U20-WM 2011 – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Sun, 21 Aug 2011 21:35:34 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Oscars Hattick mit Traumtor macht Brasilien zum U20-Weltmeister https://ballverliebt.eu/2011/08/21/oscars-hattick-mit-traumtor-macht-brasilien-zum-u20-weltmeister/ https://ballverliebt.eu/2011/08/21/oscars-hattick-mit-traumtor-macht-brasilien-zum-u20-weltmeister/#respond Sun, 21 Aug 2011 10:46:21 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5551 Oscars Hattick mit Traumtor macht Brasilien zum U20-Weltmeister weiterlesen ]]> Er heißt Oscar, er spielt (noch) bei Internacional Porto Alegre – und er hat mit seinen drei Toren Brasilien zum U20-Weltmeister gemacht! Überraschungsfinalist Portugal machte der Seleção das Leben zwar lange schwer, waren dem Druck und der individuellen Klasse Brasiliens aber letztlich nicht gewachsen.

Brasilien - Portugal 3:2 n.V.

Es war das klassische Duell Zentrum gegen Flügel. Die Formation, die Brasiliens Teamchef Ney Franco spielen ließ, war wie schon zuletzt ein etwas kurioses Mittelding aus 4-3-1-2 und recht schiefer Raute. Die höhere Position von Oscar auf der linken Mittelfeldseite gegenüber Casemiro auf der rechten bedeutete zwar ein personelles Übergewicht auf der linken Seite, aber es war dennoch eher Rechtsverteidigier Danilo, der mit viel Vorwärtsdrang die sonst fehlende Breite im Spiel der Seleção auszugleichen versuchte.

Danilo drückte viel nach vorne und nahm so den offensivstarken Mário Rui ziemlich aus dem Spiel. Das frühe 1:0 nach einem Freistoß hätte zusätzlich in die Hände der Brasilianer spielen können, wenn nicht beinahe postwendend der Ausgleich gefallen wäre – natürlich über die Flügel, in diesem Fall den rechten.

Befreiung aus der Umklammerung

Die Portugiesen wussten, dass die über die Flanken zum Erfolg kommen mussten, weil durch den defensiven Casemir und Sechser Fernando das Zentrum ziemlich zu war, zumal sich das Zentral-Trio der Portugiesen auf die sehr quirlige brasilianische Offensive kümmer musste, die sich viel bewegte und so versuchte, Unruhe beim Gegner zu stiften. Zudem taten sich die Portugiesen auch nach dem Ausgleich mit dem konsequenten Pressing der Brasilianer ziemlich schwer.

Das legte sich erst nach 20 Minuten, als es die Portugiesen schafften, schneller die Flügelstürmer zu bedienen. Diese machten sich nun vermehrt im Rücken der offensiven brasilianischen Außenverteidiger breit und zogen so auch die Abwehrkette besser auseinander. Das hatte zur Folge, dass sich Danilo und Gabriel Silva zurückziehen mussten, um nicht permanent im Rücken riesige Räume offen zu lassen – womit wiederum das brasilianische Angriffsspiel um die Breite beschnitten wurde.

Es war ein äußerst lebhaftes Spiel, in dem sich die Mannschaften aber weitgehend neutralisierten und wenige Torszenen zu bewundern waren. Brasilien blieb zwar die agierende, die aktivere Mannschaft, aber nach Ballgewinn schalteten die Portugiesen blitzschnell um und verbreiteten so die ständige Gefahr, dass doch einmal was passieren kann.

Gescheiterte Radikalkur

Brasilien ab der 2. Hälfte

Für die zweite Hälfte drehte der brasilianische Teamchef Ney Franco sein Team komplett um: Er besetzte beide Außenbahnen neu (Allan rechts und Juan Jesus links), zog Casemiro in die Innenverteidigung, dafür den offensiv agileren Danilo ins Mittelfeld, Negueba spielte nun den rechten Flügel, Coutinho den linken und Oscar kam über das Zentrum, die Formation wurde ein 4-2-3-1. Gesund war diese Radikalkur aber nicht: Der Abstand zwischen Defensive und Offensive wuchs sprunghaft an, die Portugiesen konnten sich darin genüsslich breit machen und die Passwege komfortabel zustellen.

Da halt auch der Standard-Laufweg von Coutinho, von der Mitte auf die Außen zu ziehen um so im Zentrum Platz zu schaffen, wenig – die Seleção holperte und war nun deutlich mehr gezwungen, sich auf Einzelaktionen zu verlegen. Und bei einer solchen vertendelte Coutinho den Ball, der Befreiungsschlag landete bei der portugiesischen Solospitze Nélson Oliveira, und bei seinem Schuss aus spitzem Winkel machte auch der Brasilo-Keeper Gabriel keine gute Figur. Das 2:1 für Portugal war gefallen.

Rückstand wirkt

Zwei Faktoren brachten Brasilien zurück ins Spiel: Zum einen, dass Coutinho prompt ausgewechselt wurde und Dudu nicht annähernd so viele Bälle leichtfertig hergab wie der junge Mann von Inter Mailand. Und zum Zweiten der Rückstand an sich, denn nun war die Defensive gezwungen, weiter aufzurücken. So nahm die Seleção den führenden Portugiesen jeden Raum im Mittelfeld, wurdurch diese fast nur noch lange Bälle auf Nélson Oliveira spielen konnten – er stieß überwiegend über die Seite des offensiv äußerst zurückhaltenden Juan Jesus nach vorne.

Aber der Ausgleich, der den Brasilianern wiederum in Person von Oscar gelang, war absolut verdient. Dudu hielt die Linie zudem besser als Coutinho, wudurch es viel besser gelang, die Portugiesen auseinander zu ziehen. Und auch in der Folge drückten die Brasilianer weiter, sie wollten, die Verlängerung noch verhinten. Das gelang aber nicht mehr – es gab 30 Extra-Minuten.

Kunstschuss bringt Entscheidung

Die Seleção wusste aber, dass sie die Portugiesen nun dort hatten, wo sie sie haben wollten und machten auch in der Verlängerung weiterhin Druck – und hatten Glück, als Torhüter Gabriel vor dem alleine auf ihn zu stürmenden eingewechselten Caetano klärte. Doch sonst machte Portugal nicht mehr den Eindruck, selbst wirklich gefährlich werden zu können.

