WM 2018 – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 20 Jul 2018 10:22:09 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Balance, Absicherung, Video-Referee: Das war die WM 2018 https://ballverliebt.eu/2018/07/18/wm-russland-2018-bilanz-balance-system-standards-var/ https://ballverliebt.eu/2018/07/18/wm-russland-2018-bilanz-balance-system-standards-var/#comments Wed, 18 Jul 2018 13:22:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15084 Balance, Absicherung, Video-Referee: Das war die WM 2018 weiterlesen ]]> Exakt 20 Jahre nach ihrem ersten WM-Titel jubelt auch 2018 ein französisches Team mit dem Pokal in der Hand. Es war im Ganzen ein recht unterhaltsames Turnier. Es brachte, wie jede WM-Endrunde, einige positive wie negative Überraschungen, und auch eine kompakte Übersicht, wie sich die Fußball-Welt in genereller und taktischer Hinsicher derzeit darstellt.

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1. Die Balance entscheidet

Das Finale

Dafür, ein Spektakel zu liefern, sieht sich Didier Deschamps nicht zuständig. Der Mann war einer der weltbesten Sechser. Und man wird das Gefühl nicht los, dass er genau das in seiner tiefsten Überzeugung auch heute noch ist.

Zinedine Zidane, sein vier Jahre jüngerer Welt- und Europameister-Kollege von 1998 und 2000, war das genaue Gegenteil: Ein individuelles Genie, das sich nicht viel um die Struktur des Teams scherte. Einer, der durch Individualität hilft, nicht durch Mitdenken.

Der eine ist nun Teamchef des Weltmeisters, der andere hat Real Madrid als Trainer zu drei Champions-League-Siegen in Folge geführt. Ihre beiden Teams, so unterschiedlich sie auch sind – das Kreativspiel von Real mit relativ viel Ballbesitz hier, das zurückgenommene Konterspiel Frankreichs mit relativ wenig Ballbesitz da – eines eint sie: Die Balance. Sie ist zum zentralen Thema in diesen späten Zehner-Jahren geworden.

Die Pressing-Welle ist längst abgeebbt. Das war bei der WM 2014 schon erkennbar. Das in den letzten Jahren vor allem in der Champions League so erfolgreiche Team von Real zeichnet sich nicht durch Pressing aus, nicht allein durch eine stringente Defensiv-Arbeit, nicht allein durch hohe individuelle Klasse; nicht durch atemberaubendes Tempo-Spiel oder rasante Umschaltsituationen. Es ist die perfekte Abstimmung aus solider Defensive, guter Balance zwischen Abwehr und Kreativität im Mittelfeld und individueller Qualität ganz vorne.

Viele maßgebliche Teams bei der WM legten es ähnlich an. Kroatien etwa, auch weil Modrić dieses Spiel von Real verinnerlicht hat. Frankreich ebenso, mit dem emsigen Kanté und dem polyvalenten Pogba im Zentrum. Auch Brasilien sah so solide, unspektakulär und ungefährdet aus, wie es Real im Idealfall ist – es fehlte allerdings ein tauglicher Rechtsverteidiger, der einen Gegenpol zur linken Seite mit Coutinho und Neymar hätte bilden können.

Aber, und das ist eh nix Neues: Es muss vorne und hinten stimmen. Eine schöne defensive Balance hatte etwa auch Nigeria. Dafür war es vorne ziemlich dünn. Ähnlich war es bei Australien, dem Iran oder Island. Umgekehrt war es beispielsweise bei Tunesien: Das war nach vorne recht brauchbar, aber hinten bekam man die Tore reihenweise eingeschenkt.

2. – Stabile Absicherung im Mittelfeld

Wer sich den Spaß macht und sich ein paar Spiele der WM 2002 nach heutigen Gesichtspunkten ansieht, wird erschocken sein: So etwas wie ein „kompaktes Mittelfeld“ oder eine nennenswerte Absicherung gab es de facto nicht. Nun, 16 Jahre später, gibt es im Grunde kein einziges Team mehr, das bei eigenem Ballbesitz die Staffelung in der Zentrale vernachlässigt. Die wenigen, die es taten – wie Deutschland – wurden bestraft. Das heißt aber auch: Echte, offene Schlagabrtäusche waren selten. Es gab eigentlich nur ein Spiel, in dem es alle Beteiligten mit der Absicherung im Zentrum nicht so genau nahmen. Das war jedes von Japan gegen den Senegal (2:2).

Bei der EM 2016 hieß das bei vielen Teams: Strikte Defensive. Bei diesem Turnier dachten viele Mannschaften schon einen Schritt weiter nach vorne. Dadurch wirkte das Turnier als Ganzes offener, offensiver, weniger mühsam. Es hatten zwar immer noch viele Teilnehmer Probleme, im Angriffsdrittel sich Konkretes zu erarbeiten. Aber es igelte sich nicht das halbe Starterfeld von Haus aus im eigenen Verteidigungsdrittel ein.

Auch das trägt zum balancierten Gesamteindruck, siehe Punkt 1, bei.

Diese stets vorhandene Absicherung verhindert auch, dass man bei Ballverlusten in gefährliche Konter läuft. So sind bei dieser WM lediglich elf Tore aus Kontern entstanden, alleine Deutschland hat drei davon kassiert und Belgien zwei davon erzielt. Auch hier ist das Real von Zidane durchaus eine Blaupause: Die Achter Modrić und Kroos decken defensiv gut die Halbfelder ab un sichern, wenn die Außenverteidiger Carvajal  und Marcelo nach vorne marschieren. Das hat in der Liga zuletzt nicht mehr so gut funktioniert wie gewünscht, aber international hat man so seit drei Jahren nicht mehr ausgeschieden.

3. – Außenverteidiger: Wenig aufregend

Es war lange eine Faustregel: Das Team mit dem besten Außenverteidiger-Paar wird Weltmeister. Thuram und Lizarazu 1998, Cafu und Roberto Carlos 2002, Zambrotta und Grosso 2006, Ramos und Capdevila 2010 – sie alle waren nicht nur defensiv eine Bank, sondern lieferten auch Impulse nach vorne. Deutschland hat 2014 ein wenig damit gebrochen: Da stellte Löw in Ermangelung eines tauglichen Linksverteidigers den Innenabwehr-Mann Höwedes auf die Seite.

2018 hat sich die Rolle des Außenverteidigers merklich in Richtung Defensive verschoben. Die beiden auffälligsten Rechts-Läufer des Turniers – Kieran Tripper und Thomas Meunier – spielten als Wings-Backs neben einer Dreierkette. Benjamin Pavard ist eigentlich Innenverteidiger, er gab gute Balance und sicherte stark hinter Mbappé ab, viel mehr aber nicht. Šime Vrsaljko spielte eine solide WM, ein Wiedergänger von Darijo Srna ist er im offensiven Sinn aber nicht.

Auf links sieht es kaum aufregender aus. Marcelo, derzeit der beste LV der Welt, war von seinem Hexenschuss gehandicapt. Laxalt war okay, Lucas Hernadez auch. Strinić war da und sicherte ab, Eindruck hinterließ er nicht. Mehr als Durchschnitt war Ashley Young auch nicht. Jordi Alba ist zu früh ausgeschieden.

Auch hier gilt: Absicherung schaffen, Balance geben. Die Zeit der Ein-Mann-Büffelherden des Typus Roberto Carlos ist (vorläufig) eher vorbei.

4. – Der vermeintliche Standard-Boom

So viele Tore aus Standards! Mehr als die Hälfte der Treffer aus ruhenden Bällen! Das Ausspielen gegnerischer Defensivreihen ist tot! In der Vorrunde wurde schon eine Ära ausgerufen, in der Bälle – wie beim Feldhockey – fast nur noch aus Standardsituationen fallen. In der K.o.-Phase war davon schon kaum noch etwas zu hören.

Warum? Weil der Wert bis zum Ende auf 31 Prozent gesunken ist, sich also wieder dem Normalwert angenähert hat. In den Turnieren von 1994 bis 2014 lag der Anteil an Toren aus Standardsituationen bei 26 Prozent.

Auffällig war es aber natürlich sehr wohl, dass bei so manchem der ruhende Ball einen signifikanten Teil der Offensiv-Strategie ausmachte. Das ist nach der generell unsäglichen EM vor zwei Jahren und der ständigen Präsenz einer tauglichen gegnerischen Defensiv-Staffelung auch nicht ganz unlogisch. So wie bei den Engländern, die sich mit Eckbällen, Freistößen und Elfmetern bis ins Halbfinale durchgekämpft haben. Aus dem Spiel heraus war der offensive Output recht gering.

Der Variantenreichtum und die clever ausgeführten Laufwege, welche vor allem England bei Standards gezeigt haben, können durchaus auch für den Klub-Betrieb inspirierend sein. Wie sagte schließlich schon Gianni Vio, Italiens Standard-Trainer-Gott: Der Ruhende Ball ist ein Torjäger, der zuverlässig für 20 Tore pro Saison gut ist. Das gilt heute noch mehr als früher.

5. – Das Ende des Ballbesitz-Fußballs? Ähm, nein.

Spanien (69 Prozent Ballbesitz): Null Torgefahr, raus im Achtelfinale. Deutschland (67 Prozent Ballbesitz): Keine defensive Absicherung, raus in der Vorrunde! Mit dem frühen Scheitern der beiden dezidierten Ballbesitz-Teams wurde – oftmals mit unverhohlener Häme und triumphierender Freude – schon das Ende des Ballbesitz-Fußballs proklamiert.

Aber: Immer mit der Ruhe. Der Ballbesitz-Fußball geht so schnell nirgendwo hin.

Denn, erstens: Spanien und Deutschland (und auch Argentinien, 64 Prozent) sind nicht am Grundprinzip des Ballbesitz-Fußballs gescheitert. Die Spanier bekamen zwei Tage vor dem ersten Spiel einen Trainer, der kein Detailwissen über die taktischen Abläufe hatte, mit der Julen Lopetegui eine geradezu aufregende Vertikalität ins spanische Ballgeschiebe gebracht hatte.

Die Deutschen waren geistig nicht bereit, anzuerkennen, dass es eben nicht von selbst geht, nur weil man eben Deutschland ist. Die DFB-Delegation ließ Unruhe im Umfeld zu, es gab kein Gegenpressing mehr bei Ballbesitz und man war für Konter offen, und man hat die zuhauf vorhandenen Torchancen auch einfach nicht genützt.

Und, zweitens: Mit dem FC Barcelona (60 Prozent), Manchester City (66 Prozent) und Bayern München (62 Prozent) haben drei dezidierte Ballbesitz-Teams die großen Ligen in Europa mit Leichtigkeit dominiert und jeweils völlig ungefährdete Meistertitel eingefahren.

Mit Atlético Madrid (49), Valencia (48) und Schalke (48) weisen nur drei der 19 Teams, welche sich in den Top-5-Ligen für die Champions League qualifiziert haben, eine negative Ballbesitz-Bilanz auf. Sogar das Liverpool unter Jürgen Klopp, quasi dem Erfinder des Pressing- und Umschaltspiels, kam in der Premier League auf 58 Prozent Ballbesitz.

Spanien hat sich mit Luis Enrique einen Trainer geholt, der bei Barcelona auf dieses Spiel setzte und es zuvor bei der Roma schon installieren wollte. Spanien denkt also überhaupt nicht daran, den Ballbesitz zu reduzieren. Wozu auch? Er dominiert den Weltfußball immer noch auf relativ breiter Basis.

6. – An der System-Front: Comeback des 4-4-2

Diejeningen aber, die mit dem Ball schnelle Gegenstöße vollziehen wollen, haben ein altes System für sich entdeckt, das vermeintlich schon am aussterben war. Das 4-4-2.

