Ballverliebt https://ballverliebt.eu Fußball. Fußball. Fußball. Tue, 25 Mar 2025 05:29:49 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.7.2 Österreich unterliegt Serbien: Der Underdog-Fußball beißt zurück https://ballverliebt.eu/2025/03/24/osterreich-serbien-nations-league-relegation/ https://ballverliebt.eu/2025/03/24/osterreich-serbien-nations-league-relegation/#respond Mon, 24 Mar 2025 22:58:57 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21320 Österreich unterliegt Serbien: Der Underdog-Fußball beißt zurück weiterlesen ]]> „Wenn man ehrlich ist, sind wir wahrscheinlich in der B-Gruppe besser aufgehoben…“ Das sagte nach dem Match in Belgrad kein Österreicher, der sich die Playoff-Niederlage gegen Serbien schönreden wollte. Sondern Dragan Stojković, Teamchef der Serben: „Aber es ist gut, dass wir in der A-Gruppe verbleiben können!“

Dass Österreich nun nach dem 1:1 in Wien und dem 0:2 in Belgrad – dem sechsten sieglosen Auftritt in der serbischen Hauptstadt in Folge – in der B-Gruppe der Nations League verleibt, ist ärgerlich, aber verschmerzbar: Natürlich wäre es gut für’s Ego, ganz oben antreten zu dürfen. Viel mehr aber sagt das verdaddelte Playoff nach dem verdaddelten Direktaufstieg aber etwas über den Gesamt-Zustand das ÖFB-Teams aus, ehe es im Juni in die WM-Qualifikation geht.

„Österreich war in beiden Spielen die bessere Mannschaft“, sagte Lazar Samardžić, Torschütze in Wien, nach dem Spiel in Belgrad. „Wir haben schlechter gespielt als wir können, Österreich ist ein starkes Team“, meinte Dušan Vlahović, dessen Treffer zum 2:0 im Rückspiel den serbischen Gesamtsieg endgültig fixierte. Doch auch, wenn die Serben ihren Erfolg mit ungewohnte Demut registrierten und Ralf Rangnick das Resultat der zwei Begegnungen als „absurd“ bezeichnete – eine gewisse Logik steckt schon dahinter.

Und diese rechtfertigt noch nicht, mit Blick auf die leichtestmögliche WM-Quali-Gruppe mit Rumänien und Bosnien-Herzegowina den Panik-Knopf zu drücken. Aber eine gewisse Rekalibrierung der Erwartungen können die Spiele seit der EM schon zur Folge haben – nicht, was die Ergebnisse angeht. Aber doch den Weg dorthin betreffend.

Das 1:1 in Wien

Wie ist Serbien verwundbar? Nun, das gäbe es einiges. Bei der EM etwa präsentierte sich die Truppe von Dragan Stojković als Meister im aneinander vorbeispielen: Draufgehen oder verteidigen? Rausspielen oder langer Hafer? Oftmals unklar. Dann das System: Serbien hat keine echten Außenverteidiger – nur umfunktionierte Flügel-Stürmer (Živković, Kostić, Birmančević, Mimović) oder umfunktionierte Innenverteidiger (Stefan Mitrović, Spajić) oder international bestenfalls mittlere AV-Preisklasse (Nedeljković, Terzić, Gajić).

Spielt Serbien Viererkette, ist die Außen-Besetzung nicht gut genug für A-Niveau und die Schnittstellen sind offen (wie beim serbischen Test vor der EM), spielt Serbien Dreier/Fünfer-Kette, ergibt sich oft Platz hinter den Wing-Backs. Tatsächlich dauerte es in Wien keine 30 Sekunden, ehe der rechte Flügelverteidiger Mimović den hinter ihm in den Raum startenden Baumgartner erstmals übersah und sich nur per Foul zu helfen wusste.

Die Serben agierten im gewohnten 3-4-1-2 und machten dabei die Reihen sehr eng, vor allem wenn die Abwehr hoch aufrückte – sehr häufig vor allem in der Anfangsphase.

So überließ man Österreich zwar den Ball, das aber möglichst weit hinten und ohne Möglichkeit, in die Mitte hinein zu spielen – dorthin, wo Rangnick-Teams am liebsten hin wollen. Die Stürmer Jović und Vlahović sowie Zehner Samardžić stellten zu dritt den Sechserraum zu, wodurch Österreich auf die Außenbahnen gedrängt wurde.

Diese Maßnahme war aber nur semi-clever, weil Österreich auf den Außenbahnen praktisch immer eine 2-gegen-1-Überzahl hatte. Hinzu kam, dass die Serben kaum in die Zweikämpfe gingen und in den Laufduellen Nachteile. Es hatte schon seinen Grund, warum sie möglichst jedes Tempo aus dem Spiel heraus halten wollten.

Kein Ertrag weil kaum Strafraum-Präsenz

Die Serben waren also sehr passiv und ließen sich damit dennoch immer wieder hinten hinein drängen. Rund um den Strafraum – vor allem links und rechts davon – agierte Österreich in diesen Phasen sehr gedankenschnell und mit kurzen, gezielten Laufwegen von nicht-ballführenden Österreichern wurde oft sehr gut Platz für den ÖFB-Spieler am Ball ausgeräumt. Nur bespielt wurde dieser nicht konsequent genug und auch die Strafraumbesetzung war zu mager.

So reichte es im Angriffsdrittel zwar, wenn Romano Schmid nur mit dem Hintern wackelte, dass der überforderte Birmančević den Weg für ihn frei machte, zumal dieser auch noch den konsequent offensiv laufenden und oft einrückenden Patrick Wimmer im Blick haben musste. Doch wenn es darum ging, den Ball in die Box zu bringen, stand dort zuweilen nur ein Österreicher gegen drei serbische Innenverteidiger plus zwei absichernde Sechser.

Einmal wurde Baumgartner von Schmid geschickt, einmal konnte man Arnautovic freispielen, aber so etwas wie Tempo im Spiel vor das Tor war bei Österreich zu selten zu sehen. Kein Zufall, dass das 1:0 in der 37. Minute weder mit spielerischen Elementen noch mit Strafraumbesetzung zu tun hatte: Langer Ball von Alaba auf Arnautovic, dessen Ablage versenkte Gregoritsch aus 18 Metern Entfernung.

Stecker gezogen

Nach der Pause knüpfte Österreich zunächst nahtlos an, Arnautovic – der lange eine großartige Partie ablieferte, einen großen Aktionsradius hatte und viele kluge, unerwartete Kurzpässe spielte – zog etwa einmal ab. Aber auch das grundsätzliche Problem blieb bestehen: Zumeist wurde nicht der Abschluss gesucht, sondern durch die vielbeinige serbische Abwehr ein besser postierter Mitspieler gesucht. Eine Suche, die oft hektisch verlief und selten mit Finden verbunden war.

Bis sehenswerte Weitschuss-Treffer von Samardžić die ansonsten erstaunlich ruhigen serbischen Fans kurzfristig aufweckte und gleichzeitig den Schwung in Österreichs Spiel zum Einschlafen brachte.

Baumgartner, der sich im Zweikampf zuvor wohl eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen hatte, musste zudem raus und Rangnick konnte eben nicht den verletzten Sabitzer oder den gelbgesperrten Laimer bringen. Es kam zunächst Muhammed Cham, in der Folge auch erstmals Raul Florucz sowie ein Xaver Schlager, der wegen anhaltender Knieprobleme noch keine einzige Minute im Jahr 2025 absolvieren hatte können.

Die Serben jedenfalls bunkerten sich nun hinten ein und Österreich erging es ähnlich wie im EM-Achtelfinale gegen die Türkei: Viel Ballbesitz gegen einen tief stehenden Kontrahenten, aber wenig Idee, wie es ohne die Chance, jemanden anzulaufen und ihm so den Ball abzunehmen, Torgelegenheiten geben soll. Die guten, kurzen Laufwege aus der ersten Halbzeit? Weg. Die unzureichende Besetzung des Strafraums dafür – immer noch da.

In der 89. Minute fand Arnautovic nach Flanke von Cham noch die Gelegenheit auf den Siegtreffer vor, aber es war die einzige seriöse Chance. Die letzte halbe Stunde des Spiels war ziemlich lähmend.

Das 0:2 in Belgrad

Für das Match in der serbischen Hauptstadt adaptierte Dragan Stojković seine Formation ein wenig. Statt dem 3-4-1-2, das die Außenbahnen relativ offen gelassen hatte, kam nun ein 5-2-2-1 zum Einsatz. In diesem hatten Samardžić und Lukić die Aufgabe, im Zentrum Überzahl herzustellen und Österreich damit wieder nicht durch die Mitte aufbauen zu lassen. Gleichzeitig aber verschoben sie nach außen, wenn das ÖFB-Team den Ball dort hin spielte, und sie stellten somit auch dort die gefahrlosen Aufbau-Routen für Österreich zu.

Damit sah das Match sehr ähnlich aus wie die letzte halbe Stunde von Wien, nur eben von Anfang an. Österreich sammelte Ballbesitz, allerdings nur dort, wo es Serbien nicht weh tat. Bei Ballverlusten war das ÖFB-Team schnell griffig im Gegenpressing, aber es fehlte gleichzeitig die Bereitschaft, aus den Strukturen heraus Laufwege anzubieten, welche die Serben aus der Formation reißen konnten. Das traute man sich vorne am serbischen Strafraum in Wien zu – aus der letzten Linie heraus in Belgrad aber nicht.

Hier fehlte wohl auch die Präsenz und das Spielgefühl von David Alaba, der nach seiner langen Verletzungspause noch nicht ganz die Sicherheit für zweimal 90 Minuten direkt hintereinander hatte. Österreich agierte sehr statisch und strahlte sehr wenig Torgefahr aus. Schmid kam einmal aus guter Position zum Schuss, viel mehr war nicht: Instinktiv drängte der österreichische durch das Zentrum, wo dieser Aufbau so gut wie immer von den Serben verschluckt wurde.

Slapstick-Gegentor und Ausschluss

Rangnick stellte in der Pause ziemlich um: Laimer, der auf der Zehn mitten im Gewühl verpuffte, war nun Rechtsverteidiger und Wimmer ging statt Mwene nach links, dafür kam Arnautovic statt Flügelspieler Cham für die Spitze und Grüll dafür neu auf den Flügel. Was sich am Spiel änderte? Nicht sehr viel, bis zu 56. Minute. Da passte Schlager einen Abstoß kurz nach vorne auf Seiwald, dieser bekam aber von Maksimović Druck – panisch bolzte Seiwald die Kugel zurück Richtung Tor, Schlager konnte den Ball überrascht nur noch irgendwie an den Pfosten lenken, gegen den abstaubenden Maksimović war er machtlos.