Letzlich war es dann ein individueller Geniestreich, der den 3:2-Sieg der Brasilianer fixierte. Ein unglaublicher Heber von Oscar aus relativ spitzem Winkel von außerhalb des Strafraums überhob den chancenlosen Mika im portugiesischen Tor. Das dritte Tor des Spielers von Internacional Porto Alegre ließ den portugiesischen Widerstand erlahmen, was die Körpersprache der Iberer deutlich machte. Die dann auch noch die letzten Minuten mit zehn Mann auskommen mussten – Sechser Danilo konnte angeschlagen nicht mehr weitermachen und das Austauschkontingent war schon erschöpft…

Fazit: Verdienter Sieg der Brasilianer

Es ist durchaus stimmig, dass ausgerechnet Oscar mit seinen drei Toren den maßgeblichsten Anteil am Finalsieg der Brasilianer hat. Der Rechtsfuß aus Porto Alegre zeigte sich im Turnierverlauf als der vielseitigste Spieler seiner Mannschaft: Er kann auf beiden Flügeln spielen, als Zehner, als hängende Spitze – und, wie gegen Österreich, sogar als Außenverteidiger. Er hob sich seine Tore für das Endspiel auf.

In dem die Brasilianer letztlich die bessere Mannschaft waren, auch wenn es vor der Pause schwer fiel, Zugriff auf das Tor zu bekommen und die Umbauten zur Halbzeit nicht sofort wirkten. Die Klasse der Südamerikaner und der Druck, der am der 60. Minute ausgeübt wurde, macht sie aber zu einem verdienten Weltmeister – wiewohl es im Viertelfinale gegen Spanien mächtig Glück brauchte. Zwar machten die Spanier dort ihr einziges wirklich gutes Spiel dieser WM, letztlich ist es aber folgerichtig, dass der Sieger aus diesem Viertelfinale auch den Titel mitnimmt.

Für Portugal ist die Niederlage zwar bitter – zum einen, weil sie bis etwa zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit in Führung lagen, und zum anderen, weil sie durch einen kaum zu verhindernden unglaublichen Geniestreich von Siegtor unterlegen sind. Dennoch muss dieses Turnier als Riesenerfolg auch für die Portugiesen gelten, denn sie sind zweifelsohne das am meisten verbesserte Team im letzten Jahr. Bei der U19-EM, die ja die Europa-Quali darstellte, machte man noch alles andere als eine gute Figur, vor allem bei jenem 0:5 gegen zehn Kroaten, das Portugal damals das Semifinale gekostet hatte.

Nun sind die Kroaten in der Vorrunde ausgeschieden und Portugal war im Finale. Ist doch auch was.

(phe)

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Interview mit Andreas Heraf (Teil 3): „Solche Transfers mag ich gar nicht“ https://ballverliebt.eu/2011/07/18/interview-mit-andreas-heraf-teil-3-solche-transfers-mag-ich-gar-nicht/ https://ballverliebt.eu/2011/07/18/interview-mit-andreas-heraf-teil-3-solche-transfers-mag-ich-gar-nicht/#comments Mon, 18 Jul 2011 00:43:18 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5292 Interview mit Andreas Heraf (Teil 3): „Solche Transfers mag ich gar nicht“ weiterlesen ]]>
Im dritten und letzten Teil unseres Interviews befragen wir U20-Teamtrainer Andreas Heraf zu allgemeinen Strukturen für die Nachwuchsmannschaften und -trainer im österreichischen Fußball, Jugendtransfers ins Ausland, seine persönliche Zukunft und darüber, warum das glückliche Österreich bei der kommenden U20-WM eigentlich die Arschkarte gezogen hat und er sich trotzdem darauf freut. Das Gespräch führten Philipp Eitzinger und Tom Schaffer.

Das komplette Interview:

Ballverliebt.eu: Österreichische Nachwuchsteams sahen in den letzten Jahren oft recht gut aus. Am Übergang in den Erwachsenenbereich hapert es ein wenig. Kann das daran liegen, dass es eine natürliche Grenze in einem Land mit schwacher Liga gibt, wo junge Menschen nach einer ähnlich guten Ausbildung nicht bei Topklubs Fuß fassen können?

Andreas Heraf: Wir sind ein kleines Land und haben nicht so viele Möglichkeiten wie die besten Nationen. Aber wir sind was den Nachwuchs anbelangt auf einem guten Weg und diese Ergebnisse bestätigen das. Von der Kanada-Mannschaft spielen ja auch schon einige in der A-Nationalmannschaft. Ich bin mir auch sicher, dass es von dieser auch einige in den nächsten fünf Jahren schaffen werden. Wir müssen natürlich versuchen, aus unseren wenigen Mitteln das beste zu machen. Dass in der A-Nationalmannschaft die Luft immer dünner wird, ist auch klar. Und dass die Forderung im eigenen Land anders ist, als wenn man in Spanien spielt, ist auch klar. Wichtig ist, dass die Spieler Einsätze bekommen. Ich glaube, das Bekenntnis in Österreich ist da, junge Spieler in die Kampfmannschaft zu stecken und ihnen dort tragende Rollen zu geben. Es kann noch immer mehr werden, aber es ist schon auf einem guten Weg. Es braucht aber einfach noch etwas Zeit. Es wird aber nicht selbstverständlich sein, dass sich unsere A-Nationalmannschaft immer für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifiziert. Aber mit der guten Qualität, die wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben, wird die Möglichkeit größer.

Wie wichtig ist da für junge Spieler der Schritt ins Ausland?

Ich sehe das zweigeteilt. Wenn ein Spieler von einem Topklub geholt wird, wo es eine gute Infrastruktur gibt, wo er sich sportlich weiterentwickelt und wo er, ganz wichtig, auch reelle Chancen hat zu spielen, dann natürlich, muss er gehen. Aber ich sage vor allem bei 16-Jährigen, wenn die etwa zu englischen Klubs gehen… die holen zwanzig Talente und schauen, wer nach fünf Jahren übrigbleibt. Wenn da einer oder zwei übrig bleiben, gut für sie, aber die anderen sind ihnen wurscht. Dann ist es natürlich eine Katastrophe, wenn da bei den 18 oder 19 auch Österreicher dabei sind. Denn die sind dann weg.

