neulings hergibt.

Umso mehr müssen die vorhandenen Spieler miteinander funktionieren. Das Spiel ist darauf ausgelegt, möglichst schon im Mittelfeld die Bälle zu gewinnen (vor allem Marco Krainz tat sich gegen Lustenau dabei hervor) und dann über zwei Kanäle nach vorne zu kommen: Entweder mit Pässen auf die Außenstürmer Noss und Mensah, die in den Strafraum ziehen – oder mit einem Anspiel auf Aufstiegsheld Ronivaldo im Angriffszentrum, der dann auf seine Nebenmänner ablegt.

Gleichzeitig wird darauf geachtet, immer mindestens eine, möglichst zwei defensive Passrouten offen zu haben. Es ist die kontrollierte Offensive: Man versucht schon, nach vorne zu kommen, aber nicht um jeden Preis und möglichst risikominimierend. Das 3-4-3 ermöglicht zudem eine solide Absicherung über die ganze Spielfeldbreite.

Stumpfe Offensive beim Aufsteiger

In den ersten Saisonspielen war die Abwehr noch ziemlich offen (drei Gegentore gegen Hartberg, zwei vom LASK, fünf von Rapid und vier von Sturm), hier hält man gegen die weniger potenten Angriffsreihen der Kontrahenten aus der unteren Tabellenhälfte deutlich besser dagegen. Das größte Problem bleibt aber die Offensive – 6:7 Tore gab es in den fünf Matches vor dem Duell mit Lustenau, alleine vier der Tore gelangen beim Sieg bei Wattens.

Wenn Ronivaldo eine bestenfalls mäßige Leistung zeigt, wie gegen Lustenau, fällt schon viel weg. Vor allem am potenziellen Assist hapert es, der „letzte Pass“: Blau-Weiß kommt, bei aller Spielkontrolle, so gut wie nie in gute Abschlusspositionen. Man war Lustenau in praktisch allen Belangen überlegen, mehr als zwei wirklich gute Möglichkeiten schauten dabei aber nicht heraus.

Völlig verunsicherte Lustenauer

Rein von den Resultaten her sind die Vorarlberger ganz ordentlich in die Saison gestartet – Auswärts-Remis in Hartberg und Wolfsberg, vertretbare Niederlagen gegen Sturm und die Austria – aber nach dem 0:3 im Derby gegen Altach ging es richtig bergab. Zu den Abgängen kam die Unruhe um Lukas Fridrikas (der seinen Unmut über den vom Klub verweigerten Transfer öffentlich kundtat) und die Verletzung von Kapitän und Abwehrchef Maak (in dessen Folge von 3-4-1-2 auf 4-2-3-1 umgestellt wurde)

Was die Spielidee sein soll, wurde beim Auftritt in Linz aber nie so richtig klar. Der Ball wurde im Mittelfeld verloren? Weder wurde dem Ballverlust nachgegangen, noch sich konsequent zurückgezogen. Einstudierte Laufwege? Pässe, vor allem im Mittelfeld, landeten in Dauerschleife irgendwo im Nirwana – jene gute Abstimmung, die die Linzer zeigten, fehlte Lustenau komplett. Im Gegenteil, man wirkte ob der zahlreichen Rückschläge in jüngster Vergangenheit völlig verunsichert.

Diaby und Linzer Schnitzer

Am ehesten gab es noch Vorstöße über die Außenbahnen, vor allem über Yadaly Diaby (der mit Fridrikas immer wieder die Seiten tauschte) – aber für jedes gute Dribbling des Clermont-Leihspielers aus Guinea folgen drei misslungene, sei es durch technische Annahmefehler oder dem verpassten Zeitpunkt des Abspiels. Sturmspitze Nikolaj Baden-Fredriksen war kaum mehr als körperlich anwesend, Fridrikas war wirkungslos, Surdanovic versuchte das Spiel zu lenken, aber es gab keine Impulse.

Lustenau wurde nur dann gefährlich, wenn die Blau-Weißen individuelle Schnitzer einbauten. Entgegen des Spielverlaufs landete der Ball zwar vor der Pause zweimal im Linzer Netz, aber beide Tore zählten wegen Abseitspositionen nicht. Vor allem in der Mitte der zweiten Hälfte wurde Lustenau ziemlich in die Seile gedrückt, erst in der Schlussphase befreite man sich etwas: Bobzien (statt Fridrikas) band mit seinen Dribblings Linzer Gegenspieler besser als Fridrikas vor ihm, dazu fehlte bei Blau-Weiß die Substanz von der Bank.