Nach dem Ende des Liberos (letzte Ausläufer 2002 mit Kroatien und Slowenien sowie 2004 mit Griechenland) war kurzzeitig das 4-4-2 das praktisch allgemeingültige System. Bei der EM 2004 sind 60 Prozent (!) der Teams mit einer Viererkette hinten und zwei Stürmern vorne angetreten. Dann, mit dem Siegeszug des 4-2-3-1-Systems mit der Blütezeit in den frühen Zehner-Jahren, ist das 4-4-2 zum Minderheiten-Programm geworden – vor vier Jahren in Brasilien spielten nur noch 12 Prozent der Teilnehmer mit einem 4-4-2.

Nun ist das gute, alte 4-4-2 wieder zurück. Von den 12 Prozent in Brasilien hat sich der Anteil bei diesem Turnier auf 34 Prozent fast verdreifacht. Anders als in der letzten Hochphase vor anderthalb Jahrzehnten ist es aber nun ein dezidiert reaktives System geworden. Von den elf 4-4-2-Teams bei dieser WM in Russland haben nur drei mehr als 50 Prozent Ballbesitz gehabt – Portugal (54), Peru (52) und Australien (51).

Blau: 4-3-3 bzw. 4-1-4-1      /     Rot: 4-2-3-1     /     Grün: 4-4-2     /     Lila: Dreierkette

Mit den zwei Viererketten ist die besten Balance gegeben aus defensivem Block und dennoch Zugriff und horzitonaler Abdeckung im Mittelfeld. Das ist mit einem Dreier- bzw. Fünferketten-System auch möglich, ist aber komplizierter.

Varianten mit Dreier- bzw. Fünfterkette, die eine Zeitlang wie der neueste heiße Scheiß ausgesehen haben, der wieder voll am Kommen ist, sind hingegen Varianten geblieben. Nur vier Teams (Belgien, England, Nigeria und Costa Rica) haben ganz oder überwiegend so gespielt. In Südafrika 2010 waren es vier (kein einziger Europäer), in Brasilien 2014 waren es fünf bzw. sechs (Holland, zeitweise Italien). Das bleibt also relativ konstant.

7. – Der Video Assistant Referee

Der erste Test bei einem internationalen Turnier war ein Debakel. Beim Confederations Cup vor einem Jahr sorgte der Video-Hilfssschiedsrichter für mehr Chaos und Verwirrung, als dass er beim Bereinigen strittiger Situationen geholfen hätte. Ähnlich war die Erfahrung in der deutschen Bundesliga, wo die Zahlen zwar gut sind, die Wahrnehmung aber nicht.

Darum war die Vorgabe für die WM auch ganz klar: Nur bei eindeutigen Elfmeter-Situationen, potenziellen Platzverweisen und Abseitsstellungen bei Toren – also unmissverständlich spielentscheidenden Situationen – wird der Referee an den Monitor gebeten. Natürlich wurde sich im „VAR Room“ in Moskau jede Szene genau angesehen, jedes Tor gecheckt, jeder Elfmeter kontrolliert. Dann stand der Referee eben zehn Sekunden da und griff sich ans Headset.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Fouls, die zu Elfmetern führten und kontrolliert wurden, waren unstrittig. Nur ein möglicher Platzverweis nach Videobeweis wurde nicht ausgesprochen (Ronaldo gegen den Iran). Die Handhabung der Handspiele sorgte zwar für Frust, der mal mehr verständlich war (wie bei Saudi-Arabien gegen Ägypten oder Dänemark-Australien) und mal weniger (wie im Finale).

Aber: Alle diese Entscheidungen folgten der Direktive, die vor dem Turnier auch allen Teams mitgeteilt wurde (was Nigerias Teamchef Gernot Rohr bestätigte): Ausgestreckte Hand –> Elfmeter. Das ist zwar nicht immer fair, aber zumindest eine Linie.

Die Leistungen der Schiedsrichter waren im ganzen sehr solide, es gab fast keine Ausrutscher nach unten. Dramatische, spielentscheidende Fehler wurden mit wenigen Ausnahmen vom VAR ausgebügelt. So darf es gerne bleiben.

8. – Europäische Dominanz

Knapp zwei Punkte pro Spiel in der Vorrunde: Europa zeigte dem Rest der Welt, wo der Hammer hängt. Von den 14 Vertretern blieb nur einer sieglos (Island). Seit 1986 der Modus mit Vorrunde und Achtelfinale eingeführt wurde, waren Europas Teams nur einmal noch eifrigere Punktesammler (2006 nämlich).

Südamerika ist zwar in puncto Vorrunden-Punkteschnitt erstmals seit 1994 hinter Europa zurückgefallen (1,97 zu 1,94 Punkte), thront aber immer noch überlegen vor allen anderen (Asien 1,00 Punkte; Nord- und Mittelamerika 0,77 Punkte; Afrika 0,73 Punkte). Wie immer. Dass Europa und Lateinamerika die stärksten Fußball-Länder haben, weiß man ja. Was aber auffällt ist, dass sich vor allem bei den nicht-europäischen Ländern feststellen lässt, dass Europa dominiert.

Wie das gemeint ist? Nun: Bei den nicht-europäischen Teams, welche die Vorrunde überstanden haben, sind im Schnitt acht der elf Spieler auf dem Feld in einer der fünf europäischen Top-Ligen engagiert. Bei jenen, die ausgeschieden sind, waren es im Schnitt nur drei.

Kein außer-europäisches Team mit weniger als sechs Stammspielern aus einer europäischen Top-Liga hat die Vorrunde überstanden. Und nur ein einziges Land mit mehr als sechs solchen Kickern hat den Sprung ins Achtelfinale verpasst (der Senegal nämlich, und das auch nur hauch-hauchdünn).

Wie sehr der europäische Klub-Fußball mittlerweile selbst dem südamerikanischen enteilt ist, sieht man jedes Jahr bei der Klub-WM. Der Copa-Libertadores-Sieger kann den Champions-League-Sieger kaum ernsthafter fordern als ein beliebiger Mittelständler in der spanischen Liga.

So geht es weiter

In Europa startet im September die neue Nations League, ab März 2019 wird dann um die Plätze für die pan-europäische EM 2020 gekämpft. In den anderen Kontinenten geht es schon 2019 wieder um Titel: Im Jänner beim Asiencup in den Emiraten, im Sommer beim Afrikacup im Kamerun sowie der Copa América in Brasilien und beim Gold-Cup in den USA.

Die nächste Weltmeiserschaft ist in viereinhalb Jahren, enden wird sie am 18. Dezember 2022. Eine Fußball-WM zur Glühwein-Zeit ist für uns mal was Neues. Und auch die Brasilianer, Südafrikaner und Australier werden sich denken: Hui, eine WM im Hochsommer, das ist ja strange. Geplant ist, dass es die letzte WM mit dem weithin als perfekten Modus angesehen 32 Team ist. Angedacht sind in Katar acht Stadien, sieben davon in der Hauptstadt Doha bzw. dessen Vororten. Aber man weiß ja nie, was der FIFA und seinem irrlichternden Präsidenten in nächster Zeit noch so alles einfällt.

Einzel-Bilanzen aller 32 Teams

Europas Große: Dominanz trotz zwei Total-Ausfällen

Europas zweite Reihe: Fundament der Top-Bilanz

Südamerika: Zu wenig echte Weltklasse

Nord- & Mittelamerika: Alles wie immer, nur ohne die Amis

Asien: Wohl mehr Schein als Sein

Afrika: Kein Rückschritt trotz Debakels

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Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/ https://ballverliebt.eu/2018/07/16/wm-2018-bilanz-europa-frankreich-kroatien-belgien-england-spanien-portugal-deutschland-italien-holland/#comments Mon, 16 Jul 2018 17:18:47 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15055 Europas Große bei der WM 2018: Dominanz trotz zwei Totalausfällen weiterlesen ]]> Einer von Europas Schwergewichten war gar nicht dabei (Italien), ein weiteres ist in der Vorrunde gescheitert (Deutschland), die Sieger der letzten drei EM-Turniere (Spanien und Portugal) haben es nur bis ins Achtelfinale geschafft – und dennoch kamen alle vier Halbfinalisten bei diesem WM-Turnier aus Europa.

Die Vorherrschaft des alten Kontinents war 2018 in Russland so erdrückend wie selten zuvor. Frankreich darf sich ab sofort einen zweiten Stern in sein Verbandslogo stellen. Aber auch Kroatien, Belgien und England gehen allesamt mit gestärkten Positionen aus dieser WM hervor.

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LINK-TIPP: Europas Große bei der WM 2014

Frankreich: Zum zweiten Mal Weltmeister

Dass es immer Spaß gemacht hätte, den Franzosen zuzusehen, könnte man nicht behaupten. Aber: Als erst drittes Team in der WM-Geschichte haben sie vier K.o.-Spiele in 90 Minuten gewonnen. Sie haben in vier der sieben Spiele kein Gegentor erhalten. Und wenn es notwendig war, stets selbst die Tore erzielt. Sie haben sich im Finale gegen Kroatien nicht eine einzige echte Torchance herausgespielt und dennoch 4:2 gewonnen.

Frankreich ist sicher ein korrekter Weltmeister. Sie haben, wenn es darauf ankam, die wenigsten Schwächen gezeigt. Sie lagen im ganzen Turnier nur in 8 von 679 gespielten Minuten im Rückstand. Und man hatte stets den Eindruck, dass man immer noch zusetzen könnte, wenn man müsste.

Die Grundausrichtung von Didier Deschamps war defensiv. Das ist angesichts der zur Verfügung stehenden Offensiv-Kräfte zwar etwas frustrierend, passt aber sehr gut zu Spielern wie Antoine Griezmann und vor allem Kylian Mbappé. Deren Tempo, kombiniert mit Olivier Giroud (der zwar null Torgefahr ausstrahlte, aber stets Gegenspieler band und somit Räume freimachte) und dem unauffälligen, aber hoch-effektiven Spiel von Paul Pogba – es funktionierte einfach. Dazu passt auch, dass mit Pavard und Hernández eher die defensivstärkeren Außenverteidiger gegenüber Sidibé und Mendy zum Einsatz gekommen sind.

Diese französische Generation ist nur ein Tor gegen Portugal vor zwei Jahren davon entfernt, nun Welt- UND Europameister zu sein. Und angesichts der Jugend des Weltmeisterteams und der enormen Qualität vieler Spieler, die es nicht einmal in den 23-Mann-Kader geschafft haben, spricht wenig dagegen, dass auch die kommenden Turniersiege nur über Frankreich gehen. Wie bei Spanien vor zehn Jahren. Wie bei den Franzosen selbst vor 20 Jahren.

Kroatien: Verdienter Finaleinzug

„Vizeweltmeister Kroatien“ klingt einerseits immer noch ein wenig seltsam. Andererseits hat das Vier-Millionen-Land vom Balkan in seinen Reihen Leistungsträger von Real Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin, Inter Mailand, Atlético Madrid und Liverpool.

Zlatko Dalić, der als Spieler keine große Nummer war und als Trainer bislang auch nicht, hatte grundsätzlich zwei Formationen, unter denen er wählte. Die eine, gegen Nigeria und gegen Russland, war  ein 4-2-3-1 mit Modrić und Rakitić vor der Abwehr und Kramarić auf der Zehn. Es brannte wenig an, aber die Abstände im Aufbau waren oft zu groß. Viel besser funktionierte das 4-3-3, welches in allen anderen Spielen zum Einsatz kam: Hier agierte das kreative Duo höher und mit Brozović gab es eine Absicherung. Diese Raumaufteilung war die Basis zu jener Balance, welche die Kroaten auszeichnete.