Solche Transfers mag ich gar nicht. Da darf der Manager nicht dran denken, was er verdienen kann. Da müssen die Eltern dahinter sein und darauf achten, dass auch die schulische Ausbildung neben der sportlichen Weiterentwicklung passt. Denn der Bursch hat nichts davon, wenn er bei Manchester United ist, und dort nirgends zum Einsatz kommt und sich nicht weiterentwickeln kann.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang, was bei Bayern und Stuttgart passiert, wo ja sehr viele Österreicher in den Jugendabteilungen sind?

Sie wurden für den Nachwuchs geholt und spielen dort eine gute Rolle. Holzhauser und Stöger bei Stuttgart sind beides 1993er-Jahrgänge und trainieren schon bei der Kampfmannschaft mit – das schaut gut aus dort. Man muss halt schauen, wie der letzte Schritt verläuft, was auch der Grund ist, warum sie Holzhauser nicht freigeben. Sie sagen, er wäre schon so nah am Bundesliga-Team dran, da wollen sie ihn nicht jetzt herausreißen. Da habe ich auch Verständnis dafür.

Bei Bayern ist es um einiges schwieriger. Ich hoffe, dass David Alaba dort spielen wird, oder zumindest zu einigen Einsätzen kommt, denn die Qualität dazu hat er. Aber er braucht einfach Spielpraxis, da war Hoffenheim eine Supergeschichte. Ich würde mir wünschen, dass er wieder verliehen wird, sollte er bei den Bayern nicht zum Zug kommen.

Ist die Gefahr gegeben, dass man in ausländischen Jugendabteilungen – weniger bei Bayern oder Stuttgart, aber etwa in Holland, wie bei Tobias Kainz von Heerenveen – in Österreich unter dem Radar fliegt?

Bei Kainz war es tatsächlich so. Er ist einer meiner Lieblingsspieler, ich schätze ihn extrem, der menschlich, von seiner Einstellung, von seiner Persönlichkeit und auch von seinen fußballerischen Fähigkeiten fantastisch ist. Er war aber bei Heerenveen lange Zeit nur im Nachwuchs, und ich habe mich lange schon gefragt, warum er nicht mal zu den Amateuren oder zur Kampfmannschaft kommt. Aber er war geduldig, der Verein war geduldig, und er ist jetzt zu seinem Debüt in der Ersten gekommen. Dort sind zwei Spieler gegangen, da gibt es eine echte Chance, dass er dort regelmäßig spielen wird.

Man darf nur nicht die Angst haben, “Die in Österreich vergessen mich!” Heerenveen ist ein guter Verein, er war dort gut aufgehoben, und für ihn hat das alles wirklich hundertprozentig gepasst. Man darf halt nicht ungeduldig werden und sich sagen, “der Djuricin spielt bei Hertha und macht im ersten Match zwei Tore, und ich bin um nichts schlechter und spiele nur in der U19!” Das ist in Holland so, bei den U17-Europameistern von heuer spielen alle in der U17, und keiner weiter oben. Das ist deren Philosophie, darum war auch der Kainz lange in der U19. Ich glaube, dass seiner ein guter Weg war.

Apropos Holland. Dort gibt es in der Entwicklung der Jugendmannschaften vom Verband verordnete klare Vorgaben, welche Schwerpunkte mit welcher Altersstufe zu trainieren sind. Gibt es solche Vorgaben beim ÖFB auch?

Ja, selbstverständlich. Das sind ja auch nicht nur unbedingt Gesetzmäßigkeiten im Fußball, sondern generelle. Darauf wird auch bei den Leitlinien des ÖFB Rücksicht genommen, keine Frage.

In wie weit unterscheiden sich in Österreich die Ausbildung von Nachwuchs- zu Profitrainern?

Das gibt es Unterschiede, natürlich. Wir haben die Elite-Junioren-Lizenz, die ist die höchste Ausbildung für den Nachwuchsbereich, und die UEFA-Pro-Lizenz für Kampfmannschaften. Bei uns geht auch die Schiene in beide Richtungen. Man kann schon beides machen, aber speziell in den Akademien braucht man als Trainer oder auch als Sportlicher Leiter die Elite-Junioren-Lizenz, damit man für den Nachwuchs gerüstet ist.

Ist in der Junioren-Schiene auch eine spezielle pädagogische Ausbildung dabei?

Keine Frage, man ist als Nachwuchstrainer auch Pädagoge, man ist Lehrer, zum Teil auch Elternersatz. Speziell, wenn die Jungs in den Akademien oder in Internaten sind. Da hat man nicht nur die Rolle des Übungsleiters, des Lehrers, sondern auch des Menschen, des Erziehers, des Unterstützers.

Um nochmal auf den Trainer Andreas Heraf zurückzukommen – es gibt Coaches, die sagen, “Das ist nervenaufreibend, weil ich von der Seitenlinie nichts bewirken kann”, und solche, die sagen, “Endlich kann ich ein Spiel so lenken, wie es mir als Spieler nicht möglich war”. Wo sehen Sie sich da selbst?

Es hat beides was. Während des Spiels selbst kann man oft wirklich nicht mehr sehr viel tun, höchstens mit Auswechslungen oder Systemänderungen innerhalb der Mannschaft noch etwas bewirken. Aber so wie das Match läuft, wie die Tagesverfassung der Spieler ist, wie stark der Gegner ist, da ist man oft als Trainer nicht mehr in der Lage, allzu viel zu tun. Aber man kann einer Mannschaft natürlich schon eine Spielanlage mitgeben, wie man sich selbst den Fußball vorstellt.

Die Frage ist immer nur, wie das die Vorgesetzten sehen. Wenn das ein Verein ist, der sagt “wir halten auf jeden Fall am Trainer fest, seine Philosophie ist in Ordnung, auch wenn die Resultate mal nicht passen”, ist das wunderbar. Es gibt aber halt auch Vereine, wo es den Funktionären ganz wichtig ist, dass die Ergebnisse stimmen, dass man ganz vorne dabei ist, dass man ja nichts mit dem Mittelfeld zu tun hat. Und wenn man das eine oder andere Spiel verliert, ist der Trainer auch gleich mal weg. Und hat somit auch nicht die Möglichkeit, seine Philosophie einzubringen.