Die Serben hatten derweil ihrerseits umgestellt: Der flinke Stürmer Luka Jović war für Sechser Gudelj gekommen, im 5-3-2 wollte man nun vermehrt Nadelstiche setzen, während gleichzeitig stets eine Dreierkette vor der Abwehr das Zentrum abdichtete. Vlahović traf kurz nach dem 1:0 auch noch den Pfosten, Österreich verlor in dieser Phase spürbar die Ruhe und die Ordnung. Und dann holze auch noch Trauner den in den Strafraum ziehenden Mitrović um – kurz vor der Strafraumgrenze, damit gab’s den Ausschluss.

Mehr Risiko in Unterzahl

In der Folge kam Alaba nun doch rein, er füllte die von Trauner hinterlassene Lücke, Österreich musste nun aus einem 4-2-2-1 heraus erhöhtes Risiko gehen. Vlahović traf einmal knapp aus Abseits schon zum vermeintlichen 2:0, zweimal rettete auch Schlager in höchster Not.

Ab ca. 75. Minute

Andererseits war dieser Endspurt aber auch jene Phase im Match, in der Österreich noch am strukturiertesten in Richtung Strafraum kam. Weil es eben nichts mehr brachte, mit der defensiven Absicherung als Handbremse auf halber Höhe zu stehen, wurde nun mehr Leute nach vorne committed und es gab auch in Ansätzen wieder jedes Spiel um den Strafraum, mit dem man die Serben in der ersten Halbzeit in Wien so genervt hatte.

Es blieb aber auch dabei, dass Österreich daraus nicht in seriöse Abschlusspositionen kam. So fiel am Ende aus einem Konter das 2:0 für Serbien statt der rettende Ausgleich für Österreich.

Was haben wir gelernt?

Natürlich stellt sich Ralf Rangnick schützend vor sein Team. Wir kennen ihn aus drei Jahren Teamchef nun aber doch auch schon gut genug, um zu erahnen: Je energischer er das tut, desto mehr brodelt es in ihm. Schon auch natürlich, weil damit der Aufstieg in die A-Gruppe der Nations League nach dem mega-unnötigen späten Ausgleich gegen Slowenien im November quasi zum zweiten Mal verspielt worden ist.

Zum anderen aber auch, weil die Learnings aus den beiden Serbien spielen eh genau jene sind, die es schon aus dem EM-Achtelfinale gegen die Türkei zu ziehen gab und aus den Slowenien-Spielen im Herbst: Gegen ein gutklassiges, geschickt verteidigendes Team (wie die Türkei) fehlen die Ideen, wenn man selbst gestalten muss. Und zweitens: Wenn man schon das Spiel im Griff hat und sich auch irgendwie eine Führung erarbeitet hat, wär’s halt schon gut, diese gegen einen im Grunde geschlagenen Gegner auch drüber zu bringen.

Und hier ist eben die individuelle Qualität der Spieler auch ein Thema. Natürlich hat Österreich einen Alaba, der seit 15 Jahren – sofern fit – bei Bayern München und Real Madrid immer bombenfeste Stammkraft war. Ja, es gibt einen Marcel Sabitzer, dessen Zahlen bei Borussia Dortmund besser sind als die Wahrnehmung. Freilich, Konrad Laimer spielt bei den Bayern, wo immer er gebraucht wird.

Aber zur Wahrheit gehört halt auch: Seiwald ist in Leipzig bestenfalls Mitläufer. Grillitsch ist bei Hoffenheim ausgebootet worden und sammelt jetzt beim Liga-Letzten in Spanien Minuten. Gregoritsch ist kein Stammspieler in Freiburg. Bremen – wo Schmid, Grüll und eigentlich auch Friedl spielen: Bundesliga-Mittelmaß. Die „Goldene Generation“, von der verschiedentlich die Rede ist, ist keine: Es sind gutklassige Spieler, deren Stärke es vor allem ist, wie eine Vereinsmannschaft zu spielen – mit einer klaren Spielidee, im Idealfall perfekt aufeinander abgestimmt.

Wenn das flutscht, kann man jeden starken Gegner damit nerven. Es ist im Grunde seines Herzens aber Underdog-Fußball, der an seine Grenzen stößt, wenn man nicht der Underdog ist.

Und doch: In Wien gewann Österreich das Expected-Goals-Duell gegen Serbien mit 1,8 zu 0,4 laut Footmob, man kam nicht zu Chancen am Fließband, aber zu genug, um 2:0 oder 3:1 zu gewinnen. Dann findet dieses wirklich limitierte serbische Team keinen Weg mehr zurück, zumal das halbleere Marakana in Belgrad nun wahrlich kein klischeehaft-serbischer Hexenkessel war. Österreich fand dort die Balance aus Risiko und Sicherheitsdenken nicht, die Zeit verging, ohne spürbare Dellen im serbischen Selbstverständnis zu hinterlassen, selbst wie ein Außenseiter zu agieren.

Der Blick auf die WM-Quali

Was das Ranking der Gegner betrifft, hat Österreich die leichteste aller Quali-Gruppen für die WM in Nordamerika nächstes Jahr gezogen. Doch das letzte halbe Jahr, die letzten acht Spiele waren kein Mutmacher.

Rumänien und Bosnien werden Notiz davon genommen haben und vor allem die Bosnier haben an diesem Wochenende schon gezeigt, was Österreich von ihnen zu erwarten hat: Vor 50.000 Zusehern in Bukarest stellte sich das Team mit dem Innviertler Malić und dem Pinzgauer Dedić defensiv auf, ließ die Rumänen machen. Rumänien hatte 66 Prozent Ballbesitz, 491:211 Pässe und 15:5 Torschüsse bei 1,8 zu 0,9 Expected Goals.

Bosnien gewann 1:0.

Österreich hat sich von Serbien zu leicht das Zentrum nehmen lassen, hat vor allem in Belgrad zu sehr das Risiko gescheut. Es fehlen weiterhin die Lösungen und vor allem die Laufwege und das Tempo gegen diese destruktiven Teams. Und die zwei, drei Möglichkeiten, die Österreich durch das Dickicht an Beinen zufallen, werden zu wenig konsequent genützt. In Wahrheit schon gegen dezimierte und längst besiegte Kasachen, definitiv gegen Slowenien, jetzt auch gegen Serbien. Und die Bosnier freuen sich schon.

Nichts an den jüngsten Spielen ändert etwas daran, dass es ohne Wenn und Aber der Anspruch sein muss, sich als Österreich in dieser Gruppe durchzusetzen und erstmals seit 1998 zu einer WM zu fahren. Sehr wohl aber ändern sie etwas an dem Gefühl, mit dem man am 7. Juni mit dem Heimspiel gegen die durch die Pleite gegen Bosnien schon kräftig unter Zugzwang stehenden Rumänen in die WM-Quali startet.

Aus einer Position der absoluten Stärke heraus wird man in dieses Spiel eher nicht gehen können. Weil Österreich zwar gerne wie ein Außenseiter spielt, in der WM-Quali nominell aber der klare Favorit ist. Trotz allem.

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Österreich in Belgrad: Eine Zeitreise https://ballverliebt.eu/2025/03/22/osterreich-belgrad-serbien-jugoslawien-zeitreise/ https://ballverliebt.eu/2025/03/22/osterreich-belgrad-serbien-jugoslawien-zeitreise/#comments Sat, 22 Mar 2025 10:58:17 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21290 Österreich in Belgrad: Eine Zeitreise weiterlesen ]]> Nach dem 1:1 im Hinspiel in Wien muss Österreich in Belgrad gegen Serbien gewinnen, um den Aufstieg in die A-Gruppe der Nations League doch noch zu bewerkstelligen. Es wird das siebente Spiel des ÖFB-Teams in Belgrad. Der letzte Sieg datiert aus dem Jahr 1949.

Hier eine kleine Zeitreise: Das waren Österreichs bisherigen Länderspiele in Belgrad.

5:2 für Österreich im November 1949

Nach dem Krieg dauerte es einige Jahre, bis das neuformierte, junge ÖFB-Team Konkurrenzfähigkeit entwickelte. Im Jahr 1949 war tatsächlich erstmals wirklich Stabilisation bzw. Fortschritt zu erkennen: Unter der Leitung von Verbandskapitän Walter Nausch, der nach dem Olympia-Fiasko von 1948 übernommen hat, es gab Siege gegen die Schweiz und die Tschechoslowakei und dann, am 13. November 1949, sogar einen 5:2-Sieg im Partizan-Stadion von Belgrad.

Dolfi Huber und Karl Decker schossen Österreich nach einer halben Stunde zur 2:0-Führung, das Anschlusstor durch Željko Čajkovski – den jüngeren Bruder des späteren Bayern-Trainers Zlatko – konterte Huber zur 3:1-Pausenführung. Bobek schoss nach einer Stunde das 2:3, ehe ein Decker-Doppelpack den 5:2-Endstand herstellte.

Ein Jahr später beim Besuch der Jugoslawen in Wien kam Österreich sogar zu einem 7:2-Erfolg.

4:2 für Jugoslawien im September 1952

In den 50ern gehörte Jugoslawien zu den häufigsten Gegnern von Österreich. Das ÖFB-Team hat in den Jahren 1950 und 1951 seinen Zenit erreicht, danach ging es schön langsam wieder etwas bergab. Als man im Herbst 1952 wiederum ins Partizan-Stadion von Belgrad reist, waren die Spieler schon müde: Sie hatten alle keine Sommerpause, weil ihre Vereine auf lukrative Tourneen gegangen waren.

Jugoslawien ging durch Stjepan Bobek früh in Führung, nach der Pause stellte ein Doppelschlag von Bobek (51.) und Vukas (56.) auf 3:0. Österreich bäumte sich auf und kam durch Alfred Körner und dem Admiraner Fritz Cejka in seinem einzigen Länderspiel noch auf 2:3 heran, kurz vor Schluss markierte Bobek aber per Elfmeter den 4:2-Endstand.

Zwei Jahre später kam Österreich im ersten Spiel nach der WM, bei dem das ÖFB-Team ins Semifinale gekommen und Dritter geworden war (Jugoslawien hatte das Viertelfinale erreicht), zu einem 2:2.

3:3 im September 1957

In der letzten Ausgabe der Mitteleuropa-Meisterschaft, die danach mit der Einführung der EM obsolet werden sollte, machte Jugoslawien auch mit. In Zagreb gab es im Sommer 1956 ein 1:1, nachdem Österreich zuvor in Wien 2:1 gewonnen hatte. In Belgrad trat der ÖFB im Spätsommer 1957 wieder an.

In diesem Spiel gingen die Jugoslawien relativ rasch 2:0 in Führung, aber Happel (per Elfmeter) und Dienst glichen noch vor der Pause aus und nach einer Stunde stellte Dienst sogar auf 3:2. Milutinovic rettete noch das 3:3 für die Hausherren. Es waren im Kern natürlich schon jene Mannschaften, die ein Jahr später für die beiden Länder in die WM gehen sollten (Jugoslawien erreichte wieder das Viertelfinale, Österreich stand in der Gruppe mit Brasilien, der Sowjetunion und England auf verlorenem Posten).

