UEFA EM 08 – Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Fri, 04 Sep 2015 05:07:02 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Als Kader-Bekanntgaben in Österreich noch spannend waren https://ballverliebt.eu/2015/09/03/oesterreich-koller-krankl-constantini-vergleich/ https://ballverliebt.eu/2015/09/03/oesterreich-koller-krankl-constantini-vergleich/#comments Thu, 03 Sep 2015 20:55:56 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=11527 Als Kader-Bekanntgaben in Österreich noch spannend waren weiterlesen ]]> Kaderbekanntgaben sind unter ÖFB-Teamchef Marcel Koller zu einem völligen Non-Event geworden. Seit Jahren gibt es keine nennenswerten Überraschungen peronseller Natur, flockige und/oder jenseitige Aussagen des grundseriösen Schweizers gibt es auch so gut wie nie. Das war in der Vergangenheit anders: Da waren die Kader-Bekanntgaben nicht selten unterhaltsamer als das folgende Match. Eine kleine Rückschau.

„Man muss wieder vor uns Zittern“, gab der neue Teamchef zu Protokoll, als er in Eisenstadt seinen ersten Kader präsentierte. Ein Testspiel gegen die Slowakei stand an. Eine neue Ära sollte anbrechen. Drei Mann waren dabei, die noch nie im Kader waren. Vier weitere, die zwar schon mal im Kader waren, aber noch kein Länderspiel absolviert hatten, ebenso. Eine Kader-Bekanntgabe war das, die viel Slapstickhaftes hatte und doch ein Vorgeschmack werden sollte auf das, was in den nächsten Jahren noch so allem kommen sollte.

Es waren aber auch echte Kapazunder von internationalem Format, die Hans Krankl am 21. März 2002 da nominierte. Die 29-jährige Nachwuchshoffnung Thomas Hickersberger von Salzburg, der 25-jährige Thomas Höller von Aufsteiger FC Kärnten und Jürgen Panis, 27, vom FC Tirol. Das waren die drei Teamkader-Debütanten – auch René Aufhauser (25) vom GAK, Ferdinand Feldhofer (22) von Rapid, Goalie Roland Goriupp (30) vom FC Kärnten und Roland Linz (20) von der Austria sollten Europa erzittern lassen.

Didn’t quite work out.

Dafür waren Kader-Bekanntgaben von Krankl immer spannend. In seinem zweiten Spiel ließ er Rolf Landerl debütieren, 26 Jahre und bei Fortuna Sittard unter Vertrag. „Ich werde mir weiter Spieler anschauen, mit denen niemand rechnet“, gab Krankl nach dem 2:6 in Deutschland zu Protokoll – Landerls einzigem Länderspiel. Alleine in seinem ersten Jahr ließ Krankl 18 (!) Spieler debütieren (Durschnitts-Alter: 24 Jahre), in den neun Spielen kamen 39 (!!) verschiedene Spieler zum Einsatz. Dazu kamen arme Teufel wie Robert Golemac und und Helmut Riegler, die nominiert waren, aber nie spielen durften.

Völliges Irrlichtern

Auch in seinen drei weiteren Jahren wurde jede Kader-Bekanntgabe zu einem heiteren Rätselraten, welchen Spieler er denn diesmal aus dem Hut zaubern würde. Da die Ausländer-Quote in der Bundesliga damals bei rund 50 % lag, konnte sich eigentlich jeder Österreicher, der halbwegs regelmäßig zum Einsatz kam, darauf verlassen, früher oder später mal einen Anruf vom Teamchef zu bekommen. „Niemand ist vor Krankl sicher“, unkte die OÖN nach Krankls erstem Jahr. „Man könnte behaupten, dass man Hans Krankl so lange als Teamchef einberufen lässt, bis er einen Weltrekord im Ausprobieren von Spielern aufgestellt hatte“, in seinem dritten.

hanseSeine Nominierungs-PKs waren immer spannend. Einmal trat GAK-Goalie Franz Almer aus dem Team zurück, unmittelbar nachdem er als 31-Jähriger erstmals nominiert worden war („Sie haben mich 10 Jahre ignoriert, jetzt interessiert’s mich auch nimmer“). Alen Orman berief Krankl, „weil ich ihn kenne, da ich ihn als 18-Jährigen bei Gerasdorf trainiert habe“. „Ich werde einen Kader nominieren, über den sich viele wundern werden“, meinte Krankl, ehe er nach anderthalb Jahren Didi Kühbauer (damals 32 Jahre alt) von Zweitligist Mattersburg reaktivierte. Dieser musste danach verletzungsbedingt absagen und noch weitere anderthalb Jahre auf sein Team-Comeback warten.

Der Beste wo gibt

„Wir schlogn Wales zwoamoi“, hatte Krankl im TV-Interview nach dem 3:3 in Nordirland gesagt. „Keiner verlangt von uns, Wales zweimal zu schlagen“, als er drei Monate später den Kader für die beiden Spiele einberief.

Alex Hörtnagl wurde nominiert, einen Tag nachdem er sich einen doppelten Bänderriss zugezogen hatte und gerade operiert wurde. „Es gibt keinen besseren für den Teamchef-Job als mich“, sagte Krankl dennoch (nach einem Test-2:0 über Costa Rica). Und: „Morientes ist um nichts besser als Glieder“ – wohlgemerkt ein paar Wochen, nachdem er Glieder wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht in den Kader aufgenommen hatte. „Ich habe meinen Stamm gefunden“, erklärte er der verdutzten Reporterschar auch einmal – vier Monate später nominierte er die Spieler 49 und 50 in seiner bis dahin zweijährigen Amtszeit.

Hicke und Brückner

Es folgten sachliche und im Ton zuweilen einschläfernde Kader-PKs von Josef Hickersberger, der sich nur selten zu einem Bonmot hinreißen ließ. „Im Gegensatz zu Färöer sind Trinidad und Tobago zwei Inseln, also gleich doppelt gefährlich“, war eines der seltenen Highlights. Ansonsten regierte die Vernunft: „Kavlak und Junuzovic sind nicht dabei, weil ein U-21-Auswärtsspiel in Italien wertvoller ist als zehn Minuten im A-Team auf Malta“, erklärte Hickersberger etwa ganz ohne Pathos.

Vor gefühligen Ausbootungen war aber auch Hicke nicht gefeit: Scharner flog raus, weil er die schlechte Stimmung im Team monierte. Pogatetz, weil er inhaltliche Kritik übte. Prager, weil er sich über eine Auswechslung ärgerte. Linz, weil er zu Larifari-Trainingsleistungen neigt. Linz und Prager wurden nach vier Monaten pardoniert, Pogatetz nach einem Jahr, Scharner gar nicht.

Nachfolger Brückner kommunizierte zunächst nur via Dolmetsch und ließ diesen ausrichten, dass über seine Kader-Entscheidungen keine Fragen beantwortet werden. Überhaupt war der „Weiße Vater“ nicht gerade der Wuchtldrucker der Nation. Kritik an ihm kommentierte er lapidar mit „gehört zum Job“, über den Rücktritt von ÖFB-Präsident Stickler meine er knapp: „Das ist seine Sache, nicht meine.“ Und den Wechsel von Marko Stankovic in die Serie B nach Triest hielt Brückner schlicht für „keine gute Idee“.

Deutschland sollte sich hinterfragen

Es folgte der grummelige und tirolerisch-bärbeißige Constantini „Ich möchte ihn aus der medialen Schusslinie nehmen“, gab er sich bei seiner ersten Nominierungs-PK gegenüber Andreas Ivanschitz väterlich-fürsorglich, nur um nach dem Spiel (einem 2:1 über Rumänien trotz einer ganz schlechten Leistung) zu grinsen: „Damit er und Stranzl wiederkommen, müssen sie die anderen erst mal rausspielen!“

dicoStranzl trat etwas später sauer aus dem Team zurück, Ivanschitz war unter Constantini nie dabei. „Wenn er in Mainz weiter so aufspielt, gehört er ins Team“, sagte der Teamchef im August 2009. „Wer eine Stammplatz-Garantie haben will, den nehm ich ihn nicht mit“, einen Monat später. Ivanschitz‘ Konter („Hab‘ ich nie gefordert, ich bin doch kein Trottel“) quittierte Constantini bei der nächsten Kader-PK mit der nächsten Nicht-Berufung und einem „Das Leben ist halt ungerecht, ich muss nicht alles rechtfertigen“. In weitere Folge kam dann DiCos berühmter Sager, dass sich die deutsche Bundesliga hinterfragen muss, wenn Ivanschitz dort eine gute Figur abgibt.

Gute Gründe

Als der zuvor ausgebootete Alex Manninger seine folgende Nominierung mit dem Team-Rücktritt ablehnte, sagte Constanitini: „Soll ich vor ihm auf die Knie fallen und betteln?“ Als Ivanschitz mit Mainz in Flachau auf Trainingslager war, sprach der Teamchef nicht mit ihm: „Da standen 20 Autogrammjäger um ihn herum.“  „Er ist verrückt“, war dafür die offizielle Begründung dafür, dass Stefan Maierhofer berufen wurde, obwohl er nie beobachtet wurde.

Janko wurde einmal quasi prophylaktisch nicht berufen, weil Constantini nicht wusste, wie es um eine Knieblessur steht: „Ich hab‘ ihn drei, viermal angerufen, aber er hat nicht abgehoben.“ Arnautovic wurde im März 2011 trotz ständiger Espakaden in Bremen berufen: „Bei uns trifft er regelmäßig und liefert gute Leistungen ab. Deshalb ist er dabei.“ Beim nächsten Spiel fehlte Arnautovic im Aufgebot. Constantini: „Um wieder einberufen zu werden, muss er sich normalerweise total ändern.“

Constantini peitschte die Kader-Bekanntgaben üblicherweise in Rekordtempo durch, selten dauerte die PK länger als eine Viertelstunde. Seine pampige und nicht selten grantige Art und Weise, auf Nachfragen zu reagieren, trieb es den Anwesenden bald aus, ihn lange mit Fragen zu traktieren. Und als sich Veit Vinenz Fiala von 90minuten.at bei einer PK erdreistete, ihm eine spezielle Taktik-Frage zu stellen, war „Trottelgate“ die Folge.

Peinlichkeiten sind Vergangenheit

Nach vier Jahren Marcel Koller werden nun diese Kaderbekanntgeban kaum noch wahrgenommen. Und das ist gut so. Sätze wie „Die, die dabei sind, haben sich bewährt und genießen mein Vertrauen“ haben bei Koller in der Tat Hand und Fuß. Großartige Nachfragen sind gar nicht mehr wirklich nötig, weil eh alles eingespielt ist und nicht erklärt werden muss.

Peinliche Laviertänze wie von Constantini vor allem mit Ivanschitz gehören der Vergangenheit an. Krankls erstaunlicher Spagat zwischen absurder Selbstüberschätzung und clownesker Überforderung ebenso. Der Teamchef stellt sich weder mit übergroßem Ego noch mit betonter Griesgrämigkeit selbst in den Mittelpunkt.

Weil er es nicht nötig hat. Er lässt seine Arbeit für sich sprechen. Und die kann sich sehen lassen. Wenn nicht alles mit dem Teufel zugeht, qualifiziert sich Österreich für die EM in Frankreich 2016. An so einem Erfolg waren weder Krankl (wiewohl der auch nicht das Spielermaterial dazu hatte) noch Constantini auch nur nahe dran.

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Die spanische Nacht von Wien https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/ https://ballverliebt.eu/2012/06/08/die-spanische-nacht-von-wien/#comments Thu, 07 Jun 2012 23:18:29 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7400 Die spanische Nacht von Wien weiterlesen ]]> Iker Casillas stemmte den Cup in den Wiener Nachthimmel. Der Bann war gebrochen: Spanien, der ewige Under-Achiever, hatte endlich das Potenzial ausgeschöpft. Das Finale der Euro 2008 im Happel-Stadion brach den Bann, fortan etablierten sich die Spanier als bestes Team der Welt. Doch die Spielweise beim 1:0-Sieg über Deutschland war schon untypisch.

Spanien - Deutschland 1:0 (1:0)

Über die Russen hinweggefegt. Die Schweden niedergerungen, Griechenland mit einer B-Elf auch geschlagen. Im Elfmeterschießen gegen Italien die eigenen Dämonen aus der Vergangenheit ausgetrieben. Und auch im zweiten Spiel gegen Russland dem Gegner keine Chance gelassen: Das Turnier von Spanien war nicht nur von guten Leistungen geprägt, sondern auch von Siegen. War ja nicht immer der Fall.

Arbeitssieg gegen Polen, verdiente Pleite gegen Kroatien. Sich mit einem Gewalt-Freistoß über Österreich drüber gerettet. Portugal kontrolliert und ausgekontert. Und dann gegen das türkische Rumpf-Team mit ordentlich Glück und einem Tor in der Nachspielzeit ins Finale eingezogen: Das Turnier von Deutschland war, nun ja, typisch deutsch. Nicht geglänzt, aber irgendwie durchgewurschtelt.

Kein Villa, hoher Xavi, wenig Ballbesitz

Die Oberschenkel-Verletzung, die sich David Villa im Halbfinale gegen Russland zugezogen hatte, machten einen Einsatz im Endspiel im Wiener Happel-Stadion unmöglich. Darum kehrte Spaniens Teamchef Luis Aragonés zu jenem 4-1-4-1 zurück, das er schon in der Quali höchst erfolgreich angewendet hatte, und das er erst für das Turnier beiseite schob. Eben um für Villa UND Torres Platz zu schaffen. Das war nun nicht mehr nötig, also rutschte Fàbregas wieder ins Team, neben Xavi.

Erstaunlich war die hohe Positionierung von Xavi. Dieser schob, parallel mit Fàbregas, vor allem bei deutschem Ballbesitz oft weit in die gegnerische Hälfte hinein. Natürlich geschah das, um Druck auf die deutsche Spieleröffnung zu machen, aber es hieß auch, dass Xavi bei Ballgewinn nur eine Anspielstation vor sich hatte (eben Torres). Damit ist sicherlich auch zu erklären, wie es möglich war, dass die Deutschen in diesem Endspiel deutlich mehr Ballbesitz hatten als die Spanier, nämlich bei 55 Prozent.

Initiative beim deutschen Team

Im Halbfinale gegen die Türkei krankte das deutsche Spiel vor allem an der mangelnden Initiative und dem lange Zeit komplett fehlenden Zug zum gegnerischen Tor. Es war sofort zu merken, dass Ballack und Co. es diesmal ganz anders, viel besser machen wollten: Das Mittelfeld in Löws 4-2-3-1 rückte schnell auf, mit Schweinsteiger (rechts) und Podolski (links) gab es zwei agile Optionen auf den Flügeln. Und vor allem: Sturmspitze Miro Klose ließ sich sehr weit fallen.

Dadurch beschäftigte er Senna und entlastete sogleich Ballack. In der Anfangsphase hatte Deutschland das Mittelfeld komplett im Griff und hatte auch zwei kleinere Chancen. Auch, weil vor allem über die linke Seite mit Philipp Lahm und Lukas Podolski viel nach vorne gemacht wurde und so die Kreise von Sergio Ramos sehr gut eingeengt werden konnten.

Loch im Rücken des Mittefelds wird zum Problem

Nach rund 15 Minuten aber war zum einen der erste Schwung der Deutschen etwas verfolgen und zum anderen fanden die Spanier die zwei Schwachstellen im deutschen Team: Das Loch, das zwischen dem aufrückenden Mittelfeld und den Verteidigern entstand. Und, dass die deutschen Innenverteidiger Mertesacker und Metzelder massive Probleme bekommen, wenn ihre (eben nicht vorhandene) Schnelligkeit gefragt ist.

So breiteten sich Iniesta (eher über links, gegen den nach vorne sehr zurückhaltenden Friedrich) und David Silva (eher über rechts, im Rücken von Podolski) recht genüsslich zwischen den Linien aus, ohne dass sich vor allem Thomas Hitzlsperger groß um sie gekümmert hätte. Dazu zog sich nun auch Torres etwas zurück, um steil geschickt werden zu können und das Tempo-Defizit der deutschen Hintermannschaft ausnützen zu können.

Als das nach rund einer halben Stunde zum Erfolg, also zum 1:0 geführt hatte, lag die spanische Führung bereits in der Luft. Durch das Aufrücken von Fàbregas uns Xavi wich auch der Druck von Senna, weil dadurch auch Ballack gezwungen war, mehr nach hinten zu arbeiten. Die Spanier hatten sukzessive die Kontrolle über das Zentrum übernommen.

Deutsche Umstellungen…

Philipp Lahm musste mit einer Fleischwunde für die zweite Halbzeit passen, für ihn kam Marcell Jansen in die Partie. Normalerweise ist ein Ausfall von Lahm ein gewaltiges Problem für die deutsche Mannschaft, aber Jansen lieferte eine gute Partie ab. Wie zu Beginn der ersten Hälfte zeigten sich die Deutschen gewillt, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, aber die Spanier hatten sich auf das System und die Spielweise des Gegners eingestellt. Zudem hatte Ballack Probleme mit seiner Wade und konnte, je länger die Partie dauerte, dieser immer weniger seinen Stempel aufdrücken.

Löw sah, dass nichts weiterging, und opferte nach einer Stunde Achter Hitzlsperger und stellte mit Kevin Kuranyi eine zweite Spitze neben Klose. Das System war nun ein etwas schiefes 4-1-3-2. Schief, deshalb, weil Schweinsteiger von der rechten Seite sehr weit nach innen zog und die Flanke praktisch Arne Friedrich überließ. Weil dieser aber nun mal kein gelernter Außenverteidiger ist und ihm der Angriffsgeist fehlt, war diese Seite praktisch tot. Seltsam – denn mit Joan Capdevila war dort der klar schwächere der beiden spanischen Außenverteidiger postiert.

…und die spanische Reaktion

Luis Aragonés reagierte prompt auf die Umstellung von Löw und nahm Fàbregas aus dem Spiel. Für den Arsenal-Legionär kam mit Xabi Alonso ein zweite Mann für das defensive Mittelfeld – so stellte sich Spanien ab sofort in einem 4-2-3-1 auf, mit Xavi als Zehner, Cazorla (nun statt Silva dabei, der am Rande des Ausschlusses wandelte) rechts und Iniesta links bis halblinks.

Schlussphase

Die Absicht dahinter war klar: Mit Cazorla ein offensiver Mann gegen Jansen, um diesen nach hinten zu drängen und einen zweiten Sechser, um gegen Ballack und den nach innen ziehenden Schweinsteiger nicht in Unterzahl zu geraten.

Die Deutschen hatten zwar eine Phase, in der sie einige Male in den Strafraum kamen, aber nachhaltig war diese nicht – im Gegenteil. Weil das deutsche Team natürlich, je näher es dem Ende entgegen ging, immer mehr aufmachen musste, boten sich im Rücken von Ballack und Schweinsteiger natürlich immer mehr Räume. Torres hätte diese schon nützen können, der für „El Niño“ eingewechselte Güiza ebenso.

Ein zweites spanisches Tor, mit dem das Finale endgültig entschieden gewesen wäre, schien immer wahrscheinlicher zu sein, als ein Ausgleich der deutschen Mannschaft. Dem ungewohnten Minus in Sachen Ballbesitz zum Trotz.

Nötig war es nicht mehr. Spanien gewann 1:0. Und war erstmals seit 44 Jahren Europameister.

Nachwirkungen

Zwei Jahre nach der begeisternden Heim-WM schien Deutschland bei diesem Turnier in alte „Rumpelfußball“-Zeiten zurück zu fallen. Das sag aber vor allem an den Personalien Ballack und Frings – zwei Jahre später war die deutsche Mannschaft ohne diese beiden (Frings wurde aussortiert, Ballack war verletzt) spielerisch eines der stärksten bei der WM in Südafrika. Auf dem Weg entzauberte man die Russen in der Quali, rupfte die Engländer im Achtelfinale, machte im Viertelfinale aus Argentinien Kleinholz – und spielte im Halbfinale wieder gegen die Spanier.

Und das ist das große Paradoxon dieser beiden Mannschaften. Obwohl die deutsche Mannschaft beim Turnier in Südafrika um zwei Klassen besser war als bei jenem in Österreich und der Schweiz, obwohl mit dem Trio Özil/Khedira/Schweinsteiger im Zentrum statt Frings/Hitzlsperger/Ballack, war man in Durban „von A bis Z völlig und komplett ohne den Funken einer Chance„.