Das habe ich beides schon mitgemacht als Bundesliga-Trainer. Was ich daraus gelernt habe: Ich werde nur noch ein Angebot annehmen, wo die Ziele des Vereins mit meinen Vorstellungen zusammen passt. Wenn ein Präsident zu mir sagen würde, ich müsse jedes Jahr fünf 18-Jährige in die Mannschaft einbauen und trotzdem Meister werden, muss man auch sagen können, “Danke, aber das ist nichts für mich.”

Der Job beim ÖFB ist jetzt also angenehmer als einer in der Bundesliga, wie etwa in Pasching, wo nach drei Spielen wieder Schluss war?

Ganz anders zumindest. So etwas wie mit Pasching würde mir heute sicher nicht mehr passieren, was den Unterschied zwischen Erwartungen und Umsetzbarkeit betrifft.

Sehen Sie ihre Zukunft als eher beim ÖFB oder doch wieder bei Vereinen?

Das kann ich nicht sagen. Aber ich sehe meine Zukunft auf jeden Fall als Trainer. Ich habe seit einem Jahr die WM im Kopf und auf die konzentriere ich mich bis zur letzten Sekunden, danach übernehme ich die nächste U17, mit der es im Herbst in die EM-Quali geht. Ich habe meinen Vertrag beim ÖFB mal um zwei Jahre verlängert, es macht mir Riesenspaß. Was dann kommt, weiß ich nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, beim ÖFB weiter zu machen.

Wenn Angebote von Vereinen kommen, werde ich mir diese in Absprache mit dem ÖFB anhören. Wenn etwas dabei ist, was mit meinen Vorstellungen kompatibel ist, muss man abwägen, ob man das dann macht, aber ich bin sehr zufrieden, wie es mit dem ÖFB läuft. Man kann hier wirklich gut arbeiten, professionell und mit voller Unterstützung. Das taugt mir.

Abschließend nochmal zurück zur WM. Wenn nach dem Turnier das Flugzeug Richtung Heimat bestiegen wird, was muss in den Tagen, Wochen und Spielen davor passiert sein, damit der Andi Heraf zufrieden nach Hause fliegt?

Wir sollten zumindest nicht am 5. oder 6. August heimfliegen, denn dann wären wie in der Vorrunde ausgeschieden. Da könnte ich auch selbst bei gutem Spiel meiner Mannschaft und vielleicht Lob nicht zufrieden sein, wenn man bei so einem Turnier mal dabei ist und dann übersteht man die Vorrunde nicht. Darüber hinaus wäre ich immer zufrieden, auch wenn es nach dem Achtelfinale vorbei sein sollte, wenn wir aus unseren Möglichkeiten das Maximum herausgeholt haben. Wenn wir uns so verkaufen, wie wir uns das erwarten, und es hätte einfach nicht zu mehr gereicht.

Denn es könnte passieren, dass wir nach der Vorrunde Dritter sind und dann in Bogotá gegen den Sieger der Gruppe A spielen müssen…

…wahrscheinlich also Gastgeber Kolumbien oder Europameister Frankreich…

…für das wir drei Tage vorher nach Bogotà reisen müssten von null Meter Meereshöhe in Barranquilla auf 2.600 Meter. Und laut Medizinern, die sich mit Höhe beschäftigen, ist es unmöglich, in drei Tage eine gewisse Anpassung zu erfahren. Diese Mannschaft, auf die dieses Spiel wartet, das sind arme Hunde. Und wenn meine Mannschaft sich da gut verkaufen und verlieren sollte, müsste ich trotzdem zufrieden sein, denn da wäre körperlich normalerweise einfach nicht mehr möglich.

Als Gruppenzweiter oder gar Sieger wäre es also leichter?

Muss nicht sein – denn wir haben das in jeder Hinsicht schlechteste Los gezogen. Wir haben das blödeste Los gezogen mit der Schwüle und der Hitze. Wir haben das blödeste Los gezogen, wenn wir dann in die Höhe müssten. Wir haben das blödeste Los gezogen mit unseren Gegner, die alle aus heißem Klima kommen. Wir haben das blödeste Los gezogen, das Panama der erste Gegner ist, die nur herüberfahren und da sind. Wir haben das blödeste Los gezogen, dass in unserer Gruppe der Sieger gegen einen anderen Zweiten spielt, und nicht gegen einen Dritten. Und wir haben das blödeste Los gezogen, dass unser Zweiter nicht gegen einen anderen Zweiten spielt, sondern gegen einen Gruppensieger.

Könnte es ein zusätzlicher Nachteil sein, dass man am letzten Gruppenspieltag als erste Mannschaft dran ist, und sich die möglichen Dritten der anderen Gruppen danach richten können – also man vorlegen muss, statt nachlegen zu können?

Das ist mir wurscht. Sollten wir so viele Punkte haben, dass wir noch in Frage kommen, als Dritter weiter zu kommen, warte ich gerne. Das haben wir bei der ersten Qualirunde auch machen müssen – und da waren es nicht zwei Tage, sondern wir wussten zwei Monate lang nicht, ob wir noch Weiterkommen. Diese Zeit war eine Katastrophe, und dann sind wir doch noch in die nächste Runde gerutscht. Man muss also auch am Boden bleiben: Wir haben eine gute Mannschaft, aber ich weiß sehr wohl, dass wir einiges an Glück gebraucht haben, dass wir so weit gekommen sind.

Darum lass ich mir auch von niemandem einen Druck machen oder diese WM verderben. Denn dass wird dort sind, ist ein Riesenerfolg für Österreich, und was die Jungs bis jetzt geleistet haben, wird uns niemand mehr wegnehmen. Egal, wie die Weltmeisterschaft läuft!

Alles Gute dafür! (tsc, phe)

Das komplette Interview:

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https://ballverliebt.eu/2011/07/18/interview-mit-andreas-heraf-teil-3-solche-transfers-mag-ich-gar-nicht/feed/ 1
Interview mit Andreas Heraf (Teil 2): „Ich wollte zu jedem Turnier“ https://ballverliebt.eu/2011/07/16/interview-mit-andreas-heraf-teil-2-ich-wollte-zu-jedem-turnier/ https://ballverliebt.eu/2011/07/16/interview-mit-andreas-heraf-teil-2-ich-wollte-zu-jedem-turnier/#respond Fri, 15 Jul 2011 23:05:54 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5287 Interview mit Andreas Heraf (Teil 2): „Ich wollte zu jedem Turnier“ weiterlesen ]]>
ÖFB-U20-Trainer Andreas Heraf spricht im zweiten Teil unseres großen Interviews über die Gegner bei der anstehenden Weltmeisterschaft, über das eigene System und wieso er sich über Paul Gludovatz ärgert.
Das Gespräch führten Tom Schaffer und Philipp Eitzinger.