In den Jahrzehnten danach sollte Österreich weiterhin immer wieder gegen Jugoslawien spielen, aber nicht mehr in Belgrad: Im Jahr 1961 gewann Jugoslawien 2:1 in Zagreb, im Frühjahr 1970 gab es ein 1:1 in Sarajevo, im März 1987 gewann Jugoslawien gegen ein Österreich in desolatem Zustand 4:0 in Banja Luka.

4:1 für Jugoslawien, EM-Quali im Oktober 1990

Wenige Wochen nach der 0:1-Blamage gegen die Färöer-Inseln machte sich das Team unter dem hastig als Hickersberger-Nachfolger installierten Alfred Riedl auf, um in Belgrad möglichst nicht unter die Räder zu kommen: Jugoslawien hatte eine starke WM gespielt, die erst im Viertelfinale im Elfmeterschießen geendet hatte.

Andi Ogris nützte eine Unachtsamkeit in der jugoslawischen Deckung zum 1:0 für Österreich, in der Folge drehten die Hausherren aber, angeführt von einem überragenden Robert Prosinečki, auf. Tore von Pančev und Katanec sorgten schon vor der Pause für die 2:1-Führung für Jugoslawien, kurz nach der Pause stellte Pančev auf 3:1, kurz vor Schluss auf 4:1. Pecl wurde von Darko Pančev lächerlich gemacht, Artner rannte seinen Gegenspielern nur hinterher, Herzog war unsichtbar, Reisinger hatte eine erstaunliche Fehlpassquote, Polster präsentierte sich als Immobilie. Nur Ogris stemmte sich mit allem, was er hatte, dagegen, aber kurz nach der Pause musste er verletzt raus.

In der jugoslawischen Startformation von Teamchef Ivica Osim war nur ein einziger Serbe (Predrag Spasić) und auf dem Weg zum Gruppensieg verabschiedeten sich erst Slowenien und Kroatien, dann auch Bosnien aus dem gesamt-jugoslawischen Team. Mehr als eine Rumpftruppe hätte sie also nicht mehr zur EM schicken können, wären sie nicht zuvor wegen des Krieges ausgeschlossen worden. Der Qualigruppen-Zweite Dänemark rückte kurzfristig nach, der Rest ist Geschichte.

1:0 für Serbien, WM-Quali im Juni 2009

Das Staatengebilde zerfiel, „Rest-Jugoslawien“ machte nach drei Jahren Sperre wieder mit, ab 2003 nannte man sich „Serbien-Montenegro“, nach der montenegrinischen Unabhängigkeit 2006 letztlich nur noch Serbien. Es dauerte bis zur WM-Quali für 2010, ehe Österreich wieder gegen ein Team des Landes antrat – beim Spiel in Wien im Herbst 2008, kurz nach der Heim-EM, führte Serbien schon nach einer halben Stunde mit 3:0 und gewann locker. Beim Rückspiel in Belgrad saß bereits Didi Constantini statt Karel Brückner auf der Betreuerbank.

Serbien – Österreich 1:0 (1:0)

Der kürzlich verstorbene Constantini baute Aleksandar Dragovic (Austria) und Yasin Pehlivan (Rapid) ein, obwohl beide erst eine Handvoll Bundesliga-Spiele in den Beinen hatte, vorne ließ er das grün-weiße Meister-Sturmduo „MaierHoffer“ auflaufen. Michael Gspurning, heute ÖFB-Torwart-Trainer, verursachte nach einem verunglückten Stranzl-Rückpass früh einen Elfmeter, den Milijaš zum 1:0 nützte, danach schwamm sich Österreich aber immer mehr frei.

Es war im zweiten Match der Ära Constantini wohl so ziemlich das Beste unter dem Tiroler, zu einem Ausgleich kam Österreich aber nicht mehr. Serbien wurde vor Frankreich sogar Gruppensieger, schied bei der WM aber schon in der Gruppe aus. Österreich wurde immerhin noch Gruppendritter vor Rumänien.

3:2 für Serbien, WM-Quali im Oktober 2016

Nach Constantini kam Koller, der Aufschwung, die überragende EM-Quali für 2016 und ein enttäuschendes EM-Turnier in Frankreich. In dessen Folge konnte das ÖFB-Team nicht mehr an die Erfolge der Jahre davor anknüpfen, was 2014 und 2015 knappe Siege wurden, wurden 2016 und 2017 knappe Niederlagen.

Serbien – Österreich 3:2 (2:1)

Eine davon kam in Belgrad, im bisher letzten Match des ÖFB-Nationalteams in der serbischen Hauptstadt. Österreich presste dabei extrem hoch, ließ dabei aber die Absicherung ein wenig vermissen und ließ sich von den Serben auf eine Seite locken, womit diese dann jede Menge Platz für Konter hatten. Dreimal lief Österreich auf diese Weise auswärts in Konter-Tore, verlor 2:3 – es war der erste echte Rückschlag im Kampf um ein WM-Ticket, dem einige weiter folgen sollten. Ein Jahr später war Marcel Koller nicht mehr Teamchef.

Sein letztes Heimspiel war übrigens gegen Serbien – ein überzeugender Sieg zu einem Zeitpunkt, als seine Demission bereits feststand.

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Nach drei Jahren Sperre: Wie es Russlands Fußball geht https://ballverliebt.eu/2025/03/18/russland-nach-drei-jahren-sperre/ https://ballverliebt.eu/2025/03/18/russland-nach-drei-jahren-sperre/#respond Tue, 18 Mar 2025 11:00:26 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21238 Nach drei Jahren Sperre: Wie es Russlands Fußball geht weiterlesen ]]> Wenn das Länderspiel-Jahr 2025 in Europa startet – mit den Viertelfinal- und den Relegationsspielen in der Nations League und den ersten Partien der WM-Qualifikation für 2026 – ist Russland weiterhin nicht dabei. Drei Jahre nach der am 28. Februar 2022 ausgesprochenen Suspendierung nach dem Einfall in der Ukraine ist nicht abzusehen, wann russische Teams wieder international mitmachen dürfen.

National wird aber weiterhin gespielt und auch das Nationalteam ist so gut aktiv, wie es halt geht – sprich, wie man Gegner findet, die gegen die Russen spielen wollen. Katar gehörte zu diesem wenig illustren Kreis dazu, Weißrussland sowieso, auch Syrien vor dem Assad-Sturz – und Serbien, der österreichische Gegner in den kommenden Tagen.

Die Stärke des Nationalteams hat unter der Isolation fraglos gelitten – aber auch die Rolle der Liga ist interessant. Denn der Anteil an Russen ist in den letzten Jahren nicht etwa gestiegen – sondern, zumindest bei den Top-Teams, geradezu eingebrochen.

Zehn Russen bei den Top-3 der Liga – insgesamt!

Die Namen der Vereine, die um die Spitzenplätze in der Liga rittern, hat sich in den letzten Jahren nicht verändert: Zenit St. Petersburg steht bei sechs Meistertiteln in Folge, dahinter lauern der Krasnodar, Spartak Moskau und Dinamo Moskau sowie die in der letzten Zeit etwas ins Hintertreffen geratenen Vereine ZSKA und Lokomotiv, ebenfalls aus der Hauptstadt.

Zunächst muss erwähnt werden, dass die russische Liga spätestens nach den UEFA-Cup-Siegen von ZSKA Moskau 2005 und von Zenit St. Petersburg 2008 an Zugkraft gewann – gut verdienen konnte man in der russischen Liga schon vorher, nun war auch eine gewisse sportliche Konkurrenzfähigkeit gegeben. Hulk und Roberto Carlos kamen, Samuel Eto’o und Kevin Kuranyi auch; Trainer wie Luciano Spalletti und Guus Hiddink und André Villas-Boas standen in den Coaching Zonen.

Weniger Ausländer in Russland? Nein, mehr!

Nach Sperre und internationaler Isolation durften auch in Russland beschäftigte Spieler laut UEFA-Urteil ablösefrei aus dem Land rauswechseln. Intuitiv würde man vermuten, dass nun weniger Ausländer in der russischen Liga spielen als vorher. In der Realität ist bei den Top-Teams aber das Gegenteil der Fall.

Anteil der Spielminuten bei den Top-4 der jeweiligen Saisonen in Russland

Nimmt man nur die jeweiligen Top-4 der jeweiligen Saisonen her, ist der Anteil von 58 Prozent (in der Saison vor der Heim-WM 2018) über 51 Prozent (in der letzten vollen Saison vor der Invasion) auf 39 Prozent (in der laufenden Spielzeit) gefallen.

Was sich auch geändert hat, ist die Herkunft der Legionäre. Spieler aus anderen UEFA-Ländern machten bis Kriegsbeginn den deutlich größten Teil aus, heute entfallen bei den aktuellen Top-4 Zenit, Spartak, Krasnodar und Dinamo mehr als die Hälfte der Spielzeit auf Nicht-UEFA-Ausländern – vor allem Südamerikaner.

Die Stammformation von Abo-Meister Zenit im Herbst 2024 – Claudinho ist mittlerweile nach Katar zu Al-Sadd gewechselt

Warum diese Flut an auswärtigen Spielern? Einer der simpleren Gründe ist: Weil die Klubs das jetzt dürfen. Bis Corona mussten zumindest fünf Russen auf dem Feld stehen; so sah es das Reglement vor. Für die Saison 2020/21 wurde das Regulativ adaptiert, nun durfte man nicht mehr als acht Legionäre im Kader haben. Nach der internationalen Sperre wurde das Limit auf 14 Legionäre im 25er-Kader raufgesetzt, bis zu acht dürfen gleichzeitig auf dem Platz stehen.

Gerade die Spitzenklubs nützen diese Möglichkeit auch weidlich aus.

Tatsache: In den Stammformationen der Top-3 der aktuellen Tabelle befinden sich zehn Russen. Und zwar insgesamt.

Und der Rest der Liga?

Man versetze sich in die Lage eines mittelguten brasilianischen Fußballers Mitte zwanzig. Russland ist kulturell, klimatisch und sprachlich schon das ziemlich genaue Gegenteil von Brasilien. Hat man ein Angebot von einem Spitzenteam, für sicher nicht so wenig Geld trotzdem dorthin zu gehen, überlegt man sich das schon.

Aber sich Machatschkala oder Voronesh UND den Abstiegskampf antun? Puh.

Ein spannendes Phänomen ist nämlich, dass der Rest der Liga tatsächlich mehr Russen einsetzt als noch vor der Invasion bzw. vor der Heim-WM. Hier ist der Anteil von 55 Prozent im Jahr 2018 (was fast exakt der selbe Wert war wie bei den Top-Teams) über 60 Prozent im Jahr vor Kriegsbeginn bis auf 63 Prozent in der laufenden Spielzeit gestiegen.

Ein möglicher Grund könnte sein, dass der Rubel gegenüber dem Euro zwischen Herbst 2022 und dem Beginn der letzten Transferperiode im Winter 2024/25 sagenhafte 52 Prozent seines Wertes verloren hat. Vereine mit großem finanziellen Backing wie Zenit (Gazprom), Spartak (Lukoil) oder Krasnodar (Warenhaus-Milliardär Sergej Galitski) können trotzdem in Südamerika wildern gehen.