Spanien setzte in den Folgejahren auf personelle Kontinuität. Von den Finalisten von Wien waren nur Marchena und Senna zwei Jahre später beim WM-Titel nicht mehr mit dabei. Das Grundgerüst von Barcelona mit einer handvoll Real-Akteuren harmonierte, die Abwehr um Carles Puyol, möglicherweise dem weltbesten Abwehrspieler des Jahrzehnts, hielt komplett dicht.

Auch, wenn die Holländer im WM-Finale waren, steht doch außer Frage, dass in den Jahren nach der Euro 2008 die Spanier und die Deutschen die mit Abstand besten Nationalteams in Europa waren. So wurde in Wien durchaus so etwas wie ein Klassiker der Zeit begründet.

Spanien gegen Deutschland.

Das Personal

Spanien: Iker Casillas (27, Real Madrid) – Sergio Ramos (22, Real Madrid), Carles Puyol (30, Barcelona), Carlos Marchena (28, Valencia), Joan Capdevila (30, Villarreal) – Marcos Senna (31, Villarreal) – David Silva (22, Valencia), Xavi (28, Barcelona), Cesc Fàbregas (21, Arsenal), Andrés Iniesta (24, Barcelona) – Fernando Torres (24, Liverpool). Eingewechselt: Santi Cazorla (23, Villarreal), Xabi Alonso (26, Liverpool), Daniel Güiza (27, Mallorca). Teamchef: Luis Aragonés (69, seit vier Jahren).

Deutschland: Jens Lehmann (38, Arsenal) – Arne Friedrich (29, Hertha BSC), Per Mertesacker (23, Bremen), Christoph Metzelder (27, Real Madrid), Philipp Lahm (23, Bayern) – Torsten Frings (31, Bremen), Thomas Hitzlsperger (26, Stuttgart) – Bastian Schweinsteiger (23, Bayern), Michael Ballack (31, Chelsea), Lukas Podolski (23, Bayern) – Miroslav Klose (30, Bayern). Eingewechselt: Marcell Jansen (22, Bayern), Kevin Kuranyi (26, Schalke), Mario Gomez (22, Stuttgart). Teamchef: Joachim Löw (48, seit zwei Jahren).

(phe)

Die EURO 2008 in der Reihe „Ballverliebt Classics“:
Semifinals: Deutschland – Türkei 3:2 / Spanien – Russland 3:0
Viertelfinals:  GER-POR 3:2 / TUR-CRO 1:1 nV, 3:1 iE / RUS-NED 3:1 nV / ESP-ITA 0:0 nV, 4:2 iE
Gruppe A: Portugal 6, Türkei 6, Tschechien 3, Schweiz 3.
Gruppe B: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.
Gruppe C: Holland 9, Italien 4, Rumänien 2, Frankreich 1.
Gruppe D: Spanien 9, Russland 6, Schweden 3, Griechenland 0.

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Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/ https://ballverliebt.eu/2012/06/07/euro-classics-2008-den-sieg-erzwungen-zum-gluck-gezwungen/#comments Thu, 07 Jun 2012 00:04:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7389 Euro-Classics 2008 – Den Sieg erzwungen / Zum Glück gezwungen weiterlesen ]]> In den Halbfinals der Euro 2008 sahen jeweils klare Favoriten (Deutschland und Spanien) gegen zwei Außenseiter mit dem Turnierverlauf auf ihrere Seite (Türkei und Russland). Letztlich setzten sich die Favoriten durch, aber nicht ohne besondere Umstände. Die einen mussten den Sieg erzwingen, die anderen wurden von der Verletzung des Torschützenkönigs zum Glück gezwungen…

Na, wer fehlte den Türken denn diesmal? Antwort: Servet, Aşık, Güngör, Emre (alle verletzt), dazu Demirel, Arda und Nihat (gesperrt). Sprich: Den Türken stand für das Halbfinale gegen Deutschland ein flotter 15-Mann-Kader zur Verfügung. Darunter noch genau ein einziger Innenverteidiger. Kein Wunder, dass Fatih Terim im Vorfeld nur halb im Scherz meinte, dass womöglich der dritte Torwart Tolga als Feldspieler eingewechselt werden müsse.

Deutschland - Türkei 3:2 (1:1)

Freilich: Das war natürlich auch ein wenig Geplänkel, um die Deutschen in Sicherheit zu wiegen. Und das gelang auch, bis zu einem gewissen Grad. Dass sich die DFB-Elf aber generell schwer tat, ein Spiel selbst zu gestalten, war dem türkischen Trainer-Fuchs natürlich nicht entgangen und es spielte auch voll in seine Karten.

Es wären auch nicht typisch für die Türken in diesem Turnier gewesen, wenn sie nicht wieder in einem komplett neuen System angetreten wären. Nach einem symmetrischen 4-2-2-2 (gegen Portugal), einem 4-2-3-1 (gegen die Schweiz), einem assymmetrischen 4-2-2-2 (gegen Tschechien) und einem 4-3-3 (gegen Kroatien) war es diesmal ein ganz klares 4-1-4-1 mit einer wie auf einer Perlenkette aufgereihten Mittelfeldreihe.

Dahinter war Mehmet Aurélio weniger die klassische Absicherung, sondern vielmehr ein recht konsequenter Manndecker für Michael Ballack. Die Türken überließen den Deuschen recht bereitwillig den Ball, pressten ab der Mittellinie mit der Viererkette im Mittelfeld recht aggressiv, und nahmen den recht statischen und einfallslosen Deutschen die Anspielstationen vorne.

Die türkischen Außen, also Kâzım rechts und Boral links, rückten zudem immer wieder ein und wurden von Sabri und Balta hinten abgedeckt, sodass im Zentrum zuweilien vier Türken gegen maximal drei Deutsche standen. Bei Ballgewinn wurden bei den Türken schnell umgeschaltet – wie beim Lattenschuss nach rund zehn Minuten. Inhaltlich waren die Roten die klar bessere Mannschaft, und nach 22 Minuten wurde auch die defensive Passivität von Podolski ausgenützt: Er verhinderte Sabris Flanke nicht, und Boral verwertete den Abstauber, nachdem der Ball an die Latte geprallt war.

Die spielerische Brillanz bracht Jogi Löw erst in Richtung der WM in Südafrika in seine Mannschaft. Für das Team in diesem Turnier gab es im Grunde nur zwei Wege zum Torerfolg: Freistöße (einer gegen Österreich und zwei gegen Portugal) und Flanken von der linken Seite (einmal gegen Kroatien und einmal gegen Portugal). So war es auch in diesem Spiel. Podolski konnte in der ganzen ersten Hälfte nur zweimal in den Raum geschickt werden, einmal brachte er eine Flanke in die Mitte, wo Schweinsteiger verwertete – eine Kopie des ersten Tores gegen Portugal.

Konkreter wurden die Aktionen nach dem Seitenwechsel auch deshalb nicht, weil Rolfes verletzt ausscheiden musste und durch Frings ersetzt wurde. Kein guter Tausch – schließlich konnte Rolfes zumindest noch Ansatzweise sinnbringende Pässe nach vorne spielen, Frings war ein reiner Zerstörer.

So plätscherte das Spiel recht ereignisarm über weiter Strecken der zweiten Hälfte. Ehe die Deutschen aus einem Freistoß (wie auch sonst) etwas unverhofft zum 2:1 kamen – Rüştü kam aus seinem Tor, kam aber nicht mehr rechtzeitig vor Klose an den Ball, dessen Kopfball landete im Netz. Doch auch hier gilt: Die Türken wären nicht die Türken, wenn sie nach diesem Nackenschlag nicht doch wieder ausgleichen hätten können.

Terim brachte Gökdeniz (für den müde gelaufenen Boral auf links) und mit Mevlüt statt Ayhan eine zumindest hängende Spitze zu Semih dazu. Und natürlich war es auch wieder die Seite des defensiv recht, nun ja, passiven Lukas Podolski, über die Sabri durchging, sich auch gegen Lahm durchsetzte und einen Pass parallel zur Toraus-Linie zur Mitte brachte – wo Semih die Kugel an Lehmann vorbei ablenkte. Das 2:2.

Nun aber ging bei den Türken die Ordnung verloren. Was zuvor vorne klar strukturiert war und wo jeder seine genauen Aufgaben kannte, herrschte nach dem 2:2 etwas Chaos, und in der Rückwärtsbewegung war Sabri nicht so konsequent wie er hätte sein müssen. So war in der Nachspielzeit bei Deutschland wieder die Variante „Angriff von links“ an der Reihe, und Lahm wühlte den Ball zum 3:2 durch die Abwehr. Nun hatten die Türken keine Antwort mehr.

Nach 80 Minuten gegenseitiger Neutralisation und zehn Minuten wilden Treibens war Deutschland im Finale, das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Offensivleistung mehr als mau war. Ohne den komplett neutralisierten Ballack war kaum Kreativität vorhanden. Podolski sorgte auf der linken Seite zwar für einige gute Aktionen und war letztlich auch an allen Toren irgendwie beteiligt, war aber doch ein extremes Sicherheits-Risiko nach hinten. Und die Zentrale konnte mit dem aggressiven türkischen Mittelfeld kaum umgehen.

Eigentlich hatte Fatih Terim mit seinem verbleibenden Mini-Kader alles richtig gemacht. Doch ein beinahe klischeehaft erkämpfter, „typisch deutscher“ Sieg bedeutete für eine der faszinierendsten Teams des Turniers das Aus im Halbfinale.

Luis Aragonés hasst Gelb. Er hasst es. Und doch musste seine Mannschaft in den gelben Ausweich-Trikots zum Halbfinale gegen Russland antreten. „Dabei ist das nicht mal ein richtiges Gelb“, brummte der spanische Teamchef noch, „sondern mehr sowas Senf-ähnliches.“ Gelbe Trikots hin oder her, Aragonés wusste, dass er Juri Shirkov stoppen musste, um nach dem 4:1 im ersten Gruppenspiel auch im Halbfinale die Oberhand gegen die Russen zu behalten.

Spanien - Russland 3:0 (0:0)

Er wies Rechtsverteidiger Sergio Ramos an, so hoch wie möglich zu stehen, Shirkov schon in der russischen Hälfte festzunageln, und so dem Aufbauspiel der Russen die größte Waffe zu nehmen. Der Effekt für die russische Mannschaft war verheerend. Weil Shirkov der einzige Spieler war, der überhaupt auf diesem Flügel aufgeboten wurde, fehlte die Breite, wodurch die Sbornaja ins Zentrum gezwungen wurde – wo sie wegen den einrückenden Silva und Iniesta immer wieder in eine 3-gegen-4-Unterzahl gerieten.

Andrej Arshavin versuchte zwar, über seine Positionierung über die halbrechte Seite zu retten, was zu retten war und den Rückraum hinter Ramos zu nützen, aber weil Puyol sehr aufmerksam agierte, funktionierte das gar nicht und Arshavin war genauso aus dem Spiel genommen wie Shirkov.

Und damit das Tempo im Spiel der Russen. Die hatten zwar zunächst sogar mehr Ballbesitz, konnten aber nie Tempo aufbauen und wussten so nicht so recht, was sie mit der Kugel anfangen sollten. Allerdings kamen durch das extrem enge eigene Spiel auch die Spanier nicht so recht durch. Das änderte sich erst durch die Verletzung von David Villa nach einer halben Stunde.

Es wäre natürlich etwas hart, zu sagen, die Verletzung von Villa wäre das beste gewesen, was Spanien in diesem Spiel passieren hätte können. Was aber nichts daran ändert, dass es stimmt. Denn mit Cesc Fàbregas kam genau jener Spieler rein, der in der Folge den Unterschied ausmachte. Durch die tiefere Positionierung von Fàbregas gegenüber Villa hatten die Spanier nun teilweise eine Zwei-Mann-Überzahl im Zentrum, das sich brutal auswirkte.

Und nach dem Seitenwechsel schnell für die Vorentscheidung sorgte. Die Russen hatten nun auf so viele Spanier aufzupassen, dass Prioritäten gesetzt werden mussten, und in der Nähe des eigenen Strafraums lagen diese eher auf Torres, Silva und Fàbregas – nicht aber auf Xavi. Bei Inestas Flanke fünf Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Russen Xavi einfach nicht auf der Rechnung. Sie ließen ihn gewähren, er traf zum 1:0, und die Russen waren schwer getroffen.

Mit Fàbregas im Mittelfeld dominierte Spanien nun nach Belieben. Shirkov blieb abgemeldet, Arshavin isoliert und mit Ausnahme von fünf Minuten in der ersten Halbzeit war auch von Pavlyuchenko nicht viel zu sehen. Stattdessen drehten die Spanier an der Temposchraube und verwirrten die Russen mit ihren ständigen Rochaden immer mehr. Torres wurde in der Folge fast im Minutentakt bedient, er vernebelte aber die besten Chancen – ehe der halb durch die zweite Hälfte für ihn eingewechselte Güiza in der 73. Minute mit seinem 2:0 den Deckel draufmachte.

Bei den Russen waren zuvor Sychov für Saenko gekommen (rechte Angriffsseite), und mit Bilyaletdinov statt Semshov (der sich erfolglos darum bemüht hatte, Xavis Kreise einzuengen) sollte etwas mehr Punch nach vorne kommen – doch mit dem 2:0 und mit der Einwechslung von Xabi Alonso für Xavi, um die vorgezogene Positionierung von Bilyaletdinov auszugleichen, war alles vorbei. Das 3:0 durch den großartig aufspielenden David Silva war nur noch die Draufgabe.

So wurde Luis Aragonés mehr oder weniger zu seinem Glück gezwungen – die Einwechslung von Fàbregas bescherte seinem Team den entscheidenden Vorteil im Mittelfeld und damit den letzlich ungefährdeten Sieg.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – Ein böser Fluch https://ballverliebt.eu/2012/06/05/euro-classics-2008-ein-boser-fluch/ https://ballverliebt.eu/2012/06/05/euro-classics-2008-ein-boser-fluch/#comments Mon, 04 Jun 2012 22:10:07 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7342 Euro-Classics 2008 – Ein böser Fluch weiterlesen ]]> Was ist ein Gruppensieg wirklich wert, bei einem großen Turnier? Wenn es nach den Resultaten im Viertelfinale der Euro 2008 geht, gar nichts – er lag wie ein böser Fluch über den betroffenen Teams. Portugal, Kroatien, Holland und Spanien, die alle schon vorzeitig als Gruppen-Erster festgestanden waren, schonten in ihren letzten Partien ihre Stammspieler – und drei aus dem Quartett verabschiedeten sich danach im Viertelfinale.

Zufall oder nicht, jedenfalls zeigte sich, dass sich taktische Variabilität auszahlt. Bei den Deutschen, die mit einem neuen System spielten. Die Türken, die wegen tonnenweise Ausfällen ohnehin in jedem Spiel zu einer völlig neuen Formation greifen müssen. Die Russen die sich anders als in der Vorrunde erst einmal zurückzogen und so den Holländern die Angriffsfläche nahmen. Und natürlich gehört auch Glück dazu. Das Glück, dass Semih in der 121. Minute gegen Kroatien der Ball zufällig vor die Füße fällt. Und das Glück, dass man auch mal im Elferschießen braucht, um Komplexe aus der Vergangenheit zu bewältigen – wie die Spanier…

Die Deutschen hatten sich also mit dem 1:0 über Österreich ins Viertelfinale gezittert. Dort sah man sich selbst gegen Portugal als klaren Außenseiter. Kein Wunder, nach der durchwachsenen eigenen Vorrunde und der doch recht souveränen von Portugal. Zudem war Bundestrainer Jogi Löw nach seiner Verbannung auf die Tribüne im Österreich-Spiel gesperrt, für ihn saß Co-Trainer Hansi Flick als Verantwortlicher auf der Bank

Deutschland - Portugal 3:2 (2:1)

Für dieses Spiel gingen die Deutschen vom gewohnten 4-4-2 ab und stellten sich in einem 4-2-3-1 auf. Das war zuvor nur ein einziges Mal getestet worden, und zwar beim 2:1-Erfolg in England zur Eröffnung des neuen Wembley ein Jahr davor. Ballack rückte vor auf die Zehn, hinter ihm spielten Rolfes (tiefer) und Hitzlsperger (etwas höher).

Für diesen Wechsel gab es zwei Gründe: Zum einen, weil es alle drei Gruppengegner geschafft hatten, das mit zwei Mann besetzte Zentrum (Ballack und Frings) ohne einen echten Zehner kaltzustellen. Zum anderen, um sich nicht vom extrem spielstarken portugiesischen Mittelfeld überrennen zu lassen – denn Deco und Moutinho waren schon andere Kaliber als Ivanschitz oder Krzynowek.

Das Kalkül ging nicht so schlecht auf. Durch die doppelte Absicherung wurde Deco gezwungen, immer wieder extrem weit aus seiner ursprünglichen Position rauszurochieren. Doch egal, wo er hinging, fast immer war ein Deutscher bei einem möglichen Pass-Empfänger. Die Raumaufteilung im deutschen Team war hervorragend – zumindest auf der linken Abwehrseite.

Dort war mit Arne Friedrich ein gelernter Innenverteidiger gegen Cristiano Ronaldo gestellt, zudem war Bastian Schweinsteiger (nach seiner Rot-Sperre zurück) sehr fleißig im Rückwärtsgang. Er neutralisierte Paulo Ferreira, Rolfes und Hitzlsperger stellten die Passwege auf Ronaldo zu, und der Star von Manchester United war de facto aus dem Spiel.

Anders sah das auf der linken Abwehrseite aus. Lukas Podolski verrichtete längst nicht so viel Defensiv-Arbeit wie Scherinsteiger, wodurch Bosingwa ziemlich freie Bahn hatte und er gemeinsam mit Simão Überzahl-Situationen gegen Lahm herstellen konnte. Dor mit der Hilfe aus dem defensiven Mittelfeld und von Metzelder, die gemeinsam mit Lahm den portugiesischen Flügelspieler in dessen Ballbesitz konsequent nach außen drängten, wurde die Situation zumindest kaum einmal wirklich heiß.

Natürlich: Sehr viel Kreatives hatten die Deutschen, bei aller Kontrolle, die sie ausübten, auch nicht anzubieten. Das 1:0 nach rund zwanzig Minuten – Flankenlauf Podolski, Pass zur Mitte, Tor Schweinsteiger – war das absolute Highlight. Kurz darauf versenkte Klose einen Freistoß per Kopf, Deutschland führte 2:0, und Portugal hatte ein Problem. Scolari brachte nun Meireles statt Moutinho, somit etwas mehr Kampfkraft ins Mittelfeld. Aber letztlich war es Podolski, der den Portugiesen das Anschlusstor ermöglichte. Eine Schlafmützigkeit von ihm beim Umschalten nach Ballverlust, und der portugiesische Konter hatte Platz ohne Ende. Nuno Gomes staubte letztlich ab.

Eine Situation, die einen schon wundern lässt, warum Scolari nicht Cristiano Ronaldo die Seiten tauschen ließ, schließlich hätte er gegen den inkonsequente Podolski deutlich mehr Freiräume gehabt als gegen den sehr disziplinierten Schweinsteiger. Stattdessen ging Ronaldo nach dem Seitenwechsel weg vom Flügel ins Halbfeld, um zwischen den Linien für Betrieb zu sorgen, Friedrich womöglich aus der Position zu ziehen und Paulo Ferreira so den Weg aufzumachen. Aber wenn notwendig, stand ihm sofort wieder ein Deutscher auf den Füßen, und als Ballack (erneut nach einem Standard) nach einer Stunde auf 3:1 erhöhte, war für Scolari die Zeit zum Umstellen gekommen.

Er brachte Nani statt Sechser Petit und spielte nun in einem 4-1-3-2; mit Ronaldo und Nuno Gomes (später Postiga) vorne, Nani rechts und Simão links, dahinter Deco als Zehner und Meireles als Absicherung. Vor allem Nani brachte viel Schwung, weil nun ein Spieler gegen Podolski agierte, der dessen defensiver Nachlässigkeiten besser anbohrte als Simão davor. Die Portugiesen setzten sich stark in der gegnerischen Hälfte fest, während Hansi Flick mit seinen Wechseln Sicherheit reinbringen wollte – Fritz für Schweinsteiger, später Jansen für Klose auf die linke Seite.