Fazit: Blau-Weiß mit besseren Karten – aber!

Für die Linzer war das 0:0 absolut eine verpasste Chance, den Abstiegsplatz zehn Punkte (bzw. fünf nach der Punkteteilung) hinter sich zu lassen. Das Match zeigte die Stärken und die Defizite des Aufsteigers exemplarisch offen: Immer voller Einsatz, gute Abstimmung, das Risikomanagement wurde den neuen Gegebenheiten in der Bundesliga angepasst – all das Eigenschaften eines soliden Teams, das sich um den Klassenerhalt keine großen Sorgen machen müsste. Aber: Der Angriff ist in dieser Form langfristig sicher nicht bundesligatauglich, der Offensiv-Output ist viel zu gering, es braucht zweifellos mehr Qualität im Kreieren von Torchancen.

Im Lustenauer Lager verkaufte man ihren über weite Strecken miserablen Kick in Linz tatsächlich als Fortschritt, was Bände über die bisherige Saison spricht. Dass man ohne Sieg und mit nur fünf eigenen Toren aus elf Matches überhaupt noch in Schlagdistanz zur Rettung liegt, hat mehr mit der ähnlich schwachen Saison von Wattens sowie der Aussicht auf die Punkteteilung zu tun. Viele der Attribute von Blau-Weiß fehlen den Lustenauern aber: Die Abstimmung ist inexistent, ein über individuelle Dribblings hinausgehender Offensivplan ebenso. Ja, die Defensive hielt stand, allerdings gegen einen Gegner ohne großen Punch.

Stand jetzt hat Blau-Weiß sicher ganz gute Karten im Rennen um den Verbleib in der Bundesliga, um den Handlungsbedarf wissen Trainer Scheiblehner und Sportdirektor Schößwendter selbst am Besten Bescheid. Lustenau muss sich in wesentlich mehr Bereichen steigern, damit es nicht wieder runter geht. Der Modus und vor allem Wattens lassen aber (noch) alle Möglichkeiten offen.

source: https://ballverliebt.substack.com/p/analyse-blau-wei-linz-0-lustenau

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Mit zähem 1:0 in Baku bringt ÖFB-Team das EM-Ticket über die Linie https://ballverliebt.eu/2023/10/16/mit-zaehem-10-in-baku-bringt-oefb-team-das-em-ticket-ueber-die-linie/ https://ballverliebt.eu/2023/10/16/mit-zaehem-10-in-baku-bringt-oefb-team-das-em-ticket-ueber-die-linie/#respond Mon, 16 Oct 2023 21:57:11 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19307 Mit zähem 1:0 in Baku bringt ÖFB-Team das EM-Ticket über die Linie weiterlesen ]]> Mit einem 1:0 in Baku macht das ÖFB-Team den letzten Schritt und fixiert die Teilnahme an der EM 2024 auch rechnerisch. Angesichts des von Verletzungen ziemlich gerupften Kaders blieb nur eine Rumpftruppe übrig, die eine Halbzeit – ähnlich wie gegen Moldawien – ziemlich aneinander vorbei spielte. Nachdem einige zunächst zurückgehaltene Stammkräfte eingewechselt wurden, brachte ein Elfmeter-Tor die Wende, schön wurde es aber bis zum Ende nicht.

Aserbaidschan – Österreich 0:1 (0:0)

Das Personal

Zu Alaba, Arnautovic, Posch, Mwene, Trauner und Oniwiso gesellten sich auch Gregoritsch und Danso, die wegen Blessuren nicht im Flieger nach Baku saßen. Mit Prass (links) und Seiwald (rechts) begannen jene beiden Sechser/Achter, die gegen Belgien am Ende dort postiert waren, positionsfremd als Außenverteidiger im 4-1-4-1, Romano Schmid bildete mit Xaver Schlager das Mittelfeld-Duo vor Grillitsch, Flo Kainz begann links offensiv und Sasa Kalajdzic ganz vorne; Wöber verteidigte neben Lienhart.

Auf der Bank nahmen zunächst Sabitzer, Baumgartner und Wimmer Platz, das sollte noch wichtig werden. Die Vermutung liegt nahe, dass Rangnick diese zunächst bewusst zurück hielt, um im Falle des Falles Qualität nachschießen zu können.