Angesichts der Abwehr, die den individuell schwächsten Teil der Mannschaft darstellt, setzte Kroatien auf Ballbesitz (55 Prozent im Turnierverlauf – das ist der höchste Wert der Halbfinalisten und Platz 7 generell) und Luka Modrić war der Lenker, er hatte die Ideen, er verteilte die Bälle. Rebić (nur Tempo) und Perišić (Tempo und Technik) brachten die Pace in ein sonst eher von gemäßigter Geschwindigkeit geprägtes Team.

Kroatien stellte ein gut balanciertes Team, das unermüdlich kämpfte, in jedem der vier K.o.-Spiele im Rückstand lag, drei davon noch drehte und dabei dreimal über 120 Minuten musste. Man hat sich den Finaleinzug redlich verdient.

Belgien: Nuancen haben entschieden

Ähnlich wie Kroatien (bisherige Bestmarke: Platz drei 1998) hat auch Belgien mit dem Bronze-Rang (bisherige Bestmarke Vierter 1986) das beste WM-Resultat der Verbandsgeschichte erreicht. Vollauf verdient – und selbst im Halbfinale gegen Frankreich haben nur Nuancen gegen Belgien entschieden. Ein verlorenes Kopfballduell, ein nicht gegebener Freistoß. Und dann wird man eben „nur“ Dritter.

Roberto Martínez stellte die wohl spannendste Truppe der WM auf den Rasen. Aus dem gewohnten 3-4-3 heraus, zunächst mit De Bruyne neben Witsel in der Mittelfeld-Zentrale, war man gegen Panama und Tunesien überlegen, geriet im Achtelfinale gegen Japan aber schwer in die Bredouille. Erst, als der Teamchef Mertens opferte, De Bruyne nach vorne stellte und Marouane Fellaini für die Zentrale brachte, erhielt man Oberhand im Mittelfeld. Das schützte die eher langsame Abwehr (sicher am Ehesten die Schwachstelle) und belebte gleichzeitig die Offensive. Innerhalb einer halben Stunde wurde gegen Japan aus einem 0:2 ein 3:2.

Gegen Brasilien wurde De Bruyne als falsche Neun ins Zentrum gestellt und der Gegner bei Kontern aufgemacht – assistiert, wie schon gegen Japan, vom überragenden Romelu Lukaku. Seine Laufwege waren das mit Abstand Beste, was Spieler auf seiner Position an dieser Weltmeisterschaft zeigten. Dazu kam noch Eden Hazard, der (anders als noch unter Wilmots) mannschaftsdientlich arbeitete und gleichzeitig dennoch für individuelle Glanzpunkte sorgte. Und dass der großartige und unterschätzte Rechts-Verteidiger Thomas Meunier im Halbfinale gegen Frankreich gelbgesperrt fehlte, war auch ein wichtiger Faktor zur 0:1-Niederlage.

Martínez war sich auch nicht zu schade, auch mal Gegner in Manndeckung zu nehmen (wie Pogba, dem Fellaini im Halbfinale permanent auf den Füßen stand). Das asymmetrische Pendel-System zwischen 3-4-3 und 4-3-3 (mit Meunier bzw. Chadli, die gegen den Ball nach hinten rückten) neutralisierte viel von der brasilianischen bzw. französischen Offensive.

38 Jahre nach dem EM-Finale und 32 Jahre nach dem WM-Halbfinale (mit Ceuelemans, Gerets, Pfaff, Vercauteren und dem jungen Scifo) hat diese belgische Generation nun gezeigt, dass sie tatsächlich echte Weltklasse ist. Die Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 hatten das ja lediglich andegeutet.

England: Das Ende der Lethargie

Fast ein Jahrzehnt lang waren die englischen Fans gegenüber ihrem Nationalteam in einer gewissen Lethargie versunken. Die bleiernen Jahre unter Roy Hodgson, der erst nur den Verfall verwaltete und dann die Verjüngung nur halbherzig anging, rissen auf der Insel niemanden mit.

Und dann wurde die FA zu ihrem Glück gezwungen. Nach dem ebenso schnellen wie unrühmlichen Ende der Amtszeit von Sam Allardyce legte man die Three Lions in die Hände von Gareth Southgate. Jener Spieler, dessen Elfer-Fehlschuss im Halbfinale der Heim-EM 1996 den Engländern mutmaßlich den Titel gekostet hat, krempelte alles um – vor allem die mentale Seite. Er ist der Meinung, dass man sich eben doch auf ein Elferschießen einstellen kann – und ließ es methodisch und psychologisch unterstützt trainieren.

Er verstand es, zwischendurch auch mal für Lockerheit im Team zu sorgen (wie die Plansch-Einlage mit den aufblasbaren Einhörnen), während es unter Capello schon mal halbe Meutereien gab, weil der Trainer Nutella vom Speiseplan gestrichen hat. Auf die Medien gingen Southgate und sein Team vor dem Team aktiv zu, nachdem man zwei Jahrzehnte – begonnen vor allem mit den Gascoigne-Eskapaden – ein feindseliges Misstrauen gehegt hatte.

Und: Es wurde intensiv an Standards gefeilt. Neun der zwölf Tore Englands fielen aus Freistößen, Eckbällen und Elfmetern. Spielerisch war man, das sagte Southgate nach dem verlorenen Platz-drei-Spiel auch selbst, sicher nicht unter den Top-4 des Turniers. Aber: Nun haben es Verband und auch Fans schwarz auf weiß, dass diese Generation durchaus Potenzial hat. Individuell sind sie wohl schwächer als in den Nuller-Jahren mit Gerrard, Lampard, Ferdinand, Beckham und Rooney. Aber die jetzigen Spieler sind teamfähiger.

Spanien: Sich selbst ins Bein geschossen

Das Kontrastprogramm zum demonstrativen, ruhigen Zusammenhalt im englischen Lager war die Delegation aus Spanien. Mit dem Rauswurf von Teamchef Julen Lopetegui zwei Tage vor dem ersten Spiel hat sich der Weltmeister von 2010 eindrucksvoll selbst ins Knie geschossen. Zumal hier keinerlei sportliche Gründe ausschlaggebend waren – Lopetegui hatte dem Team die lange vermisste Vertikalität zurück gegeben – sondern ausschließlich das gekrängte Ego von Verbands-Präsident Rubiales. Weil er vom bevorstehenden Wechsel des Trainers Real Madrid nur ein paar Minuten vor allen anderen informiert worden war.

Mit dem eilig installierten Hierro als Ersatz-Trainer ohne Detailwissen um die Pläne und Gedankengänge Lopeteguis kehrten die Spanier zu jenem Horizontal-Geschiebe ohne Drang nach vorne zurück, dessen Vorhersebarkeit und relativ leichte Kontrollierbarkeit ihnen schon in den späten Del-Bosque-Jahren immer wieder zum Verhängnis geworden war. Das fiel im wilden Auftakt-3:3 noch nicht so auf, mit Nachos Wundertor und Diego Costas individueller Bulligkeit. Aber schon gegen den Iran kam damit nur ein äußerst dünnes 1:0 heraus, gegen Marokko hätte Spanien schon beinahe verloren und in 120 Minuten gegen Russland spielte man zwar über 1.100 Pässe, blieb aber völlig harmlos und verlor dann auch noch das Elfmeterschießen.

2008, 2010 und 2012 hat Spanien die Turniere gewonnen. Das letzte Mal, dass Spanien bei einer anderen Endrunde als diesen dreien ein K.o.-Spiel überstanden hat, ist 16 Jahre her – ein Elferschießen-Sieg im Achtelfinale 2002 gegen Irland. Weiterin stellt Spanien einen der unbestreitbar besten Kader der Welt. Aber wie vor dem Titel-Hattrick ist man auch diesmal viel zu früh ausgeschieden.

Luis Enrique (der neue Teamchef) und José Francisco Molína (der neue Verbands-Sportchef) werden mittelfristig vor der Aufgabe stehen, das Team peronsell etwas umzubauen, schließlich stehen nach dem Rücktritt von Iniesta auch die internationalen Karrieren von langjähirgen Stützen wie Kapitän Ramos, Verteidiger Piqué und Offensiv-Allrounder David Silva tendenziell vor dem Ende. Der spanische Talente-Pool scheint unerschöpflich, aber gerade in der Defensive kommt gerade eher keine Weltklasse nach.

Portugal: Wenig Flair, wenig Blödsinn

Der Europameister hatte einst ein Überangebot an Offensiv-Superstars. Figo, Rui Costa, Deco, dann auch noch Cristiano Ronaldo – jetzt es es nur noch einer, und selbst der wird nicht jünger. Auch, wenn Ronaldo gerade für viel Geld zu Juventus Turin gewechselt ist: Viel mehr als die EM 2020 hat er wohl nicht mehr drin. Bei der WM in Katar ist Ronaldo knapp 38 Jahre alt.

Das gegenüber dem EM-Titel nur an zwei Positionen veränderte Team (Guedes statt Nani, Bernardo Silva statt Renato Sanches) zeigte sich wieder sehr solide und mit der Tendenz, keinen Blödsinn zu machen. Ein Ronaldo-Hattrick rettete das 3:3 gegen Spanien, dann verteidigte man den knappen Sieg gegen Marokko über die Zeit und gegen den Iran sah es bis kurz vor Schluss genauso aus. Im Achtelfinale zerschellte man an der individuellen Klasse von Cavani und der humorlosen Defensive aus Uruguay, aber das ist auch anderen schon passiert. Die Maßnahme, es gegen die Urus konsequent mit Flanken vor das Tor zu probieren, ist auf jeden Fall hinterfragenswert. Aber davon abgesehen kann sich Portugal nicht allzu viele Vorwürfe machen.

Und wie sieht es um die Zukunft aus? Gonçalo Guedes ist ein potenziell hoch-aufregender Spieler, der vor allem über die linke Außenbahn Weltklasse sein kann. Bernardo Silva gehört rechts zum Stammpersonal von Manchester City. Diese beiden können das Team ein Jahrzehnt tragen. Mehr als ordentlicher europäischer Durschnitt ist der Rest zwar sicher nicht. Aber das war es vor zwei Jahren beim EM-Titel auch nicht – und doch holte man den Titel. Weil Portugal ein gut coachbares Team ist und man im Verband auch immer ein Händchen für passende Teamchefs hat. Der Superstar-Streichler Scolari, der frech spielende Bento, der pragmatische Santos.

Santos hat einen Vertrag bis zur EM 2020 und der Verband steht zu diesem Kontrakt. Sollte sich Ronaldo – mit 154 Einsätzen Portugals Rekord-Teamspieler – entschließen, dass er schon jetzt seine internationale Karriere zu beenden, kann Santos‘ Pragmatismus der richtige Ansatz sein, oder aber genau der falsche. Dies ist eine Frage, die der portugiesische Verband für sich selbst beantworten wird müssen. Spätestens in zwei Jahren.

Deutschland: Zu selbstzufrieden und mit Wirbel

Da fliegt der Titelverteidiger nach der Vorrunde nach Hause und es wird über alles diskutiert, nur nicht über das Sportliche. Dass Sportdirektor Bierhoff und DFB-Präsident Grindel nun der Öffentlichkeit Özil nach dem Turnier als Sündenbock zum Fraß vorwerfen, nachdem sie selbst vor dem Turnier den Umgang mit den Erdogan-Fotos mit-verbockt haben. Über das teflon-hafte, überbordende Marketing-Blabla, mit dem Bierhoff das DFB-Team einhüllt. Darüber, ob es richtig ist, die Weiterarbeit von Löw einfach so durchzuwinken.