Die Devise lautete nun, keine zwei Tore mehr zu kassieren. Und es gelang – Postiga gelang nur noch der Anschlusstreffer. Mit einer disziplinierten Defensive und Effizienz vor dem Tor, mithin der besten Turnierleistung bis dahin, besiegte Deutschland das Team aus Portugal mit 3:2. Im einzigen Viertelfinale, das nach 90 Minuten entschieden war.

Die Liste der fehlenden Spieler im türkischen Team wurde immer mehr zum Running Gag, je länger das Turnier dauerte. Im Viertelfinale gegen Kroatien waren zwar die beiden in der Gruppenphase kurzfristig ausgefellanen Innenverteidiger Gökhan Zan und Emre Aşık wieder dabei, dafür fehlte Abwehrchef Servet und mit Güngör eine weitere Alternative für diese Position. Ebenso wie der etatmäßige Kapitän Emre (verletzt), Sechser Mehmet Aurélio (gelbgesperrt) und Torhüter Volkan Demirel (rotgesperrt).

Türkei - Kroatien 1:1 n.V. (0:0, 0:0)

Deshalb brachte Fatih Terim im vierten Spiel eine vierte, völlig neue Aufstellung. Diesmal war es ein 4-3-3, Altıntop rückte von rechts hinten auf die Halbposition im Mittelfeld, Tuncay spielte gegenüber den Gruppenpartien deutlich zurückgezogen. Arda agierte dafür links sehr hoch, zuweilen als zweite Spitze neben Nihat; Kâzım auf der linken war dafür gegen Pranjić und Rakitić mit Defensiv-Aufgaben eingedeckt.

Überhaupt, die Defensive. Sie war Trumpf in dieser Partie. Denn auch die Kroaten, die in der Erfolgs-Formation vom Deutschland-Spiel antraten, zeigten sich erstaunlich gehemmt. Gegen den Humorlosen Altıntop kam der kroatische Spielgestalter Modrić überhaupt nicht in seinen Rhythmus. Die Türken hatten in der Anfangsphase viel Ball, aber es kam nicht zum letzten Pass, weil sich die Kroatien sehr diszipliniert permanent mit acht Feldspielern hinter diesem formierte.

Erst nach rund 20 Minuten löste sich bei den Kroaten ein wenig die Handbremse. Die Mannschaft hörte auf, sich auf Modrić‘ Pässe zu verlassen und nahm das Spiel über die Flügel selbst in die Hand. Srna und vor allem Pranjić wurden immer fleißiger, die Anwesenheit von Kranjčar zwischen den Reihen verwirrte die Türken ein wenig. Die beste Chance hatte Olić nach einer (seltenen) Flanke von Modrić, auf kürzester Distanz traf Olić aber nur die Latte.

Generell war dieses Viertelfinale aber alles andere als ein Augenschmaus. Die Fehlpass-Quote war enorm – teils über 30 Prozent – was natürlich einem geordneten Spielaufbau auf beiden Seiten sehr hinderlich war. Die Türken pressten schon recht hoch auf die ballführenden Kroaten, konnten nach deren Ballverlust aber kein Kapital daraus schlagen, weil zu langsam umgeschaltet und nachgesetzt wurde. Was zeigt, dass auch das generelle Tempo recht überschaubar war. Und das Risiko im Spiel nach vorne praktisch nicht vorhanden war, verdeutlicht die Tatsache, dass es über eine Stunde dauerte, ehe das erste Mal ein Spieler ins Abseits lief (es war Olić).

Immerhin: Beide Trainer stellten im Laufe der Partie zumindest von der Idee her offensiv um. Bilić wechselte nach einer Stunde Petrić für Kranjčar ein, diese Maßnahme verpuffte aber ebenso wie jene von Terim, Uğur Boral für Kâzım zu bringen (Arda spielte fortan auf rechts, Boral links). Danach wechselte Terim, wie in jedem Spiel, auch sein System, als er Stürmer Semih für Sechser Topal brachte. Nun spielten die Türken in einem 4-4-1-1, standen weiterhin sicher, aber sie schafften es nicht, Nihat und Semih ins Spiel zu bringen.

Und als sich das mühsame Spiel, das ausschließlich von der Spannung lebte, schon fast im Elferschießen befand, wagte der türkische Torhüter Rüştü einen sinnlosen Ausflug der Linie entlang, wie ihn schon Nikopolidis fünf Tage zuvor gegen die Russen fabriziert hatte – Modrić erkannte die Situation, flankte in die Mitte zu Klasnić und dieser traf in der 119. Minute zum 1:0 für Kroatien. Die Entscheidung? Nicht gegen die Türken, die schon zuvor zwei Spiele gedreht hatten. Eine Minute Nachspielzeit war angezeigt, in der die Kroaten die überhasteten Versuche der Türken locker abwehrten.

Bis Rüştü einen langen Ball nach vorne holzte. Im Getümmel sprang der dem bis dahin recht unsichtbaren Semih vor die Füße, der zog ab – und mit 121 Minuten und 1 Sekunde auf der Uhr schlug es zum 1:1 ein. Ein pures Zufallsprodukt von Tor, aber es ging ins Elfmeterschießen. Wo den Kroaten, die sich schon im Halbfinale wähnten, komplett die Nerven versagten: Modrić schoss rechts am Tor vorbei, Rakitić links, und der Versuch von Petrić wurde vom Torhüter pariert. Der vierte Türke musste schon gar nicht mehr antreten.

Wie zur Strafe für zu wenig Wille zum Spielen gegen komplett harmlose Türken in den 120 Minuten davor.

Hiddink gegen Holland! Das war die Haupt-Schlagzeile vor dem dritten Viertelfinale. Das ganz anders begann, als viele erwartet hatten. In der Vorrunde hatte Holland großen Erfolg mit schnellem Pressing gleich zu Beginn. Allerdings gegen ein langsames Team (Italien), ein altes (Frankreich) und ein ängstliches (Rumänien). Das russische Team war aber weder alt, noch langsam, und ängstlich schon gar nicht. Dachte Marco van Basten. So ließ er auf das schnelle Pressing zu Spielbeginn verzichten. Risiko zu groß.

Russland - Holland 3:1 n.V. (1:1, 0:0)

Allerdings hatte sich auch Hiddink was gedacht. Dem zu erwartenden Pressing versuchte er zu entgehen, indem er den Holländern gar keine Angriffsfläche zum angehen bot. Sprich: Die Russen zogen sich zurück und überließen den Holländern den Ball. Die wussten nicht so recht, was sie nun tun sollten.

Das wussten die Russen umso besser. Aus einer gesicherten Abwehr heraus schalteten sie nach Ballgewinn blitzschnell um und überrannten die Holländer mit überfallsartigen Kontern. Zudem orientierte sich Igor Semshov deutlich defensiver als in den Gruppenspielen, wodurch die holländischen Spielgestalter nicht ins Spiel kamen. Semshov, Semak und Anyukov kümmerten sich zu dritt um Sneijder und Van der Vaart. Diese beiden kamen zudem mit der robusten Gangart der russischen Defensive überhaupt nicht zu Rande.

Hiddink nahm eine Änderung gegenüber dem extrem starken Spiel gegen Schweden vor: Er beließ Diniyar Bilyaletdinov auf der Bank, brachte dafür Ivan Saenko für die rechte Seite. Effekt: Anders als in den Spielen davor hatte er beide Flanken nicht invers besetzt. Sprich: Rechtsfuß Saenko rechts, davon ging Konstantin Siryanov auf die linke Seite. Saenko hatte zwar immer noch eine leichte Tendenz nach innen, aber dennoch wurden durch die doppelte Besetzung beider Außenbahnen – anders, als wie wenn Siryanov rechts nach innen zieht – die Flügel der Holländer gut kontrolliert. Die mit Kuyt und dem psychisch angeschlagenen Boulahrouz (seine Frau erlitt zwei Tage vor dem Spiel eine Todgeburt) sowieso, aber auch jene mit Sneijder (der sich zwischen Semak und Anyukov aufrieb) und Van Bronckhorst.

Vor allem Wesley Sneijder machte, je länger das Spiel dauerte, einen immer verzagteren Eindruck. Seine Körpersprache war negativ, umso mehr, nachdem die Russen nach einer Stunde in Führung gingen. Siryanov ging an der linken Seitenlinie durch, er flankte, und in der Mitte verwertete Pavlyuchenko.

Marco van Basten setzte auf vermehrte Kreativität. Statt Kuyt hatte er schon zur Halbzeit Van Persie für die linke Seite gebracht; nach dem Rückstand kam Afellay statt Engelaar; der neue Mann ging auf die rechte Außenbahn, dafür rückte Sneijder auf die Zehn und Van der Vaart auf die Acht. Allerdings machten die Russen defensiv sehr diszipliniert weiter. Mehr als Fernschüsse hatten die Holländer nicht zu bieten. Ideen, wie man die aggressiv verteidigenden Russen ausmanövrieren soll – Fehlanzeige. Hätte nicht Van Nistelrooy kurz vor Schluss per Kopf einen Freistoß zum 1:1 verwertet, wäre die Verlängerung ausgefallen.

In dieser änderte sich das Bild aus holländischer Sicht aber kaum. Im Gegenteil: Hiddink hatte mit Torbinski einen frischen, fleißigen Zehner für das Zentrum gebracht, dazu war Bilyaletdinov für Saenko gekommen. Die Holländer schafften es durch das frühe nach innen ziehen von Van Persie und vor allem Afellay nicht, Räume zu kreieren, Van der Vaart kam auf seiner neuen Position nicht zur Geltung. So konnte man schon beim 2:1 durch Torbinski – wieder nach Flanke von links – schon davon ausgehen, dass die Russen weiterkommen.

Und nach dem 3:1 durch Arshavin kurz vor dem Ende, einem Schuss durch die Beine von Edwin van der Sar hatte Hiddink seine Landsleute endgültig eliminiert. Und war im dritten Viertelfinale der dritte Gruppensieger raus geflogen.

„Ich hatte ohnehin überlegt, die beiden draußen zu lassen!“ Das war Roberto Donadonis lapidarer Kommentar zu den Gelbsperren von Andrea Pirlo und Rino Gattuso. Statt den beiden rückten also Massimo Ambrosini und Alberto Aquilani in die Mannschaft; hinter den Spitzen im 4-3-1-2 begann Simone Perrotta. Bei den Spaniern kehrte Luis Aragonés nach dem Reservisten-Kick gegen Griechenland zur Stammformation zurück.

Spanien - Italien 0:0 n.V., 4:2 i.E.

Es entwickelte sich recht schnell ein zähes Spiel, in dem vieles, was die beiden Trainer wohl vorgehabt haben, nicht funktioniert hat. Auffällig war vor allem bei den Spaniern die massiv fehlende Breite im Spiel: Iniesta und David Silva spielten sehr weit innen vor Senna und Xavi und überließen Ramos und Capdevila die Außenbahnen. Alleine: Die beiden rückten kaum auf.

Was erstaunlich war, schließlich sind die Italiener bekannt dafür, alles im Zentrum zusammen zu ziehen und den Außenverteidigern praktisch alleine die Flanken zu überlassen. Was im großen und ganzen auch hier der Fall war – einzig die Rolle von Antonio Cassano fiel dabei etwas aus dem Rahmen. Cassano nämlich spielte nicht vorne an der Seite des weiterhin glücklosen Luca Toni, sondern kam von der linken Seite. Die Italiener wussten: Zwar hält David Silva im Normalfall die Linie recht konsequent, aber Iniesta nicht. Und genau im Rücken von Iniesta machte sich Cassano breit – nicht ohne Erfolg, er nützte den Platz immer wieder zu schnellen Vorstößen.

Ansonsten aber: Viel Leerlauf. Die Spanier kamen durch die Mitte nicht durch und somit auch kaum zu Chancen, zumal sich David Villa nicht annähernd so viel ins Mittelfeld zurück fallen ließ wie noch in der Gruppenphase. Auch der Flankentausch von Silva und Iniesta nach rund 20 Minuten machte da keinen Unterschied. Zudem wurde Xavi zwischen Aquilani und Perrotta in die Mühle genommen, die Passwege nach vorne waren zu, und das Werk stand ziemlich still.

Allerdings war auch Donadoni mit dem Spiel nach vorne nicht zufrieden. Im Laufe der 120 Minuten setzte er auf der Zehner-Position drei Spieler ein: Erst eben Perrotta, die viel für die Defensive tat. Dann Camoranesi, der sich überlicherweise auf der Außenbahn wohler fühlt als im Zentrum, was man auch sah. Und schließlich Alessandro del Piero, der dort quasi die letzte Schicht übernahm.

Aragones nahm nach einer Stunde einen interessanten Doppelwechsel vor. Weniger, dass er Iniesta wieder durch Cazorla ersetzte, schließlich schleppte sich Iniesta mit den Nachwirkungen einer Lebensmittelvergiftung durch das Turnier und hatte nicht für länger als rund 60 Minuten Luft. Aber gleichzeitig kam auch Fàbregas für Xavi. Ein Poker, der nicht in vollem Umfang ausgehen sollte. Sicher wollte Aragones dadurch etwas mehr Bewegung und auch mal das eine oder andere Solo aus der Tiefe nach vorne sehen, was Xavi davor sowohl wegen seiner generellen Spielweise als auch wegen des von den Italienern eng gemachte Zentrum nicht zeigte.

Allerdings nützten nun eher die Italiener aus, dass Fàbregas höher stand als Xavi und dadurch im Rücken mehr Platz für Gegenstöße war. Donadoni brachte dann Di Natale für Cassano, ebenfalls mit dem Auftrag, die Seiten zu bearbeiten. Im Falle von Di Natale war das eher die rechte Angriffsseite. Die Spanier hatten mehr Ballbesitz – allerdings nicht so viel, wie man meinen hätte können, der Wert lag recht deutlich unter 60 Prozent – aber die klareren Chancen hatten die Italiener. Dennoch ging es, fast logisch ob der mühsamen 120 Minuten, ins Elfmeterschießen.

Vor dem die Spanier eine ziemliche Phobie hatten. Viertelfinale und Elferschießen, das passte nicht. So flog man 2002 gegen Südkorea aus der WM, genau wie 1996 gegen England und 1986 gegen Belgien – und alle diese Shoot-Outs waren am 22. Juni des jeweiligen Jahres. Genau wie dieses Mal, in Wien gegen die Italiener. Doch während bei den Iberern „nur“ der für Torres eingewechselte Güiza vergab, parierte Casillas die Versuche von De Rossi und Di Natale. Womit der Weltmeister raus wa.

Und Spanien erstmals nach 24 Jahren wieder das Halbfinale eines großen Turniers erreicht hatte.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – Zwei Korken-Knaller https://ballverliebt.eu/2012/06/04/euro-classics-2008-zwei-korken-knaller/ https://ballverliebt.eu/2012/06/04/euro-classics-2008-zwei-korken-knaller/#respond Mon, 04 Jun 2012 06:48:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7244 Euro-Classics 2008 – Zwei Korken-Knaller weiterlesen ]]> Spanien? Trotz starkem Kader noch immer irgendwie gescheitert. Griechenland? Den Spielverderber der spielerisch ansonsten grandiosen EM vier Jahre davor wollte keiner sehen. Schweden? Immer dabei, meistens ganz gut, aber selten wirklich aufregend. Die Russen? Zwanzig Jahre her, dass die eine relevante Mannschaft hatten. Kaum jemand interessierte sich vor der Euro2008 für die eher unscheinbare Gruppe D. Zu Unrecht, denn zumindest zwei Teams drückten dem ganzen Turnier ihren Stempel auf!

Spanien - Russland 4:1 (2:0)

Spanien – Russland 4:1 (2:0)

Luxusprobleme plagten Luis Aragonés vor dem Turnier-Start seiner Spanier. Im Mittelfeld hatte er Silva, Xavi, Iniesta und Fàbregas, dazu Xabi Alonso und Senna zur Verfügung. Vorne David Villa und Fernando Torres. Wen sollte der 69-jährige Griesgram da draußen lassen? Und doch nahm vor dem Turnier niemand die Spanier für voll. Weil sie noch immer einen Weg gefunden hatten, kolossal zu scheitern.

Gegen Russland ging Aragonés von seinem aus der Quali gewohnten 4-1-4-1 ab und brachte Villa UND Torres, Senna statt Xabi Alonso und beließ Fàbregas auf der Bank. Senna war der tiefste Spieler im Mittelfeld, Silva besetzte die linke Flanke und Iniesta nominell die rechte. Letzterer orientierte sich aber eher in die Mitte Richtung Xavi. Villa agierte als hängende Spitze und bewegte sich über die komplette Breite des Feldes.

Die Spielweise der Spanier war aber jener, die Barcelona in den folgenden Jahren praktizierte, bestenfalls ähnlich. Ja, Xavi verteilte aus der Tiefe die Bälle und es wurden die Lücken gesucht, die vor allem Villa durch seine hervorragenden Laufwege riss. Aber es gab kein Pressing. Nach Ballverlust zog sich die Mannschaft zurück, verhielt sich abwartend.

Bei den Russen hatte es Guus Hiddink geschafft, aus der eher rustikalen Mannschaft, die in den vielen Jahren davor staubtrockenen und in jeder Hinsicht un-aufregenden Fußball gespielt hatte, komplett umzupolen. Das wurde hier auch deutlich, obwohl Andrej Arshavin, der Top-Star des überragenden Uefa-Cup-Siegers Zenit St. Petersburg, in den ersten zwei Spielen gesperrt war. Hiddink setzte auf ein 4-2-3-1, in dem der Achter Konstantin Siryanov viel aufrückte, Die Flügelspieler Bilyaletdinov und Sychov viel einrückten und die Außenverteidiger – vor allem Juri Shirkov auf der linken Seite – brutal nach vorne preschten. In der Zentrale tummelten sich dann bis zu fünf Russen, die fächerartig ausscherten.

Das Resultat war in diesem Fall ein hochklassiges Spiel, der erste Spielabschnitt war zweifellos eine der herausragenden Halbzeiten des kompletten Turniers. In der beide Teams Chancen hatten – so wie Siryanovs Pfostenschuss nach 23 Minuten – aber weil sich die Russen hinten etwas naiv anstellten, scorte Spanien zweimal. Kolodin und Shirokov, fußballerisch deutlich die schwächsten Russen, standen zuweilen arg weit auseinander und zeigten sich vor allem schnellen spanischen Steilpässen aus der Tiefe nicht gewachsen. Erst legte Torres nach einem solchen für Villa quer, dann steckte Xavi für den Torjäger von Valencia durch.

Hiddink brachte für die zweite Hälfte mit Bystov einen neuen Mann für die linke Angriffsseite, er wollte damit dessen Tempo die vermeintliche spanische Schwachstelle, Linksverteidiger Capdevila, anbohren. Doch Bystrov versteckte sich von der ersten Minute an. Zudem kamen in der Folge bei den Spaniern Fàbregas (für Torres) und Cazorla (für den nach einer Lebensmittelvergiftung nicht ganz fitten Iniesta). Diese Wechsel nahmen Russland aus dem Spiel: Denn mit Cazorla (rechts) und Silva (links) waren nun beide der extrem offensiven russischen AV gebunden, im Mittelfeld stand es durch die tiefere Positionierung von Fàbregas nun endgültig 3 gegen 3, und vorne war Villa ein ständiger Gefahrenherd.

Hiddink nahm in der 70. Minute den Totalausfall Bystrov wieder vom Platz, aber das Pendel war längst in Richtung der Spanier umgeschwungen. Umso mehr, als Villa einmal mehr Shirokov austanzte und zum 3:0 traf. Die Russen waren inhaltlich übervorteilt worden, damit auch psychisch geschlagen. Der Anschlusstreffer durch Pavlyuchenko kurz vor dem Ende war nur ein kleines Aufflackern, das (Abseits-)Tor von Fàbregas in der Nachspielzeit zum 4:1 kaum noch mehr als Kosmetik.

Griechenland – Schweden 0:2 (0:0)

Griechenland - Schweden 0:2 (0:0)

War das erste Spiel an diesem Tag noch zumindest eine Stunde lang uneingeschränkt großartig, bot das Abendspiel in Salzburg die mit Abstand ödesten 90 Minuten des Turniers.