Herkunft der Legionäre nach Anteil der Spielminuten

Für die Kleinen aus dem Hinterland bleiben vor allem Kicker aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien und zweitklassige Fußballer aus dem restlichen Europa (wie auch die aus Österreich stammenden Aleksandar Jukic, Dardan Shabanhaxhaj, Dominik Oroz und Hidajet Hankic).

Alleine ein Drittel der Rest-UEFA-Minuten bestreiten Serben, ein weiteres Drittel Spieler aus den anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien.

Die internationale Konkurrenzfähigkeit

Wo stehen die russischen Vereine nun im europäischen Vergleich? Ohne tatsächliche Spiele lässt sich das schwer sagen, ist es eher im Bereich von Bauchgefühl angesiedelt. In Wahrheit kann auch die Mathematik nur eine Annäherung liefern.

Opta sieht die russische Liga aktuell ziemlich gleichauf mit der österreichischen – Meister Zenit im Bereich von Sturm Graz, den FK Rostov (wo viele Russen zum Einsatz kommen und der auch einige Teamspieler stellt) im Bereich des LASK, Schlusslicht Orenburg etwa so stark wie Schlusslicht Altach.

Das Opta-Power-Ranking Mitte März 2025

Sieht man sich an, wo Zenit zwischen dem UEFA-Cup-Sieg 2008 und dem Ausschluss war (in der Champions League 6x Aus in der Gruppenphase und 3x Achtelfinale, in der Europa League 1x Viertel- und einmal Achtelfinale), weist Zenit eher die Bilanz des türkischen Top-Trios auf als von dem, was österreichischen Spitzenklubs realistisch zuzutrauen ist.

Das Gefühl sagt, dass zumindest die guten Teams in Russland stärker sein müssten als die heimischen. Belastbare Daten gibt es aber eher nicht.

Die Lage des Nationalteams

Vor ziemlich exakt drei Jahren weigerte sich Polen, zum WM-Playoff nach Moskau zu reisen, kurz darauf wurde allen russischen Teams die Teilnahme an offiziellen internationalen Bewerben untersagt. Ob sich das Nationalteam für die WM in Katar qualifiziert hätte – neben Polen hätte man dann auch Schweden besiegen müssen – ist unklar.

Klar scheint jedoch, dass die Isolation der Sbornaja deutlich mehr zusetzt als der Liga. Viele Legionäre hatte Russland nie und mehr als eine Handvoll ernsthafte Teamkandidaten sind es auch jetzt nicht. Monaco-Legionär Alexander Golovin, PSG-Ersatzgoalie Safonov, Stürmer Tchalov und Sechser Osdoyev bei PAOK Saloniki. Die Miranchuk-Zwillinge spielen in der Schweiz bzw. den USA, der als Riesentalent gehypte Sakharyan spielt nach seinem Millionen-Transfer zu Real Sociedad dort (auch verletzungsbedingt) überhaupt keine Rolle.

Die Liga-Klubs können sich mit Teamspielern aus Kolumbien und Uruguay, mit soliden Brasilianern und kernigen Serben behelfen. Das geht beim Nationalteam nicht.

Russland in den ersten zwei Jahren nach der Sperre

Teamchef Valeri Karpin, einst eleganter Spielgestalter bei Spartak Moskau und Celta de Vigo, lässt daher alles Teamluft schnuppern, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. In den neun Spielen zwischen Sommer 2022 und Herbst 2023 setzte er insgesamt 53 Spieler ein. Die Gegner waren nicht gerade namhaft und die Ergebnisse schwach: Remis gegen Tadschiksitan, Usbekistan und Kenia, knappe Siege gegen Kirgisien und den Irak.

Gegen die wenigen halbwegs seriösen Gegner waren die Resultate in dieser Phase okay, aber kein Statement – 1:1 gegen Katar, 1:1 gegen den Iran, ein 1:0 gegen Kamerun.

Das 4:0 gegen Serbien vor genau einem Jahr sieht beeindruckender aus, als es war. Das bisher letzte Spiel war ein klarer Sieg gegen Syrien vor vier Monaten.

Nur zwei zur UEFA gehörende Verbände erklärten sich seit Kriegsbeginn bereit, gegen Russland zu spielen und es sind genau die beiden, von denen man das erwartet. Gegen die Auswahl des politischen Schoßhundes Weißrussland (Platz 43 in Europa) gab es ein klares 4:0. Und es gab eine Partie gegen das Team aus Serbien, wo das befreundete Vučić-Regime am Werk ist.

Österreich-Gegner ging 0:4 unter – aber…

Serbien, in den kommenden Tagen der Gegner des ÖFB-Teams im Playoff um die Teilnahme an der A-Liga der Nations League, ist im Dinamo-Stadion von Moskau mit 0:4 unter die Räder gekommen. Das sieht super aus für Russland und furchtbar für die Serben, aber es lohnt sich ein genauer Blick.

Denn zum einen war Serbien längst nicht in Bestebesetzung angetreten – nur fünf der elf Start-Elf-Spieler waren bei der EM auch regelmäßig auf dem Feld, außerdem war Serbien nach dem Ausschluss von Gajić (Foul als letzter Mann gegen Khlushevitch) 70 Minuten in Unterzahl unterwegs. Hinzu kommt: Serbien ist bei der EM sang- und klanglos in der Vorrunde ausgeschieden und war zuvor in einem Test gegen Österreich rasch 0:2 hinten.

Im Herbst ermauerte sich Serbien ein 0:0 gegen Spanien, besiegte die Schweiz daheim 2:0 und rettete in Zürich kurz vor Schluss ein 1:1, wurde damit Dritter und vermied damit den direkten Abstieg aus Liga A, wodurch es eben zur Relegation gegen Österreich kommt.

Wie stark ist nun aber Russland? Sowohl FIFA-Ranking als auch Elo-Rating legen nahe, dass Russland wohl in der B-Gruppe der Nations League daheim wäre, aber auch hier gilt: Ohne ernsthafte Spiele gegen ernsthafte Gegner ist es kaum möglich, ernsthafte Rückschlüsse zu ziehen. Und die anstehenden Spiele gegen die Karibik-Insel Grenada und den afrikanischen Mittelständler Sambia wird darüber vermutlich auch keine echte Auskunft geben.

Wann es diese Spiele wieder gibt? Nun, das entscheiden nicht Teamchef Karpin oder Zenit-Trainer Semak.

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Was in den Tabellen des Grunddurchgangs auffällt https://ballverliebt.eu/2025/03/17/bundesliga-grunddurchgang-bilanz-2024-25/ https://ballverliebt.eu/2025/03/17/bundesliga-grunddurchgang-bilanz-2024-25/#respond Mon, 17 Mar 2025 14:40:53 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21246 Was in den Tabellen des Grunddurchgangs auffällt weiterlesen ]]> Blau-Weiß Linz oben, der LASK unten: Mit diesem Ausgang des Grunddurchgangs war vor dieser Bundesliga-Saison nicht zu rechnen. Davon abgesehen gibt es bei der Verteilung, wer in der Meister- und wer in der Qualifikationsrunde die letzten zehn Saisonspiele absolviert, keine große Überraschungen.

Nur: Wie war der Weg dorthin?

Riesentöter und Eurofighter-Schreck Blau-Weiß

Mit einem 4:1 über Hartberg hat Blau-Weiß Linz in der letzten Runde doch noch den zeitgleich bei Tabellenführer Sturm Graz unterlegenen großen Stadtrivalen überholt und damit aus den Top-6 geboxt. Basis dafür waren vier Punkte aus den beiden Derbies (ein 1:0 im Donaupark und ein 0:0 auf der Gugl) und die Stärke gegen die Starken.

In den Spielen der Top-6 untereinander hat nur Salzburg eine noch bessere Bilanz als die Koksstierler. Es gab zwei Siege gegen Rapid, dazu Erfolge gegen Salzburg und die Austria plus ein 2:1 beim WAC.

Und, besonders lustiges Detail: Blau-Weiß hat viermal gegen Mannschaften gespielt, die wenige Tage zuvor Europacup gespielt haben. Bilanz: 4 Spiele, 4 Siege, 7:0 Tore.

Dafür hat Blau-Weiß die schlechteste Bilanz gegen jene sechs Teams, gegen die man (von einem etwaigen Europacup-Playoff abgesehen) nicht mehr ran muss. Ein gutes Omen? Abwarten. In erster Linie bedeutet der Einzug in die Meistergruppe, dass das blau-weiße Saisonziel namens Klassenerhalt schon Mitte März eingesackt ist.

Sturm Graz, ein Flat Track Bully?

Auffällig ist ebenso, dass Sturm Graz gegen die „Kleinen“ 34 von 36 möglichen Punkten geholt hat – wenn der Meister Mitte November nicht in Altach noch in der 88. Minute den 1:1-Ausgleich gefangen hätte, wäre es sogar eine perfekte Bilanz gewesen. Die andere Seite der Medaille: Es gab neben der 5:0-Gala gegen Salzburg nur zwei weitere Siege gegen die Meisterrunden-Teams – beide gegen Blau-Weiß.

Zweimal 2:2 gegen die Austria, 1:3 in Salzburg, 0:1 und 1:1 gegen Rapid und, besonders unangenehm, zwei 0:3-Ohrfeigen gegen den WAC. Sturm trat bisher also eher als Flat Track Bully auf: Erbarmungslos gegen die Schwachen, meist zahnlos gegen stärkere Kontrahenten. Da gibt es Nachholbedarf, will man den Meistertitel verteidigen.

Die Säumel-Tabelle

Sturm ist mühsam aus der Winterpause gekommen, hat nur eines der ersten vier Liga-Spiele gewonnen und ist im Cup ausgeschieden. In der Tabelle, seit Jürgen Säumel den von Andi Schicker zu Hoffenheim abgeworbenen Christian Ilzer als Trainer ersetzt hat, ist Sturm „nur“ Vierter – wobei Salzburg beide in dieser Zeit ausgetragenen Nachtragsspiele gewonnen hat.

Dennoch, die Austria ist bisher mit der wesentlich stabileren Form im neuen Kalenderjahr unterwegs.

Rapid ohne Burgstaller?

Der Vorfall um Guido Burgstaller im Dezember ist vor allem menschlich ein Wahnsinn, gottlob befindet sich der Ex-Teamkicker auf dem Weg der gesundheitlichen Genesung und der Plan ist, dass er sogar in der aktuellen Saison noch ein paar Minuten Bundesliga bekommen will.

Auffällig ist, dass es bei Rapid seither so richtig bescheiden läuft. In den sechs Spieltagen seit der Winterpause haben nur der GAK (4) und Wattens (3) weniger Punkte als die Hütteldorfer (6) geholt, die einen starken Herbst gespielt und als Dritter überwintert haben. Rapid musste bis somit zum letzten Spiel – einem letztlich völlig ungefährdeten 3:0 gegen den GAK – um die Teilnahme an der Meistergruppe zittern.