Teil 1 des Interviews verpasst? Andreas Heraf spricht dort über den Weg nach Kolumbien, die Vorbereitung und die Mühen der Kaderzusammenstellung.

Ballverliebt.eu: Wir haben die Gegner ja schon kurz angesprochen. Es klingt vor allem schwer, etwas über Panama zu finden. Wie ging es Ihnen dabei?

Andreas Heraf: Es ist nicht einfach. Ich sage das jetzt gleich dazu, falls später noch eine Frage über Gludovatz kommt. Für mich ist die größte Frechheit an der Geschichte, dass mir vorgeworfen wurde, ich hätte zu wenig getan. Ich glaube, dass ist genau meine große Stärke, dass ich seit einem Jahr an dieser WM hänge. Ich wollte zu jedem Turnier: Nach China, nach Peru, nach Neuseeland, nach Libyen – wo der Africa-Cup ursprünglich stattfinden sollte. Ohne zu wissen, was uns bei der Auslosung erwartet, um alles zu sehen. Man hat mir gesagt: „Das ist dann gar zu viel“. Aber ich wollte es. Ich habe zuhause trotzdem von jedem Turnier alle Aufstellungen von der Vorrunde bis ins Finale ausgedruckt. Wir haben zum Beispiel keinen Asiaten gekriegt, aber ich hätte alles gehabt.

Bei Panama war es ähnlich. Die haben eine sehr gute Homepage. Dort hat man extrem viele Informationen bekommen. Wobei, im letzten Monat haben sie das eingestellt, entweder mit Absicht oder weil die U17-WM so wichtig war… Vorher hast du dort detailliert alles gefunden.

Auch Michael Grubinger vor Ort war fantastisch und was er an Material organisiert hat, war ein Wahnsinn. Nach der Auslosung in war klar, wir haben Brasilien. Am Flughafen in Bogotà einen Tag später stand ein Freund von ihm und gab mir fünf DVDs von ihnen. Ich glaube, das hatte niemand von den 24. Ob das notwendig ist, ist immer die Frage, aber ich hatte es. Auch bei Panama habe ich mittlerweile 10 DVDs. Die letzte war ganz kurios. Ein Auslandsösterreicher in Guatemala hat uns angeschrieben, dass die ein Freundschaftsspiel dort spielen und ob er das aufnehmen soll. Und das haben wir dann per Post bekommen.

Es haben viele mitgeholfen. Es gibt einen österreichischen Spielervermittler, der in Panama gute Kontakte hat. Von dem hab ich auch Videos und Analysen bekommen. Was das betrifft habe ich alles genommen, was ich kriegen konnte, und bin sehr gut vorbereitet.

Wie sieht Panama von Taktik und System her aus?

Das war die schwierigste Mannschaft, um das herauszufinden. Ich kann sehr viel über die Einzelspieler sagen. Die sind gut und relativ fit. Sie kennen das Klima und sind gut eingespielt. Was das Mannschaftsgefüge betrifft, muss man allgemein sagen, die haben extremen Nationalstolz. Auf das müssen wir uns einstellen, die werden sterben für ihr Land, das ist die Wahrheit. Die sind auch wie eine Familie, nicht umsonst fünf Monate im Jahr zusammen. Sie machen oft den Eindruck als Mannschaft topp organisiert zu sein, dann aber haben sie wieder Phasen, wo ich mir sage: „Da ist gar nichts zu erkennen“. Es ist wirklich schwierig. Einmal spielt die Mannschaft extrem offensiv, dann steht sie nur hinten drin.

Es spricht aber schon vieles für die Mannschaft. Man darf auch nicht vergessen: Panama ist in der Weltrangliste 52. und Österreich 65. – die sind im Gold Cup nach Gruppensieg im Semifinale ausgeschieden. Es stehen vier A-Nationalspieler in der U20. Wenn viele Panama unterschätzen,… damit kann ich leider nicht dienen.

Ägypten haben wir im Africa Cup zwei Mal beobachtet. Unser Eindruck war: Die stehen hinten bombensicher, aber vorne nichts Weltbewegendes…

Das stimmt. Sie schießen recht wenige Tore, bekommen aber praktisch keine. Hinten sind sie brutal. In der Viererabwehr sind drei von einem Verein. Sie sind körperlich robust, eine technisch gute Mannschaft und taktisch gut eingestellt. Ich hätte mir aus Afrika eher ein anderes Team gewünscht, die taktisch sicher nicht so weit sind. Ägypten spielt am Europäischsten, hat auch einige Leute in Frankreich.

Und Brasilien? Wird da ein Neymar dabei sein?

Nein. Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass Neymar und Lucas nicht spielen werden.. Firmino von Hoffenheim ist jetzt nach hause gefahren, den haben sie nicht dort gelassen. Der Rest wird spielen.

Kommen wir zur eigenen Mannschaft. Bei der EM hat es ja nur das Spiel gegen England im TV gegeben. Damals gab es ein 4-3-3 mit konsequentem Flügelspiel. Wird man das wieder sehen?

Wenn man von Systemen oder solchen Zahlenkombinationen spricht, sollte man immer die Frage stellen, was das heißt. Es gibt eine defensive und eine offensive Grundordnung. Ich kann aus einem 4-3-3 auch in der Defensive ein 4-5-1 machen. Wenn ich von 4-3-3 spreche, dann in erster Linie von der Offensive, denn das kann ich beeinflussen und so spielen, wie ich will – oder es zumindest versuchen. Da werden wir sicher wieder so agieren und mit einem 4-3-3 spielen.Wir sind damit gut gefahren.

Wird man schauen, dass man das eigene Konzept durchbringt, oder sich am Gegner orientieren?