Ottos Titelverteidiger aus Griechenland kamen wie schon 2004 mit einem klassischen Libero (Dellas) und zwei Manndeckern daher (Kyrgiakos gegen Ibra, Antzas gegen Henke Larsson). Das stellte sich defensiv als Fünferkette dar, im Ballbesitz gingen alle Spieler bis auf die drei hinten und noch Basinas weit nach vorne. Die Folge: Minutenlanges Hin- und Herschieben des Balles in der eigenen Hälfte, ehe ein komplett sinnbefreiter langer Ball in die grobe Richtung des gegnerischen Tores folgte. Bezeichnend dafür etwa der 70m-Torschuss von Dellas nach einer halben Stunde, der näher an der Eckfahne landete als am schwedischen Tor. Von einem der sich schlecht bis gar nicht bewegenden Mitspieler ganz zu schweigen.

Das unglaublich langsame Tempo der Partie war aber auch möglich, weil es die Schweden tunlichst vermieden, den ballführenden Griechen auch nur im Ansatz unter Druck zu setzen. Das flache 4-4-2 von Lars Lagerbäck war extrem statisch, im Umschalten langsam, ohne jedes Pressing und bar jeder Kreativität. Kurz: Hölzern. Die besten Szenen gab es, wenn Chippen Wilhelmsson die Seite wechselte und Seitaridis einen zweiten Gegenspieler hatte.

Erst nach dem Seitenwechsel rückten die Schweden etwas auf, um nicht das ganze Spiel zuzusehen, wie sich die Griechen, in ihrer Hälfte alleine gelassen, die Zeit runterspielten. Das behagte den Griechen zwar nicht, aber weil Kyrgiakos seinen Gegenspieler Ibrahimovic auf Schritt und Tritt verfolgte, kamen die Schweden kaum zu Torchancen. Erst nach 67 Minuten entwischte Ibra seinem Bewacher und er traf mit einem sehenswerten Schuss ins lange Eck. Wenige Minuten später nudelte der aufgerückte Innenverteidiger Petter Hansson den Ball zum 2:0 über die Linie, das Spiel war entschieden. Rehhagel löste zwar seine Dreierkette auf (nominell zuindest, weil nun dafür Seitaridis hinten blieb), aber zu viele Abspielfehler, technische Unzulänglichkeiten und fehlende Kreativität verhinderten griechische Torchancen.

Stand nach dem ersten Spieltag: Spanien 3, Schweden 3, Griechenland 0, Russland 0.

Schweden - Spanien 1:2 (1:1)

Schweden – Spanien 1:2 (1:1)

Der Ansatz von Aragonés, mit Villa UND Torres zu spielen, hat sich gegen Russland ausgezahlt. Darum war der Ansatz und die Aufstellung gegen die Schweden exakt gleich. Doch stellte sich schnell ein Lerneffekt ein: Mit langen Bällen in die Spitze wird’s gegen die robuste und vielbeinige schwedische Defensive nicht viel zu holen geben. Dem 1:0 durch Torres nach einem Eckball zum Trotz.

Das Trekronor-Team tat Spanien nämlich nicht den Gefallen, wie Russland mitspielen zu wollen, sondern stellte sich tief. Lediglich die Mittelfeld-Außen Ljungberg und Elmander schauten, dass sie halbwegs hoch standen, um den Vorwärtsdrang von Ramos und Capdevila zu bremsen. Die Spielanlage der Schweden war zumindest in der ersten Hälfte aktiver als noch gegen die Griechen, der Ausgleich durch Ibrahimovic nach einer halben Stunde war die Belohnung.

Dennoch: Je länger das Spiel dauerte, umso passiver wurden die Schweden, und umso mehr ähnelte das Spiel der Spanier nun doch jener ballbesitz-orientierten Kurzpass-Orgie an, für die Xavi, Iniesta und Co. bekannt sind. Es fehlte den Spaniern an der Breite und die Schweden machten im Zentrum hervorragend die Räume dicht.

Aragones reagierte nach einer Stunde darauf und brachte, wie schon in der ersten Partie, Cazorla für Iniesta; dazu Fàbregas statt Xavi. Die Neubesetzung auf den Flügeln hatte die Folge, dass neben Elmander (und später Seb Larsson) auch Ljungberg mehr in die Defensive eingebunden war. Schweden war extrem passiv, ließ das Spiel der Spanier über sich ergehen und wollte nur noch den einen Punkt über die Zeit mauern – die Einwechslung eines zusätzliches Sechsers (Källström) für Henke Larsson war ein klares Indiz dafür.

Es gelang allerdings nicht. Weil David Silva in der Nachspielzeit doch noch eine Lücke erspähte, in die er Villa schickte. Dieser ließ noch Mellberg aussteigen und schob zum 2:1 ein. Praktisch in letzter Sekunde, aber hochverdient.

Griechenland – Russland 0:1 (0:1)

Griechenland - Russland 0:1 (0:1)

Nachdem die Russen Spanien ins offene Messer gelaufen waren, agierten sie gegen Griechenland deutlich vorsichtiger. Semshov spielte zurückgezogen, mit Siryanov war eher ein gelernter Achter auf der rechten Außenbahn aufgestellt. Arshavin saß das letzte Spiel seiner Sperre ab.

Auf der anderen Seite trauten sich die Griechen mehr zu als beim Auftritt gegen Schweden, für den sie mörderische mediale Prügel bezogen hatten. Weil die Russen nur mit einem Stürmer spielten, sparte sich Rehhagel den zweiten Manndecker, mit Patsatzoglou kam dafür ein dritter Spieler ins zentrale Mittelfeld. Somit war dort wieder Gleichstand hergestellt. Zudem sorgte die hohe Positionierung von Charisteas und Amanatidis dafür, dass die sonst so aktiven russischen Außenverteidiger nicht so zur Geltung kamen wie noch gegen Spanien.

So trafen sich die Teams ziemlich in der Mitte. Das Spiel war geprägt von langen Bällen, wenig zusammen hängenden Aktionen und generell überschaubarem Niveau. Es gelang den Russen nicht, das Spiel breit zu machen und damit Räume zu schaffen – schließlich war die Grundausrichtung der Griechen immer noch defensiv und darauf bedacht, den Gegner nicht zur Geltung kommen zu lassen.

Die Griechen erinnerten in diesem Spiel deutlich mehr an jene Leistungen, die ihnen vier Jahre zuvor den Titel beschert hatten: Hinten nicht viel zulassen, aber zweikampfstark im Zentrum und stark über die Flügel. Seitaridis preschte bis zu seinem Austausch (Muskelzerrung) kurz vor der Halbzeit so die Flanke auf und ab, wie er das in Portugal gemacht hatte und bereitete so auch die eine oder andere Chance vor.

So brauchten die Russen einen ziemlich derben Fehler von Torhüter Nikopolidis, um zum 1:0 zu kommen: Der Torhüter lief einer Bilyaletdinov-Flanke am Tor vorbei nach, Semak brachte den Ball zurück zur Mitte und Siryanov konnte aus zwei Metern mühelos verwerten. Nach dem Seitenwechsel brachten die Russen mehr Leute in die gegnerische Hälfte, weil sie merkten, dass sie von den Griechen ohne Seitaridis auf der Außenbahn nicht mehr viel zu befürchten hatten. Es blieb aber eine schwache Partie mit vielen Fehlpässen. Und die schwächste Leistung der Russen in diesem Turnier.

Stand vor dem letzten Spieltag: Spanien 6, Schweden 3, Russland 3, Griechenland 0.

Griechenland – Spanien 1:2 (1:0)

Griechenland - Spanien 1:2 (1:0)

Die Spanier waren nicht mehr von Platz eins zu verdrängen, so konnte es sich Luis Aragonés erlauben, gegen die Griechen die Reservisten auflaufen zu lassen, lediglich Iniesta blieb in der Startformation. Statt Akteuren von Barça und Real waren das nun Spieler von Valencia und Liverpool. Also immer noch nominell stark genug, um die Griechen in Schach zu halten.

Bei den Hellenen zeigte sich in diesem Spiel wiederum deutlich, dass man zu deutlich besseren Leistungen in der Lage ist, wenn man nicht selbst Gestalten muss. Im Zentrum standen den drei spanischen Pass-Gebern drei recht defensive Gegenspieler gegenüber, so konnten die Spanier ihr Kurzpass-Spiel nicht aufziehen – ganz davon abgesehen, dass das Team nicht eingespielt war und auch das Tempo fehlte.

Und die Breite. Sergio García und Iniesta zogen zur Mitte, wurden aber von den etwas zu vorsichtigen Arbeloa und Navarro nicht hinterlaufen. Nikopolidis wurde, durchaus bewusst, immer wieder aus der Distanz getestet. Nicht ohne Grund, schließlich machte der Torhüter keinen sicheren Eindruck.

Der Spielaufbau bei den Griechen stützte sich einmal mehr auf viele lange Bälle. So wurde man nach vorne kaum gefährlich, zumal Salpingidis recht hoch stand und sich zwischen den spanischen Reihen positionierte – grundsätzlich keine dumme Idee, nur kamen die Anspiele auf ihn nicht an.

Dennoch: Wie in der Partie gegen die Russen zeigten die Griechen auch hier deutliche Ähnlichkeit mit ihrem Spiel bei der Euro 2004. Hinten wenig zulassen, über die Flügel für Entlastung sorgen (das machten Vyntra und Spiropoulos recht anständig) und im Zweifel auf Standards hoffen. Freistoß-Flanke Karagounis, Kopfball-Tor Charisteas: Das 1:0 kurz vor der Pause war wie aus dem Turnier von 2004.

Die Spanier schalteten nach dem Seitenwechsel einen Gang nach oben, die Außenverteidiger machten mehr, und mit der Zeit passte auch die Abstimmung. Für den Ausgleich musste zwar dennoch ein langer Ball herhalten (Güiza legte diesen auf De la Red ab, der verwertete dann), aber die Griechen ließen sich doch zu weit nach hinten drängen. Zusätzliche Probleme gab es, nachdem Kyrgiakos angeschlagen raus musste und Antzas gegen den beweglichen Güiza zunehmend schlecht aussah.

Rehhagel hatte keine echten Alternativen auf der Bank. Die Einwechslung von Tziolis für Karagounis machte sein Team zwar frischer, aber nicht besser. Spanien wartete geduldig auf die Chance, ließ den Griechen keinen Raum mehr. Und kurz vor dem Ende löste sich Güiza entscheidend vom schläfrigen Antzas, köpfte die Flanke von der rechten Seite mühelos ein – und Spanien hatte 2:1 gewonnen.

Russland - Schweden 2:0 (1:0)

Russland-Schweden 2:0 (1:0)

Im letzten Quali-Spiel, einem mühsamen 1:0 in Andorra, holte sich Andrej Arshavin eine rote Karte ab. Im letzten Spiel der Gruppe gegen Schweden war er wieder dabei. Gerade rechtzeitig für dieses „Achtelfinale“.

Das Russland gewinnen musste, den Schweden reichte ein Remis. Hiddink ließ, wie gewohnt, seine Außenverteidiger sehr weit nach vorne schieben. Kapitän Semak agierte als Sechser sehr tief und ließ sich immer wieder auf eine Höher mit den IV fallen – eher allerdings auf die Seite von Shirkov. In den ersten Minuten tat sich Russland etwas schwer, in die Gänge zu kommen.

Das änderte sich, als sich Semshov im Zentrum etwas fallen ließ. So wurde das Loch zwischen Defensive und Offensive geschlossen und die russische Show konnte beginnen. Mit Shirkov und Anyukov extrem hoch, Bilyaletdinov und Siryanov auf den Halbpositionen, dem aufrückenden Semshov und dem extrem aktiven Arshavin als hängende Spitze wurde ein Tempo-Fußball aufgezogen, mit dem die Schweden nicht mitkamen.

Vor allem die linke Abwehr-Seite mit Nilsson und Hansson wurde als Schwachstelle ausgemacht. Kein Zufall, dass das schon zu diesem Zeitpunkt überfällige 1:0 nach 20 Minuten über diese Seite aufgebaut wurde: Siryanov mit Lochpass für Anyukov, dessen Flanke verwertete Pavlyuchenko.

Die Schweden waren biedern, geradezu hölzern. Die Mittelfeld-Zentrale mit Svensson und Andersson stand oft viel zu hoch und kam überhaupt nicht in die Zweikämpfe, hielt also nichts her. Elmander und Ljungberg waren gegen die extrem offensiven Außenverteidiger komplett hinten gebunden und vorne standen zwei Stürmer, die kaum am Spiel teilnehmen konnten. Henke Larsson war wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr der Schnellste, Ibrahimovic wegen hartnäckigen Problemen im linken Knie, die ihm schon die halbe Saison bei Inter gekostet hatten. Das Trekronor-Team konnte von Glück reden, dass die ein Feuerwerk abbrennenden Russen nicht schon längst viel höher führten.

Die Russen ließen zu Beginn der zweiten Hälfte ihre Stärken erneut aufblitzen: Schnelles Denken, schnelles Umschalten, schnelles Handeln. Ein langer Ball der Schweden wurde von Shirkov abgefangen, der legte zu Arshavin quer und startete sofort einen Sprint nach vorne, bekam den Ball in den Lauf gespielt, spielte 50 Meter oder sechs Sekunden später, längst im schwedischen Strafraum angekommen, auf Arshavin quer – dieser war ebenso schnell nach vorne gesprintet – und dieser erzielte das 2:0. Ein Weltklasse-Konter, die Schweden waren damit komplett überfordert.

Nach dem 2:0 schalteten die Russen zurück, sie waren ein ungeheures Tempo gegangen. Lagerbäck erlöste danach Daniel Andersson und versuchte, mit Kim Källström die Lücke im Offensiv-Zentrum ein wenig zu schließen. Dass dieser nicht schon in den Spielen vorher eingesetzt worden war, liegt vermutlich an einem internen Machtkampf – Källström und Ibrahimovic können sich bis auf den Tod nicht ausstehen. Lagerbäck hielt Källström wohl für verzichtbarer als Ibra. Mit dem neuen Mann und somit mehr Spielkultur und durch die gemächlichere Gangart der Russen bekamen die Schweden nun etwas Kontrolle über das Mittelfeld, viele Chancen kamen dabei aber nicht heraus.

Ehe in der Schlussphase, nachdem Lagerbäck seine Viererkette zugunsten eines neuen Stürmers (Allbäck für Nilsson) aufgelöst hatte, drückten die Russen wieder etwas aufs Gas – und kamen prompt wieder zu einigen guten Tormöglichkeiten. Es blieb beim 2:0. Ein Ergebnis, das den Russen das Viertelfinale bescherte – und den Schweden schmeichelt.

Endstand der Gruppe: Spanien 9, Russland 6, Schweden 3, Griechenland 0.

Alles auf Ibrahimovic‘ Knie oder interne Störungen zu schieben, ginge aber am Kern vorbei: Schweden war einfach zu alt, zu überholt, zu statisch, zu wenig kreativ, kurz, zu schwach. Die Zeit jener Generation, die 2002, 2004 und 2006 immer die Vorrunde überstanden hatte und zweimal heftig an die Tür zur zweiten K.o.-Runde angeklopft hatte, war schlicht vorbei. Genau wie die 12-jährige Amtszeit von Lars Lagerbäck nach der verpassten Quali für die WM 2010.

Die Griechen machten sich mit ihrem peinlichen Auftritt im ersten Spiel viel kaputt, denn in den verbleibenden Spielen war das durchaus halbwegs vernünftig. Was dem Titelverteidiger allerdings eklatant fehlte, war eine ordnende Hand im Zentrum. Das war beim Titelgewinn 2004 Theodoros Zagorakis gewesen, ohne ihm fehlte den Griechen die Schaltstelle und damit jegliches spielerische Moment.

Was bei den Russen und den Spaniern hingegen im Übermaß vorhanden war. Schon nach der ersten Halbzeit im ersten Spiel konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, welche beiden Teams aus dieser Gruppe ins Viertelfinale einziehen. Zwar liefen die Russen den Spaniern dann ins offene Messer und so agierten sie gegen die Griechen übervorsichtig, aber dennoch war zu den beiden anderen Teams ein Klassenunterschied erkennbar.

Was den Spaniern ein Viertelfinale gegen Italien bescherte. Und Guus Hiddink eines gegen seine Heimat.

(phe)

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Euro-Classics 2008 – Die unglaublichen Aufholjäger aus der Türkei https://ballverliebt.eu/2012/06/01/euro-classics-2008-die-unglaublichen-aufholjager-aus-der-turkei/ https://ballverliebt.eu/2012/06/01/euro-classics-2008-die-unglaublichen-aufholjager-aus-der-turkei/#comments Fri, 01 Jun 2012 07:11:30 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7300 Euro-Classics 2008 – Die unglaublichen Aufholjäger aus der Türkei weiterlesen ]]> Innerhalb von 14 Minuten drehten sie das entscheidende Spiel gegen Tschechien um. Machten aus einem 0:2 noch ein 3:2. Und das nur vier Tage, nachdem beim Wasserball-Spiel gegen die Schweizer ebenfalls drei Punkte nach einem Rückstand geholt worden waren. Die wehrhafteste Mannschaft bei der Euro2008 waren fraglos die Türken! Die schon in der Vorrunde ihren Gruppen-Gegnern kräftig die Show stahlen. Also den souveränen Portugiesen, den wackeligen Tschechen und dem Gastgeber aus der Schweiz.

Schweiz – Tschechien 0:1 (0:0)

Schweiz - Tschechien 0:1 (0:0)

Poborský und Nedvěd hatten aufgehört. Tomáš Rosický – verletzt. Milan Baroš – weit entfernt von Bestform. Kurz: Das tschechische Team war offensiv nicht mal annähernd mit jenem vergleichbar, das vier Jahre davor fraglos das beste des Turniers war. Entsprechend bieder kam die Mannschaft von Karel Brückner auch daher.

So konnten die Schweizer das Spiel kontrollieren. Köbi Kuhn, dessen Frau zeitgleich schwer krank im Krankenhaus gelegen war, schickte sein Team in einem 4-4-1-1 aufs Feld. Vorderste Spitze war Alex Frei, Marco Streller ließ sich etwas fallen – so glich sich das Mittelfeld auf ein 3-gegen-3 aus. Jenes der Schweizer war aber ohnehin eher auf Verhindern ausgerichtet, die Akzente nach vorne kamen von den Flügeln – und dort in erster Linie von Lichtsteiner (rechts) und Barnetta (links).

Nach ganz vorne ging bei beiden Teams nicht viel, weil die spielerischen Mittel fehlten. Die Schweizer agierten viel horizontal, während die Tschechen zwar versuchten, vertikal zu agieren, aber durch viele Ungenauigkeiten stockte das Spiel und Jan Koller blieb isoliert. Auch, weil der Zwei-Meter-Hüne viel besser funktioniert, wenn er einen zweiten Stürmer neben sich hat, für den er die Bälle ablegen und Räume freiblocken kann. Weil aber Plašil und Sionko außen blieben und aus dem Mittelfeld keiner nachrückte, hatten Senderos und Müller keine Mühe.

Doch während Brückner Koller nach einer Stunde freiwillig vom Platz nahm, geschah das bei Alex Frei aus ganz anderem Grund: Der Schweizer Kapitän verletzte sich bei einem an sich harmlosen Foul von Grygera so unglücklich das linke Knie, dass nicht nur das Spiel für ihn vorbei war, sondern das ganze Turnier – das Innenband war lädiert. Statt Frei kam für die zweite Hälfte Hakan Yakin, der die Position als hängende Spitze einnahm.

Bei den Tschechen kam Václav Svěrkoš für Koller. Svěrkoš ist ein ganz anderer Spieler als Koller, und sofort begann das tschechische Mittelfeld, den neuen Mann steil und mit Tempo in die Schnittstelle der nicht besonders schnellen Müller und Senderos zu schicken. Es dauerte auch nicht allzu lange, bis diese adjustierte Taktik aufging und Svěrkoš aus genau so einem steilen Anspiel das 1:0 für die Tschechen besorgte.

Köbi Kuhn löste nun seine Abwehrkette auf und warf mit Vonlanthen (statt Lichtsteiner) einen dritten Stürmer in die Schlacht. Nicht, dass die Schweizer nicht noch Chancen zum Ausgleich gehabt hätten, aber fehlendes Tempo und eine gut stehende tschechische Abwehr verhinderten bei allem Ballbesitz in der Schlussphase, dass das 1:1 noch fiel. Die Schweizer waren beim Eröffnungsspiel damit zwar die in sich geschlossenere Mannschaft als die vor allem im Spielaufbau arg zerzaust wirkenden Tschechen, aber verloren wurde die Partie dennoch.