Der LASK hat’s im August verloren – und im Derby

Rückblende: Der LASK hat nicht nur das Europa-League-Playoff gegen FCSB Bukarest versemmelt, sondern auch vier der ersten fünf Bundesliga-Spiele verloren. Thomas Darazs, der im Frühjahr eine entgleisende Saison gerettet hat und mit dem Weitermachen belohnt wurde, musste doch seinen Trainersessel räumen. Der Rückstand auf Platz sechs betrug nur vier Punkte, als Markus Schopp seinen fliegenden Wechsel von Hartberg nach Linz vollzog.

Und doch hatte der LASK im Nachhinein betrachtet schon hier den vorentscheidenden Boden im Kampf um die letztlich verpassten Top-6 verloren.

Die Tabelle, seit Markus Schopp LASK-Trainer ist

Denn auch wenn der LASK-Kader immer noch nicht zusammen passt und viele Spiele vor allem gegen spielerisch limitierte Teams, die den LASK zum Aufbau zwangen, kaum anzusehen waren: Rechnet man die ersten fünf Spieltage weg, wäre der LASK zwar immer noch kein echtes Spitzenteam, die Meisterrunde wäre aber souverän erreicht worden.

Hinzu kommt: Ja, die Linzer haben Salzburg im Cup eliminiert haben und auch in der Liga besiegt, zudem gab es zuletzt einen Heimsieg gegen Rapid. Ansonsten war gegen die Top-6 aber nicht viel zu holen – sechs Pleiten in sechs Spielen gegen Sturm, die Austria und den WAC. Schmerzhaft (und mit-entscheidend) waren aber vor allem die Duelle gegen Blau-Weiß.

Um das Playoff und gegen den Abstieg

Der LASK hat selbstredend dennoch die besten Karten, wenn es um den Sieg in der Qualifikationsgruppe geht – zwei Punkte plus Vorreihungs-Sternchen Vorsprung gegenüber Hartberg, dazu die mit Abstand beste Bilanz gegen die Konkurrenten.

Die Qualifikationsrunde als Ganzes und vor allem der Kampf gegen den Abstieg verspricht ein Hauen und Stechen zu werden, bei dem spielerisch nicht viel los ist. Logisch, Abstiegskampf ist kein Nährboden für Schönspielerei. Erstaunlich ist aber, dass in den Duellen untereinander ausschließlich Hartberg daheim mehr Punkte einfahren konnte als auswärts. Dabei ist Hartberg auswärts in diesen Partien ungeschlagen. Dass sich der LASK und Hartberg die beiden ersten Plätze untereinander ausmachen, darf man als gesetzt betrachten.

Altach und der GAK gehen punktgleich am Tabellenende in die entscheidende Phase, auch Wattens (seit sieben Spielen ohne Sieg) und Klagenfurt (nur eines der letzten zehn Spiele gewonnen) kommen nicht gerade aus einer Position der Stärke daher.

Die Zuschauer

Vergleicht man die Zuschauerzahlen mit dem Grunddurchgang der letzten Saison, so steht ein Schnitt von knapp 8.200 Zuschauern zu Buche, was gegenüber dem Grunddurchgang 2023/24 ein kleines Plus von zwei Prozent darstellt. Das meiste dieses Gewinns ist der Unterschied zwischen Lustenau (3.900 letzte Saison) und dem GAK (6.600 in der laufenden Spielzeit).

Ansonsten wird das satte Minus bei Salzburg von den moderaten Zuwächsen der anderen vier Großklubs aufgefangen, die Swings bei den kleineren Teams fallen nicht so massiv ins Gewicht: Altach geht diesbezüglich das Derby gegen Lustenau ab, Klagenfurt die Ergebnisse und Wattens hat zwar ein paar hundert Leute mehr als letztes Jahr – aber der exakte Schnitt (2.277) ist geringer als jener von Wacker Innsbruck (2.312) im selben Stadion, aber in der vierten Liga.

Mit den rund 8.200 Zusehern liegt Österreich im Ranking der höchsten europäischen Ligen auf Platz 16 und insgesamt auf Platz 22 (die zweiten Ligen von Deutschland, England, Frankreich und knapp Italien sowie die dritten Ligen von Deutschland und England haben auch noch mehr). Im österreichischen Kontext bedeutet das den Weg zum höchsten Zuseherschnitt seit der Saison 2008/09 – damals gab es auch nur zehn Klubs und entsprechend zwei Vereine weniger, die im unteren Besucherbereich anzusiedeln sind.

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Vibes, Taktik, Personal: Der erste Einblick in die Ära Schriebl https://ballverliebt.eu/2025/02/28/vibes-taktik-personal-schriebl-frauen-debut/ https://ballverliebt.eu/2025/02/28/vibes-taktik-personal-schriebl-frauen-debut/#respond Fri, 28 Feb 2025 14:20:45 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21208 Vibes, Taktik, Personal: Der erste Einblick in die Ära Schriebl weiterlesen ]]> „Wenn alle anderen an uns denken, sollen sie denken: ‚Maah, die Österreicherinnen… die jagen uns, die geben uns Stoff, die bringen uns aus der Komfortzone, gegen die müssen wir etwas leisten, dass wir da was holen.‘ Das soll in Zukunft passieren. Und Stars haben sie überall. Aber wenn die alleine sind und auf euch prallen, auf euch alle: Keine Chance! Da werdet ihr so viel Spaß haben. So viel!“

Mit diesen Worten hatte sich der neue ÖFB-Frauen-Teamchef Alexander Schriebl am Beginn des ersten Lehrgangs an die versammelte Mannschaft gewandt. Zwei Spiele später – ein 1:0-Sieg gegen Schottland und eine 1:4-Niederlage in Deutschland – ist schon einiges zu erkennen, was sich Handschrift des neuen Trainers interpretieren lässt.

Von den Vibes her, betreffend die Taktik und auch im Hinblick auf das Personal.

Die Vibes

Hörte man im Rahmen der ersten Zusammenkunft unter dem neuen Trainer hin, schwebte das Wort „Zweitausendsiebzehn“ durchaus ein wenig über den Eindrücken. „Ich finde, wir kommen wieder ein wenig zurück zu dem Ursprung, was uns über die Jahre ausgemacht hat: Diese gewisse Lockerheit, aber doch auch großer Ehrgeiz und der Wille zu gewinnen und performen zu wollen“, gab etwa Laura Feiersinger zu Protokoll.

Mit diesem Mix aus ansteckend-positiver Scheißminix-Attitüde neben dem Platz und dem perfekt gedrillten Hochenergie-Fußball auf dem Rasen wurden die ÖFB-Frauen damals, bei der EM 2017, nicht nur Semifinalist. Sondern im Zuge dessen von einem unbekannten Nobody in Rekordzeit zu Everybody’s Darlings – bei den Zusehern daheim ebenso wie bei den Beobachtern vor Ort in den Niederlanden.

Der Spaß am Gegner nerven ist zurück

Nachdem die Teams in Nürnberg aus dem Tunnel ins Stadion einmarschiert waren, war dieses gelöste, fette Grinsen in den österreichischen Gesichtern zu sehen – wie damals, vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale, als diese demonstrative, feixende gute Laune den Spanierinnen den Rest gegeben hat. Sure enough, zwei Minuten nach dem Anpfiff lag Österreich schon 1:0 in Front und jagte den Deutschen auch danach zumindest bis zur Pause das Weiße aus den Augen raus.

Obwohl Deutschland am Ende doch recht souverän 4:1 gewonnen hat, liefen im DFB-Lager alle, allen voran der neue deutsche Bundestrainer Christian Wück, nach dem Spiel mit einer Miene im Gesicht und einem Grummeln in der Stimme herum, als hätte man mit einer katastrophalen Leistung eine blamable Niederlage eingefahren. Wie wenn sie beim Zahnarzt gewesen und von einem besonders schmerzhaften Bohrer malträtiert worden wären.

Schnelle Vertrautheit

„Man baut recht schnell ein Gefühl auf“, so Feiersinger, die sehr rasch merkte: „Wir ticken recht ähnlich wie Alex. Man hat nicht das Gefühl, dass es der erste Lehrgang ist. Es fühlt sich schon sehr vertraut an.“ Das bestätigt, was Weggefährten über Schriebl gesagt haben: Die hohe soziale Kompetenz sorgt dafür, dass sich die Wellenlängen von Team und Trainer binnen kürzester Zeit überschneiden.

Dass die interne Stimmung so markant positiver ist als letztes Jahr, sollte man aber nicht alleine in Irene Fuhrmann festmachen. Im Treibsand der individuellen wie mannschaftlichen Formkrisen zog der schwere Rucksack voll mit Erwartungshaltung und entsprechendem Druck noch mehr nach unten. Da ist man nicht mehr (nach außen) glaubhaft zuversichtlich und schon gar nicht (nach innen) locker.

Das Personal

Es ist aber hilfreich, dass man auch in den ernüchternden Monaten von 2024 nie aufgehört hat, ein Team zu sein und dass alle das Nationalteam weiterhin stets als Herzensprojekt betrachtet haben. „Was mir immer gut getaugt hat: Es ist ein cooles Team und es herrschte immer ein sehr offener und ehrlicher Umgang“, bestätigte Isabel Hochstöger, bis vor Kurzem Teammanagerin.

Die EM kann nun komplett ausgeblendet werden, es ist ein frischer Start, praktisch bei null – zunächst nicht mit dem großen Druck-Rucksack, sondern mit leichterem Gepäck. Neue Gesichter prägen das Umfeld: Das betrifft das Trainerteam, Schriebl nahm Co-Trainerin Sara Schaible von Bergheim mit, bekam Gilbert Prilasnig als zweiten Assistenztrainer dazu. Spielanalyst Sven Palinkasch ist dafür nicht mehr beim ÖFB und eben auch Hochstöger nicht mehr direkt beim Team.

Die aus Oberösterreich stammende ehemalige Nationalspielerin (19 Einsätze zwischen 1999 und 2003) legte nach weit über einem Jahrzehnt ihren Posten als Teammanagerin zurück, um sich ihren Agenden als Leiterin der Abteilung für Mädchen- und Frauenfußball konzentrieren zu können. Die beiden Posten sind zeitlich und örtlich kaum noch zu vereinen gewesen („Es gab schon länger Überlegungen, dass ich nicht mehr als Head of Frauenfußball permanent unterwegs bin, sondern mich vermehrt um das Tagesgeschäft kümmern kann. Jetzt war ein guter Zeitpunkt, diesen Schritt zu setzen.“)

Vier Debütantinnen plus eine halbe

Auch auf dem Feld weht ein markanter frischer Wind. In den zwei Spielen gab es gleich vier Debütantinnen (Chiara D’Angelo, Carina Brunold, Maggy Rukavina und Melanie Brunnthaler) plus eine, die man noch nie in der Startelf bei einem Pflichtspiel gesehen hat, schon gar nicht in der Innenverteidigung: Claudia Wenger.