Die erste Halbzeit

Eine gute Abstimmung ist im modernen, schnellen Fußball zur Grundvoraussetzung geworden – darum war auch das offensiv bewusst viel auf Improvisation basierende Spiel unter Foda so ungenau, langsam und chaotisch. Beim Rangnicks Pressing-Spiel ist diese Eingespieltheit umso wichtiger, weil die Strukturen hinter der Pressingwelle ebenso wie die Laufwege nach Ballgewinnen exakt sitzen müssen, um schnell vor das Tor zu kommen.

Dieser Truppe, die nie vor dem Match in Baku so zusammen gespielt hat und das auch nach Baku nie wieder tun wird müssen, fehlte all das logischerweise völlig. Die Laufwege passten oftmals nicht zu den gespielten Pässen, schnelle Kombinationen waren unmöglich. Hinzu kam, dass die Azeris in ihrem 3-4-1-2 mit den drei Offensivspielern recht geschickte Deckungsschatten stellten. Eine kurze Eröffnung auf Grillitsch war damit kaum möglich, lange Pässe kamen selten an und die Außenspieler wurden von den schnell im Block verschiebenden Azeris rasch isoliert.

Allenfalls über die rechte Angriffsseite über Laimer gelang es einige Male, zur Grundlinie zu kommen und von dort in den Strafraum zu flanken. Links setzte Kainz seine schwache Köln-Form fort; Schmid war bemüht, setzte aber kaum Akzente und Prass ließ einige Schwächen in der defensiven Zweikampfführung erkennen – aus diesen resultierten auch gefährliche Angriffe der Azeris.

Einziger auffälliger Pluspunkt war Sasa Kalajdzic, der als Zielspieler vorne in einigen Aktionen erkennen ließ, warum er vor seiner Verletzung schon drauf und dran war, wichtige Stammkraft zu werden: Er machte viele Bälle fest, hielt sie und ließ Mitspieler aufrücken und verteilte die Kugel auch auf engem Raum oft mit guten Ideen.

Die zweite Halbzeit

Dieses Trio blieb auch in der Kabine, in die es nach einer sehr zähen ersten Halbzeit mit 0:0 gegangen war. Rangnick stellte mit Baumgartner und Wimmer eine neue Flügelzange auf (Wimmer begann links, ging dann nach rechts); Sabitzer und Laimer gaben die Achter und Xaver Schlager – ja, Schlager – durfte nun den Linksverteidiger geben.

Zweite Halbzeit

Wie viel Einfluss die neue Besetzung gehabt hätte, wäre es länger 0:0 gestanden, ist unmöglich zu sagen, da praktisch mit der ersten Aktion erst ein Freistoß für Österreich entstand und aus diesem der Hand-Elfmeter, den Sabitzer zum 1:0 verwertete.

Mit der Führung konnte das ÖFB-Team nun das Spiel umstellen. Die Hausherren waren nun gefordert, selbst kreativ zu werden, und das können sie nicht besonders gut. Zuvor waren sie – ähnlich wie Österreich – nur gefährlich geworden, wenn sie Ballverluste beim Gegner provozierten und schnell umschalteten, spielerische Lösungen hatten die Azeris kaum.

An der Uhr drehen

Die österreichische Angriffskette konnte nun gezielt auf die Spieleröffnung von Aserbaidschan laufen, um ohne viel Mühe einen gezielten Aufbau zu verhindern. Die Message war relativ schnell klar: Selbst gelingt uns heute nicht viel, dann sagen wir eben „Danke“ für das 1:0 und bringen das über die Zeit.

Die letzten 25 Minuten sahen zunehmend aus wie ein Spiel aus der Foda-Zeit gegen einen vergleichbaren Gegner: Die Bemühungen nach vorne werden nicht grundsätzlich eingestellt, aber es wurde auch nicht nachgerückt – mehr als drei Österreicher waren nur bei Standards im Angriffsdrittel; der Rest verblieb als Absicherung, wenn auch nicht ganz so weit hinten wie unter Foda.

Die Defensive ist erstens diese Spielweise unter Rangnick nicht gewohnt und zweitens eben auch nicht eingespielt, dennoch gelang es gut, die Angriffe der Azeris möglichst durch die Mitte zu lenken, wo Wöber und Lienhart aufräumen konnten. Einmal, in der Nachspielzeit, rutschte aber ein Angriff durch – hätte Bayramov besser gezielt und nicht alleine vor Schlager stehend die Außen- statt der Innenseite des Pfostens getroffen, wäre das Spiel 1:1 ausgegangen.