Tatsache ist jedenfalls: Dem Ballbesitz-Spiel fehlte die defensive Absicherung, weswegen Deutschland anfällig für Konter wurde. Das hat Mexiko gnadenlos ausgenützt, auch gegen Schweden geriet man deswegen in Rückstand. Das Offensivspiel an sich mit 67 Prozent Ballbesitz war gar nicht so sehr das Problem. Ja, man hatte Schwierigkeiten, massierte Defensiven wie jede der Schweden und der Koreaner auszuspielen. Aber: Der Expected-Goals-Wert ist der sechstbeste aller Teams in der Vorrunde. Mesut Özil spielte – wenn man alle Ressentiments bezüglich seines Verhaltens vor und während des Turniers beiseite schiebt  sich nicht von seiner Körpersprache täuschen lässt – ein sehr ordentliches Turnier. Andere aber nicht.

Sami Khedira war ein Haupt-Baustein der fehlenden Absicherung nach hinten. Thomas Müller wirkte überspielt und über seinem Zenit. Timo Werner konnte gegen destruktive Kontahenten sein Tempo nie ausspielen. Es gibt keinen Linksverteidiger von internationalem Format. Warnzeichen vor der WM in Form von mäßigen Testspiel-Auftritten wurden nicht als Warnzeichen erkannt, weil mäßige Testspiele eher die Regel als die Ausnahme sind. Selbst nach dem 0:1 gegen Mexiko und dem Last-Minute-2:1 gegen Schweden schimmerte die Einstellung durch, dass man natürlich gegen Südkorea den nötigen Sieg einfahren würde, weil man eben Deutschland ist.

Das Team, welches im Kern seit 2010 zusammen spielt, ist nun an seinem Ende angelangt. Mehr über Hintergründe und ein kleiner Ausblick auf die unmittelbare Zukunft gibt es HIER.

Wer hat gefehlt?

Italien und Holland. Die Probleme der Italiener, die nach langem Überlegen nun Robert Mancini als neuen Trainer installierten, haben wir HIER schon ausführlich dargelegt.

Neuer niederländischer Bondscoach ist seit einem halben Jahr Ronald Koeman. Der ehemalige Everton, der Ajax und Eindhoven schon insgesamt drei holländischer Meistertiteln geführt hat, steht vor einer Mammutaufgabe. Seit bald einem Jahrzehnt ist der ständige Strom an neuen Oranje-Talenten weitgehend versiegt – für vier der letzten fünf U-21-EM-Endrunden hat man sich nicht qualifiziert.

In der WM-Quali wirkte die von Danny Blind Elftal ungecoacht, beging elementare taktische Fehler, war leicht auszurechnen und relativ easy zu neutralisieren. Die Niederländer mit dem höchsten internationalen Profil sind derzeit ein Innenverteidiger (Virgil van Dijk) und  ein Spieler, der bei seinem ersten Anlauf in der Premier League gescheitert ist (Memphis Depay), dazu noch Georgino Wijnaldum. Große Stücke hält man auf Nachwuchs-Talent Tahith Chong – der 18-jährige Außenstürmer mit der wuscheligen Frisur wird bei Manchester United an Premier-League-Niveau herangeführt.

Das Minimalziel kann es nur sein, sich nach zwei verpassten Turnieren – sowas hat es bei den Niederlanden seit 30 Jahren nicht mehr gegeben – zumindest mal wieder für die WM 2020 zu qualifizieren.

So geht es weiter

Alle diese sieben Teams spielen im Herbst in der Top-Gruppe der neuen Nations League um den Sieg in diesem Bewerb und um eine Hintertür, sollte die 2019 gespielte EM-Qualifikation in die Binsen gehen.

Weltmeister Frankreich trifft in seiner Dreiergruppe auf Deutschland und die Niederlange. Belgien bekommt es mit Island und der Schweiz zu tun. Europameister Portugal trifft auch Italien und Polen. Und schließlich muss Kroatien gegen England und Spanien antreten.

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Das war die WM 2018 und ihr kontroverses Finale https://ballverliebt.eu/2018/07/16/das-war-die-wm-2018-und-ihr-kontroverses-finale/ https://ballverliebt.eu/2018/07/16/das-war-die-wm-2018-und-ihr-kontroverses-finale/#respond Sun, 15 Jul 2018 22:01:04 +0000 Frankreich ist Weltmeister. In einem kontroversen und torreichen Finale setzten sich die Equipe Tricolore gegen Kroatien durch. Tom und Philipp sprechen über dieses Spiel, das Match um Platz 3 und das Turnier im Allgemeinen: Wie ist die Bilanz über VAR? War es ein gutes oder schwaches Turnier? Wie kommt man wieder zu offensiverem Fußball?

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Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/ https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-russland-schweden-daenemark-schweiz-serbien-island-polen/#comments Thu, 12 Jul 2018 09:26:48 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15018 Europas zweite Reihe bei der WM 2018: Fundament der Top-Bilanz weiterlesen ]]> Ein unermüdlicher Gastgeber. Drei skandinavische Teams, die das zufrieden sein dürfen. Und drei Teams, sie sich mehr erhofft haben. Europas „zweite Reihe“ bei dieser WM – also Russland, Schweden, Dänemark, Island, die Schweiz, Serbien und Polen – hat dazu beigetragen, dass es die die UEFA-Teams eine so starke Bilanz vorzuweisen hat.

1,97 Punkte pro Spiel haben die 14 europäischen Teams in der Gruppenphase (also in jenem Abschniss in dem noch alle Teilnehmer im Turnier sind) erreicht. In den letzten 36 Jahren war er nur einmal noch mehr (2006). Das ist nur möglich, wenn auch die vermeintlich Kleinen relativ tief in den Punktetopf greifen.

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LINK-TIPP: Europas zweite Reihe bei der WM 2014

Russland: Limitiert, unermüdlich, diszipliniert

Was macht man, wenn man nicht kicken kann? Man lässt es bleiben. So könnte man die Herangehensweise des Gastgebers beschreiben. Spielerisch waren die russischen Auftritte bei WM 2014 und EM 2016 (jeweils raus in der Vorrunde) am Ärmlichkeit kaum zu überbieten gewesen. Also verzichtete man unter dem ehemaligen Tirol-Coach Stanislav Tcherchessov einfach daruf, die Kugel zu haben.

Mit 39 Prozent Ballbesitz hatte man den drittniedrigsten Wert aller Teilnehmer. Und: Man lief. Ohne Unterlass. Die fünf Spieler, die nach dem Viertelfinale die meisten Kilometer an dieser WM abgespult haben, waren allesamt Russen. Einer davon, Abwehr-Chef Ignashevitch, ist 38 Jahre alt. Anders als die Kroaten – die ebenfalls 510 Minuten, also fünf Spiele mit zwei Verlängerungen absolviert hatten – zeigte sich bei den Russen allerding keine Anzeichen von Ermüdung. Angesichts der unrühmlichen Rolle, die Russland in Sachen Doping spielt, ist all dies zumindest erwähnenswert. Zumal Tcherchessov verschmitzt grinste, als er in Interviews vom „guten Programm in der Vorbereitung“ sprach.

In jedem Fall aber schaffte es Tcherchessov, eine ausgesprochen disziplinierte Truppe auf den WM-Rasen zu stellen. Schwächen in Eröffnung (Kutepov überließ den ersten Pass fast immer Ignashevitch, der seinerseits keine Koryphäe ist) wurden mit den starken Außenspielern Fernandes (rechts) und Tcherishev (links) kompensiert. Der noch relativ junge Roman Sobnin zeigte starke Übersicht, Torhüter Akinfejev machte fast keine Fehler.

Und vor allem: Die Chancenverwertung war absolute Weltklasse. In Vorrunde erspielte sich Russland in drei Matches einen mäßigen Expected-Goals-Wert von 2,9 Toren (Platz 24 von 32, laut 11tegen11), traf aber achtmal ins Schwarze. Es wurden vor allem beim 5:0 gegen Saudi Arabien und beim 3:1 gegen Ägypten zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein wenig Abschlussglück war auch dabei.

Systematsich blieb Tchertchessov dem 4-4-1-1 mit Ausnahme des Achtelfinales gegen Spanien (5-4-1) durchwegs treu, unabhängig vom Personal. Angesichts der mangelnden Qualität hat Russland ein sehr vorzeigbares Turnier absolviert.

Schweden: Altbacken zum Favoritenschreck

Heimsieg in der Qualifikation gegen Frankreich. Holland eliminiert, Italien eliminiert, gegenüber Deutschland die WM-Gruppenphase überstanden. Die Schweiz niedergerungen. Und erst im Viertelfinale an England gescheitert. Mit Spielern von deutschen Absteigern, englischen Zweitligisten, russischen Mittelständlern und der Scheich-Liga aus den Emiraten.

Dieses Team muss doch etwas ganz besonders machen. Oder? Nein. Schweden ist weiterhin das Vorzeige-Team, was biederen, aber gut aufeinander abgestimmten 4-4-2-Fußball angeht. Einziger Unterschied zu den letzten Turnieren: Zlatan ist nicht mehr da.

Norrköpings Meistertrainer Janne Andersson hat vor zwei Jahren das Teamchef-Amt übernommen, mit dem Auftrag, die Trekronor-Mannschaft in eine Zukunft ohne Ibrahimovic zu führen. Das hat er gemacht, und auf dem Weg auch noch einige U-21-Europameister von 2015 eingebaut – wie Lindelöf und Augustinsson, die Stamm sind. Wie Hiljemark und Thelin, die zu Joker-Einsätzen kamen. Wie Helander, der zumindest im Kader war.

Das schwedische Spiel ist sehr reaktiv und darauf ausgelegt, nicht in Rückstand zu geraten. Gegen Südkorea wurde den Schweden der Ball aufgedrängt, es brauchte einen Elfmeter zum 1:0-Sieg. Gegen Deutschland unterlag man erst tief in der Nachspielzeit. Mexiko riss man hingegen bei Kontern in Stücke und gewann 3:0. Gegen die Schweiz hatte man wieder weit unter 40 Prozent Ballbesitz, nützte aber eine von zwei Torchancen zum 1:0-Sieg.

Als man gegen England allerdings doch nach einer halben Stunde in Rückstand geriet, gingen schnell die Ideen aus. Mehr als zwei, drei mittelprächtige Torgelegenheiten gingen sich nicht mehr aus. So ist das Viertelfinale definitiv das Optimum, was aus dem Kader herauszuholen war. Vermutlich sogar mehr.

Dänemark: Glanzlos ins Achtelfinale

Danish Dynamite? Nein. Vom explosiven und temporeichen Spielstil der 1980er und 90er ist nichts mehr übrig. Selbst die pragmatischeren Nuller-Jahre unter Morten Olsen waren wesentlich einprägsamer als jenes Spiel, das Dänemark nun immerhin ins WM-Achtelfinale gebracht hat.

Dabei hatte Åge Hareide zu Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren einige spannende und teilweise spektakuläre Experimente abgeliefert, gerne auch mit dem potenziell genialen, aber oft nicht verlässlichen Højbjerg. Nur: Die Resultate passten nicht. Also wurde auf Sicherheit gespielt, back to basics, und das WM-Ticket wurde auf diese Weise noch gesichert. Mit einer sichere. Defensive und Tempo auf den Außenbahnen (Poulsen von Leipzig, Sisto von Celta Vigo, Braithwaite von Bordeaux). Und mit Christian Eriksen, der für die individuellen Momente sorgen soll. Viel mehr hatte Dänemark bei der WM nicht zu bieten.

Im Turnierverlauf ging mit Andreas Christensen auch noch ein Innenverteidiger auf die Sechs (für den verletzten Kvist). Die Dänen spielten sich in allen ihren vier Spielen praktisch keine nennenswerten Torchancen heraus, ließen aber auch nicht viel zu. So besiegte man Peru mit 1:0 und holte gegen Australien den nötigen Punkt. Im Achtelfinale gelang es durch Mannorientierungen sehr gut, Modrić und Rakitić zu neutralisieren. Den Kroaten war man dann erst im Elfmeterschießen unterlegen.