Sie durfte man schon als Teenager in der Talente-Schmiede von Union Kleinmünchen als kommende Abkippende Sechs betrachten, ihr Körper bremste ihre Karriere – sie hat anderthalb Jahre erst durch die Corona-Unterbrechung und dann durch Verletzung verloren. Die Eröffnungspässe von Marina Georgieva schwanken gerne mal zwischen Genie und Wahnsinn, das Skillset der exakten Spielgestaltung gehört bei Schriebl aber nicht zur unmittelbaren Job Description für Innenverteidigerinnen.

Tempo schon.

Wenger ist durchaus auch in der Lage, einen gepflegten ersten Pass zu spielen. Vor allem aber hat sie kein Problem damit, gegnerischen Steilpässen in den Rücken der Viererkette erfolgreich nachzulaufen und diese Situationen durch ihre geschickte Positionierung im Laufduell staubig zu entschärfen. Sie klärte eine Handvoll solcher Situationen ohne Drama und zumeist auch ohne Probleme. Ihr verletzungsbedingter Austausch in Nürnberg nach 55 Minuten tat nicht nur ihr weh.

Mut zu neuen Namen

Wenger ist bereits 23 Jahre alt und Melanie Brunnthaler, die überhaupt erstmals ein paar Minuten mitmachen durfte, sogar schon 24 Jahre. Ein internationaler Star wird die wie Marina Georgieva aus Bruck an der Leitha stammende Brunnthaler, die seit Jahren verlässlich für den SKN stürmt, vermutlich nicht mehr. Aber eine Karriere als eingewechselte, frische Kämpferin im offensiven Anlaufen (wie Viktoria Pinther) ist allemal noch drin.

Bei Carina Brunold (22) war es schon erstaunlich, dass sie überhaupt im Kader ist – sie ist erst im Winter von der SPG Lustenau/Dornbirn, eher im hinteren Teil der Bundesliga-Tabelle zu finden, zum SKN gewechselt. Dass sie tatsächlich spielen würde, glaubte sie selbst dann kaum, als sie von Athletik-Trainer Dominik Strebinger die entsprechende Order bekam: „Der Strebi hat gesagt, ,So, Carina, jetzt noch zwei Sprints!‘ und ich so, ,Carina? Ähm… ich…?'“

Debüts verteilen statt retten, was nicht mehr zu retten ist

Dazu kamen Chiara D’Angelo, Kapitänin der U-20-Achtelfinalisten von letztem Sommer, die gegen Schottland rechts hinten starten durfte und Maggy Rukavina, Sechser aus dieser Truppe, die in der Schlussphase in Nürnberg erstmals dabei war – wenn auch auf der Zehn statt Carina Brunold, die gegen Deutschland sogar statt Marie Höbinger anfangen durfte.

Rukavina kam zwar ebenso Out of Position zum Einsatz wie D’Angelo in den paar Minuten nach ihrer Einwechslung in Nürnberg (auf der Acht statt als Außenverteidigerin) und Brunnthaler (auf der Acht statt ganz vorne), das zeigt aber auch: Schriebl war es wichtig, sie überhaupt mal zu bringen. Das Spiel war zu dem Zeitpunkt längst tot und verloren, wann sollte man die frischen Namen bringen, wenn nicht da.

Und es zeigt auch: Es ist aktuell wichtiger, mittel- und langfristig zu denken, das kommende Personal an sich zu binden – emotional ebenso wie die Spielminuten betreffend – als verzweifelt ein Spiel im Hier und Jetzt retten zu wollen, das ohnehin nicht mehr zu retten war. Andererseits muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, für wen es unter Schriebl eng wird und bald (oder schon jetzt) eher keine Rolle mehr spielen wird.

Die Taktik

Erste Auffälligkeit schon gegen Schottland war natürlich das System. Ein 4-3-1-2 gehörte nie zum engeren Repertoire des Teams und das letzte Mal, dass die ÖFB-Frauen in sowas ähnlichem wie einer Mittelfeld-Raute aufgelaufen sind, war im September 2014 bei einem 5:1 gegen Kasachstan. Und selbst da war es eben keine echte Raute, sondern eher eine markante Tiefenstaffelung von Zadrazil und Puntigam in der Mittelfeld-Zentrale.

Cornelia Sochor spielte bei dem Match damals ihre einzige halbe Stunde im Nationalteam. Die Conny ist längst nicht mehr aktiv und arbeitet als Projektmanagerin in der Glasfaser-Branche. Eine schnelle Verbindung zwischen Gehirn und Beinen braucht es auch im Schriebl-Fußball – das betrifft sowohl das Umschalten auf Gegenpressing bei Ballverlust als auch die Strukturen im hohen Angriffspressing, um Bälle möglichst weit vorne zu erobern.

„Es ist für uns ein komplett neues System, aber ich glaube, dass uns das gut tut, neu gefordert zu sein. Wir konnten uns immer schnell anpassen. Das hat man auch gemerkt: In der dritten, vierten Einheit war das schon in den Köpfen.“ Der Teamchef selbst bestätigt das, von seiner Handschrift sei „schon gar nicht so wenig bereits erkennbar gewesen“, wie er sagte, „weil die Mädels von Beginn an alles versucht haben, umzusetzen.“

Aufteilung auf dem Feld

Nicht nur das System wies eine klare Abweichung zum unter Fuhrmann präferierten 4-4-1-1 (bzw. davor 4-3-3) auf, sondern auch die Besetzung der Positionen. Ganz vorne spielten mit Lilli Purtscheller und Julia Hickelsberger zwei nicht besonders große, aber sehr schnelle Spielerinnen, die üblicherweise (also sowohl unter Fuhrmann im Team als auch bei Essen bzw. Hoffenheim im Verein) auf den Flügeln daheim sind. Ob das nur eine Reaktion auf die Abwesenheit von Eileen Campbell (rekonvaleszent nach Hüft-OP) ist oder eine Dauerlösung, muss man abwarten.

Neben Marie Höbinger auf der Zehn, die vor allem in pressender Mission unterwegs war, agierten Annabel Schasching (erstmals von Beginn an auf „ihrer“ Acht) und gegen Schottland, erstaunlich, die eigentlich defensivere Sarah Puntigam. Zadrazil gab bis zu ihrer Auswechslung die Sechs. Schaschings Dynamik war sowohl im Anlaufen als auch im Antritt mit dem Ball ein belebendes Element, das auch deswegen so auffiel, weil es dem Team im Vorjahr so gefehlt hatte. Die Vorstellung, dass auf der linken Acht Barbara Dunst spielen könnte, die diese Position im selben System bei Eintracht Frankfurt seit Jahren sehr gut besetzt, verstärkt den Wunsch nach rascher Heilung des gerissenen Kreuzbandes.

Aggressiv und vertikal

Auch in Sachen Spielstil war dieser Tage „2017“ da und dort zu hören. Damals, beim überraschenden Einzug ins EM-Semifinale, waren vor allem zwei Dinge wesentlich: Das extrem scharfe Angriffspressing zum einen (das die Schweiz komplett zerzauste und Island untergehen ließ) und das sehr vertikale Umschaltspiel zum anderen (vor dem sich die Spanierinnen im Viertelfinale so in die Hose machten, dass sie trotz 596:154 gespielten Pässen nie genug Spielerinnen nach vorne committeten).

Im Spiel mit dem Ball ortete man im ÖFB-Lager 2023 klare Fortschritte, davon war 2024 nicht mehr viel übrig. Die wahre Stärke der Truppe lag ohnehin seit den Aufbau-Jahren unter Dominik Thalhammer stets im aggressiven Spiel gegen den Ball: Wenn man Gegner anlaufen und nerven konnte, passten die Trigger, passten die Anlaufwinkel, passte die Absicherung und dank zumindest jeweils einer treffsicheren Stürmerin (Nina Burger bis 2017, danach Nici Billa bis 2022, seit 2023 Eileen Campbell) gab es meistens auch die nötigen Tore.

Das 1:0 in Ried gegen Schottland

Schriebl steht für diesen Stressfußball, beinahe schon in Reinkultur. Im Oktober 2022 wurde Österreich von Schottland im verlorenen WM-Playoff aus der Pressing-Komfortzone gerissen, im Februar 2025 ließ man sich nie nachhaltig aus dieser verdrängen.

Schottland kam systembedingt mit einem Messer zur Schießerei, Interims-Trainer Michael McArdle hatte offenkundig keine Ahnung von Schriebls präferiertem Spielstil. Im flachen 4-4-1-1 hatten die Schottinnen eine dramatische Unterzahl im Zentrum, die auf dem Spielberichtsbogen als nominelle Acht verzeichnete Weir schob weit nach vorne. So weit, dass sie im Zentrum aus dem Spiel war, gleichzeitig aber vorne nichts zum Stören hatte, weil Österreich ohnehin kaum von hinten aufbauen wollte.

Die Österreicherinnen pressten im Zentrum alles an, was sich bewegte, übten Druck auf die schottische Abwehr aus, versuchten die Außenverteidigerinnen zu isolieren. Schon nach einer Viertelstunde wurde der Druck gegen den Ball mit dem 1:0 durch Lilli Purtscheller erzielt, sie hämmerte den Ball in die Maschen, nachdem die schottische Verteidigung den Ball nicht aus der Gefahrenzone gebracht hatte.

Die gegen Schottland sichtbaren Schwächen

In den vorangegangenen 19 Spielen waren die ÖFB-Frauen nur einmal ohne Gegentor geblieben und es gab einige Situationen, in denen Schottland sehr wohl treffen hätte können. Schon nach wenigen Minuten schob Wenger gleich mal in Antizipation eines langen schottischen Passes ziemlich weit durch, ohne dass die Absicherung da war – Zinsberger musste retten. Dann verhungerte mal ein Pass von Kirchberger genau in den Beinen einer Schottin, wieder wurde es brenzlig.

Das hieß aber auch: Nur bei österreichischen Fehlern kamen die Gäste aus dem Spielverlauf vor das Tor – sonst nur bei Standards. Wie es Schottland allerdings möglich war, den Ball bei der Doppelchance nach Eckball in der 30. Minute nicht im Tor unterzubringen, wäre ein Fall für promovierte Physiker.

Kein Spiel für Fans von hohen Passquoten

Davon abgesehen: Natürlich ist diese Strategie der absoluten Druckausübung mit einem gewissen Risiko verbunden. Alexander Semeliker verwendete damals das Wort „Chaos-Pressing“ in seinen Analysen des von Adi Hütter trainierten SV Grödig: Andere achteten mehr auf die Strukturen hinter der ersten Welle, in Grödig ging es vor allem um das offensive Potenzial dieser Spielweise. Daran erinnert auch das Spiel der ÖFB-Frauen: Schriebl-Fußball kann nicht über Passquoten definiert werden. Dass viele Vertikalbälle nach Ballgewinnen nicht ihr gewünschtes Ziel finden, ist einkalkuliert, solange aus der Handvoll, die ankommen, echte Torgefahr entsteht.