Fazit: Job erledigt, um mehr ging’s nicht

Rangnick betonte nach dem Match, stolz auf die Truppe zu sein. Das nimmt man ihm auch ab, aber dass das Match in Baku nach dem doch recht vorzeigbaren Auftritt in Wien gegen Belgien inhaltlich nicht ganz nach seinem Geschmack war, wird er wohl auch nicht verleugnen. Vieles erinnerte an den Moldawien-Test in Linz vor fünf Wochen, nur ohne das frühe Gegentor, und die inhaltlichen Erkenntnisse sind die selben. „Das nicht eingespielte Team fand nie in den gewünschten Rhythmus, es lief alles ein wenig aneinander vorbei, vieles war umständlich, wenig war zwingend“, analysierten wir damals.

Angesichts der personellen Lage war es womöglich nicht ganz ohne Risiko, aber – so wie es letztlich gelaufen ist – wohl nicht ganz un-clever, sich drei der verbliebenen Stammkräfte für die zweite Halbzeit aufzuheben, wenn bei Aserbaidschan die Qualität durch die Wechsel eher runter geht. Mit Baumgartner, Sabitzer und Wimmer lief einiges runder, flüssiger.

Letztlich ging es ausschließlich darum, das Match irgendwie zu gewinnen. Man ist nach Baku gekommen, um einen Job zu erledigen, egal wie dreckig. Das wurde geschafft, dazu wurde mit dem Kurzauftritt von Guido Burgstaller – der Stürmer kam nach vier Jahren zurück ins Team, nur um zehn Minuten nach seiner Einwechslung in der Nachspielzeit ausgeschlossen zu werden – eine kuriose Nebengeschichte geschrieben.

Für die sportliche, spielerische und taktische Entwicklung unter Rangnick bedeutet dieses Spiel rein gar nichts. Dazu haben zu viele gefehlt, dazu war die Ausgangslage nicht angetan, es zählte einzig das Ergebnis. Gott sei Dank, wenn man die sich die Geschehnisse in Brüssel vor Augen führt.

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Österreich reagiert (zu) spät auf gnadenlose Belgier – 2:3 https://ballverliebt.eu/2023/10/14/oesterreich-reagiert-zu-spaet-auf-gnadenlose-belgier-23/ https://ballverliebt.eu/2023/10/14/oesterreich-reagiert-zu-spaet-auf-gnadenlose-belgier-23/#comments Fri, 13 Oct 2023 23:34:37 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=19289 Österreich reagiert (zu) spät auf gnadenlose Belgier – 2:3 weiterlesen ]]> Am Ende wäre sich das Remis fast noch ausgegangen. Das ÖFB-Team von Ralf Rangnick liefert Belgien einen Kampf bis zur letzten Minute, unterliegt aber doch mit 2:3. Die Niederlage ist nicht unverständlich, hätte aber nicht sein müssen.

Beide Teams waren vor dem Spiel so gut wie sicher bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland dabei. Es war klar, den Vorsprung von 7 Punkten auf Schweden würden beide in den letzten drei Runden nicht mehr hergeben. Der Gruppensieg und wichtige Punkte für Setzranglisten waren aber im Spiel.

Enorm viele Ausfälle

Das musste beide ersatzgeschwächt antreten. Belgien musste auf Thibaut Courtois (Real), Kevin De Bruyne (ManCity), Leandro Trossard (Arsenal) und Thomas Meunier (BVB) verzichten. Österreich kam mit den Ausfällen von Marko Arnautovic (Inter), David Alaba (Real), Stefan Posch (Bologna), Philipp Mwene (Mainz) und Michael Gregoritsch (Freiburg), sowie den nicht vollfitten Marcel Sabitzer (BVB), Sasa Kalajdzic (Wolverhampton) und Christoph Baumgartner (RB Leipzig) argumentierbar sogar noch deutlich schlechter weg. Die Liste ließe sich noch fortführen.

Die Erwartungen vor dem Spiel mussten demnach als gedämpft gelten.

EM Quali 2024: Österreich gegen Belgien - Taktikanalyse

Rangnick musste improvisieren. Manprit Sarkaria (Sturm Graz) begann im Angriff, Nicolas Seiwald auf der ungewohnten rechten Verteidigerposition. Die Formation war mehr ein 4-2-3-1 als 4-4-2, zeigte sich am Feld aber ohnehin ziemlich flexibel. Das konterfixierte 4-4-2 von Domenico Tedescos Belgien war demgegenüber relativ geradlinig.