Es ist das beste WM-Abschneiden seit 2002, als es ebenfalls ins Achtelfinale gegangen ist. Dem ließ man damals zwei Jahre später ein EM-Viertelfinale folgen. Das wäre diesmal aus heutiger Sicht eher eine Überraschung. Dänemark ist eine solide Truppe, die kaum Fehler macht. Die individuelle Qualität in der Breite war früher aber deutlich höher.

Schweiz: Am gläsernen Plafond

Warum geht es im entscheidenden Moment immer schief? Wo sind die vermeintlichen Führungsspieler? Halten wir Beobachter die Nati und sie sich auch selbst für besser, als sie ist? Die Schweizer Medienlandschaft ging nach dem Achtelfinal-Aus gegen Schweden sehr hart mit ihrem Team ins Gericht.

Das ist Jammern auf hohem Niveau. Bei der WM 2018, der EM 2016 und der WM 2014 hat die Schweiz stets die Vorrunde überstanden, war bei sieben der letzten acht Großturniere qualifiziert. Aber das Achtelfinale scheint eine gläserne Decke zu sein, welche nicht durchbrochen werden kann. Auch diesmal präsentierten sich die Eidgenossen als renitenter Gegner für die Großen (wie beim 1:1 gegen Brasilien) und als kampfstark in offenen Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe (wie beim 2:1 gegen Serbien).

Gegen Costa Rica (2:2) und im Achtelfinale gegen Schweden (0:1) zeigte sich aber auch, dass gegen defensiv eingestellte Kontrahenten ein wenig das Tempo und die Kreativität fehlt. In diesen beiden Partien hatten die Schweizer jeweils über 60 Prozent Ballbesitz. Aber vor allem gegen Schweden keine einzige gute Torchance. Damit ist dieses Schweizer Team – in dem auch die Mischung zwischen Routine und Jugend stimmt – gehobener Durchschnitt, der eigentlich nie patzt, aber die Erwartungen auch nie übertrifft.

Serbien: Überwiegend sich selbst geschlagen

Der Schweizer Gruppengegner Serbien ist dafür vor allem an sich selbst gescheitert. An einem völlig unnötigen Trainerwechsel, einem peinlichen Hickhack zwischen Verband und sportlicher Leitung. Den eigenen Nerven. Und, ja, ein wenig auch an Referee Felix Brych.

Die taktisch punktgenau eingestellte und fast immer sehr gut funktionierende Truppe, die Ex-Teamchef Slavoljub Muslin in der Qualifikation auf die Beine gestellt hat, wich unter seinem (bestenfalls) unerfahrenen Nachfolger Mladen Krstajić einem ziemlich gewöhnlichen, teilweise uninspirierten Spiel. Jetzt ist zwar Sergej Milinković-Savić drin (auf den Muslin zum Ärger des Verbands konsequent verzichtet hatte), aber es ist im Gegenzug alles weg, was Serbien zuvor stark gemacht hatte.

Dabei zeigten die ersten 20 Minuten gegen die Schweiz, dass viel mehr in diesem serbischen Team steckte, als es in der überwiegenden Mehrheit der anderen 250 Vorrunden-Minuten zeigte. Aber selbst in diesem Match wurde man viel zu früh viel zu passiv, überließ den Schweizern die Initiative, ohne selbst defensiv sicher genug zu stehen. Der verweigerte Elfmeter beim Stand von 1:1 war sicher ein schwerer Schlag, alleinschuldig an der Niederlage und dem damit verbundenen frühen (De-Facto)-Ausscheiden ist er aber nicht.

Zu wenig Substanz war beim 1:0-Sieg über Costa Rica, durch einen Freistoß gesichert, zu sehen. Gegen Brasilien gab es starke zehn Minuten in der zweiten Hälfte, aber viele Spieler schienen sich schon von Vornherein mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens abgefunden zu haben.

Serbien ist vor drei Jahren U-20-Weltmeister geworden, hatte immer talentierte Spieler. Milinković-Savić wird weiter reifen, Milenković und Veljković können ein sehr gutes Vertedigier-Duo werden. Mitrović ist kein Edel-Kicker, aber als kopfballstarke Kampfsau recht brauchbar. Fünf Weltmeister – neben Milinković-Savić (Lazio) auch Gaćinović (Frankfurt) und Veljković (Bremen) sowie Živković (Benfica) und Torhüter Rajković (Maccabi Tel-Aviv) – sind in ihren Klubs Stammkräfte und werden das Nationalteam noch ein Jahrzehnt tragen können.

Island: Die eigenen Mittel ausgeschöpft

Die Nordmänner von der Atlantik-Insel zeigten auch bei ihrem zweiten Turnier auf Erwachsenen-Level (2011 war der Kern dieses Teams ja bei der U-21-EM und hat in der Qualifikation die Deutschen eliminiert) ihr typisches Spiel. Wenig Ballbesitz (nur der Iran hatte weniger), viel Kampfkraft. Keine technischen Schmankerl, dafür jede Menge Disziplin.

Auf diese Weise hielt man Argentinien im ersten Spiel bei einem 1:1. Damit war der Ausflug nach Russland schon ein großer Erfolg. Gegen die spielerisch ähnlich limitierte Truppe aus Nigeria ließ man sich nach einer torlosen ersten Hälfte ein wenig locken und lief in zwei Konter. Gegen die kroatische B-Formation hielt man stark dagegen und war auf dem Weg zu einem weiteren Punkt, der Island erst durch das 1:2 in der Nachspielzeit entrissen wurde.

Wieder sorgte Island für große Begeisterung bei den Landsleuten – 10 Prozent der Insel-Bevölkerung war in Russland dabei, der Rest saß daheim zu 99,6 Prozent vor den TV-Schirmen. Wieder wurde Island, der einwohnerschwächste WM-Teilnehmer aller Zeiten, zum Darling der neutralen Fans. Und wieder, wie schon bei der EM, ließ Island die Zungen der Puristen nicht direkt höher schlagen. Fußballerisch ist Island weiterhin öde und nichts für Feinschmecker.

Andererseits: Island hat etwa so viele Einwohner wie Graz. Dass sich dieses Team nun für die WM 2018 und die EM 2016 qualifiziert hat, dazu für die WM 2014 erst im Playoff gescheitert ist, ist aller Ehren wert. Wie lange der Run anhält, ist aber die Frage: Fast alle maßgeblichen Spieler stehen altersbedingt vor dem internationalen Karriere-Ende. Da wird sich zeigen, was die vor dem Crash der Staatsfinanzen aufgebaute Hallen-Infrastruktur kann.

Polen: Zu viel hängt an Lewandowski

So schön hatten sich die Polen das geplant: Keine Testspiele absolvieren, dadurch im FIFA-Ranking klettern, aus dem ersten Topf in eine machbare WM-Gruppe gelost werden und dann in Russland lässig weit kommen.

Bis auf den letzten Punkt hat das wunderbar funktioniert. Aber der etwas langweilige Zweck-Fußball, den die Polen schon beim Lauf ins EM-Viertelfinale vor zwei Jahren gezeigt hatte, wurde diesmal von den Gegnern durchschaut. Nachdem der Senegal vor allem wegen höherer geistiger Beweglichkeit gegen die Polen gewonnen hatte, warf Teamchef Nawałka im zweiten Spiel alles über den Haufen.

Das 3-4-3 funktionierte vorne wie hinten nicht. Wie gegen den Senegal war das alleine auf Robert Lewandowski ausgerichtete Offensiv-Spiel viel zu leicht zu unterbinden. Nun aber – und das noch dazu gegen ein besseres Team als es jenes aus dem Senegal war – brach auch die Defensiv-Ordnung auseinander. Kolumbien konnte gar nicht fassen, wie viel Raum die Polen anboten. Nach dem 0:3 war für Polen alles vorbei. Wie schon 2002 und 2006, bei den letzten Teilnahmen, nach dem zweiten Spiel. Der abschließende Sieg gegen die auf Resultat pokernden Japaner war nur noch Kosmetik.

Taktgeber Grzegorz Krychowiak wirkte nach einer Saison, in der sein Passspiel bei West Bromwich verkümmerte, als ob er alles verlernt hatte. An Piotr Zieliński, der bei Napoli Teil einer offensivstarken Kurzpass-Maschine ist, liefen die Spiele vorbei. Und hinten fehlte der angeschlagene Kamil Glik (der erst wirklich spielen konnte, als alles zu spät war) deutlich.

Nun endet die Ära Nawałka. Trotz des frühen WM-Aus war es die erfolgreichste Zeit seit den 1970er- und frühen 80er-Jahren (Olympia-Gold und -Silber, zweimal WM-Dritter). Sich für aufeinanderfolgende EM- und WM-Turniere zu qualifizieren, war Polen davor erst ein einziges Mal gelungen. Nawałkas Nachfolger Jerzy Brzęczek (ja, der frühere FC-Tirol-Spieler) wird Lösungen für die Abhängigkeit von Robert Lewandowski finden müssen.

So geht es weiter

Im Herbst beginnt die Nations League. Die Schweiz, Polen und Island sind in der A-Gruppe und könnten diese damit theoretisch sogar gewinnen. Eher aber wird es für diese Teams darum gehen, sich ein Sicherheitsnetzt für die EM-Qualifikation aufzubauen. Wird diese in der eigentlichen Qualifikation (von März bis November 2019) verpasst, gibt es für vier Teams pro Leistungsstufe die Chance auf jeweils ein weiteres Ticket.

In der A-Gruppe sind eben die Schweiz, Polen und Island. In der B-Gruppe kommen neben den WM-Teilnehmern Russland, Schweden und Dänemark beispielsweise auch Österreich, Tschechien und die Türkei zum Einsatz. Serbien schließlich ist in der C-Gruppe eingeteilt, ebenso wie Ungarn, Griechenland, Schottland und Rumänien.

Das klingt auf dem Papier alles furchtbar kompliziert, dürfte in der Praxis aber realtiv leicht zu durchschauen sein. Und eines ist in jedem Fall klar: Für jeden der sieben „kleineren“ europäischen WM-Teilnehmer wäre es eine Enttäuschung, die 2020 in ganz Europa ausgetragene EM zu verpassen.

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WM 2018: Der finale Schritt zum Ruhm https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-der-finale-schritt-zum-ruhm/ https://ballverliebt.eu/2018/07/12/wm-2018-der-finale-schritt-zum-ruhm/#respond Thu, 12 Jul 2018 04:00:25 +0000 Frankreich und Kroatien haben sich durchgesetzt. Ein Top-Favorit auf das Turnier und ein Team, mit dem doch eher wenige wirklich gerechnet haben dürften spielen sich am Sonntag den Titel in Russland 2018 aus. Tom und Philipp besprechen die Halbfinalspiele und die Erwartungen für die verbleibenden zwei Spiele.

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Analyse: Die Tormänner bei der WM 2018 https://ballverliebt.eu/2018/07/11/analyse-die-tormaenner-bei-der-wm-2018/ https://ballverliebt.eu/2018/07/11/analyse-die-tormaenner-bei-der-wm-2018/#respond Wed, 11 Jul 2018 17:43:26 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15034 Analyse: Die Tormänner bei der WM 2018 weiterlesen ]]> Zur Klärung vorweg: Ich werde hier keine klassische Einzelspieleranalyse betreiben, sondern vielmehr versuchen Strukturen sichtbar zu machen. Ich werde also die Tormannleistungen bei dem Turnier eher allgemein betrachten. Meine Versuche dies zu tun sind spekulativ, da die meisten Teams keinen Einblick in ihr Training bei der WM erlauben. Meine Analyse beruht auf meinen Erfahrungen und Eindrücken und ist daher durchaus angreifbar. Ich versuche hier keine Wahrheit darzustellen, sondern eine Diskussionsgrundlage.