Portugal - Türkei 2:0 (0:0)

Portugal – Türkei 2:0 (0:0)

Portugal war der klare Gruppenfavorit – auch im ersten Turnier nach dem Rücktitt von Luis Figo. Für die Türkei war es dafür der erste Auftritt bei einem Großereignis seit dem dritten Platz bei der WM sechs Jahre davor, danach gab’s die Play-Off-Blamage gegen Lettland und die unglaublichen Entgleisungen im entscheidenden Spiel gegen die Schweiz.

Der türkische Teamchef Fatih Terim setzte auf ein 4-2-2-2 ohne echte Außenspieler im Mittelfeld. Im Zentrum sollten Aurélio und Emre dafür sorgen, dass Deco und Moutinho nicht zur Geltung kommen, die entscheidendere Rolle hatten aber die nominellen Außen-Spieler Tuncay und Kâzım. Die Portugiesen setzten zwar durchaus auf ihre Flügelstürmer Ronaldo und Simão, doch wurden diese eher aus dem Zentrum heraus geschickt, als durch die Außenverteidiger Ferreira und Bosingwa.

Tuncay und Kâzım sollten durch ihre zentrale Positionierung natürlich für eine Überzahl in der Mitte sorgen, wodurch die Portugiesen quasi schon vor der Spieleröffnung gestört werden sollten. Das funktionierte defensiv nicht so schlecht, aber nach vorne ging gar nichts: Tuncay machte einen extrem unkonzentrierten Eindruck und der junge Kâzım war mit Defensiv-Aufgaben ausgelastet. So fehlte das kreative Moment und die Stürmer Nihat und Mevlüt hingen in der Luft.

Terim stellte für die zweite Hälfte auf ein 4-3-3 um. Mevlüt blieb draußen, dafür kam Sabri, dieser spielte an der Spitze eines Mittelfeld-Dreiecks, während Tuncay und Kâzım die Außenbahnen besetzten. Das war ein Wechsel, um selbst mehr Initiative zu bekommen und die portugiesischen AV besser zur beschäftigen, allerdings ging der Schuss etwas nach hinten los. Moutinho und Deco hatten nun Platz zwischen Sabri und den Flügelstürmern, die Portugiesen bekamen die Partie besser in den Griff. Ein Energie-Anfall von Pepe, von dem die türkische Abwehr nicht wusste, wie sie damit umgehen sollten, besorgte nach einer Stunde das 1:0.

Das Mittelfeld war klar in der Hand der Portugiesen, weshalb Terim eine Viertelstunde vor Schluss auf ein 4-4-2 wechselte, diesmal aber ein flaches. Sabri übernahm die RV-Position des ausgewechselten Hamit Altıntop, mit Semih kam wieder ein zweiter Stürmer neben Nihat, und die Risiko-Bereitschaft wurde deutlich nach oben geschraubt. Letztlich war es aber doch kaum mehr als Brechstangen-Fußball mit langen Bällen von hinten in das Gewühl von sechs, sieben Türken, die am gegnerischen Strafraum darauf warteten. Praktisch mit dem Schlusspfiff machte dann auf der anderen Seite, wo nun Platz war, der eingewechselte Meireles mit dem 2:0 den Deckel drauf.

Stand nach dem ersten Spieltag: Portugal 3, Tschechien 3, Schweiz 0, Türkei 0.

Tschechien – Portugal 1:3 (1:1)

Tschechien - Portugal 1:3 (1:1)

Dass beim tschechischen Team die Zeiten vorbei waren, als man die Fußball-Welt noch mit Halli-Galli-Fußball verwöhnte, wurde auch im zweiten Spiel gegen die Portugiesen deutlich. Vor allem in der Zentrale die oberste Devise, Portugal den Spaß am spielen zu nehemen. Matějovský und Polák machten die Räume für Deco und Moutinho eng, mit Galásek gab es noch eine zusätzliche Absicherung. Das hatte zur Folge, dass sich beide portugisischen Spielgestalter recht weit in die eigene Hälfte zurückzogen, um sich der Umklammerung etwas zu lösen.

Pressing spielten die Tschechen keines, sie erwarteten den Gegner in der eigenen Hälfte und gingen dort robust in die Zweikämpfe. Überfordert waren die Tschechen aber, sobald es Portugal schaffte, an der Tempo-Schraube zu ziehen. Beim frühen 1:0 durch Deco war das gut zu sehen.

Selbst brachte man es aber nicht fertig, Geschwindigkeit in die eigenen Aktionen zu bringen: Viele Ungenauigkeiten, viele Fehlpässe (vor allem bei weiten Flankenwechseln) und zu langsames Umschalten ließen das Aufbau-Spiel der Tschechen um nichts besser aussehen als  beim glücklichen Sieg gegen die Schweiz. Der Ausgleich von Sionko nach einer Viertelstunde konnte daher auch nur aus einem Eckball resultieren. Zudem arbeitete Stürmer Baroš, der statt Koller in die Mannschaft kam, zwar viel, aber wie Koller ist auch Baroš kein klassischer Solo-Stürmer.

Was die Portugiesen in diesem Turnier gut machten: Durch unerwartetes Positionsspiel den Gegner aushebeln. Das war bei Pepes Tor zum 1:0 gegen die Türkei so gewesen, und auch in dieser Partie schaffte es Portugal, den Gegner zu überrumpeln. In der 63. Minute Ronaldo und Simão waren in die Mitte gezogen, so klumpten sich auch die tschechischen Verteidiger vor dem eigenen Strafraum zusammen, was für Deco extrem viel Platz auf der rechten Seite bedeutete. Mit dem Spielmacher hatte auf der Flanke keiner gerechnet, Deco flanke, Ronaldo traf zum 2:1.

Nun reagierte Brückner und veränderte die auf Verhindern angelegte Spielweise. Koller kam für Galásek, dazu Vlček für Matějovský – also agierte Tschechien nun ein einem 4-1-3-2. Baroš und Koller vorne, Sionko links, Vlček rechts, Plašil hinter den Spitzen, und Polák als Absicherung. Das war jenes System, mit dem man vier Jahre davor großartigsten Fußball gezeigt hat, und auch in diesem Spiel ging es so gleich wesentlich besser. Die Portugiesen wurden hinten reingedrückt, mit Meira (statt Moutinho) kam ein zusätzlicher Mann für die Absicherung. Die Tschechen hatten zwar kaum klare Torchancen, aber sie drückten auf den Ausgleich und zeigten ihre beste Viertelstunde in diesem Turnier bis dahin. Ehe man in der Nachspielzeit in einen Konter lief und Quaresma das 3:1 für Portugal besorgte.

Schweiz - Türkei 1:2 (1:0)

Schweiz – Türkei 1:2 (1:0)

Gegen Portugal hatten die Türken, zumindest eine Halbzeit lang, kein kreatives Zentrum. Diesen Deal war Teamchef Terim eingegangen, um dafür das portugiesische Kreativ-Team zu bremsen. Ein solches haben die Schweizer nicht, weshalb Terim in dieser Partie mit einem 4-2-3-1 spielen ließ: Nihat als Solo-Spitze, Tuncay zentral dahinter, dafür mit Arda Turan neu auf der linken Seite und Gökdeniz Karadeniz neu auf der rechten.

Das sollte den Türken mehr Optionen in der Spielgestaltung geben, in der Praxis jedoch erwiesen sich die Schweizer in diesem Bereich des Feldes als wesentlich wacher und williger, in den Zweikampf zu gehen. Was umso mehr zum Faktor wurde, als es nach zehn Minuten anfing zu schütten und das Feld innerhalb kürzester Zeit de facto unter Wasser stand. Regulär waren die Verhältnisse nicht einmal annähernd.

Also war im Vorteil, wer sich auf die Gatsch-Wiese von Basel besser einstellte. Die Türken versuchten, lange Bäller von den Schweizern zu verhindern, indem sie ihre Abwehrreihe extrem weit nach vorne schoben um so die Empfänger ins Abseits zu stellen. Das funktionierte bis zur 32. Minute gut, dann aber entwischte Derdiyok, der legte zu Yakin quer – und dieser hatte keine Mühe, den einen Meter vor dem Tor im Wasser stecken gebliebene Kugel über die Linie zu dreschen.

Fatih Terim wusste: Mit Überzahl im Zentrum gewinnt man hier nichts. Also ging er für die zweite Hälfte auf ein 4-4-2, indem er Semih statt Gökdeniz brachte. Spielkultur im Zentrum war nicht gefragt, sondern empfänger für lange Bälle. Das wussten beide Mannschaften, wodurch sich ein recht wildes Spiel entwickelte, vor allem nachdem Semih nach einer Nihat-Flanke den verdienten Ausgleich markiert hatte. In der Folge hatten die Türken leichte Vorteile auf ihrer Seite, weil Arda eine gute Partie absolvierte und auch Tuncay einen deutlich fokussierteren Eindruck machte also noch gegen die Portugiesen.

Der Ball war viel in der Luft, große Klasse hatte die Partie nicht, aber durchaus Unterhaltungswert, weil beide Teams auf Sieg spielten – natürlich der Tatsache geschuldet, dass beide mit null Punkten in die Partie gegangen waren. Und gerade, als sich das 1:1 schon abzeichnete, schlug Arda Turan zu: Mit seinem Tor in der Nachspielzeit besiegelte er den Sieg für die Türken und damit das Aus und den fixen letzten Gruppenplatz für die Schweizer.

Stand vor dem letzten Spieltag: Portugal 6, Tschechien, Türkei 3, Schweiz 0.

Schweiz - Portugal 2:0 (0:0)

Schweiz – Portugal 2:0 (0:0)

Was das Spiel des Gastgebers gegen den Gruppensieger aus Portugal für zu einer für das Turnier komplett irrelevanten werden ließ. Für die Schweizer ging es nur noch darum, doch noch zumindest einen Sieg einzufahren und somit Köbi Kuhn in dessen letzten Länderspiel als Teamchef einen schönen Abschied zu bereiten.

Scolari schonte weiter Teile seiner Einser-Formation, was aufgrund der anderen Spielertypen im Mittelfeld auch eine etwas andere Spielanlage zur Folge hatte. Statt den Gestaltern Deco und Moutinho durften Kämpfer Meireles und der eher auf Sicherung bedachte Veloso spielen, dahinter sicherte mit Fernando Meira ein gelernter Innenverteidiger als Sechser ab.

Das hatte zwar nachteilige Effekte auf die eigene Spielgestaltung, sorgte aber dafür, dass die Schweizer regelmäßig bei ihren Aufbau-Versuchen auf Höhe der Mittellinie hängen blieben. Bei den Portugiesen kam praktisch alles, was gefährlich war, über die beiden schnellen und trickreichen Außenstürmer Nani und Quaresma, aber sie schafften es nicht, den Mittelstürmer zu bedienen. So war Postiga genauso unsichtbar wie Nuno Gomes das zumeist in den ersten zwei Spielen war.

Nach dem Seitenwechsel kamen die Schweizer auf, vor allem, weil Gökhan Inler nun im Mittelfeld deutlich mehr Verantwortung im Spielaufbau übernahm und sich weiter nach vorne orientierte. Zudem belebte der für Vonlanthen gekommene Barnetta die rechte Seite merklich. Scolari wollte das ausgleichen, indem er Moutinho für Veloso brachte, um einen Spielgestalter ins Zentrum zu bekommen und Inler wieder mehr zu binden, doch kaum war der Wechsel vollzogen, traf Yakin nach einem von Derdiyok gut weitergeleiteten langen Ball zum 1:0.

Nun machten die Schweizer das Zentrum dicht uns zwangen den Gegner zu langen Bällen, doch Nani und Quaresma agierten schlampig und ohne den letzten Einsatz; auch der für Postiga gekommene Almeida konnte ohne sinnvolle Zuspiele wenig ausrichten. Und als Meira einige Minute vor Schluss im Strafraum den quirligen Barnetta foulte und Yakin den fälligen Elfmeter zum 2:0 verwertete, war das Spiel entschieden.

Türkei - Tschechien 3:2 (0:1)

Türkei – Tschechien 3:2 (0:1)

Drittes Spiel, dritter Partner für den türkischen Innenvertediger Servet: Gökhan Zan verletzt out, Emre Aşık angeschlagen auf der Bank, so musste Emre Güngör ran. Zudem fehlte auch weiterhin Emre im Mittelfeld – Fatih Terim musste schon ziemlich improvisieren. Und wechselte wieder zurück zum 4-2-2-2 der ersten Partie, wenn dieses auch recht schief daherkam.

Es war ein unglaubliches Spiel, das vor interessanten Aspekten nur so strotzte. Wie Tuncay, der nach der linken Seite (1. Spiel) und der Zentrale (2. Spiel) nun die rechte Seite zugewiesen bekam, aber so dermaßen weit innen spielte, dass er doch eher zentraler Spielgestalter war. Hamit Altıntop hatte die rechte Außenbahn mehr oder weniger alleine über.

Oder wie die Mittelfeld-Zentrale. Waren die beiden Tschechen in der Mitte in den ersten zwei Spielen noch Hauptgründe für den kompletten Ausfall einer sinnvollen Spielgestaltung, agierten sie gegen die Türken ganz anders: Matějovský und Polák schoben, wenn die türkischen Innenverteidiger auf der Suche nach der Spieleröffnung den Ball hatten, vor Aurélio und Topal, verhinderten so einen geordneten türkischen Aufbau.

Oder wie die Rolle von Libor Sionko. Der Rechtsaußen vermied es in den ersten zwei Spielen noch, in den Strafraum zu gehen. Diesmal war er fast standardmäßig dort aufgeboten und machte somit nicht nur die Außenbahn für den endlich frei nach vorne marschierenden Zdeněk Grygera frei, sondern verwirrte auch die türkische Verteidigung. So entstand das 1:0 durch Koller: Flanke von Grygera, im Zentrum stehen Koller UND Sionko, und der Ball war drin.

Die Probleme der Türken waren natürlich auch Trainerfuchs Fatih Terim nicht entgangen, so stellte er auch im dritten Gruppenspiel für die zweite Halbzeit komplett um. Statt des blassen Semih kam Sabri für die zuvor unterbesetzte rechte Seite, Tuncay gab nun endgültig eine hängende Spitze. So gelang es den Türken nicht nur, Jankulovski hinten zu binden, sondern vor allem, die tschechische Viererkette auseinander zu ziehen. Die Tschechen bekamen nun gehörige Probleme: Altıntop und Sabri marschierten extrem viel nach vorne und wurden dabei vom schwachen Plašil kaum gehindert. Auf der anderen Seite narrte der rotzfreche Arda im Verbund mit Hakan Balta die andere tschechische Abwehr-Seite. Der alternde Galásek konnte Tuncay überhaupt nicht verfolgen. Kurz: Der Ausgleich für die Türken lag in der Luft und wäre hochverdient gewesen.

Doch es kam anders. Erst schob Koller nach einem Konter den Ball links am Tor vorbei, und dann verletzte sich mit Emre Güngör der nächste Innenverteidiger – ganz davon abgesehen, dass sogar Servet selbst längst nur noch auf Reserve lief. Und noch ehe Aşık mit seinem Turban als Andenken an das zweite Spiel für Güngör eingewechselt werden konnte, nützten die Tschechen das unverhoffte Loch in der Abwehr aus und Plašil verwertete gegen den Spielverlauf zum 2:0.

Schlussphase

Das nahmen die Türken persönlich. Mit dem offensiven Kâzım statt dem Sechser Topal kam zusätzliche Kreativität ins Spiel. Was allerdings zusehends schwand, war die taktische Ordnung im Spiel der Türkei. Altıntop und Kâzım spielten nun beide eher im rechten Halbfeld als auf der Flanke, diese wetzte nun Sabri quasi alleine auf und ab. Zuweilen unterstützt von Arda, der hin und wieder seine linke Seite verließ. Dennoch war das alles nicht so sehr auf lange Bälle gestützt wie noch beim ersten Spiel gegen die Portugiesen. Und nach dem 1:2 durch Arda eine Viertelstunde vor Schluss war der Schockzustand, der nach dem 0:2 so ein wenig geherrscht hatte, endgültig verfolgen.

Brückner besetzte seine Flügel neu – vor allem die schwer unter Beschuss stehende linke Seite hatte er dabei im Auge. Hier kam Rechtsverteidiger Kadlec statt Plašil, womit nun zwei tief stehende gelernte RV die türkischen Angriffe erwarteten. Keine gute Idee, denn so konnten Sabri, Kâzım und Altıntop noch Tempo aufnehmen, von der Überzahl ganz zu schweigen. Und doch: Aus dem vollen Einsatz ohne die echte Ordnung wäre wohl nichts mehr herausgekommen, hätte nicht Petr Čech eine an sich harmlose Flanke von Altıntop vor die Füße von Nihat fallen lassen – das 2:2 in der 87. Minute. Das hätte bedeutet, dass wegen der Punkt- und Torgleichheit der beiden Teams ein Elfmeterschießen über den Platz im Viertelfinale entschieden hätte.

Hätte. Denn nur 65 Sekunden nach Wiederanpfiff schlief Ujfaluši beim nächsten türkischen Angriff das Abseits auf, erneut war Nihat zur Stelle – das 3:2, das Spiel war innerhalb von 14 Minuten komplett gedreht worden. Aber noch längst nicht aus. Denn in der Nachspielzeit ließ sich der türkische Keeper Volkan Demirel dazu hinreißen, Koller umzustoßen – Rot! Tuncay ging für die verbleibenden zwei Minuten ins Tor, er musste aber nicht mehr eingreifen. Die Türkei wurde für die unglaubliche Aufholjagd mit dem Platz im Viertelfinale belohnt.

Endstand der Gruppe: Portugal 6, Türkei 6, Tschechien 3, Schweiz 3

Die Portugiesen waren ohne gröbere Probleme ins Viertelfinale durchmarschiert, so blieben die Schlagzeilen für die Türken. Was es dieser Mannschaft an Talent fehlte – den ohne Frage war die 2008er-Mannschaft vom Bosporus individuell nicht annähernd so gut besetzt wie jene, die 2002 WM-Dritter geworden war – machte sie mit unbändigem Willen wett. Zudem hatten sie mit Fatih Terim einen Trainer, der jederzeit das System und das Konzept komplett umstellen kann, wenn es der Spielverlauf erfordert. All das wurde letztlich verdient mit dem zweiten Gruppenplatz belohnt.

Die Tschechen zeigten eine gute Halbzeit in drei Partien, das war natürlich zu wenig. Erschreckend bieder war die Mannschaft geworden, ohne Talent zum Spielaufbau, berechenbar und oft ungenau. Und darüber hinaus mit einem letztlich fatalen Hang, nich nach eigenen Toren zurückzuziehen. Und die Schweizer? Mussten, wie Co-Gastgeber Österreich, schon nach der Vorrunde die Segel streichen. Auch, wenn einiges an Pech dabei war – die Frei-Verletzung, das unglückliche 0:1 im Eröffnungsspiel, das Last-Minute-Gegentor beim Wasserball-Spiel gegen die Türken – ist dies letztlich dennoch korrekt. Denn bis auf eine gute Organisation und ein kompaktes Auftreten hatten die Eidgenossen wenig zu bieten. Phantasie im Spiel nach vorne fehlte – das sollte zwei Jahre später bei der WM in Südafrika noch viel deutlicher werden.

Das Turnier ging also ohne die auf dem Spielfeld, nichts für ungut, eher langweiligen Schweizer weiter. Dafür mit den unglaublichen Aufholjägern aus der Türkei. Denn die Comebacks gegen die Schweiz und Tschechien waren nicht ihre letzten in diesem Turnier…

(phe)

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Euro-Classics 2008 – Die Todesgruppe https://ballverliebt.eu/2012/05/31/euro-classics-2008-die-todesgruppe/ https://ballverliebt.eu/2012/05/31/euro-classics-2008-die-todesgruppe/#comments Thu, 31 May 2012 08:48:14 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7191 Euro-Classics 2008 – Die Todesgruppe weiterlesen ]]> Der Weltmeister, Italien. Der Vize-Weltmeister, Frankreich. Die personell großartig besetzten Holländer. Und Underdog Rumänien, der eine starke Qualifikation absolviert hat. Die Gruppe C der Euro2008, in Bern und Zürich ausgetragen, wurde unisono als die „Todesgruppe“ des Turniers bezeichnet…

Holland - Italien 3:0 (2:0)

Holland – Italien 3:0 (2:0)

Womit kann Italien nicht umgehen? Mit Pressing! Die Holländer traten von Beginn an dominant auf und setzten dem Weltmeister mit schnellem Gegenpressing bei Ballverlusten zu. Und mit hohem Tempo vor allem von Sneijder und Van der Vaart, die den personellen Nachteil im offensiven Zentrum des 4-2-3-1 von Bondscoach Marco van Basten so ausgleichen konnten.