Flexibles ÖFB-System

Im Ballbesitz rückten Österreichs Außenverteidiger Seiwald und Maxi Wöber (Gladbach) gerne auf, Grillitsch kippte neben die Innenverteidigung heraus, um eine Dreierkette in einem 3-5-2 zu bilden. Damit schuf Österreich im Mittelfeld Breite und Überzahl im Zentrum. Wobei man vor allem versuchte, den Raum hinter der Mittelfeldlinie der Belgier mannstark zu besetzen. 4-5 Leute tummelten sich dort mitunter.

Spielte Belgien den Ball vom Tormann weg, stellte man sich hingegen in ein 4-1-3-2, in dem Grillitsch den Sechser und Baumgartner den zweiten Stürmer gaben. All die Bewegung war interessant anzusehen und hatte vor allem den Effekt, dass Belgien die meiste Zeit über taktisch deaktiviert schien. Eigene, zwingende Chancen gelangen Österreich über weite Strecken dann auch nicht. Dennoch zeigten sich eher verständliche Schwächen in der Abstimmung und auch eher unverständliche Konzentrationsfehler im Abspiel sorgten immer wieder für ungute Momente.

Die Belgier auf der anderen Seite ließen mit dem Ball die Außenbahnspieler Dodi Lukebakio (Sevilla) und Jeremy Doku (Manchester City) in die Angriffsreihe drängen, standen oft eher in einem 4-2-4. Über sie suchte man den direkteren Weg nach vorne – vor allem in den vielen Phasen, als die zentralen Stürmer bei der österreichischen Innenverteidigung gut aufgehoben waren. Die österreichische 5-Mann-Zustellversuche beim Spiel von hinten wurde entweder mit einem Abschlag weiter zurück gezwungen oder über die Breite doch oft zu einfach umspielt.

Qualität macht im entscheidenden Moment den Unterschied

Schlussendlich muss man in einem Spiel der vielen Ausfälle über die Qualität der Verbliebenen sprechen. Die machten den wesentlichen Unterschied. Das 0:1 (12.) durch Lukebakio entsprach zwar schon irgendwie der bereits angesprochenen belgischen Ausrichtung über außen durchzukommen – war aber auch keine zwingend herausgespielte Torchance, sondern einfach ein knappes Laufduell mit Philipp Lienhart (Freiburg), dass der rechte Flügel der Gäste auch aus der Balance kommend noch gut abschloss.

Auf der anderen Seite scheiterten die Österreicher bei ihren 2-3 größeren Chancen vor der Pause. Der deutlich vermehrte Ballbesitz versandete sonst zu oft. Belgien ließ hinter der Abwehr nicht viel Platz – damit verminderte man die Chance, dass der 36-jährige Innenverteidiger Jan Vertonghen (Anderlecht) auf sein Tempo getestet wurde. War die Möglichkeit doch einmal offen, machte Österreich entweder den Pass oder den Lauf nicht. Das bemühte und gut eingestellte Rumpfteam hatte merkbare Limitierungen in der Kreativität.

Auch nach der Pause hatte Österreich aber mehr vom Spiel, ohne ganz zwingend zu werden. Baumgartner setzte einen Weitschuss knapp daneben, Wöber traf aus spitzem Winkel das Tor nicht (Sarkaria hätte mit etwas mehr Selbstverständnis als Teamspieler vielleicht aus selbst was versuchen statt ablegen können).

Kurze Schockstarre bei Österreich

Die erste wirklich herausgespielte Aktion der Belgier setzte Romelu Lukaku (AS Roma) an die Latte. Österreich hatte Glück, die Rechnung glich sich aber umgehend aus. Ein kurz abgespielter Freistoß auf Lukebakio wurde gleich zwei mal abgefälscht und landete beim 0:2 (55.) im kurzen Eck.

Völlig überrumpelt wurde man dann drei Minuten später. Eigentlich in klarer Überzahl gegen zwei Angreifer schien der Schock vom Gegentor noch zu wirken. 1 cleverer Pass von Dolu, ein cleverer Lauf von Lukaku – 0:3. Folgerichtig aus dem Spielverlauf war nichts davon, viel vorzuwerfen hatte sich Österreichs improvisierte Elf auch nicht, aber die Kaltblütigkeit der Belgier war nunmal bei zumindest zwei der Treffer auch kein bloßer Zufall.