Als ich die Mannschaft übernommen habe, hatte sie – ohne die 92er – nicht die Qualität, dass wir im Entferntesten an eine Turnierqualifikation gedacht haben. Anfangs haben wir 4:0 gegen Deutschland und 3:1 gegen Belgien verloren – da waren wir chancenlos. Ich dachte, ich bekomme graue Haare und die werden uns weg schießen – stellen wir uns hinten rein und hoffen auf Konter. Ich habe aber schnell gesehen, dass das nicht die Philosophie von einem Andi Heraf oder einer ÖFB-Mannschaft sein kann. Man hat sich in den vergangenen 10 oder 20 Jahren in Österreich international immer hinten rein gehaut und vorne gehofft, dass etwas passiert. Das mag ich nicht.

Wir wollen offensiv spielen und haben gute Fußballer in unseren Reihen. Wir haben auch gute Fußballer geholt, egal wie groß sie waren – drum sind wir ehrlich gesagt auch eine recht kleine Mannschaft. So hat sich das 4-3-3 entwickelt das gut passt, sehr variabel ist und auf viel Ballbesitz ausgerichtet ist und wo die Kugel einfach lauft.

Wer sind ohne Alaba die Leitwölfe?

Das ist einfach eine geile Mannschaft mit überragender Stimmung – auch ohne David. Aber wenn der wo reinkommt, geht die Sonne auf. Ich telefonier oft mit ihm. Er ruft mich auch oft an und sagt: „Trainer ich wäre gern dabei, mach was“. Der passt damit perfekt in die Mannschaft. Wenn er nicht dabei ist, ist der Rest von dem Haufen sensationell. Am Teamspirit wird es nicht hapern.

Gerade die Besetzung in der Defensive ist etwas schwierig. Wie wird die Aufteilung aussehen? Wir haben gehört, Marcel Ziegl eventuell als Linksverteidiger – auch in Abstimmung mit Ried offensichtlich?

Davon weiß ich nichts, ich hab auch mit Herrn Gludovatz keinen Kontakt. Wir hatten in der Mannschaft immer das Problem der Außenverteidiger. Die ganze Abwehr war eigentlich schwierig. Ich habe auch Schimpelsberger zu einem Innenverteidiger umfunktioniert, der immer ein Sechser war. In der ersten Qualirunde hat Ziegl rechts hinten gespielt und das anständig gemacht. Auch Windbichler als Innenverteidiger und Trauner als Mittelfeldspieler habe ich rechts probiert. Trauner wurde in Frankreich unter die besten Außenverteidiger gewählt und ist leider verletzt. Farkas, der bei der EM nicht spielen durfte, wird rechter Verteidiger spielen. Schimpelsberger und Rath in der Mitte, Dilaver links. Auch Klem kann man dort immer bringen, aber der ist hinten immer ein wenig verschenkt. Der Marcel (Anm.: Ziegl) kann hinten alles und als defensiver Mittelfeldspieler spielen, der ist ein absoluter Allrounder.

Sie haben keinen Kontakt mit Herrn Gludovatz…

Also jetzt nicht mehr, vorher schon.

… der hat so einen Bewerb natürlich schon hinter sich. Gibt es da eine Erfahrungsweitergabe im ÖFB?

Ich wüsste nicht, was er großartig weitergeben hätte sollen. Die Quali und die Europameisterschaft laufen glaube ich ziemlich gleich ab – vom Ablauf, der Gegnervorbereitung, der Turnierform und dass alle in einem Hotel sind. Es wird mehr Zuseher, Medieninteresse und einen größeren Trubel geben, aber sonst bleibt alles gleich. Ich wäre da nicht angewiesen gewesen auf große Tipps von jemandem, der das schon gemacht hat.

Mit dem Erfolg von 2007 wirft Paul Gludovatz natürlich einen großen Schatten. Nervt die Fragerei nach ihm?

Die Fragerei eigentlich nicht. Mehr die Aussagen, die er getätigt hat. Sie ärgern mich, weil sie nicht der Wahrheit entsprechen. Ich weiß nicht, warum er das getan hat. Dass wir beide uns nicht verstehen, möchte ich gar nicht bestreiten, aber es ärgert mich. Wenn er sagt, er sei zigtausend Kilometer gefahren, dann glaub ich ihm das, weil ich auch zigtausend Kilometer gefahren bin.

Wenn er sagt, man muss so wie er regelmäßig mit Demut bei jedem Vereinstrainer vor Ort um die Spielerfreigabe bitten, dann muss ich sagen, er muss dich Abfahrt Schwanenstadt verpasst haben. Im Vorfeld der WM in Kanada war er nicht ein Mal bei mir, hat nicht ein Mal um die Freigabe gebeten – schon gar nicht demütig – und er hat mich auch nicht angerufen. Er verlangt von mir, was er selber nicht getan hat. Das finde ich nicht in Ordnung, das wollte ich auch gesagt haben.

Und sonst: Wenn man sich als kleines Land wie Österreich innerhalb von vier Jahren zwei Mal für eine WM qualifiziert – was übrigens eine unglaubliche Sensation und nicht selbstverständlich ist – dann ist klar, dass das verglichen wird. Für mich ist das kein Problem. Es war eine ganz andere Gruppe, ein anderes Klima, eine andere Vorbereitung, andere Spieler. Es ist ganz einfach vier Jahre später und komplett anders. Deshalb möchte ich mich da nicht vergleichen. Wenn wir wieder Vierter werden – super. Wenn wir besser sind – fantastisch. Wenn es schlechter ausgeht, werden wir trotzdem alles versucht haben.

Wäre wahrscheinlich trotzdem schön dabei gewesen zu sein…

Das sowieso. Umso mehr ärgere ich mich, dass ich mir jetzt nach diesen Aussagen wegen Dingen Gedanken machen muss, die in der Vorbereitung keinen Platz haben. Dass er als ehemaliger Teamchef, WM-Teilnehmer und Österreicher solch negativen Dinge sagt, vor einer so positiven Geschichte, kann und mag ich nicht verstehen. (tsc, phe)

Teil 3 des Interviews mit Andreas Heraf wird sich mit seinem Selbstverständnis als Trainer, Transfers von jungen Spielern ins Ausland, Nachwuchsstrukturen in Österreich und der Trainerausbildung auseinandersetzen. Der Text dazu wird am Montag erscheinen.