Einmal im Rückstand, fehlte Schottland einfach komplett das Werkzeug, um gegen dieses aggressive Spiel gegen den Ball ein vernünftiges eigenes Spiel aufziehen zu können, das schaffen sie gegen Teams aus der A-Gruppe selbst ohne Gegnerdruck kaum und die Basis zum Aufstieg waren ein 0:0 und ein 1:0 gegen Serbien, durch welche die Schottinnen ihre B-Liga-Gruppe knapp gewannen. Im entscheidenden EM-Playoff gab es ein 0:0 und ein 0:2 gegen Finnland.

Also: Nein, offensives Powerhouse ist Schottland beileibe nicht. In der zweiten Halbzeit ließ das Wilde im österreichischen Spiel ein wenig nach, es wirkte alles kontrollierter, man schraubte den Ballbesitz auf erstaunliche 60 Prozent hoch und ließ Schottland am ausgestreckten Arm verhungern. Einen Abschluss im Strafraum aus dem Spiel heraus brachten die Gäste nicht mehr zu Wege.

Das 1:4 in Nürnberg gegen Deutschland

Sarah Zadrazil, die Ende Jänner einen Muskelfaserriss erlitten hatte, konnte gegen Deutschland nicht mitmachen, dafür rückte Puntigam wieder auf die Sechs und Laura Feiersinger erstmals seit Herbst 2023 in eine Pflichtspiel-Startformation. Dazu begann Brunold auf der Zehn statt Höbinger.

Wie kaum anders zu erwarten war, verdichtete Österreich sofort extrem aggressiv um den Ball, oft standen innerhalb kürzester Zeit drei bis vier Weiße um die ballführende Rote herum. Weil die deutsche IV mit Minge und der eher langsamen Knaak gegen Putscheller und Hickelsberger gebunden war und die Abstände im Zentrum nicht passten, wurde so vor allem Sjoeke Nüsken zu einer Ballverlust-Maschine – wenn auch das nicht nur ihre Schuld war, obwohl es Wück in seinen Aussagen nach dem Spiel ein wenig so dargestellt hat.

Nach zwei Minuten ließ sich Deutschland nach einem eigenen Einwurf düpieren und die Tiefen-Absicherung war mal gar nicht vorhanden, Schasching vollendete den Gegenstoß und man erntete einen nach oben gestreckten Daumen von Alex Schriebl. In dieser Tonart ging es weiter: Der deutsche Plan, über die rautenbedingt (vermeintlich) offenen Flügel zu spielen, wurde vom aggressiven österreichischen Verschieben zum Ball behindert, Hickelsberger hatte das 2:0 am Fuß, Deutschland wirkte 40 Minuten lang gehetzt und fahrig. Der 1:1-Ausgleich nach einem Freistoß an den langen Pfosten, der via Stanglpass bei Freigang landete und von ihrem Fuß im Tor, kam aus dem Nichts.

Die gegen Deutschland sichtbaren Schwächen

Das erste Gegentor hat sich Österreich also ziemlich banal eingefangen. Das 1:2 nach der Pause fiel genau in der Phase, in der Claudia Wenger verletzt behandelt wurde, von Brand – zugegeben extrem sehenswert – genau durch jenen Kanal vorbereitet, in der die für Wenger nach hinten gerückte Puntigam fehlte. Das 1:3 war ein Deluxe-Geschenk in Form eines zu kurzen Rückpasses von Laura Feiersinger.

Es würde aber zu kurz greifen, die überwiegend sehr vermeidbaren deutschen Tore herauszuheben, weil jene nach der Pause nur die Folge des Geschehens waren, nicht die Ursache.

Denn zum einen hatte Deutschland nach dem Seitenwechsel adaptiert: Däbritz kam für Nüsken und Dallmann für Freigang, vor allem aber rückte Feli Rauch von der linken Seite vermehrt in den Sechserraum ein. Damit hatten die zunehmend müden Österreicherinnen eine Deutsche mehr zum Anpressen. Selbst wenn es sich mathematisch ausgegangen wäre, ging es sich kräftemäßig nicht mehr aus: Das Pressing erlahmte, Deutschland hatte komplette Kontrolle über das Mittelfeld und zunehmend auch über die rechte Angriffsseite (gegen Hanshaw, die erst Schasching, dann D’Angelo, dann Brunnthaler vor sich hatte).

Wehe, das Konstrukt fällt auseinander

Das 1:4 geht aufgrund der Unterlegenheit nach der Pause schon in Ordnung. „Uns ist die Kraft ausgegangen, dann konnte Deutschland das Spiel leichter verlagern, und du musst immer wieder 40 Meter nachsprinten, nach hinten, und das vier-, fünf-, sechsmal. Da haben wir die Räume nicht mehr schließen können“, analysierte Manuela Zinsberger. „Mit diesen Spielverlagerungen haben sie ein Mittel gefunden, was ihnen vor der Pause – solange wir das Energielevel hochhalten konnten – nicht gefunden hatten“, bestätigte Annabel Schasching, „sie haben umgestellt, wir konnten uns keine Ruhepausen mehr verschaffen, haben oft schnell den Ball verloren, die Abstände wurden zu groß. So hatten sie viel Raum und Zeit zum Spielen, ohne dass wir Zugriff gefunden haben.“

Was in der Theorie logisch erscheint, erhielt in der zweiten Halbzeit von Nürnberg seinen praktischen Beweis: Wenn nicht alle immer voll dabei sind und alle immer die manchmal nötigen zwei, drei Extra-Schritte gehen können, wird aus einer „ersten Halbzeit, auf die wir stolz sein können“ (Verena Hanshaw) die Erkenntnis, dass es „ganz, ganz schwer wird, wenn wir an Struktur und Glauben verlieren“ (Alexander Schriebl).

Österreich sei „aktuell nur noch zweitklassig“, konstatierte Max-Jacob Ost vom Rasenfunk, der in Nürnberg vor Ort war, „das sind Spielerinnen, die keine große Rolle mehr in ihren Vereinen spielen oder an ihre alten Leistungen nicht anknüpfen können.“ Man kann ihm nicht widersprechen, aber der Blick geht eben nicht ins Jetzt, sondern in die Zukunft. D’Angelo, Brunold und Wenger sind (noch?) nicht Wenninger, Schnaderbeck und Burger. Die 2025er-Versionen von Feiersinger, Hanshaw und Puntigam sind nicht mehr die 2017er-Versionen von Feiersinger, Aschauer und Puntigam.

Es ist ein Team im Umbruch, aktuell ohne Quali-Druck, das für eine Zeit mit Quali-Druck aufgebaut wird.

Der Gesamteindruck

Der neue Teamchef hat es in kürzester Zeit geschafft, die Spielerinnen auf den neuen bzw. adaptierten, jedenfalls aber gemeinsamen weg einzuschwören. Schottland war der intensiven Spielweise der ÖFB-Frauen nicht gewachsen und die Deutschen konnte sich auch erst sammeln, als sie Personal, Passwege und Positionierungen umgestellt hatten und bei Österreich die Kraft im roten Bereich angekommen war.

Es wurde in dieser Woche sehr schnell sehr klar, dass die Resultate alleine einstweilen vielleicht nicht unwichtig sind, das sind sie in Hinblick auf die Ausgangsposition für die WM-Quali nämlich nicht, sehr wohl aber nicht allein prioritär. Da fängt halt gleich mal Chiara D’Angelo an, in der für den Klassenerhalt womöglich schon vorentscheidenden Partie gegen Schottland. Da spielt gleich mal Carina Brunold statt Marie Höbinger (die in Liverpool nach der Trennung von Matt Beard übrigens einen neuen Trainer bekommt) in Nürnberg, vor knapp 15.000 Zusehern. Vor mehr als 874 Leuten (letzten Mai beim Ländle-Derby in Altach) hatte Brunold davor nie gespielt und gegen ein Team dieser Qualität schon gar nicht. Dafür machte sie es richtig gut und richtig furchtlos.

Im Umgang mit den Spielerinnen hat Schriebl sehr offensichtlich einen Ton erwischt, der mitreißt und das Gefüge stärkt. Im Gespräch mit Medienvertretern – etwa bei den üblichen, via Zoom-Call durchgeführten Presseterminen oder auch in „Sport am Sonntag“ auf ORF – agierte der 46-Jährige sehr viel vorsichtiger, er wirkte eher zurückhaltend. Verständlich: Mit Ausnahme von Gerhard Öhlinger von den „Salzburger Nachrichten“ sind ihm die Leute alle neu. Dominik Thalhammer hatte zu Beginn im Grunde überhaupt nur mit Ballverliebt und gelegentlich mit der APA und Helmut Pichler zu tun, Irene Fuhrmann war als seine langjährige Co-Trainerin zumindest mit den Gesichtern vertraut.

Für Schriebl sind fast alle neu, da ist erstmal Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Solange das nur im Umgang mit den Reporterinnen und Reportern so ist und nicht auch mit dem Gegner, ist alles gut. Denn wie sagte Ron Dennis einst zu Journalisten? „We’re the ones who make history. You just write about it.“

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Alex Schriebl: Trainer mit klarer Linie für einen ÖFB ohne klare Richtung https://ballverliebt.eu/2025/01/24/alexander-schriebl-teamchef-frauen-neu/ https://ballverliebt.eu/2025/01/24/alexander-schriebl-teamchef-frauen-neu/#comments Fri, 24 Jan 2025 13:58:28 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=21074 Alex Schriebl: Trainer mit klarer Linie für einen ÖFB ohne klare Richtung weiterlesen ]]> Die erste Antwort war immer die selbe. „Ein wirklich supernetter Typ, ein Menschenfänger“ sei Alexander Schriebl, und „zwischenmenschlich wird das ganz sicher passen!“ Wenn man Menschen fragt, die den neuen Teamchef der ÖFB-Frauen näher kennen, wird stets seine außerordentliche soziale Kompetenz betont. Sportlich setzte er beim Red-Bull-Klub in Bergheim auf hartes Pressing, eine gewisse Kompatibilität mit den Stärken des Nationalteams ist also sicher gegeben.

Aber kann er die Defizite im Aufbauspiel mit Ballbesitz beheben? Ist der Sprung vom Frauen-Team aus dem beschaulichen Salzburger Vorort direkt in die höchste Klasse der Nations League nicht doch sehr groß? Vor allem jedoch: Was sagt seine Verpflichtung und der Weg dorthin über den ÖFB aus – und dessen längerfristigen Plan für die Frauensektion, und gibt es eine solchen überhaupt?

Die ersten Bewährungsproben des 46-jährigen Salzburgers kommen jedenfalls rasch, am 21. Februar steht in Ried das erste Nations-League-Spiel gegen Schottland an, vier Tage später geht es in Nürnberg gegen Deutschland.

Rätselraten hat ein Ende

Am 21. Dezember trat Liése Brancão als Trainerin von Serienmeister SKN St. Pölten zurück. Eine Woche später, ab 27. Dezember wurde die Trennung von Irene Fuhrmann und dem ÖFB offiziell. Die Vermutung lag nahe, dass Li wiederum nur wenige Tage später als neue Teamchefin vorgestellt wird. Doch dann passierte… nichts. Über Wochen. Zuletzt hieß es, sie wäre nie eine ernsthafte Kandidatin gewesen.