Im Rückblick ärgerliches Zögern

Ich hatte zu dem Zeitpunkt “Game over” auf dem Zettel notiert und dabei gar nicht viele Vorwürfe an die ÖFB-Elf gehabt. Was ich vermisste, war vielleicht ein früheres Eingreifen von der Bank. Ja, die Möglichkeiten waren beschränkt. Dass etwa Sabitzer und Kalajdzic einen Unterschied machen könnten, war auf der anderen Seite klar. Natürlich ist auch nicht unverständlich, dass man beide frisch Genesenen nicht unnötig früh riskieren wollte.

Das Spiel tröpfelte in der Folge vor sich hin. Rangnick reagierte schließlich in der 66. Minute mit einem Dreifachtausch. Muhammed Cham (Clermont), Kalajzdic und Samson Baidoo (Salzburg) kamen für Danso, Sarkaria und Baumgartner. Kurz darauf brachte Tedesco Johan Bakayoko (PSV) für Lukebakio und Rangnick noch Alexander Prass (Sturm Graz) für Wöber. In dem Moment hätte man das als “Spielpraxis geben” verzeichnen können. Wenn Rangnick der Meinung war, früher zu wechseln wäre unnütz gewesen, wäre das irgendwie verständlich. (Nach einem langen Tag wollte ich offen gesagt nicht mehr auf die Pressekonferenz nach dem Spiel warten, um es ihn zu fragen.) Kurioserweise widerlegte das ÖFB-Team die These jedenfalls in der Folge.

Österreich kommt doch noch zurück

In der 72. Minute erwachte Österreich dann plötzlich wieder. Konrad Laimer (Bayern) eroberte im Pressing den Ball selbst, machte Meter und zog ab. Nicht nur war das ein Tor, wie man sich das vermutlich im Gameplan so vorgestellt hatte. Anders als bei anderen Versuchen des Tages ging Laimer auch auf Platzierung statt Kraft, schlenzte den Ball ins Eck. 1:3 – das Happel erwachte.

Großchancen blieben bei Österreich dann aber erstmal aus. In der 77. Minute hätte es eine geben können, aber die ÖFB-Spieler verzichteten darauf, den Abschluss zu suchen.

Eine Minute später war die Hoffnung bei Österreich aber endgültig zurück. Amadou Onana (Everton) traf Xaver Schlager (RB Leipzig) etwas unglücklich, aber klar. Er sah Gelb-Rot. Rangnick brachte Sabitzer für Wimmer. Und kurz nach Minute 80 bekam Wout Faes (Leicester) den Ball im Strafraum an die Hand. Aus irgendeinem Grund übersah das nicht nur der Schiedsrichter – auch der Videoassistent brauchte eine Ewigkeit, um ein klares Handspiel zu erkennen. Zwischen dem Vergehen und dem Tor zum 2:3 vom Punkt durch Sabitzer vergingen mehr als drei Minuten.

Unzwingendes Drängen in Schlussphase

Tedesco nahm Bakayoku nach nur 17 Minuten wieder vom Platz, auch Doku vom Feld, wollte das Ergebnis irgendwie drüber bringen. Österreich kam noch zu einer Chance durch Grillitsch (90., ein Schuss etwas über das Tor), ansonsten verzögerte Belgien das Spiel aber über die Zeit.

Was dabei half? Die in der zweiten Spielhälfte bei 8 Wechseln, 4 Toren, einem Ausschluss, mehreren Verletzungspausen, einem 3 Minuten langen VAR-Check und minutenlangem, (quälend ungeahndeten) belgischem Zeitspiel mit 6 Minuten geradezu lächerlich bemessene Nachspielzeit. Der spanische Schiedsrichter Jesus Gil Manzano hat das Spiel sonst an sich gut gepfiffen. Die Zeitlupe gab ihm bei fast allen am ersten Blick im Stadion seltsam wirkenden Pfiffen recht. Er braucht aber eine Nachschulung beim Lesen der Uhr.

Fazit

Lange Rede, kurzer Sinn: Zwei stark ersatzgeschwächte Teams lieferten sich ein gut aufeinander eingestelltes Spiel, in dem je nach Vorliebe der etwas günstigere Spielverlauf oder die etwas höhere übrig gebliebene, individuelle Qualität den Unterschied machte.

Belgien ist nach diesem Sieg schon fix bei der EM 2024 und wird ziemlich sicher Gruppensieger. Wenn die roten Teufel am Montag erwartungsgemäß Schweden zumindest ein Unentschieden abringen oder Österreich gleichzeitig und gleichermaßen erwartungsgemäß in Aserbaidschan gewinnt (oder im November im Estland), fahren auch die Österreicher hin.

Man ist sehr versucht zu garantieren: Irgendetwas davon wird passieren. Vermutlich alles.

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