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Interview mit Andreas Heraf (Teil 1): „Wir sind am Anschlag“ https://ballverliebt.eu/2011/07/15/interview-mit-andreas-heraf-teil-1-wir-sind-am-anschlag/ https://ballverliebt.eu/2011/07/15/interview-mit-andreas-heraf-teil-1-wir-sind-am-anschlag/#respond Thu, 14 Jul 2011 22:29:54 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=5231 Interview mit Andreas Heraf (Teil 1): „Wir sind am Anschlag“ weiterlesen ]]>

Bei der anstehenden U20 Weltmeisterschaft in Kolumbien wird Andreas Heraf als österreichischer Teamtrainer an der Seitenlinie stehen. Im Vorfeld des Turniers haben wir uns eine Stunde mit ihm über seine Arbeit unterhalten. Wir präsentieren euch das Gespräch ungekürzt in drei Teilen. Im ersten Part geht es um die Zusammenstellung des Kaders, den Weg nach Südamerika und die Hindernisse auf dem Weg zum erwünschten Ziel.

Das Gespräch führten Philipp Eitzinger und Tom Schaffer.

 

Ballverliebt.eu: Herr Heraf, was ist in den letzten Tagen passiert, damit Georg Teigl doch mit nach Kolumbien fahren konnte?

Andreas Heraf: Dazu kann ich ehrlich gesagt nichts sagen. Ich weiß nur, dass Präsident Leo Windtner – wie bei einigen Spielern auch – nochmal zu intervenieren versucht hat. Wie genau es gelaufen ist weiß ich nicht. Ich bin froh, dass er mitfahren darf und möchte mich bei Red Bull Salzburg bedanken. Es sind jetzt doch alle drei Spieler von meiner 30er-Liste dabei. Dass Hinteregger von sich selbst aus nicht mitfahren will, dafür kann ich nichts. Das muss er für sich selbst verantworten.

Die Kritik der letzten Tage orientierte sich ja vor allem an Salzburg. Sind Sie jetzt mit allen Vereinen zufrieden?

Ja. Es stehen jetzt alle österreichischen Vereine hinter der WM, dem ÖFB und dieser Mannschaft. Das muss man als absolut positiv sehen. Es wäre schön gewesen, wäre das von Anfang an so gewesen. Dann hätte es erstens nicht so viele Diskussionen gegeben und zweitens wäre vielleicht auch der ein oder andere Spieler aus dem Ausland abgestellt geworden. Das wurde mir schon gesagt: „Warum sollten wir, wenn ihre eigenen Landsleute die Spieler nicht abstellen?“. Jetzt wo das Argument nicht mehr da wäre, ist es zu spät.

Mit all diesem Zusammenkratzen von Spielern ist viel Zeit vergangen. Wie frustrierend war das, jeden Spieler einzeln holen zu müssen? Und wie viel von der Zeit hätte man zielgerichteter in die WM-Vorbereitung stecken können?

Ich habe sicher keine Zeit verloren, die irgendwo fehlen würde. Ich bereite das Ganze jetzt seit einem Jahr vor. Ich habe also die WM-Vorbereitung betreffend keine Zeit verloren, aber ich habe viel Zeit meines Lebens verloren, die wirklich verschenkt war. Es ist extrem mühsam, jedem einzelnen Verein nachzulaufen. Diese Herren haben natürlich auch anderes zu tun, da sind es zig Anrufe, bis man einmal jemanden erwischt. Wir haben sehr früh damit begonnen, uns darum zu kümmern. Da hörte man am Anfang nur: „Warten wir einmal ab. Kurz vor der WM sagen wir euch dann, wen ihr kriegt.“ Es war vor allem zum Schluss sehr frustrierend, wenn du immer wieder die ein oder andere Gnackwatsch’n bekommst, weil Leute nicht mitfahren dürfen. Du willst natürlich mit der besten Mannschaft dorthin, kannst dann aber nicht.

Sie kennen die Situation von Schwanenstadt. 2007 sind da ja mit Hinum und Stanislaw zwei Spieler von Ihnen nach Kanada mitgefahren…

Hat mit damals eigentlich nichts zu tun, aber ich kann mich natürlich in Vereine und Trainer hinein fühlen, dass die ihre Spieler immer bei sich haben möchten. Aber eine Weltmeisterschaft ist ein besonderes Ereignis und eine Möglichkeit für den Spieler, sich zu präsentieren und Erfahrungen zu sammeln, wie er sie nie wieder bekommen wird. Wenn der Spieler dort gute Leistungen bringt, bekommt er oder auch der Verein einen Mehrwert.

Ich wurde 2007 gar nicht gefragt. Die Spieler waren von einem Tag auf den anderen gar nicht mehr da. Hat mich für die Jungs total gefreut, ich hätte auch nichts dagegen gehabt. Aber sie waren wirklich auf einmal weg.

Es fehlen jetzt einige Kaliber, um wirklich die beste Mannschaft aufzubieten…

Mit Dragovic, Alaba und eigentlich auch Holzhauser fehlen drei Spieler, die bei diesem Bewerb in die Kategorie Weltklasse fallen würden. Drei Spieler dieser Klasse würden unsere Qualität natürlich steigern. Das ist schade, aber sie könnten ja auch verletzt ausfallen. Wir haben jede Qualifikation und die U19-Euro ohne Dragovic gespielt, auch Alaba war in der ersten Qualirunde nicht dabei und fehlte im entscheidenden Spiel gegen Holland. Ohne damit zu sagen, wir hätten ihn nicht brauchen können – das stimmt überhaupt nicht, weil er einfach ein super Spieler und geiler Typ ist. Aber wir haben uns auch ohne ihn, Dragovic und Knasmüllner qualifiziert. Die Mannschaft hat eine hohe Qualität und die Stimmung ist gut.

Was ist Ihr Ziel?

Es muss unser Ziel sein, die Gruppe zu überstehen. Auch wenn es extrem schwer wird. Mit Brasilien und Ägypten haben wir zwei volle Kaliber. Auch wenn es viele nicht glauben, Ägypten ist für mich um nichts schlechter als Brasilien. Auch Panama wird von vielen Seiten unterschätzt. Trotzdem: Wenn man zu einer WM fährt, will man weiter kommen.

Welche Rolle wird das Klima spielen?