Zunächst ein paar einleitende Worte zum Tormanntraining. Auch dieses Training hat in den letzten 20 Jahren eine enorme Verwissenschaftlichung erfahren und damit auch den Fokus auf messbare Ergebnisse gelegt. Der Fokus wird dann zumeist noch eingeengt und zwar auf messbare Ergebnisse, die trainierbar (steigerbar) sind. Also z.B. Kondition, Reaktionsschnelligkeit, Geschwindigkeit, Kraft, kurz gesagt: Athletik.

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Nicht messbare oder nicht steigerbare Attribute haben in der Trainingslehre an Bedeutung verloren, wie Körpergröße, Charakter, Präsenz oder kommunikative Fähigkeiten. Der Beweis steht noch aus, dass diese Verschiebung der Prioritäten bessere Torhüter hervorbringt. Die Klasse eines Schmeichel, Buffon, Kahn oder Casillas hat die derzeitige Torhütergeneration nicht. Wie sehr sich die Generationen alleine durch das unterschiedliche Training in Sachen Athletik unterscheiden, mag dieses kleine Video deutlich machen:

The difference between Keylor Navas and Casillas

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Kommen wir zur WM. Die Torhüterleistungen waren eigentlich, nun ja, bescheiden. Auffallend waren vor allem die unzähligen Schlampereien und technischen Ungenauigkeiten. Woran mache ich das fest? An diversen Patzern, dem selten vorhandenen Übergreifen, dem übermäßigen Einsatz davon, den Ball beim Fangen kurz abtropfen zu lassen, usw.

Dieses schlampige Spiel betraf nahezu alle Torhüter. Sowohl nach älteren, wie auch nach neueren Trainingsmethoden werden aber die technischen Voraussetzungen bis zum Erbrechen eingeübt. Es muss also eine andere Ursache geben.

Meiner Meinung nach ist der Grund hierfür, dass die Torhüter bei den Nationalteams keine Trainer haben, die ihrer Klasse entsprechen. Schauen wir uns einmal die Karrieren der Tormanntrainer unter den Teilnehmern an. Die Hälfte der Tormanntrainer hat noch nicht einmal bei einem Verein gearbeitet, der auch nur zur erweiterten Spitze des Fußballs gezählt werden könnte. Die besten Vereine, für die Tormanntrainer bei der WM gearbeitet haben waren Valencia, Everton, Benfica oder Besiktas. Das ist nicht die europäische Elite und es sind leider auch keine Vereine, die als Torwartschmieden bekannt sind. Grundsätzlich ist keiner der Großen des Fachs dabei, wie z.B. Luis Llopis oder Eric Steele (der ist im Moment sogar vereinslos).

Warum wird das aber nun ausgerechnet bei dieser WM schlagend? Nun, weil sich in den letzten Jahren die Intensität im Tormanntraining enorm gesteigert hat (im Spitzenbereich). Als Beispiel hier ein Training von Luis Llopis.

Und hier als Vergleich das Tormanntraining der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2018. Die Intensität ist viel geringer, das wirkt wie in Zeitlupe gegen das Training, wie es derzeit bei der Elite der europäischen Clubs stattfindet.

Die Torhüter kommen aber von den besten Clubs und müssen daher vor und während der WM ein Training erdulden, welches nicht 100% ihrer Leistungsfähigkeit abruft. Und das bekommen wir dann eben auch im Match zu spüren.

Es gibt auch noch andere Indizien, die dafür sprechen, dass sich die internationale Elite bei den Nationalteams ungenügend betreut fühlt. Courtois meinte, dass er sich selbst sehr gezielt auf Brasilien vorbereitet hat. Davor sprach er immer davon, gut vorbereitet worden zu sein (vom Trainerteam). Im Zweifelsfall sorgt die internationale Elite also selbst für die entsprechende Intensität.

Welche Trends waren noch auffällig? Die Anfälligkeit der Torhüter bei Standards und Weitschüssen. Das hat einen simplen Grund, die Körpergröße. Durch den neuen Fokus der Trainingslehre schaffen es vermehrt kleinere Torhüter in die Startaufstellungen. Jedoch: Size matters. Zumindest beim Torwart. Bestes Beispiel dafür: Courtois. Der hatte mit Flanken und Weitschüssen überhaupt kein Problem und ein Torwart sollte grundsätzlich damit auch kein Problem haben. Navas ist z.B. genau deswegen bei Real umstritten, weil jeder Eckball eigentlich von der Verteidigung geklärt werden muss.

Es gibt aber auch positive Ausnahmen: Franck Raviot z.B. (Tormanntrainer bei Frankreich). Bislang konnte Lloris sein Potential abrufen. Das Training von Raviot ist kreativ, es hat eine hohe Intensität und es setzt sehr stark auf den Faktor Kommunikation. Auch Deschamps lässt die Torhüter öfter mit der restlichen Mannschaft trainieren als die meisten anderen Trainer. Und die bislang gute Abstimmung in der Defensive spricht ganz klar für diesen Ansatz. Auch hier möchte ich ein Gegenbeispiel anführen, diesmal aus der Bundesliga: Patrick Pentz. Wenn dieser im Interview als fertig ausgebildeter Torhüter behauptet, er müsse erst lernen mit der Abwehr zu kommunizieren, dann war seine Ausbildung einfach ungenügend. Und über die Anzahl der Gegentore der Austria breiten wir jetzt mal den Mantel des Schweigens.

Aber auch Tschertschessow bzw. sein Tormanntrainer Stauce haben mit Akinfeev gute Arbeit geleistet und ihm einige seiner ewigen Fehler ausgetrieben.

Bei den Torhütern selbst konnten der ewig tapfere Navas, der stets im Team überzeugende Ochoa und der sehr fokussierte Courtois überzeugen. Torhüter des Turniers ist aber bisher Lloris, weil er auch seine Abwehr gut im Griff hat. Ich wünsche ihm alles Gute, dass auch das Finale positiv für ihn verläuft.

Die WM ist also diesmal nicht nur ein Turnier, bei dem die Torhüter ihre Form beweisen können, sondern sie hat diesmal zwei Dinge verdeutlicht. Erstens, das Torwarttraining in den Nationalteams ist derzeit nicht auf dem Niveau der Clubs und bereitet daher die Torhüter ungenügend auf das Turnier vor. Und zweitens müssen auch die Verfechter der modernen Torwartschulen bestimmte Trends deutlicher hinterfragen (z.B. die Aufhebung eines Körpergrößenlimits und vor allem das stark separierte Training, dass die Kommunikation mit der Abwehr zu selten trainiert).

Unser Leser „martidas“, der sich immer wieder mit spannendem Input in unsere Diskussionen einbringt, hat uns diese Analyse der Tormannleistungen der WM 2018 zukommen lassen. Danke.

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Südamerika bei der WM 2018: Zu wenig echte Weltklasse https://ballverliebt.eu/2018/07/10/wm-2018-suedamerika-brasilien-argentinien-uruguay-kolumbien-peru/ https://ballverliebt.eu/2018/07/10/wm-2018-suedamerika-brasilien-argentinien-uruguay-kolumbien-peru/#comments Tue, 10 Jul 2018 08:42:33 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=15004 Südamerika bei der WM 2018: Zu wenig echte Weltklasse weiterlesen ]]> Zum vierten Mal hintereinander kommt der Weltmeister nicht aus Südamerika – Rekord. Schon im Viertelfinale war für den letzten des Conmebol-Quintetts Endstation – erstmals seit 2006. Brasilien muss sich einerseits ärgern, dass man die sicher größte Chance seit langem nicht genützt zu haben.

Andererseits aber festigte dieses Turnier die Vormachtstellung der Seleção, die bis zum Amtsantritt von Teamchef Tite vor zwei Jahren geraume Zeit nicht gegeben war. Argentinien ist am Ende, Kolumbien stecken geblieben, Chile nicht einmal qualifziert. So heißt der erste Verfolger am Kontinent derzeit Uruguay.

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LINK-TIPP: Südamerika bei der WM 2014

Brasilien: Ausgewogen und stark genug – eigentlich

2006 war Brasilien zu statisch, 2010 zu vorsichtig, 2014 mental nicht für die Heim-WM gerüstet (vor allem die längst in China untergetauchten Oscar und Hulk). Diesmal hat eigentlich alles gestimmt. Bis auf die Chancenauswertung im Viertelfinale. Denn obwohl Belgien einen perfekten Plan hatte: Was die Chancen und deren Qualität betrifft, hätte Brasilien dieses Spiel dennoch gewinnen können bzw. müssen.

Es ist argumentierbar, dass dies die beste brasilianische Mannschaft seit dem Titel von 2002 ist. Die Abwehr ist routiniert und lässt praktisch nichts zu, im Tor gibt es zwei Weltklasse-Optionen (neben Alisson noch Éderson von Man City). Im Mittelfeld gibt es die richtige Balance aus Absicherung und Vorwärtsgang, und vorne einen Neymar. Dieser hat seinem Image zwar mit seiner übergroßen Theatralik keinen Gefallen getan, grundsätzlich aber ein gutes Turnier gespielt. Er hat zwei Tore erzielt (darunter das wichtige 1:0 im Achtelfinale gegen Mexiko), ein weiteres augfelegt, hat im Schnitt 4,6 Torschüsse pro Spiel vorbereitet. Gemeinsam mit Coutinho (der aus dem Mittelfeld heraus ähnlich produktiv war, aber weniger Risiko einging – logisch, wenn man seine Position berücksichtigt) bestimmte er den brasilianischen Angriff.

Man kann durchaus hinterfragen, ob Gabriel Jesus (statt Firmino) und Willian (statt Douglas Costa) wirklich die Optimalbesetzungen waren. Fagner ist nur dritte Wahl als Linksverteidiger (hinter den verletzten Dani Alves und Danilo) und das sah man auch. Weil aber auch alle anderen Teams ihre Schwächen hatten, hätte das vollauf zum Titel reichen können. Wenn man nur das Belgien-Spiel überstanden hätte.

Nach den peinlichen Auftritten bei den letzten drei Copa-América-Turnieren (Viertelfinale 2011 und 2015, Vorrunde 2016) hat sich Brasilien unter Tite – der nach dem 2016er-Turnier von Dunga übernommen hat – eindrucksvoll an der Spitze der südamerikanischen Hackordnung zurückgemeldet. Unter dem auch in der Heimat hochgeschätzten Tite, der als Trainer bereit bestätigt wurde, gab es bis zum unglücklichen 1:2 gegen Belgien in 16 Spielen 13 Siege und drei Remis.

Uruguay: Unspektakulär und kaum zu bezwingen

Glücklich, wer als Nationalteam über die Stamm-Innenverteidigung von Atlético Madrid verfügt. Godín und Giménez haben auch im Trikot der Celeste de facto nichts zugelassen, sind ohne Gegentor durch Vorrunde marschiert und sind danach nur von einem Eckball, einem Freistoß und einem Fehler von Keeper Muslera bezwungen.

Glücklich auch, wer Luis Suárez und Edinson Cavani als Stürmer aufbieten kann. Vor allem Cavani zeigte ein großartiges Turnier, war nach vorne stets brandgefährlich und arbeitete stark auch nach hinten. Im Viertelfinale bestätigte sich aber der Eindruck von der Copa Centenario vor zwei Jahren: Es geht nur mit beiden. Damals war nur Cavani dabei (neben ihm versuchten sich Rolán, Stuani und Hernández), Uruguay schied sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Diesmal war im Viertelfinale gegen Frankreich ohne den verletzten Cavani nur Suárez dabei, die Offensiv-Power war gleich Null.