Roberto Donadoni, der italienische Teamchef, hatte wie bei italienischen Mannschaften üblich ein Trio vor die Viererkette gestellt. Davor allerdings baute er auf Breite im Spiel: Di Natale und Camoranesi kamen von den Flanken, ganz vorne stand Luca Toni. Die Folge war, dass die Holländer mit De Jong und vor allem Orlando Engelaar im Zentrum seelenruhig das Spiel aufbauen konnten. Van der Vaart und Sneijder versuchten, durch ihre Laufwege Löcher zu reißen, was aber kaum gelang – so musste ein Weitschuss herhalten, den Van Nistelrooy fünf Meter vor dem Tor aufnahm und zum 1:0 versenkte. Nicht aus Abseits-Postion, denn Panucci hob dieses neben dem Tor liegend auf.

Die Italiener mussten nun etwas aufrücken und wurden nur wenige Minuten nach dem Rückstand dafür bestraft: Ein sensationeller Konter über Van Bronckhorst und Kuyt, den Sneijder mit einem Drehschuss vollendete, sorgten für das 2:0.

Holland stellte das Pressing nun komplett ein und ließ den Gegner kommen, blieb aber im Zweikampf giftig. Vor allem Kuyt machte gegen Zambrotta ein hervorragendes Spiel. Donadoni stellte nach einer Stunde erstmals um, brachte Del Piero (für Di Natale) und ging auf ein etwas schiefes 4-4-2, eine Viertelstunde vor Schluss kam Cassano (für Camoranesi) und aus dem System wurde ein wiederum etwas schiefes 4-3-1-2, mit Cassano hinter den Spitzen. Die Maßnahme fruchtete: Nun gab es endlich auch sinnvolle Aktionen durch das zuvor verwaiste Zentrum, Italien war – obwohl immer etwas langsam wirkend – die bestimmende Mannschaft und hatte drei große Ausgleichs-Chancen. Ehe ein weiterer blitzsauberer Konter der Holländer zehn Minuten vor Schluss das 3:0 zur Folge hatte. Die Entscheidung.

Rumänien - Frankreich 0:0

Rumänien – Frankreich 0:0

Schleppend hatte sie allerding zuvor begonnen, diese Gruppe. Was beim Spiel im Zürcher Letzigrund an beiden Teams lag. Zum einen also an den Rumänen, die in einem 4-1-4-1 mit einem sehr kompakten Mittelfeld auftraten und die Franzosen kommen ließen. Offensiv gab’s zwei Optionen: Lange Bälle auf Stürmer Daniel Niculae, der diese mit seinem robusten Körper halten sollte, oder über Adrian Mutu. Der damalige Fiorentina-Spieler spielte einen Linksaußen, der aber viele Freiheiten genoss und sich deutlich öfter im Zentrum aufhielt als Banel Nicolita auf der anderen Seite.

So mussten die Franzosen das Spiel machen, und das gelang nicht. Raymond Domenech ließ in einem 4-2-2-2 spielen. Die Probleme wurden schnell offensichtlich: Von der Doppel-Sechs mit Toulalan und Makélélé gab’s wenig Ideen gegen die drei Rumänen im Zentrum, Ribéry wirkte auf Rechts deplaziert und Malouda rieb sich in Zweikämpfen mit Cosmin Contra von Getafe auf. So blieben Flanken, die Sagnol und Abidal zum Teil von 40 Meter von der Grundlinie entfernt Richtung Strafraum segeln ließen. Alles harmlos.

Den Franzosen ging zwar Henry mit einer Zerrung ab, ja, aber Domenech versuchte erst in der 78. Minute, mit Nasri (statt Benzema) das kreative Loch im Zentrum zu schließen und auf ein 4-2-3-1 zu gehen. Doch Nasri – dessen Wechsel zu Arsenal schon festgestanden war – wurde auf der Zehn von seinem Team ignoriert, es spielte auch die Schlussphase uninspiriert über die Außen. So gab’s ein logisches 0:0.

Stand nach dem ersten Spieltag: Holland 3, Frankreich, Rumänien 1, Italien 0.

Italien - Rumänien 1:1 (0:0)

Italien – Rumänien 1:1 (0:0)

Nach der Pleite gegen Holland drehte Roberto Donadoni sein Team komplett um: Fünf personelle Wechsel nahm er vor, dazu begann er in jenem System, das in der letzten halben Stunde gegen Holland guten Druck nach vorne ausüben konnte. Im 4-3-1-2 spielte nun Camoranesi auf der Zehn, er zeigte dabei deutlichen Rechtsdrall. Auch im defensiven Mittelfeld gab’s Wechsel: Statt Gattuso und Ambrosini von Milan kamen De Rossi und Perrotta von der Roma.

Damit gab es keinen echten Tackler mehr, sondern drei Ballverteiler. Maßnahmen, die Wirkung zeigten, zumal auch Grosso und Zambrotta massiv nach vorne marschierten und für Breite im Spiel sorgten. Italien hatte das Spiel komplett im Griff und kam auch zu einigen guten Chancen, allerdings zeigte wie schon gegen Holland vor allem Luca Toni eine grausame Leistung.

Die Rumänen ihrerseits versuchten, die offensive Ausrichtung der Italiener zu nützen, indem sie ihrerseits in den Rücken der Mittelfeld-Achse zu kommen versuchten und den Platz hinter den oft weit aufgerückten italienischen Außenvertedigern zu nützen. Zudem waren Mutu und Co. vor allem mit gut platzierten Weitschüssen immens gefährlich.

So entwickelte sich eine sehr sehenswerte Partie, in der Mutu nach einer Stunde einen schweren Patzer von Zambrotta zur rumänischen Führung nützte, die im direkten Gegenzug von Panucci (nach einem Eckball) ausgeglichen wurde. Doch weil beide Teams wegen des guten Auftretens der Holländer im ersten Spiel wussten, dass sie eigentlich gewinnen mussten, gaben auch beide weiterhin Gas. Die Italiener rückten immer mehr auf, wodurch sich für die ballsicheren Rumänen Platz ergab. Zehn Minuten vor Schluss schien das Pendel dann zu Gusten der Rumänen auszuschlagen, als Panucci im Strafraum Niculae niederriss – doch Mutu scheiterte mit seinem Elfer an Buffon. So blieb’s beim 1:1.

Holland - Frankreich 4:1 (1:0)

Holland-Frankreich 4:1 (1:0)

Das französische Team hatte viele Probleme, das gespannte Verhältnis der Spieler zu Domenech war nur eines davon. Das Team war außerdem alt. Zidane hatte zwei Jahre davor aufgehört. Thuram, 36, bekam zusehens Tempo-Probleme. Makélélé, 35, in seiner Glanzzeit für bombensicheres Passspiel berühmt, wusste sich oft nur noch mit Härteeinlagen zu helfen. Thierry Henry, 30, hatte eine schwierige Saison in Barcelona, und ihm fehlte es zudem nach einer Muskelzerrung an Spielpraxis. Kapitän Vieira, 31, konnte wegen Knieproblemen überhaupt nicht eingreifen, für ihn musste Toulalan spielen. Ein braver Kämpfer, aber mehr auch nicht.

So verwundert es nicht, dass die Équipe Tricolore gegen Holland zunächst einen ähnlich leblosen Auftritt hinlegte wie zuvor gegen Rumänien, auch nachdem die Holländer schon nach zehn Minuten durch einen Kuyt-Kopfball nach einer Ecke in Führung gegangen waren.

Dabei war die Überlegung hinter Domenechs System-Umstellung gut gewesen: Er stellte im 4-2-3-1 auf, mit Franck Ribéry auf der Zehn, wodurch das kreative Loch in der Theorie geschlossen wurde. In der Praxis auch, aber erst nach einer halben Stunde.

Die Holländer stellten ihr anfängliches Pressing nach dem 1:0 wiederum ein, aber von den Franzosen kam gar nichts. Erst, als Ribéry merkte, dass Orlando Engelaar in seinem Positions-Spiel immer übermütiger wurde, riss er das Spiel an sich. Mit seinen Dribblings und Tempo-Läufen in Engelaars Rücken zog er Gegenspieler auf sich, so entstanden Löcher und vor allem Govou nützte diese immer wieder. Zur Halbzeit wäre der Ausgleich durchaus verdient gewesen.

Marco van Basten nahm Engelaar umgehend aus dem Spiel und brachte Arjen Robben, der wegen einer Leisten-Verletzung die erste Partie aussetzen hatte müssen, für die linke Seite. Dafür ging Sneijder ins Zentrum und Van der Vaart auf die Acht. Logisch: Denn während auf der rechten Flanke der defensiv bekannt starke Kuyt den bemühten Evra unter Kontrolle hatte, konnte Sagnol gegen den einrückenden und gegen den Ball inkonsequenten Sneijder ungehindert durchgehen. Mit Robben hatte Sagnol zu tun, wodurch das Spiel der Franzosen sich nun komplett nur noch über die Mitte abspielte.

Das zwar nicht schlecht, aber nach einer Stunde schlug es in die Drangphase der Franzosen dennoch ein – Van Nistelrooy hielt mit einem Fersler den Ball für Robben im Spiel, dieser ging zur Grundlinie durch, flankte auf den kurz zuvor für Kuyt eingewechselten Van Persie, und es stand 2:0. Das Risiko von Van Basten, nun auf beiden Seiten auf eine defensive Absicherung im Mittelfeld zu verzichten, hatte sich ausgezahlt.

Domenech reagierte, indem er mit Gomis (statt Malouda) einen zweiten Stürmer brachte und wieder auf jenes 4-2-2-2 ging, das schon gegen Rumänien nicht funktioniert hatte. Auch, wenn das zwischenzeitliche Anschlusstor der Franzosen über die rechte Seite fiel (Flanke Sagnol, Tor Henry): Weiterhin war einzig Ribéry ein ständiger Gefahrenherd. Und als Robben nur acht Sekunden nach Wiederanpfiff nach dem 1:2 mit einem Kunstschuss aus spitzem Winkel das 3:1 erzielte, war die Partie entschieden. Holland hatte den Weltmeister und den Vize-Weltmeister mit insgesamt 7:1 Toren geschlagen – Sneijder setzte in der Nachspielzeit noch ein viertes Tor drauf – und war damit Gruppensieger.

Frankreich hatte zwar ab der 30. Minute eine an sich gar nicht so schlechte Leistung gezeigt, doch lebte diese praktisch ausschließlich von Franck Ribéry. Mit 24 Jahren der Zweitjüngste im Team.

Stand vor dem letzten Spieltag: Holland 6, Rumänien 2, Italien, Frankreich 1.

Holland - Rumänien 2:0 (0:0)

Holland – Rumänien 2:0 (0:0)

Die Lage für die Rumänen war klar: Nach dem beiden respektablen Remis gegen Italien und Frankreich würde gegen Holland ein Sieg in jedem Fall zum Viertelfinal-Einzug reichen. Angesichts der Tatsache, dass Marco van Basten ob des schon feststehenden Gruppensiegs seine Reservisten spielen ließ und sich die etatmäßigen Starter auf der Bank mehr um die Blähungen von Rafael van der Vaart kümmerten als ums Match, standen die Vorzeichen gar nicht so schlecht.

Doch die Rumänen wirkten seltsam gehemmt. Ähnlich wie im Spiel gegen Frankreich zog man sich sehr weit zurück, überließ den Holländern den Ballbesitz (bis zu 65%) und harrte der Dinge. Oranje spielte in dieser Partie eher mit einem 4-4-1-1, weil Robin van Persie – nominell auf der Zehn – sehr weit aufrückte und zuweilen als zweiter Stürmer neben Huntelaar stand. Holland machte es gegen die passiven Rumänen nicht ungeschickt: Afellay und De Cler sorgten für die Breite im Spiel, Robben orientierte sich eher feldeinwärts, und vorne waren Huntelaar und Van Persie ständige Gefahrenherde.

Auch, wenn das Tempo bei den Holländern nicht rasend war, hatte man die Rumänen doch gut im Griff. Bei Adrian Mutu hatte man den Eindruck, dass ihm sein verschossener Elfer aus dem Italien-Spiel immer noch nachhängt, Nicolita kam gegen De Cler überhaupt nicht zum Zug – so war Razvan Cocis der auffälligste bei Rumänien. Der Mann von Lok Moskau half hinten aus und war mit seinen Vorstößen lange noch der gefährlichste Spieler seines Teams. Und er war es auch, der kurz vor der Pause die einzige wirkliche Torchance hatte, aber aus wenigen Metern über das Tor hämmerte. Ansonsten kam Rumänien nur aus Weitschüssen zum Abschluss.

Und wurde nach der Pause auch hinten schludrig. So stand Tamas bei einer Flanke von Afellay nur entspannt neben Huntelaar, sodass dieser problemlos zum 1:0 nach 54 Minuten verwerten konnte. Erstaunlicherweise wurde das Spiel der Rumänen aber weiterhin nicht aktiver und auch von der Bank kamen nur direkte Wechsel, aber keine echten Impulse. Selbst im Schongang hatte Holland alles im Griff und Van Persie nützte kurz vor dem Schluss eine weitere Schlafmützigkeit zum 2:0-Endstand.

Die Holländer nahmen den leichten Sieg gerne mit, taten aber selbst nicht sehr viel dazu. Das Tempo war überschaubar, das Pressing ebenso, und selbst im Rückstand und im Wissen um den Stand im Parallelspiel schafften es die Rumänen nie, aus der eigenen Lethargie zu erwachen. So haben sie das Viertelfinale letztlich selbst verbockt.

Frankreich - Italien 0:2 (0:1)

Frankreich – Italien 0:2 (0:1)

Schlimmer kann eine erste halbe Stunde nicht verlaufen wie für die Franzosen in diesem Entscheidungsspiel um den Einzug ins Viertelfinale. Nach acht Minuten reißt sich Franck Ribéry bei einem Foul an Zambrotta das Syndesmose-Band – somit musste der einzige Spieler, der das französische Team am Leben erhalten hatte, raus. Für ihn kam Nasri, aber schon 15 Minuten später musste auch der wieder raus. Abidal hatte nach einer Notbremse an Toni die rote Karte gesehen, mit Boumsong kam ein neuer Innenverteidiger.

Somit waren die Franzosen, die zum 4-2-2-2 aus der ersten Partie zurückgingen, gefühlt schon geschlagen. Einer weniger, ein Tor hinten, und der beste Spieler weg, was sollte da noch möglich sein. Zumal man nun auf ein 4-2-3 wechselte und im Mittelfeld nicht mehr viel übrig war. Toulalan rückte bei Bedarf etwas auf.

Seltsamerweise wirkten aber die bis dahin starken Italiener mindestens genauso irritiert wie die Franzosen. Es stellte sich ein Gefühl von Unkonzentriertheit ein, durch das die Franzosen – die  zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich deutlicher als 0:1 im Rückstand hätte liegen müssen – merklich Luft schnappen konnten.

Fabio Grosso war ungewohnt zurückhaltend, obwohl seinem Gegenspieler Govou erstens wenig gelang und der durch die personell ausgedünnte Offensive der Franzosen auch wenig Anspielstationen hatte. Das Mittelfeld-Trio rückte immer wieder etwas gar weit auf, ohne dass jemand den Blick nach hinten behielt, so konnten Henry (zentral) und Benzema (von der linken Seite) zwischen die Reihen stoßen. Und auch das Offensiv-Trio wirkte ungenügend abgestimmt.

Trotzdem musste Italien nie Sorge haben, den Sieg zu verspielen. Frankreich kam im ganzen Spiel zu zwei ernsthaften Torchancen und mit dem 2:0 nach einer Stunde, einem abgefälschten Freistoß, war das Spiel im Grunde schon entschieden. Was man merkte: Die Franzosen steckten auf und den Italienern fehlte die Notwendigkeit, das eigene Spiel auf die Reihe zu bekommen. Die Folge: Eine unansehnliche letzte halbe Stunde.

Endstand der Gruppe: Holland 9, Italien 4, Rumänien 2, Frankreich 1

Italien war nur in einem Spiel wirklich gut, kam aber letztlich dennoch verdient als Gruppenzweiter ins Viertelfinale. In einer überalterten und uninspirierten französischen Mannschaft gab es nur einen Spieler, der Verantwortung übernehmen wollte, und der musste im entscheidenden Spiel nach zehn Minuten raus. Die Rumänen agierten nach einer starken Qualifikation viel zu zurückhaltend, ja fast feig. Gegen Frankreich und Holland wurde viel zu wenig Initiative übernommen und außer dem Hoffen auf Mutu war an Offensiv-Plan nicht viel zu erkennen.

Die Holländer waren ohne Zweifel die klar beste Mannschaft der Gruppe, allerdings mit zwei kleinen Einsprüchen. Erstens waren die Gegner schwach und mit sich selbst beschäftigt, zweitens kam in den beiden Spielen gegen Italien und Frankreich der Spielverlauf entgegen. In beiden gab’s eine verhältnismäßig frühe Führung, nach der man sich zurückziehen und auf Konter lauern konnte. Zwei Kontertore gegen Italien, eines gegen Frankreich – und Rumänien forderte das B-Team einfach nicht,

(phe)

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Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/ https://ballverliebt.eu/2012/05/30/euro-classics-2008-komm-umit-nimm-deine-leiter-mit-aufs-feld/#comments Wed, 30 May 2012 08:23:35 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=7215 Euro-Classics 2008 – „Komm, Ümit, nimm deine Leiter mit auf’s Feld!“ weiterlesen ]]> Was bleibt für Österreich von der Heim-EM? Ein paar gute Sprüche von Josef Hickersberger („Haben nur unsere Stärken trainiert, darum war die Einheit nach 15 Minuten vorbei“). Zu spätes Aufwachen gegen Kroatien. Eine Lastwagenladung vergebener Großchancen gegen Polen. Und ein Endspiel gegen Deutschland, in dem Michael Ballacks Gewaltschuss das Ende besiegelte. Aber auch Formationen, in denen seither kein ÖFB-Team mehr gespielt hat – vor allem das 3-4-2-1 gegen Kroatien und das für dieses Spiel perfekt passende 3-4-3 gegen die Deutschen. In in dieser Gruppe auch so ihre Mühe hatten.

Österreich - Kroatien 0:1 (0:1)

Österreich-Kroatien 0:1 (0:1)

Ein Rempler von Aufhauser, ein Pfiff von Referee Vink – das Spiel war 2 Minuten und 42 Sekunden alt, als es die richtige Entscheidung auf Elfmeter gab. Luka Modrić verwandelte sicher.

Die Österreicher? In einer Schockstarre, und die ultra-defensive Aufstellung half dabei nicht weiter. Nominell schickte Hickersberger ein 3-4-2-1 auf’s Feld, mit nur drei offensiv denkenden Spielern, und die waren zunächst weitgehend vom Spiel abgeschnitten. Das lag auch an den Wings-Backs – was Standfest und vor allem Gercaiu an Pässen ins Nirwana schlugen oder gleich direkt zum Gegner, war ein Wahnsinn.

Hinzu kam, dass die Kroaten mit der Art und Weise, wie sie ihr 4-4-2 interpretierten, die Schwächen der Österreicher gut nützten. Kranjčar zug vom linken Flügel gerne in die Mitte, beschäftigte dort Aufhauser, während Pranjić auf dem Flügel blieb und Standfest dort hielt. Womit er Modrić half, die Zeit für seine intelligenten Pässe zu haben. Auf der anderen Seite hielt sich Ćorluka eher zurück und unterstützte Niko Kovač, dafür preschte Darijo Srna viel nach vorne und hatte gegen den überforderten Gercaliu keine Probleme.

Vorne bewegten sich Olić und Petrić viel und gut, kam gegen die Dreierkette eher von außen oder bewegten sich von innen nach außen, um einen Verteidiger rauszuziehen und in der Mitte Löcher zu schaffen. Eine halbe Stunde lang zogen die Kroaten Österreich am Nasenring durch’s Stadion. Die Lage entspannte sich für den Gastgeber erst, als sich die Kroaten etwas zurücknahmen.