Das wird das größere Problem. Speziell unser erster Gegner Panama wohnt gleich ums Eck. Die haben weder das Problem der Anreise, noch der Akklimatisierung. Wir schon. Das müssen wir in der Woche, die wir vorher dort sind, so schnell wie möglich hinbekommen. Wir sind mit dieser Zeit am Anschlag, aber es könnte so halbwegs reichen, wenn wir es mit der Trainingsintensität clever steuern. Wobei du im Prinzip nicht ganz wettmachen kannst, dass Panama das gewöhnt ist. Der Jetlag kommt auch noch dazu.

Hätte man sich mehr Vorbereitungszeit gewünscht?

Wir hatten die kürzeste von allen Mannschaften. Aber von Seiten des ÖFB wurde alles unternommen, die FIFA-Termine im März und Mai haben wir genützt. Das hat mir insgesamt 16 Tage und ein Testspiel mit der Mannschaft gebracht. Zum Vergleich: Panama hatte in diesem Jahr 170 Tage und 33 Testspiele zusammen, Brasilien hatte 110 Tage und über 20 Spiele, Ägypten 105 Tage und über 30 Spiele…

Woran liegt es, dass die so viel mehr haben?

Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie hatten einfach von der Abstellung viel mehr Unterstützung. Wenn man sieht, wie schwer es ist, die Spieler zu bekommen, haben wir die nicht gehabt. Es wäre unmöglich gewesen, die auch noch im Rahmen der Meisterschaft abzuziehen. In Argentinien trainieren seit drei Monaten alle U20-Spieler von Montag bis Mittwoch mit der Nationalmannschaft.

Da sind wohl die meisten Spieler rund um Buenos Aires…

Das kann schon sein, aber da werden welche von woanders auch herkommen. Und wir sind eh so ein kleines Land. Aber solche Nationen unternehmen halt einfach extrem viel, um bei solchen Turnieren topp zu sein. Kolumbien hat die Meisterschaft heuer sogar verschoben.

Warum passiert das bei uns eigentlich nicht? An wem hängt das?

Weiß ich nicht. Es gibt eh so wenige internationale Termine, an diese wenigen Tage müssen wir uns halten und versuchen sie auszufüllen.

Geht es bei einem solchen Turnier noch um die Ausbildung der Spieler, oder schon eher um den Erfolg?

Das ist die Endphase des Nachwuchsbereiches. Bei einem solchen Turnier geht es natürlich um das Resultat. Die Entwicklung der Spieler ist zwar nie beendet, aber die der Mannschaft ging jetzt über Jahre und endet praktisch mit der Weltmeisterschaft. Von der Erfahrung wird den den einzelnen Spielern dieses Ereignis aber niemand mehr wegnehmen. Das hat für die weitere Karriere einen sehr hohen Stellenwert.

Bezüglich der ÖFB-Delegation für Kolumbien: Wie groß wird die sein und gibt es einen gewissen Spardruck?

Nein, alle Wünsche, die ich hatte, wurden erfüllt. Es gab die zwei Trainingslager, die waren top. Ich bekam vom ÖFB jede Unterstützung, die ich brauchte, und alle Leute für den Betreuerstab, die ich haben wollte.

Wir sind 21 Spieler und 14 Delegationsmitglieder: Je einen Chef-, Co- und Tormanntrainer, einen Arzt, einen Physiotherapeuten und zwei Masseure, einen Zeugwart, Pressesprecher, Teammanager und mit Willi Ruttensteiner einen Spielbeobachter. Mit Michael Grubinger haben wir einen in Kolumbien lebenden Auslandsösterreicher, der schon seit Monaten mein Kontaktmann ist und uns per Videoanalyse unterstützen wird. Der Delegationsleiter ist Willi Prechtl und Leo Windtner kommt direkt von der Auslosung für die WM-Quali der A-Nationalmannschaft aus Brasilien zum zweiten Spiel.

Eine ganz wichtige Geschichte ist ein Koch. Bei dem, den wir ursprünglich mitnehmen wollten, ist jetzt eine Tragödie passiert. Er liegt nach einem Motorradunfall vor zwei Wochen im Koma.

Nicht nur das Klima ist ein Problem. Es ist auch sehr wenig Zeit zwischen den Spielen. Wie handhabt man das?

Diese Erfahrung haben wir schon aufgrund der bisherigen Turniere. In der ersten und zweiten Qualirunde und bei der Europameisterschafts ist es ganz genau so, jetzt hat man sogar zwei Tage Pause zwischen den Spielen. Bei Qualiturnieren und Europameisterschaft hast du nach dem ersten Spiel nur einen Tag. Wir wissen, wie man damit umgehen kann. Das wichtigste in dieser Zeit wird die Regeneration sein, wo wir einiges vor haben. Das Ganze multipliziert sich ja mit der Hitze – deshalb war es mir wichtig, von der medizinischen Abteilung abgesichert zu sein. Mit der Fitness kannst du gegenüber dem Gegner vielleicht das ein oder andere Prozent herausholen oder verlieren.

Da ist natürlich auch die Auslosung ein Thema. Beim mittleren Gruppenspiel gegen Brasilien kann man wohl am wenigsten erwarten. Kann es sein, dass man das zum Kräfteschonen nutzen wird?

Das kann man von vorneherein schwer sagen, bei solchen Turnieren sollte man es schon immer mit der besten Mannschaft versuchen. Wobei die Idee schon was hat. Ich habe ja auch bei der EM in Frankreich genau nach dem Schema agiert. Es kommt darauf an, wie der erste Spieltag abläuft. Es kann natürlich eine Überlegung sein – weniger um sich zu schonen, als wegen der Gefahr einer zweiten Gelben Karte. So haben wir es in Frankreich mit Kainz und dem leicht verletzten Klem gemacht. Dort war klar: Ich kann gegen Frankreich das zweite Spiel 100 zu Null gewinnen oder verlieren, wenn ich gegen Holland nicht gewinne, hat sich die Sache erledigt. Das 0:5 war dann im Nachhinein schade und hoch, aber im Prinzip nicht tragisch. (tsc, phe)

Teil 2 des Interviews mit Andreas Heraf beschäftigt sich mit den österreichischen Gruppengegnern in Kolumbien, dem ÖFB-Team selbst und seinen Ärger über Paul Gludovatz; Teil 3 des Interviews mit seinem Selbstverständnis als Trainer, Transfers von jungen Spielern ins Ausland, Nachwuchsstrukturen in Österreich und der Trainerausbildung.

 

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