Dazwischen hat Óscar Tabárez, mit 71 Jahren der älteste Trainer des Turniers, den fälligen Generationswechsel aber vollzogen. Mit Bentancur (20), Torreira (22) und Nández (22) spielten drei ganz junge Spieler im Mittelfeld, das im Turnierverlauf auch in der Anordnung verändert wurde. Die ersten zwei Matches absolvierte Uruguay im flachen 4-4-2, dann kam Torreira auf die Sechs und Bentancr übernahm die Spitze einer Raute.

Mit dem verdienten Viertelfinale-Einzug etabliert sich Uruguay nach dem zweiten Platz in der Qualifikation weiterhin als zweite Kraft auf dem Kontinent. Dass es nicht für mehr reicht, liegt auch an den ein wenig fehlenden personellen Alternativen. Aber hey, Uruguay hat kaum halb so viele Einwohner wie Österreich.

Argentinien: Der komplette Kollaps

Viel erinnerte an Frankreich 2010. Eine Revolte unter den Spielern, ein entmachteter Trainer, internes Chaos und sportlicher Kollaps. Der Finalist von WM 2014, Copa América 2015 und Copa Centenario 2016 zerfiel in seine Einzelteile.

Man wirkte auch nie wie eine von Jorge Sampaoli – einem Apostel des Offensivspiels, des wütenden Pressings, der ungewöhnlichen Formationen – gecoachtes Team. Lahm und einfallslos in einem 4-2-3-1 beim 1:1 gegen Island. Komplett kollabierend gegen Kroatien in einem nicht funktionierenden 3-4-3, das völlig an Messi vorbei lief. Eine Halbzeit lang gegen Nigiera solide in einem 4-4-2, das danach dem Panikmodus wich. Man kämpfte aneinander vorbei, erzwang aber noch den nötigen Sieg. Im Achtelfinale (im 4-3-3 spielend) stemmte man sich mit Einsatz gegen die Niederlage, aber Frankreich konnte stets einen Gang höher schalten. Das von Sampaoli angekündigte 2-3-3-2 blieb eine Ankündigung.

In vier Spielen war nie erkennbar, was die Spielidee bei Argentinien sein soll, welche Rolle Messi einnehmen soll, wer nun eigentlich die Kommandos gibt. Mascherano geht das Spiel mittlerweile viel zu schnell, Di María war gegen Frankreich sagenhaft schlecht. Die in der durch 30 teilnehmende Klubs katastrophal verwässerten heimischen Liga spielenden Maximiliano Meza und Cristian Pavón haben kein internationales Format. Enzo Pérez ist kaum mehr als ein Mitläufer, Éver Banega spielt gute Pässe, aber ist zu langsam. Und Torhüter von Weltformat hatte Argentinien ohnehin nie.

Eine große Generation ist in Russland mit einem Knall abgetreten. Messi, Mascherano, Higuaín, Di María, Agüero, Banega, Otamendi – für sie alle war dies höchstwahrscheinlich ihre letzte WM. Mehr als zwei, drei Spieler aus dem aktuellen Team werden 2022 nicht mehr dabei sein. Oder muss man sich gar um die Teilnahme für Katar sorgen? Ohne Messi ist Argentinien nur das achtbeste Team in Südamerika. Achtmal trat man in der Quali ohne ihn an, sieben Punkte gab es in diesen Spielen.

Und es kommt auch zu wenig nach. In den letzten fünf U-20-Weltmeisterschaften hat Argentinien nur einmal die Vorrunde überstanden, ist 2015 gegen Österreich ausgeschieden, war zweimal nicht einmal qualifiziert. Die neuen Zentralfiguren in den kommenden Jahren werden wohl Paulo Dybala (der aber teamintern offenbar überhaupt keine Lobby hat) und Giovanni Lo Celso sein. Rundherum gibt es einige Kandidaten – Mauro Icardi von Inter, Manuel Lanzini von West Ham, eventuell Lucas Alario von Leverkusen. Aber längst nicht so viele, dass man automatisch von einem WM-Titelkandidaten sprechen könnte.

Kolumbien: Kein eindeutiges Urteil möglich

Juan Quintero wurde nach vier Jahren wieder ins kolumbianische Team zurückgeholt, spielte eine ansprechende WM. Radamel Falcao, der 2014 verletzt gefehlt hatte, machte endlich sein erstes WM-Tor. Yerry Mina und Davínson Sánchez gaben die Visitenkarte ab, nach dem nahenden Karriereende von Godín das beste Verteidiger-Duo Südamerikas zu werden.

Und doch: Es hing bei Kolumbien zu viel an James Rodríguez. Wenn der von Real zu den Bayern abgeschobene Kreativ-Spieler dabei war, war Kolumbien eine Macht – wie beim 3:0 gegen Polen. Wenn er fehlte, wie beim Achtelfinale gegen England, gibt es zwar immer noch einen Plan B (Dreierkette, um gegnerische Wing-Backs zu beschäftigen) und einen Plan C (Härte, um den Rhythmus und die Nerven des Gegners runterzuziehen). Aber spielerisch ist dann nicht mehr viel los.

Natürlich ist es auch Pech, dass man im ersten Spiel gleich nach fünf Minuten in Unterzahl ist – wiewohl Kolumbien dennoch Gruppensieger wurde. Natürlich ist es Pech, dass der wichtigste Spieler schon nicht fit zum Turnier kommt und sich nach anderthalb Spielen wieder verletzt. Natürlich ist es auch Pech, wenn man im Elfmeterschießen rausfliegt.

Darum sind die Kolumbianer einerseits unter Wert geschlagen worden, weil ein Halbfinal-Einzug genauso möglich gewesen wäre. Und andererseits haben sie auch wieder bekommen, was sie verdienen, wenn am Ende eben doch zu viel mit einem Spieler steht und fällt. Ein eindeutiges Urteil über dieses Turnier ist bei Kolumbien also nicht zu fällen. Aber: Dieses Team ist noch nicht am Ende. In den kommenden vier Jahren wird kaum ein Spieler aus Altersgründen rausfallen.

Peru: Gut, aber es fehlte Durchschlagskraft

Für Peru war es schon das Größte, erstmals seit 36 Jahren überhaupt an einer WM teilnehmen zu können. Mit einem verdienten Sieg gegen Australien im Gepäck ging es nach der Vorrunde wieder nach Hause, wirklich böse ist den Peruanern auch offenbar keiner. Dabei wäre eine Achtelfinal-Teilnahme nicht nur möglich, sondern eigentlich auch verdient gewesen.

Gegen Dänemark scheiterte man im ersten Spiel an der fehlenden internationalen Cleverness, aber keineswegs an einem besseren Gegner. Die sowohl auf einem solidem Defensiv-Block und einem ballbesitzorientierten Kurzpass-Spiel angelegte Strategie sorgte dafür, dass man im Grunde alle drei Spiele über weite Strecken unter Kontrolle hatte. Peru zeigte keinen Hauruck-Fußball, aber es fehlte die Durchschlagskraft.

Das Team hat nicht nur in der Qualifikation, sondern auch nun bei der WM selbst gezeigt, dass eine klare Philosophie und ein guter Teamgeist es ermöglichen, mehr zur erreichen, als eigentlich drin ist. Die Semifinal-Einzüge bei Copa América 2011 und 2015 wurden eher glücklichen Umständen zugeschrieben. Aber spätestens, als man 2016 bei der Centenario Brasilien eliminierte und danach zum WM-Ticket stürmte, zeigte sich echte Substanz. Viele Spieler werden auch noch einige Jahre für Peru spielen können.

Dennoch steht hinter der Nachhaltigkeit der Entwicklung ein Fragezeichen. Die peruanische Liga ist extrem schwach, in der Copa Libertadores – der südamerikanischen Champions Leauge – gewannen Perus Klubs nur 6 der letzten 60 Spiele. Zum fünften Mal in Folge findet 2018 das Achtelfinale ohne peruanische Beteiligung statt. Sogar die Klubs aus Venezuela und Bolivien haben bessere Bilanzen. Das sind keine guten Voraussetzungen, neues Talent an die Spitze heranzuführen.

Wer hat gefehlt?

In erster Linie hat man natürlich Chile vermisst. Der Sieger von Copa América 2015 und Copa Centenario 2016 sowie Finalist des Confed-Cups 2017 wurde hinter Peru nur Sechster in der Eleminatoria Sudamericana.

Zum Verhängnis wurde den Chilenen wohl vor allem die Altersstruktur. Da viele maßgeblichen Spieler praktisch gleich alt waren (und 2007 bei der U-20-WM vor Österreich Dritter wurden), verfügte Chile praktisch ein Jahrzehnt lang über ein extrem eingespieltes Team von gutklassigen Spielern. Nun sind sie allerdings alle gleichzeitig alt geworden. Bravo (35), Valdivia (34), Beausejour (34), Jara (32), Vidal (31), Medel (30), Isla (30), Alexis Sánchez (29): Diese acht Spieler alleine kommen auf 840 Länderspiel-Einsätze.

Marcelo Bielsa hat das Team aufgebaut, Jorge Sampaoli hat es zum Höhepunkt des Copa-Sieges im eigenen Land getrieben, Juan Antonio Pizzi hat mit dem Titel 2016 für das letzte Hurra gesorgt. Jetzt ist es die Aufgabe von Reinaldo Rueda, eine völlig neue Mannschaft zusammen zu stellen. Mit Namen, die man in Europa (noch?) nicht kennt und wohl auch mit einer anderen Spielweise. Rueda, der 2010 mit Honduras und 2014 mit Ecuador bei der WM war, steht eher für staubigen Fußball. Die Zeit der chilenischen Kunst ist vermutlich erst einmal vorbei.

Ein ähnliches Problem, also ein abrupt erzwungener Generationswechsel, macht Paraguay zu schaffen. Das Team, die von 1998 bis 2010 bei jeder WM dabei war (2x Achtelfinale, 1x Viertelfinale), 2004 Olympia-Silber holte und 2011 noch im Finale der Copa América stand, hatte keine Nachfolger. In der Quali für diese WM hatte man zwar bis zum letzten Spieltag eine Chance zur Teilnahme, verschenkte sie aber leichtfertig. Statt Legionären in Spanien, England und Deutschland tummeln sich die Spieler heute vor allem in der eigenen Liga. Der prominenteste Spieler in Europa ist Antonio Sabaría von Betis Sevilla.

Ähnliches gilt auch für Ecuador (WM-Teilnahme 2002, 2006 und 2014), wo die mittelfristige Prognose nicht so gut aussieht. Venezuela (viele Legionäre in Europas zweiten Ligen und in der MLS) hat derzeit ohnehin andere Probleme als Fußball und Bolivien (fast alle Spieler in der eigenen Liga aktiv) ist seit Jahrzehnten irrelevant.

So geht es weiter

Wie auch Asien, Afrika sowie Nord- und Mittelamerika geht es auch in Südamerika 2019 mit der nächsten Kontinentalmeisterschaft weiter. Im kommenden Sommer rittern die zehn Conmebol-Teams um den Titel. Turnusmäßig ist nun Brasilien mit der Austragung dran. In den WM-Arenen von Rio de Janeiro, Sao Paulo, Belo Horizonte, Porto Alegre und Salvador wird gespielt, zum Auffüllen – es wird in drei Vierergruppen gespielt – hat man sich diesmal Japan und Katar eingeladen.

Danach wird umgestellt. Ab 2024 findet die Copa dann stets parallel zur Europameisterschaft statt. Als sportlich wie finanziell hochwertigen Pausenfüller schiebt man 2020 erneut ein gesamt-amerikanisches Turnier ein. Diese Copa Panaméricana wird, wie schon die baugleiche Copa Centenario 2016, in den USA stattfinden.