Doch nicht nur dass Hickersberger nicht sofort auf die Unzulänglichkeiten reagiert hätte, nein, sogar zu Beginn der zweiten Halbzeit änderte er genau nichts. Der effektivste Weg nach vorne blieben 60m-Bälle von Pogatetz zu Harnik (die gab’s im Fünf-Minuten-Takt) und selbst, als er nach einer Stunde Vastic für Säumel brachte, bedeutete das keine offensive Umstellung. Weil Vastic genau jene Position im defensiven Mittelfeld einnahm, die zuvor Säumel inne gehabt hatte. Erst nach 70 Minuten drehte sich die Partie zu Gusten der Österreicher, als Ümit Korkmaz statt Gercaliu kam und Hickersberger auf ein 4-3-3 umstellte – mit Korkmaz links und Harnik rechts als Außenstürmer, Kienast als Stoßstürmer; dahinter Ivanschitz als Zehner, Vastic als Achter und Aufhauser als Sechser.

Vor allem die jugendliche Energie von Korkmaz und das Tempo von Harnik gegen den langsamen Šimunić nagelten die Kroaten hinten fest. Denen war bis dahin alles viel zu leicht gegangen und sie hatten sich selbst eingelullt. Auf die plötzliche Gefahr und den Sturmlauf der bis dahin komplett harmlosen Österreicher reagierten sie mit greifbarer Nervosität, billigen Fehlpässen und einem gehetzten Gesichtsausdruck.

Erst, als Bilić sieben Minuten vor dem Ende mit Vukojević (statt Olić) einen zweiten Sechser brachte und auf ein 4-2-3-1 ging, beruhigte sich die Lage, weil die Sechser nun außen helfen konnten und die Mitte durch Modrić immer noch abgedeckt war. Die Auftaktpartie der Österreicher ging also mit 0:1 verloren, und es blieb die Erkenntnis, dass es 70 Minuten zu lang gedauert hat, bis man sich endlich getraut hat, die Kroaten unter Druck zu setzen.

Deutschland - Polen 2:0 (1:0)

Deutschland – Polen 2:0 (1:0)

Die Polen sind so etwas wie Quali-Experten: Der Weg zu einem Großereignis wird recht souverän bestritten, aber beim Turnier selbst geht nicht viel. Das war 2002 der Gall, 2006 ebenfalls, und 2008 machte da auch keine Ausnahme.

Mit ihrem holländischen Teamchef Leo Beenhakker stellten sich die Polen in ihrem ersten Spiel den Deutschen in einem 4-2-3-1 entgegen, allerdings nicht ohne Flaws. Die Außenverteidiger Golański und Wasilewski machten sehr wenig nach vorne und der auf die Zehn gestellte Jacek Krzynówek ist eher ein Flügelspieler.

Immerhin: Gegen das Mittelfeld-Duo im deutschen 4-4-2, Ballack und Frings, gelang es gemeinsam mit den Sechsern Dudka und Lewandowski, das Zentrum zu kontrollieren und die Deutschen auf die Flügel zu zwingen. Dort spielten Podolski links (was zu diesem Zeitpunkt eine komplette Neuheit war) und Fritz ersetzte den nicht ganz fitten Schweinsteiger auf der rechten Außenbahn.

Die Deutschen kontrollierten den Ball, rieben sich aber im Zentrum auf und bekamen überhaupt keinen Zugriff auf den Mittelkreis. Die erste Aktion, in der es doch mal über die Mitte ging, verwertete Podolski zum 1:0 nach zwanzig Minuten. Das Problem mit dem Zentrum blieb aber bestehen. Die Polen wurden zwar (mit einer einzigen Ausnahme nach rund einer halben Stunde) überhaupt nicht gefährlich, aber das zugemachte Zentrum setzte den Deutschen zu – Vorwärts-Läufe von Metzelder sollten immer wieder Abhilfe schaffen, taten das aber nicht wirklich.

Für die zweite Hälfte stellte Beenhakker um, brachte Guerreiro für die Zehn, stellte Krzynówek auf dessen linke Seite und Smolarek ging für den ausgewechselten Żurawski in die Spitze. Mit dem gebürtigen Brasilianer kam merklich Schwung ins Offensiv-Spiel der Polen, auch weil Krzynówek gegen Fritz ganz gut agierte. Löw konterte wenige Minuten später, indem er Schweinsteiger für Fritz brachte – aber weniger für die rechte Seite, sondern eher in eine zentralere Rolle um die Unterzahl dort etwas auszugleichen. Das erforderte im Gegenzug von Lahm, dass er deutlich mehr nach vorne marschierte als zuvor.

Zudem kam mit Schweinsteiger mehr Kampfkraft ins deutsche Spiel und eine zusätzliche Option für Angriffe, die nicht nur über die Flanken gingen. Ehe es ein guter Einsatz des neuen Mannes war, der in der 70. Minute das 2:0 für Deutschland einleitete. Das sicherte den Arbeitssieg der deutschen Mannschaft, aber die Probleme wurden selbst gegen die harmlosen Polen schon angedeutet: Im 4-4-2 fehlt es an Optionen im Zentrum, auch weil Frings ein reiner Zerstörer ist und Ballack in der Gestaltung aus dem Zentrum auf sich alleine gestellt war.

Stand nach dem ersten Spieltag: Deutschland 3, Kroatien 3, Österreich 0, Polen 0.

Kroatien – Deutschland 2:1 (1:0)

Wenn das die biederen Polen schon zumindest kontrollieren können, nützen das die individuell deutlich besseren Kroaten natürlich gnadenlos aus. Bilić stellte Kranjčar als hängende Spitze hinter Olić. Dadurch, dass sich Kranjčar bei Bedarf ins Mittelfeld zurückziehen konnte, war dort ein 3-gegen-2 gegen Frings und Ballack.

Kroatien - Deutschland 2:1 (1:0)

Womit die Kroaten das Zentrum in der Hand hatten und durch die aktiven Außenspieler von den Deutschen nichts befürchte mussten. Vor allem Ćorluka und Srna hatten keinerlei Mühe, auf der anderen Seite ließen sich Lahm und Fritz von den sich sehr gut bewegenden Pranjić und Raikitić oft aus der Position ziehen – so entstand das 1:0 von Srna nach einer Flanke von Pranjić.

Doch nicht nur die deutschen Spieler lieferten eine schwache Performance ab, auch Joachim Löw trug dazu bei. Er brachte für die zweite Hälfte Odonkor statt Jansen, dafür ging Lahm nach links, Fritz nach hinten und Odonkor auf die rechte Mittelfeld-Seite. Ein Komplett-Flop – denn Odonkor konnte kaum Bälle halten. Konnte sein Tempo nicht ausspielen, weil er erstens zu hoch stand und zweitens nie steil geschickt wurde. Und drittens war Pranjić noch freier als zuvor.

Zudem wurde auch das fragwürdige Positionsspiel der Außenverteidiger im Rücken der offensiven Mittelfeld-Außen nicht besser, so fiel das 2:0 durch Olić nach einer Stunde, weil Rakitić unbedrängt flanken hatten dürfen. Löw stellte wiederum nur innerhalb des Systems um – Gomez raus, Podolski nach vorne, Schweinsteiger rein – und behob das Grundproblem nicht. Ballack rückte zwar auf, aber Frings war mit dem sehr mobilen und gerne auf der Tiefen kommenden Modrić etwas überfordert.

Zwar fiel zehn Minuten vor Schluss der Anschlusstreffer durch Podolski. Doch schoss sich Löw mit seiner dritten Umstellung endgültig ins Knie: Kuranyi kam (für Fritz), es wurde auf ein 4-3-3 mit drei klaren Stürmern umgestellt, und Odonkor musste auf die LV-Position. Dort war dieser aber dermaßen verunsichert, dass es da wieder vermehrt Gefahr gab – während die Kroaten hinten nun mit einer Fünferkette (Knežević war für Kranjčar gekommen) das 2:1 über die Zeit schaukelte. Und am Ende sogar einer mehr war, weil Schweinsteiger nach einer Tätlichkeit die rote Karte sah.

Eine verdiente Niederlage für Deutschland in einem der wenigen Spiele, dass Jogi Löw komplett vercoacht hat.

Österreich - Polen 1:1 (0:1)

Österreich – Polen 1:1 (0:1)

Nein, eine Offensiv-Taktik gegen Polen werde es nicht geben. Nein, Ümit Korkmaz wird nicht von Beginn an spielen. Ja, es wird wieder genauso ultra-vorsichtig angelegt wie gegen Kroatien. Pepi Hickersberger verscheißerte mit seinen Aussagen im Vorfeld der Partie nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Leo Beenhakker, denn der stellte Żewłakow auf die linke Abwehr-Seite, um dort auf Harnik aufzupassen, dafür mit Bąk und Jop zwei robuste, aber langsame Innenverteidiger gegen Linz.

Zudem trug er seiner Mannschaft auf, mit einer extrem hohen Verteidigungslinie zu spielen, um die Österreicher, wenn sie sich schon hinten einigelten, wenigsten mit Manpower zu überfahren. Was für ein grandioser Fehler das war! Hickersberger schickte ein seltsames Mittelding aus 4-3-3 und 4-2-4 auf’s Feld, in dem Linz und Harnik zentraler agierten, Ivanschitz tendenziell von der linken Seite kam. Und in dem die hohe Linie der Polen höchst offensichtlich bloßgestellt wurde – weil Jop fürchterlich spielte, Wasilewski mit Korkmaz nicht mitkam, Żewłakow keine Ahnung hatte, wen er decken sollte, und man daraus auch nicht lernte.

Zumindest nicht, ehe Harnik und Leitgeb diverse Male im Rücken der Abwehr alleine auf Boruc zugelaufen waren, es aber immer irgendwie geschaffte hatten, den Ball nicht im Tor unterzubringen. Und bis Roger Guerreiro, den Beenhakker diesmal auf die Zehn in seinem 4-2-3-1 stellte, völlig entgegen des Spielverlaufs zum 1:0 für Polen traf. Dabei stand er zwar meterweit im Abseits, aber das Tor zählte.

Die Polen reagierten auf den unverhoffte Führung gut: Zum einen zogen sie ihre Vertedigungslinie 30 bis 40 Meter zurück, zum anderen setzten sie den jeweils ballführenden Österreicher unter Druck, sodass das ÖFB-Team erst mal gar nicht dazu kam, sich schnell zu erholen und sofort zurück zu schlagen. Zudem stellte Beenhakker für die zweite Hälfte seine Viererkette um, nahm den inferioren Jop raus und brachte mit Golański einen gelernten Linksverteidiger. Somit stand auch die Abwehr besser, Korkmaz kam kaum mehr durch und die Fehlpässe im österreichischen Aufbau häuften sich.

Daran änderte sich auch nichts, als Vastic für Ivanschitz kam – der 39-Jährige war unsichtbar, schlug schreckliche Ecken, noch schrecklichere Freistöße und war eigentlich ein untragbarer Zustand – und auch nicht, obwohl mit Kienast (für Linz) ein Stürmer kam, der die Bälle besser halten konnte. Die Polen standen tief, machten die Räume eng; raubten den Österreichern so deren größter Stärke (dem Tempo) und förderten deren größte Schwäche (Spielgestaltung gegen einen defensiven Gegner) zu Tage. Die Maßnahme, Passgeber Säumel statt des Zerstörers Aufhauser zu bringen, war ein Schritt in die richtige Richtung, aber es brauchte einen Elfer in der Nachspielzeit, um doch noch zum Ausgleich zu kommen. Referee Webb ahndete ein Trikotvergehen von Bąk an Prödl, Vastic verwertete eiskalt. Die einzige gelungene Aktion des Oldies, aber sie rettete das 1:1 und damit die Chance auf das Viertelfinale.

Stand vor dem letzten Spieltag: Kroatien 6, Deutschland 3, Österreich 1, Polen 1.

Polen - Kroatien 0:1 (0:0)

Polen – Kroatien 0:1 (0:0)

Die Kroaten waren indes bereits fix Gruppensieger, weswegen Slaven Bilić gegen Polen die Reservisten ran ließ. Was aber nicht bedeutete, dass diese locker ließen. Im Gegenteil, vor allem Vukojević  und Porkivač im zentralen Mittelfeld machten komplett zu.

Beenhakker ließ mit Murawski einen zusätzlichen Mann für das offensive Mittelfeld ran, dahinter spielte der grimmige Lewandowski als alleiniger Sechser; Dudka ging in die Innenverteidigung. Was aber alles nichts daran änderte, dass das Spiel der Polen zu langsam und zu umständlich von Statten ging. Da Lewandowski keiner für die Spieleröffnung ist, standen Murawski und Guerreiro alleine gegen Vukojević  und Porkivač, da gab es kein Durchkommen.

Und weil mit Wasilewski und Wawrzyniak auch die Außenverteidiger nicht genug Dampf nach vorne machten um die Flügelspieler Łobodziński und Krzynówek zu unterstützen, hatte Kroatien keine groben Probleme. Im Gegenteil, vor allem Danijel Pranjić zeigte große Spielfreude, hinterlief Rakitić oft und legte auch das Siegtor von Rakitić kurz nach der Pause auf.

Beenhakker versuchte für die zweite Halbzeit, das Passspiel im Mittelfeld zu stärken, indem er Lewandowski aus dem Spiel nahm, Dudka nach vorne zu und Kokoszka neu für die Verteidigung brachte, und tatsächlich merkte man nun schon, dass das Mittelfeld einen sichereren Eindruck machte. Aber dennoch: Chancen konnte man sich bis zum Schluss keine herausspielen. Eine Qualitätsfrage; bei Kroatien machte auch die B-Elf einen guten Eindruck, bei den Polen fand man eben kein Rezept. Darum ist die eine Mannschaft Gruppensieger, die andere Gruppenletzte.

Österreich – Deutschland 0:1 (0:0)

Österreich - Deutschland 0:1 (0:0)

Nein, großgewachsen sind die österreichischen Offensiv-Kräfte nicht. Mertesacker und Metzelder in der deutschen Abwehr aber schon. „Soll ich jetzt sagen“, sagte Hickersberger vor der Partie, „Komm, Ümit, nimm deiner Leiter mit auf’s Feld?“ Ob er es tat, ist nicht überliefert. Korkmaz spielte aber. Genau wie Harnik – und Hoffer statt Linz in der Zentrale.

Überhaupt war das System ziemlich un-österreichisch. Mit einem astreinen 3-4-3 lief Österreich auf. Als Folge einer Reihe von Überlegungen, die allesamt Sinn machten. Hinten standen also Stranzl, Hiden (statt des gesperrten Prödl) und Pogatetz in einer Dreier-Kette gegen das Sturm-Duo Klose/Gomez. Im Zentrum kümmerte sich Aufhauser um Ballack, während Ivanschitz den Spielgestalter gab – ausgeglichene personelle Verhältnisse, bei Ballack und Frings war die Aufteilung ähnlich.

Der Clou war aber, dass Garics (rechts) und Fuchs (links) als Wing-Backs sehr hoch agieren konnten, somit einerseits Fritz und vor allem Podolski am Offensiv-Drang hindert konnten. Und andererseits, dass sie die beiden Außenstürmer Korkmaz und Harnik unterstützen konnten, ohne dabei defensiv in Troubles zu kommen, weil ja noch die Außenspieler der Dreierkette absichern konnten. Womit Friedrich und Lahm komplett hinten festegenagelt wurden.

Und weil eh kein Österreicher gegen Merte und Metze ein Kopfballduell holen könnte, durfte Wusler Jimmy Hoffer im Zentrum ran – den langen Kienast behielt Hicke als Joker auf der Bank. Hoffer war zwar extrem nervös, konnte kaum einen Ball stoppen und verstolperte einige gute Möglichkeiten, die Überlegung hinter seiner Nominierung war aber nachvollziehbar.

Nach einem von Gomez – der ein schreckliches Turnier spielte – aus einem Meter vergeben Torchance spielte dann auch nur noch Österreich. „Die Deutschen scheißen sich jetzt in die Hose“, hatte Martin Harnik im Vorfeld etwas gar vollmundig gemeint – der U20-Held von Kanada war zum Zeitpunkt des Turniers immerhin Stammspieler in Bremens Regionalliga-Team – und eine gewisse Verunsicherung war beim DFB-Team durchaus zu spüren. Weil eben wie schon in den ersten beiden Spielen das Mittelfeld-Zentrum neutralisiert wurde und durch die extrem offensiven Außen der Österreicher auf über die Flanken keine Impulse gesetzt werden konnten.

Alleine, die Konsequenz im Abschluss fehlte. Gerade Per Mertesacker machte eine starke Partie und Jens Lehmann war, anders als noch beim Testspiel im Februar ’08, recht sicher. So war Österreich die aktivere Mannschaft, die den Gegner mit einem passenden System erfolgreich bekämpfte, aber zur Halbzeit stand es Null zu Null. Übrigens nicht nur an Toren, sondern auch an Trainern in den Coaching-Zonen: Löw und Hickersberger mussten in der 40. Minute beide auf die Tribüne, weil sich der vierte Offizielle, Damir Skomina, bemüßigt fühlte, sich zwischen den lautstark Anweisungen gebenden Teamchefs etwas wichtig machen zu müssen.

Ein Unentschieden reichte den Deutschen für das Viertelfinale, aber sich auf ein 0:0 zu verlassen war gegen die beherzten Österreich doch etwas riskant. Ehe sich in der 48. Minute das Spiel mit nur einem Sechser rächte und Ivanschitz im Zurücklaufen in einen Defensiv-Zweikampf mit Lahm zu spät kam. Gelb, Freistoß aus 30 Metern – und dieser wurde per Gewaltschuss von Ballack, unhaltbar für Macho, zum 1:0 für Deutschland verwertet.

Letzte halbe Stunde

Der ein halbes Jahr nach diesem Spiel an Krebs verstorbene Peter Persidis, der nun in Vertretung von Hickersberger die Geschicke auf der Bank leitete, stellte nach einer Stunde um. Er löste die Dreierkette auf, brachte die Ballverteiler Säumel und Leitgeb statt der Zerstörer Aufhauser und Hiden; zudem stellte er mit Kienast (statt Harnik) nun doch einen Langen in den Strafraum.

Österreich warf mit dem Mut der Verzweiflung alles nach vorne. Garics übernahm die rechte Seite im Alleingang, auf der linken taten Fuchs und Korkmaz ihr möglichstes; dazu war Leitgeb sehr aktiv. Aber bis auf einen Drehschuss von Hoffer, der knapp links am Tor vorbeiging, gab es keine wirklichen Chancen mehr. Ein Spiegelbild des Turniers für das ÖFB-Team: Bemüht, zuweilen durchaus ansehnlich, aber harmlos vor dem Tor.

Am Ende schwanden neben der Hoffnung nach naturgemäß auch die Kräfte. Vor allem Philipp Lahm nützte das vermehrt für Vorstöße, und in der Schlussphase war die deutsche Mannschaft doch die mit den größeren Reserven. Der kurz vor Schluss für den schwachen Podolski gekommene Neuville vergab in der Nachspielzeit noch die Chance auf das 2:0. Aber das machte keinen Unterschied mehr.

Endstand der Gruppe: Kroatien 9, Deutschland 6, Österreich 1, Polen 1.

Österreich belegte am Ende verdientermaßen den dritten Gruppenplatz. Man zeigte sich engagierte und kompakter als das Team aus Polen, das in zweieinhalb Spielen klar schlechter war als der Gegner. Es wurde aus Sicht des Gastgebers nicht die allseits befürchtete Total-Blamage, konditionell war man voll dabei und ab der zweiten Hälfte gegen Kroatien passte auch der Einsatz. Das alles konnte aber nicht über die fehlende Klasse, das fehlende technische Rüstzeug und die fehlende internationale Erfahrung in Teilen der Mannschaft hinweg täuschen.

Das alles zeigten die Kroatien klar am Besten, die zittrige Schlussphase gegen Österreich war der Mannschaft ganz deutlich eine Warnung, das Spiel gegen Polen wurde selbst vom B-Team mit großer Ernsthaftigkeit durchgespielt. Die deutsche Mannschaft zeigte in allen drei Spielen, dass das 4-4-2 mit Frings und Ballack im Zentrum keine Option mehr war, mit der man im Turnier noch viel erreichen hätte können. Darum war der 1:0-Arbeitssieg gegen den Gastgeber auch das letzte Spiel mit dieser Formation. Schon im Viertelfinale gegen Portugal kam die System-Umstellung…

(phe)

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So biegt Österreich die „Rode Duivels“ https://ballverliebt.eu/2010/10/11/das-sind-die-rode-duivels/ https://ballverliebt.eu/2010/10/11/das-sind-die-rode-duivels/#comments Mon, 11 Oct 2010 21:47:59 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2882 So biegt Österreich die „Rode Duivels“ weiterlesen ]]> Der erste echte Tester für das ÖFB-Team nach den beiden mühsamen Pflichtsiegen gegen Kasachstan und Aserbaidschan ist die Auswärtsfahrt nach Brüssel. Die Belgier sind seit der letzten WM-Teilnahme 2002 in einem ähnlichen Tal wie Österreich, haben aber durchaus Talent in ihrem Kader.

Belgien, voraussichtliche Formation

Als Belgien zuletzt auf der großen Bühne des Weltfußballs aufgetreten ist, war noch Marc Wilmots der Chef auf dem Platz; der herbe Gert Verheyen wetzte auf der Flanke, Mbo Mpenza sollte für die Tore sorgen. Das Team hatte im WM-Achtelfinale von Kobe die Brasilianer zwar fest im Griff, ein Geniestreich von Rivaldo sorgte aber für das belgische Aus. Ein Aus für lange Zeit.

Von der damaligen Mannschaft sind noch zwei Spieler dabei: Daniel van Buyten und Timmy Simons. Beide haben ihre beste Zeit schon deutlich hinter sich. Aber rund um die beiden Routiniers hat sich in den letzten Jahren wieder jede Menge Talent versammelt. So sind sieben Spieler aus dem Olympia-Kader von Peking grundsätzlich im Kader (sofern nicht verletzt) – dort kamen die „Roten Teufel“ immerhin ins Semfinale.

Die prägende Figur ist jetzt im A-Nationalteam dieselbe wie vor zwei Jahren in Peking: Maroane Fellaini von Everton. Er ist nicht nur wegen seiner, nun ja, ungewöhnlichen Frisur der auffälligste Spieler. In der Offensivzentrale des üblichen 4-1-3-2 zieht der erst 22-jährige die Fäden. Er arbeitet viel nach vorne, hat ein Auge für die Mitspieler, ist kopfballstark und kann auch selbst zum Abschluss kommen. Dafür ist er weitgehend von Defensiv-Aufgaben befreit – Timmy Simons (33, Nürnberg) schaltet sich dafür kaum jemals in die Offensive ein. Gegen den Ball lässt er sich sehr tief fallen und macht zwischen Vincent Kompany (24, Man City) und Daniel van Buyten (32, Bayern) den dritten Innenverteidiger vor dem üblicherweise recht soliden Torwart Logan Bailly (24, M’gladbach). Im Ballbesitz schiebt die Verteidigungsreihe extrem weit nach vorne, hier stehen Van Buyten und Kompany nicht selten auf Höhe der Mittellinie.

Vor allem Van Buyten neigt jedoch in der letzten Zeit immer wieder zu bösen Schnitzern – nicht nur beim FC Bayern, sondern etwa auch im ersten Spiel gegen Deutschland. Dort leitete sein Fehler das einzige Tor für die Deutschen ein! Beide Innenverteidiger sind sehr robust und extrem kopfballstark, aber nicht die Schnellsten. Hier empfielt es sich also, einen schnellen, kleinen Stürmer aufzustellen. Jimmy Hoffer wäre dazu prädestiniert, zumal sein Tempo der zu erwartenden österreichischen Kontertaktik zusätzlich entgegen kommen würde.

Auf den Außenpositionen würden in der Wunsch-Aufstellung des belgischen Teamchefs Leekens ebenso zwei gelernte Innenverteidiger spielen – nämlich Toby Alderweireld (21, Ajax) rechts und der etatmäßige Kapitän Thomas Vermaelen links. Weil der Arsenal-Spieler aber verletzt ist, dürfte wie schon in Astana Olivier Deschacht (29, Anderlecht) zum Einsatz kommen. Er hat zwar nicht annähernd die Klasse von Vermaelen, ist aber dafür ein echter Linksverteidiger.

Die Belgier verteidigen in der Regel trichterförmig – das heißt, die gegnerischen Angriffe sollen ins Zentrum zur Dreierkette Van Buyten/Simons/Kompany gelenkt werden. Deshalb ziehen die belgischen AV auch eher in Richtung Zentrum. Das hat etwa gegen Deutschen dazu geführt, dass die gegnerischen Außenstürmer viel Platz haben, um hinter den AV bis zur Grundlinie zu gehen und dort in den Rücken der Abwehr zu flanken. Die Deutschen Philipp Lahm und Thomas Müller exerzierten das bei deren 1:0-Sieg schulbuchmäßig vor.

Das Rezept wäre also: Mit schnellen Doppelpässen der Flankenspieler (also voraussichtlich Fuchs/Arnautovic, in erster Linie) mit dem offensiven Mittelfeld (Junuzovic würde sich da anbieten) in den Raum hinter die belgischen AV durchzubrechen, um von dort so flach wie möglich in die Mitte zu flanken. Ideal wäre, wenn dort sowohl kurz als auch lang eine Anspielstation lauert. So sollte die Sturmspitze etwa die eine Position einnehmen, und der zentrale Offensivmann im Mittelfeld (Juno, der in die Mitte ziehen könnte) die andere.

Wie sind die belgischen AV auszuhebeln? Etwa mit schnellen Pässen zwischen LV Fuchs, OM Junozovic (der sich danach Richtung zweiten Pfosten orientiert) und LM Arnautovic, der gegen die großen, kopfballstarken belgischen IV flach flankt. Dort könnte der Ball Juno finden - oder die Sturmspitze, die mit ihm die Laufwege kreuzt. Bei Tempo sind die belgischen IV anfällig.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass RV Toby Alderweireld besonders viel Offensivgeist entwickeln wird. Zum einen, weil er mit Arnautovic den Spieler gegen sich haben sollte, vor dem George Leekens mit Abstand den höchsten Respekt hat. Vor allem aber, weil die belgischen Außen eben eher nach innen ziehen, weniger nach vorne. Was zur Folge hat, dass die beiden Flügelspieler im Mittelfeld (normalerweise Démbélé von Fulham und Hazard von Lille, die aber beide verletzt sind) nicht nur für die Offensive eine entscheidende Rolle spielen, sondern auch für die Defensive. Jelle van Damme (26, Wolverhampton) und Axel Witsel (21, Lüttich) haben diese Positionen beim 2:0 in Astana eingenommen, und werden das vermutlich auch gegen Österreich tun. Gegen den Ball übernehmen sie die Agenden der nach innen ziehenden AV, im Ballbesitz haben sie im Vorwärtsgang aber nicht immer bedingungslose Hilfe von hinten zu erwarten.

In der Offensive zeigt sich bei den Belgiern ein entgegengesetztes Bild gegenüber der Abwehr: Hier sind die Spieler vor allem technisch beschlagen und sehr schnell. Die Flügel sowieso, aber auch Fellaini und Stürmer Jelle Vossen (21) – sollte er nicht seinem Genk-Vereinskollegen Marvin Ogunjimi (22) Platz machen müssen, der als Joker beide Tore in Kasachstan erzielt hat. Gesetzt ist indes Sturmpartner Romelu Lukaku. Das Wunderkind von Anderlecht ist trotz seiner erst 17 Jahre mit 1.92m Größe und 95kg an Gewicht ein veritabler Schrank. Zudem hat er überlicherweise durchaus Torriecher, letzte Saison war er Torschützenkönig in der belgischen Meisterschaft. Auf einen Treffer im Nationalteam wartet er aber noch.

Die Ausfälle von Hazard und Démbélé schmerzen Temchef Leekens fraglos deutlich mehr als jener von Kapitän Vermaelen, denn ohne die beiden unerhört schnellen und technisch extrem starken Außenstürmer fehlt der Mannschaft eine zentrale Stärke. Was aber nicht heißt, dass Fuchs und (vermutlich) Klein die beiden unterschätzen sollten – vor allem Witsel wird zweifellos besonders darauf aus sein, den Mainzer so viel wie möglich hinten zu beschäftigen. Eher schon könnte Jelle van Damme, der vor einigen Jahren bei Werder Bremen kläglich gescheitert war, ein Schwachpunkt sein.

Worauf ist also aus österreichischer Sicht zu achten? Es ist bereits durchgeklungen, dass Constantini mit einem 4-2-3-1 plant. Sicher werden die beiden IV (wohl wieder Prödl und Scharner) mit dem belgischen Sturm-Duo gut beschäftigt sein, Wadlbeißer Schiemer im DM als Kettenhund vor Fellaini wäre sicher nicht verkehrt. Der zweite DM (Baumgartlinger oder Pehlivan) darf da ruhig ein paar Freiheiten mehr genießen, zumal beide in der Spieleröffnung eine Klasse besser sind als Schiemer. Links ist Fuchs ohnehin gesetzt, er dürfte mit Witsel aber einiges zu tun bekommen; Klein rechts wird den Belgiern wohl etwas weniger Kopfzerbrechen bereiten.

Kavlak vor ihm wird mit Deschacht zwar einen gelernten LV gegen sich haben, ist diesem in puncto Technik und Tempo aber zweifellos überlegen – ähnlich wie Arnautovic mit Alderweireld auf der anderen Flanke. Junuzovic in der Zentrale wird ein Gespür dafür brauchen, welche Seite er eher unterstützen soll, denn durch die Mitte wird nicht viel gehen. Warum Constantini vorne gegen die extrem robusten, aber technisch limitierten IV in Maierhofer einen ebensolchen Stürmer aufbieten will, ist eher ein Mysterium. Ein kleiner, schneller Stürmer, der auch bei Kontern brauchbar ist (wie Hoffer), wäre wohl die sinnvollere Variante.

Denn Belgien wird als Heimmannschaft unter Druck mit technisch starken Offensivspielern zweifellos das Spiel gestalten, was das ÖFB-Team mit schnellen Kontern ausnützen kann. Dafür stehen Arnautovic und Kavlak. Maierhofer etwas weniger.

Wenn das mal nicht nach hinten losgeht…

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Was sich sonst noch tut: In der Österreich-Gruppe stehen die Favoriten Deutschland (nach dem 3:0 in Berlin gegen die Türkei) in Kasachstan und Türkei (in Aserbaidschan) vor Pflichtsiegen, was das Spiel in Brüssel auf dem Papier zum engsten des Tages werden lässt.

Rehabilitation für das peinliche 1:3 in Armenien ist für WM-Achtelfinalist Slowakei daheim gegen Irland (zuletzt 2:3 gegen Russland) angesagt; ebenso wie für die Serben nach deren 1:3-Heimblamage gegen Estland. Problem dabei: Serbien muss nach Genua und sich dort mit Italien messen…

Die Holländer empfangen nach dem mühsamen 1:0 in Moldawien nun mit Schweden den härtesten Gruppen-Gegner; England die erstaunlichen Montenegriner. Die haben mit drei Toren in drei Spielen neun Punkte geholt! Die Schweizer kämpfen nach dem 0:1 in Podgorica daheim gegen Wales schon um die letzte Chance aufs EM-Ticket. Und Weltmeister Spanien fliegt nach Schottland.

Kleiner Ausflug noch in die Africacup-Qualifikation: Dort hat Titelverteidiger Ägypten sensationell 0:1 in Niger verloren – damit ist der Weg für den noch unbesiegten Gruppengegner Südafrika fast schon frei. Auch WM-Starter Algerien hat mit einem 1:1 gegen Tansania und einem 0:2 in der Zentralafrikanischen Republik (!) einen fürcherlichen Fehlstart hingelegt. Dafür sind überraschend Botswana und die Kapverden auf Kurs zu ihrer ersten Afrikacup-Teilnahme!

(phe)

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Geduldsspiel voraus https://ballverliebt.eu/2010/10/08/geduldsspiel-voraus/ https://ballverliebt.eu/2010/10/08/geduldsspiel-voraus/#respond Fri, 08 Oct 2010 14:12:46 +0000 http://ballverliebt.eu/?p=2812 Geduldsspiel voraus weiterlesen ]]> Gegen Berti Vogts‘ Azeris muss heute, geht es nach der Papierform, ein Sieg für das österreichische Team her. Es sieht so aus, als sollte Constantini etwas offensiver Spielen lassen als gegen Kasachstan. Ein Geduldspiel droht es dennoch zu werden.

Nach der Katastrophe gegen Kasachstan geht es heute für das ÖFB-Team um den zweiten (und wohl letzten) Pflichtsieg dieser Qualifikation. Weswegen es so aussieht, als sollte der Teamchef diesmal tatsächlich nur auf einen Sechser bauern –  Schiemer oder Scharner. Es bleibt zu hoffen, dass es Scharner sein wird, denn Turban-Schiemer ist im Spielaufbau deutlich schwächer als der West-Brom-Legionär.

Mangels eines echten Rechtsverteidigers (Dag ist verletzt, Garics zu intelligent für den Teamchef) wird wohl Flo Klein diese Position ausfüllen. Das muss nicht mal eine schlechte Wahl sein, denn zum einen ist Klein von seinem Naturell recht offensiv, zum anderen spielt er diese Position seit geraumer Zeit auch bei der Wiener Austria. Statt des verletzten Pogatetz wird wohl Aleks Dragovic sein Comeback im Team feiern und neben Basti Prödl zentral verteidigen, links natürlich der deutsche Tabellenführer Christian Fuchs. Wann gab’s das zum letzten Mal – eine Viererkette, in der alle Spielpraxis haben?

Über die Besetzung der Defesive sind sich alle einig. Doch wie es davor aussieht? Es geistern so viele Mittelfeldvarianten durch die Medien, wie es Beobachter gibt. Diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen:

ORF: Macho – Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs – Schiemer – Arnautovic, Junuzovic, Harnik, Hoffer – Maierhofer
Krone: Macho – Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs – Scharner – Arnautovic, Junuzovic, Linz, Harnik – Maierhofer
Kurier: Macho – Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs – Schiemer – Arnautovic, Junuzovic, Linz, Hoffer – Maierhofer
laola1: Macho – Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs – Schiemer – Arnautovic, Junuzovic, Linz, Harnik – Maierhofer

Was alle als 4-1-4-1 interpretieren, sollte in der Praxis wohl eher ein 4-1-3-1-1 sein, wie es etwa die Austria zu Beginn der Saison praktiziert hat – denn dass Roland Linz wie gegen Kasachstan die hängende Spitze gibt, davon ist (seinen Startplatz vorausgesetzt) auszugehen; Maierhofer wird den nicht ganz fitten Kapitän Marc Janko ersetzen. Der Lange hat in Duisburg zuletzt einige Erfolgserlebnisse gehabt. Über die Flanken werden Arnautovic und einer aus dem Duo Harnik/Hoffer kommen. Praktikabler wäre natürlich die Variante mit Harnik (weil der das kann, auf den Seiten), aber dem Teamchef ist ja alles zuzutrauen. In der offensive Zentrale (juhu, es gibt sie wieder im ÖFB-Team!) wird aller Voraussicht nach Zlatko Junuzovic die Fäden ziehen.

Die Azeris sind gegen Deutschland mit einem 4-1-4-1 aufgelaufen und waren beim 1:6 in Köln ohne jede Chance. Das Team von Berti Vogts setzt sich fast ausschließlich aus Spielern aus der heimischen Meisterschaft zusammen (UEFA-Wertung auf Platz 37; die österreichische Bundesliga derzeit 18.), das Grundgerüst ist vom international derzeit erfolgreichsten Klub Qarabağ Ağdam – dieses Team ist zuletzt zweimal erst im Europa-League-Playoff gescheitert (diese Saison an Dortmund, letzte an Twente Enschede).

Zwei bis drei Legionäre wird Vogts aufbieten: Kapitän Rashid Sadigov in der Innenverteidigung (vom türkischen Mittelständler Eskişehirspor und den rechten Flügelspieler Mahir Shukurov (vom russischen Aufsteiger Anshi Makhatshkala). Ob der 18-jährige Aras Abdullayev, bei dem ein Winter-Transfer zu Everton kolportiert wird, in der Startformation steht, ist indes eher zweifelhaft. Es ist aber denkbar, dass das Offensiv-Talent im Laufe der Partie eingewechselt wird.

Vogts weiß zweifellos, dass sich das ÖFB-Team schwer mit der Spielgestaltung tut. Daher ist zu erwarten, dass die Azeris den Österreichern, ähnlich wie die Kasachen, viel Ballbesitz überlassen und ihr Heil im Konter suchen. Das Ziel, die Hausherren in ein Geduldsspiel zu verwickeln, ist für ein Team wie Aserbaidschan zweifellos die erfolgversprechendste Herangehensweise. Zumal das österreichische Publikum ja schon mal dazu neigt, das eigene Team auszupfeifen, wenn es nach eine halben Stunde immer noch 0:0 steht – in Wien nicht so extrem wie in Salzburg, aber eine Überraschung wäre das nicht.

Die letzten Länderspiele gegen Aserbaidschan:
WMQ in Baku, 7. September ’05, ein 0:0. Aufstellung: Schranz; Ibertsberger, Stranzl (49. Hieblinger), Pogatetz, Gercaliu (81. Säumel); Mörz, Kiesenebner, Ivanschitz, Amerhauser; Mayrleb (61. Kuljic), Linz. Teamchef Krankl.

WMQ in Wien, 8. September ’04, ein 2:0-Sieg (Stranzl 22, Kollmann 44). Aufstellung: Manninger; Standfest, Stranzl, Hiden, Pogatetz; Schopp (57. Dollinger), Kühbauer, Aufhauser, Ivanschitz; Kollmann (80. Linz), Haas (72. Glieder). Teamchef Krankl.

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Elswhere in Group A: Das größte Spiel der Österreich-Gruppe findet indes in Berlin statt, wo der WM-Dritte Deutschland auf Guus Hiddinks Türken trifft. Es werden bis zu 40.000 türkische Fans im Olympiastadion erwartet – somit also womöglich mehr als das halbe Stadion. Sportlich ist das DFB-Team der Favorit, ein Heimsieg wäre wohl schon die halbe Miete zum Gruppensieg. Die Türken haben allerdings ihre ersten beiden Spiele (in Kasachstan und gegen Belgien) gewonnen und ein Punktgewinn in Deutschland wäre ein gern genommener Bonus im Kampf um zumindest den zweiten Platz.

Belgien steht auf dem kasachischen Kunstrasen von Astana schon unter extremem Druck, nachdem die ersten beiden Partien gegen Deutschland und in der Türkei beide (knapp) verloren wurden. Zudem muss Teamchef George Leekens auf seine Verteidiger Vermaelen und Kompany sowie Kreativ-Spieler Démbélé (alle drei aus der Premier League) verzichten. Wird in Kasachstan nicht gewonnen, könnte es bei Leekens im Österreich-Spiel am Dienstag schon um den Job gehen.

Elswhere in Europe: Portugal empfängt nach dem Desaster-Start (4:4 gegen Zypern, 0:1 in Norwegen) und der Entlassung von Teamchef Queiroz in Porto Dänemark. Neben dem Deutschland-Spiel ist das Debüt des neuen Portugiesen-Frontmanns Paulo Bento wohl das meist beachtete Spiel in dieser Runde – die ansonsten nicht allzu viel hergibt.

Trapattonis Iren, die ihre ersten Spiele in Armenien und gegen Andorra in erschreckend biederer Manier für sich haben entscheiden können, sind gegen Russland krasser Außenseiter, zumal Letztere ihr Heimspiel gegen die Slowakei mit 0:1 verloren haben. Italien versucht, in Nordirland nicht gar so ins Zittern zu kommen wie beim 2:1 in Estland. Weltmeister Spanien (gegen Litauen) und Finalist Holland (in Moldawien) stehen vor Pflichtsiegen.

In der Spanien-Gruppe ist das Aufeinandertreffen zwischen Tschechien und Schottland im Prager Slavia-Stadion für die Gastgeber nach der peinlichen Heimpleite gegen Litauen im Kampf um den Playoff-Platz schon so etwas wie ein Spiel der letzten Chance. Kroatien hat bei Verfolger Israel hingegen die Möglichkeit, sich schon abzusetzen.

Während Bosnien nach der Niederlage gegen Frankreich in Albanien unbedingt gewinnen muss, um im Plansoll zu bleiben. Den französischen WM-Entertainern steht am Samstag ein heikles Heimspiel gegen Rumänien bevor. Spielfrei sind diesmal unter Anderem England und Schweden.

(phe)

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