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WM 2018: Vier sind fast am Ziel https://ballverliebt.eu/2018/07/08/wm-2018-vier-sind-fast-am-ziel/ https://ballverliebt.eu/2018/07/08/wm-2018-vier-sind-fast-am-ziel/#respond Sun, 08 Jul 2018 20:00:21 +0000 Das Viertelfinale ist geschlagen. Die vier verbleibenden Teams haben jeweils noch mindestens zwei Auftritte, wobei sich Frankreich, Belgien, Kroatien und England jenen im Spiel um Platz 3 sicher gerne ersparen würden. Wir blicken auf die jüngsten und nächsten Spiele. Was ist in den Viertelfinali passiert? Wie und wo am Feld werden sich die Halbfinalspiele entscheiden? Gibt es jetzt eigentlich noch Favoriten? Und was hat das alles mit einem verrücktgewordenen Spielzeugzug zu tun? ;)

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Die CONCACAF-Teams bei der WM 2018: Alles wie immer, nur ohne die Amis https://ballverliebt.eu/2018/07/05/concacaf-wm-2018-mexiko-costa-rica-panama-usa/ https://ballverliebt.eu/2018/07/05/concacaf-wm-2018-mexiko-costa-rica-panama-usa/#comments Thu, 05 Jul 2018 20:46:10 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=14982 Die CONCACAF-Teams bei der WM 2018: Alles wie immer, nur ohne die Amis weiterlesen ]]> Mexiko brachte mal wieder ein wunderbares Team, das einmal mehr im Achtelfinale scheiterte. Costa Rica agierte wie vor vier Jahren, nur älter und weniger konkret. Und Panama war froh, überhaupt dabei zu sein. Alles also wie gewohnt, nur eben ohne die Amerikaner: Das wäre, kurz gefasst, die WM 2018 aus Sicht der Nord- und Mittelamerikaner.

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LINK-TIPP: Die CONCACAF-Teams bei der WM 2014

Mexiko: Es war mehr möglich

Mit viel Kritik im Gepäck war Juan Carlos Osorio zur WM gefahren. Zu riskant das Spiel, zu wild sein Benehmen an der Seitenlinie, und, das größte Sakrileg von allen: Er ist kein Mexikaner, sonder Kolumbianer.

Dann führt sein Team eine Halbzeit lang Deutschland vor. Bohrte gnadenlos die Schwächen an, benützte Zehner Vela als Manndecker für Kroos. Gewann mit 1:0, legte den Grundstein für einen Gruppensieg – und Osorio war neben Jungstar Lozano, der das Tor erzielt hatte, der Held. Auch im zweiten Spiel gegen Südkorea lief es gut: Mexiko war dominant, würgte auch zwei Tore rein, gewann wieder. Endlich mal, mit der Aussicht auf die Schweiz im Achtelfinale, sollte doch mal diese vermaledeite erste K.o.-Runde überstanden werden.

Und dann das. Im dritten Spiel gegen Schweden war Mexiko zwar wieder dominant, fand aber keinen Zugriff auf den Strafraum. Der Gegner machte es clever, kontere Mexiko gnadenlos aus, die Mexikaner fielen in sich zusammen. Nach dem 0:3-Desaster war man zwar als Gruppenzweiter im Achtelfinale, aber dort wartete nicht die Schweiz, sondern Brasilien. Die Seleção war zu abgebrüht, zu clever, zu gut. Mexiko verlor 0:2, war wieder im Achtelfinale ausgeschieden. Wie seit 1994 immer, nun zum siebenten Mal.

Und fast jedesmal ist das Fazit das selbe gewesen: Gute Anlagen, schön anzusehendes Spiel, ordentliche individuelle Qualität. Aber wenn es ins K.o.-Spiel geht, sind die anderen halt doch besser, glücklicher, was auch immer. Gut möglich, dass man die Schweiz besiegt hätte, sicher leichter als Brasilien. Aber: Mexiko hat es sich selbst verbockt, mit dem Kollaps gegen Schweden.

Costa Rica: Keine spielerische Substanz

Solange man kontern kann, ist alles gut. Bei der WM vor vier Jahren funktionierte die Spielidee von Costa Rica hervorragend: Uruguay ausgekontert (3:1), Italien entnervt (1:0), in Unterzahl gegen Griechenland ins Elferschießen gerettet und dann auch noch die Holländer 120 Minuten zu null gehalten.

Vier Jahre nach dem Viertelfinale war das Spielprinzip grundsätlich das selbe. Nur: Schon im ersten Spiel wurde offensichtlich, dass die Ticos seither nur älter wurde, aber nicht besser. Einmal im Rückstand, war im Spiel gegen Serbien genau überhaupt keine spielerische Substanz da. Das Spiel ging verloren. Gegen Brasilien blieb man länger ohne Gegentor, bis in die Nachspielzeit, verlor dann aber erneut. Damit war das Turnier schon vorbei.

Dass es Costa Rica grundsätzlich sehr wohl drauf gehabt hätte, zumindest um einen Achtelfinalplatz zu kämpfen, zeigte das letzte Spiel gegen die Schweiz. Hier wurde von Beginn an Druck gemacht, indem die Räume gezielt gesucht und auch mit Tempo angespielt wurden. Man verdiente sich das 2:2, aber mehr als Kosmetik war das auch nicht.

Der auslaufende Vertrag von Trainer Óscar Ramírez – als Spieler war er einer der Helden, die beim WM-Debut 1990 die Schweden eliminierten und ins Achtelfinale einzogen – wird nun nicht verlängert, eine erhebliche Anzahl von Spielern hat altersbedingt ebenso keine große Perspektive mehr.

Panama: Gekämpft, aber nicht WM-reif

Kein Team bei der WM hat mehr Gegentore kassiert. Das ist kein Zufall, es hat auch kein Team bei der WM einen höheren xG-Wert bei Gegentoren angehäuft. So tapfer sich die Panamaer auch gewehrt haben: Sie waren das schlechteste Team dieses Turniers, es hilft alles nichts.

Gegen die schaumgebremsten Belgier haben sie noch eine Halbzeit lang ihren Kasten sauber halten können. Sobald Belgien aber mal in Führung gelegen ist, wurde deutlich, dass das Tempo einer Spitzenmannschaft deutlich zu hoch für Panama war. Die Abwehr-Arbeit in der ersten Hälfte gegen England hatte dann zuweilen schon Slapstick-Format. Mit einem 0:5 ging es in die Kabinen – vom legendären Brasilien-Halbfinale 2014 abgesehen, ist dies zuletzt 1974 passiert.

Immerhin fährt Panama mit zwei eigenen Toren nach Hause, im letzten Spiel gegen Tunesien lag man sogar eine Zeit lang in Führung. Mit gezielte Arbeit in den letzten zehn Jahren hat es sich Panama durchaus verdient, auch mal eine WM zu spielen. Und womöglich den Grundstein dafür gelegt, dass sich die nächsten Generationen für die 48-Team-Turnier regelmäßiger qualifizieren können.

Wer hat gefehlt?

Neben den im Playoff an Australien gescheiterten Honduranern (2010 und 2014 jeweils dabei) ist natürlich das Team aus den Vereinigten Staaten der große Abwesende gewesen. Nach dem Schock der verpassten Qualifikation blieb im US-Verband auch kein Stein auf dem anderen.

Rein von der sportlichen Bilanz verpasste die USA das Turnier, weil es in der Finalphase keinen einzigen Auswärtssieg gegeben hat und man das letzte Spiel in Trinidad verlor – schon ein Punkt hätte gereicht. Teamchef Bruce Arena war natürlich nicht zu halten, sogar der langjährige Verbands-Präsident Sunil Gulati wurde von den Schockwellen der Nicht-Qualifikation aus dem Amt gespült. Bis runter zu den finanziellen Eigenleistungen, die Eltern von Fußball-Knirpsen zu berappen haben („Pay to Play“), wurde alles hinterfragt.

Dass der Soccer vermehrt zum Betätigungsfeld von Kinds aus der oberen Mittelschicht würde, und die Hispanics und die Afro-Amerikaner dabei auf der Strecke bleiben, wurde bemängelt. Dass den Jungen der Biss fehle, sich außerhalb der geschützten Werkstätte MLS zu beweisen, ebenso. In der ungewohnten Situation, erstmals seit 32 Jahren kein eigenes Team bei der WM zu haben, wurde sogar mit erstaunlicher Hysterie diskutiert, ob es denn okay, wäre beim Turnier für Mexiko die Daumen zu drücken.

Im Kader des letzten Spiels gegen Trinidad waren unglaubliche 13 Spieler (!) bereits jenseits ihres 30. Geburtstages – keiner von ihnen ist seither einberufen worden. Howard, Dempsey, Bradley, Cameron, Altidore: Für sie alle ist die Teamkarriere wohl vorbei. Trainer ist nun Dave Sarachan, wenn auch offiziell immer noch nur interimistisch. Es sind jetzt mal ein paar Jahre Zeit, ein neues Team um Christian Pulisic (Dortmund) aufzubauen.

Für Honduras war es nach zwei erreichten Turnieren (mit sechs Niederlagen in sechs Spielen und 2:14 Toren) eh knapp, dass es sich auch ein drittes Mal ausgeht. Jamaika war bei den letzten zwei Gold-Cups nach Siegen über die USA (2015) bzw. Mexiko (2017) sogar jeweils im Finale. Das waren aber eher Ausrutscher nach oben. In der WM-Quali war schon in der Zwischenrunde Schluss. Die meisten seiner Spieler sind entweder daheim oder in den US-Minor-Leagues unterwegs. Bei der einzigen WM-Teilnahme 1998 waren sieben Engländer mit jamaikanischen Wurzeln im Kader – aktuell ist es seit Jahren kein einziger mehr.

Spannend könnte das Projekt in Kanada werden. Dort hat man den höchste erfolgreichen Trainer des Frauen-Nationalteams, John Herdman, mit viel Geld das Männer-Team schmackhaft gemacht. Langfristiges Ziel ist natürlich die WM 2026, bei der man Co-Gastgeber sein wird.

Wie geht es weiter?

Im Sommer 2019 findet der nächste „Gold Cup“ statt, wie die kontinentale Meisterschaft der CONCACAF-Zone heißt. Wie immer wird dieser in den USA ausgetragen. Die letzten neun Auflagen sahen nur Mexiko (4x) und die USA (5x) als Sieger. Angesichts der aktuellen Formkurve werden die Mexikaner als Favorit in das Turnier gehen.

Wie in Europa wird darüber hinaus auch in Nord- und Mittelamerika eine „Nations League“ installiert, nach dem selben grundsätzlichen Muster. Im Herbst 2018 wird eine eher wilde Quali-Runde zur Klassen-Einteilung gespielt, die auch als Ausscheidung für die zehn offenen Gold-Cup-Plätze dienen wird. Nach dem Gold-Cup wird es im Herbst 2019 mit dieser neuen CONCACAF Nations League losgehen.

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WM 2018: Im Viertelfinale gibt es das erste Finale https://ballverliebt.eu/2018/07/04/wm-2018-im-viertelfinale-gibt-es-das-erste-finale/ https://ballverliebt.eu/2018/07/04/wm-2018-im-viertelfinale-gibt-es-das-erste-finale/#respond Tue, 03 Jul 2018 22:43:10 +0000 Das Feld dünnt sich zunehmend aus, die denkwürdigen Spiele werden zunehmend mehr: Die Achtelfinal-Spiele der WM in Russland sind gespielt, und was waren da für unterhaltsame Spiele dabei. Frankreichs Torfestival gegen Argentinien! Belgiens Energieleistung gegen Japan! Das englische Elferschießen gegen Kolumbien! Das Spiel zwischen der Schweiz und Schwe… naja, vielleicht waren nicht alle acht Partien so denkwürdig. Wir reden über die acht Spiele der ersten K.o.-Runde und blicken auch auf die vier Matches der nächsten. Und ihr hört zu. O-Kjaer?

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