Natürlich sagt niemand etwas on the record, aber es war zu vernehmen, dass sich die Suche erst in den letzten Tagen intensiviert haben könnte oder dürfte – ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel selbst gab an, „ab Anfang Jänner intensiv mit Kandidaten, denen ich den Job zutraue“, gesprochen zu haben. Aus welchem Pool suchte man? Wenn die Vorgaben waren „aus Österreich“ und „hat Erfahrung im Frauenfußball“, verbunden mit der vorgeschriebenen Trainer-Pro-Lizenz, sind die Möglichkeiten begrenzt. Dominik Thalhammer, Markus Hackl, Sargon Duran, Michael Steiner, Andreas Heraf, Kurt Russ und Alexander Schriebl, technically auch Johannes Uhlig, dazu Irene Fuhrmann und Maria Wolf sowie Liése Brancão, die aktuell den Pro-Lizenz-Kurs absolviert.

Konkret darauf angesprochen, sagte Schöttel:

„Ich habe auch über Kandidaten aus dem Ausland nachgedacht, es gab auch Gespräche, aber in den Endgesprächen am Schluss waren ausschließlich österreichische Kandidaten. Ich denke schon, dass man die Verpflichtung von Alex als Signal an die österreichische Liga werten kann, dass hier spannende Trainer am Werk sind und… ja.“

Und genau das offenbart so ein wenig das Problem.

Trainersuche per Namedropping

Denn ein echtes, inhaltliches Anforderungsprofil für den Posten – hat es das überhaupt gegeben? Es ist schon okay, als Verband zu sagen: Wir wollen das hier in Ruhe über die Bühne bringen, ohne eine öffentliche Debatte – die es auf der Frauen-Seite des ÖFB aber ohnehin eher als Stürmchen im Wasserglas gegeben hätte, nicht als ausgewachsenes Massenphänomen wie bei den Männern.

Wo waren die Problemfelder der letzten Monate unter Fuhrmann, wie kann man die beheben?

Wie soll der Fußball der ÖFB-Frauen mittel- und langfristig aussehen?

Welche Ziele setzt man sich für die nächsten fünf Jahre, zehn Jahre?

Ganz platt formuliert: Welche Vision gibt man sich für das Frauen-Team?

Diese Fragen müssten eigentlich beantwortet werden, ehe man mit diesen Antworten eine Shortlist an Namen erstellt, unabhängig davon, ob man dann in Österreich oder beispielsweise auch in Deutschland oder der Schweiz fündig wird oder womöglich ganz wo anders – der belgische Verband holte sich als Nachfolger von Langzeit-Teamchef Ives Serneels etwa Elisabet Gunnarsdottir, eine Isländerin, die 15 Jahre in Kristiansand in der schwedischen Liga Trainerin war. ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel hatte ja schon bei der Rangnick-Verpflichtung zugegeben, dass es jenseits seiner Phantasie war, ihn überhaupt zu fragen – Rangnick bot sich vor knapp drei Jahren praktisch selbst an.

Wer passt zum Status Quo?

Nun hat Schöttel dieses Netzwerk in der Frauen-Szene nicht, aber das macht nichts, es gibt im Umfeld genug, die das haben. ÖFB-Frauenfußball-Direktorin Isabel Hochstöger etwa. Die Sportchefin des SKN St. Pölten, Tanja Schulte, ist selbst Deutsche und hat schon vor 15 Jahren mit ihren Kontakten Transfers österreichischer Talente nach Deutschland eingefädelt. Man kennt sich ja.

Tatsächlich wirkt die Schriebl-Verpflichtung auf den ersten Blick so, als würde man sich im ÖFB auf eine Handvoll Möglichkeiten beschränken, Namen streichen die nicht gehen oder die man nicht will, dann sich für den entscheiden, der übrig bleibt – um hinterher eine Erklärung retro-fitten zu können, warum genau diese Entscheidung genau die ist, die inhaltlich optimal war.

„Die Art und Weise, wie seine Mannschaft Fußball spielt, deckt sich aus meiner Sicht sehr mit der Spielidee, die wir beim ÖFB eingeführt haben“, erklärte Schöttel bei der Vorstellungs-PK. Also: Wer passt zum Status Quo? Fein, mit dir machen wir das dann, zumindest bis zum Ende der WM-Quali für Brasilien 2027. Dann schauen wir mal, wie der neue Status Quo aussieht.

Über den Tellerrand der Komfortzone

Alexander Schriebl selbst, der nun also den Zuschlag bekommen hat, ist unbenommen von all dem aber sehr wohl eine spannende Persönlichkeit. Neben seiner Tätigkeit als Trainer von Red-Bull-Kooperationsklub FC Bergheim in der Frauen-Bundesliga bietet er verschiedene Fortbildungs-Kurse an, darunter auch „Train The Trainer“ – also Seminare für Coaches. Auch Camps für vereinslose Profis sowie für Kinder und Junioren.

Diese Tätigkeit ist es auch, weswegen er im Sommer so oder so als Chef-Trainer in Bergheim von Dušan Pavlović abgelöst worden und als Trainer in den Nachwuchsbereich gewechselt wäre – auf eigenen Wunsch, wie es heißt. Pavlović übernimmt in Bergheim nun eben schon jetzt.

Von Juli bis Dezember 2023 begab sich Schriebl zudem mit seiner Frau – Lehrerin und psyochosoziale Betreuerin – und den beiden Kindern auf eine „Auswandern-auf-Zeit“-Reise nach Mexiko. Das schult den Blick über den Tellerrand des Lebens und mit dem Verlassen von Komfortzonen hat Schriebl ganz offenkundig keine Probleme.

Ein Pressing, dass die Fetzen fliegen

Vorweg: Es ist sehr problematisch, die Details aus dem Bergheim-Spiel direkt auf ein österreichisches Nationalteam umzulegen. Andere Spielerinnen, andere Typen, auch andere Gegner und andere Gegebenheiten. Es kann hier nur um die generelle Attitude gehen, die grobe Sicht darauf, wie der Fußball gedacht wird.

Und wie spielt Bergheim nun inhaltlich? Ganz klar, hier wird nach der Handschrift von Red Bull agiert, und zwar nicht das lauwarme Irgendwas von Lijnders oder mit Struber’schen Mauer-Elementen, sondern quasi Old School Red Bull.

Anders gesagt: Hier wird angelaufen, dass die Fetzen fliegen.

Dabei ist es Schriebl und dem Team komplett wurscht, ob sie da mit Kleinmünchen/Blau-Weiß oder dem LASK auf dem Feld stehen, die gegen den Abstieg spielen, oder mit dem SKN St. Pölten oder der Austria, die um die Meisterschaft rittern. Hinten rausschieben, schon im Mittelfeld den Gegner unter Stress setzen, den Raum eng machen und die Zeit knapp. Es wurde in der Liga im Herbst 2024 zum Running Gag, dass Bergheim daheim immer 0:0 spielt.

Ein Hochfrequenzbohrer, der weh tut

0:0 gegen Lustenau/Dornbirn, 0:0 gegen die Austria, 0:0 gegen St. Pölten, 0:0 gegen Sturm Graz, 0:0 gegen Altach. Aber was nach Beton-Kick klingt, war das ganz und gar nicht, zumindest nicht im klassischen Sinn. Gegen Bergheim spielen zu müssen, ist grindig, macht keinen Spaß, es ist wie ein Zahnarztbesuch: Der Hochfrequenz-Bohrer verursacht Schmerzen.

Was Bergheim jedoch nicht zeigt, oder nur in Spurenelementen, ist ein eigenes Aufbauspiel. Kurze Abstoß-Varianten, wie sie in in den letzten Jahren modern wurden, gibt es bei Schriebls Bergheim nicht; das ist eher Dump-and-Chase: Weit nach vorne das Ding, und dann in Mannschaftsstärke nachpressen, die Abwehrreihe schiebt dabei bis zur Mittellinie vor. Auch hier gilt: Und wenn das der SKN ist, dann ist das halt der SKN. Wir schieben hoch.

Wie kann das für die ÖFB-Frauen passen?

Beim Frauen-Nationalteam des ÖFB, war es genau die Schwäche im Spielaufbau, die gegen vernünftige Teams auf Augenhöhe nötig wurde, die im letzten Jahr zum Misserfolg der verpassten EM geführt hatten. Bergheim hat quasi gar keinen eigenen Aufbau und in der Liga ist dieser auch nicht nötig: Es stellt sich da praktisch niemand eisenhart hinten rein, zumindest nicht gegen Bergheim. Nicht mal der LASK, der mit einer Passiv-Taktik gegen das reichlich unkreative Team aus Neulengbach einen überraschenden Sieg einfahren konnte.

Da Bergheim den Raum um den Ball extrem verdichtet, ist es nach einem Ballgewinn auch oft sehr eng, und da sind Laufwege und Entscheidungsfindung ziemlich oft eher off. Trotz Tuchfühlung zu den Top-4 in der Tabelle und bei allem Talent, das vor allem Alessia Pamminger hat, aber auch die Spinn-Schwestern und etwa auch Sara Grabovac unbestritten haben – es ist kein Zufall, dass Bergheim in den 13 Spielen im Herbst nur sieben Tore erzielt hat, davon fünf gegen den Letzten und den Vorletzten.

Freilich, die Auffassungsgabe und die Umsetzung ist bei einer Sarah Zadrazil von den Bayern, einer Marie Höbinger von Liverpool oder einer Eileen Campbell von Freiburg eine andere als bei einer Horde von 16- und 17-Jährigen. Bergheim stellt eine extrem junge Truppe. Furchtlos, lernwillig, aber zuweilen auch naiv und jedenfalls noch ziemlich unroutiniert.

Die Attitude aber: Lust am Fehler provozieren, nicht Angst vorm Fehler machen. „Unser Fußball ist nicht typisch und nicht alltäglich im Frauenfußball in Bergheim, das ist es, was ich auch mit dem Nationalteam machen möchte“, kündigt Schriebl an.

Seekirchen, Horn, Bergheim …

Als Spieler hat Schriebl, normalerweise in der Offensive daheim, zwischen 1998 und 2010 für Prä-RB-Salzburg, Braunau, Lustenau, Schwanenstadt, die Austria-Amateure und Hartberg in Bundesliga und 2. Liga gespielt. Dann war er Co-Trainer bei Austria Salzburg, ehe er mit einem starken Frühjahr 2016 als Cheftrainer bei Kuchl in der Salzburger Liga auf sich aufmerksam machte.

Es folgten vier Regionalliga-Jahre in Seekirchen, wo er mit einer über diese vier Jahre personell nur minimal veränderten Mannschaft die Plätze zehn, zwölf, fünf und drei einfuhr – und schon da war die Prämisse: Egal wie übermächtig ein Gegner ist, die Spielidee steht, und die Spielidee war da schon die selbe wie später in Bergheim. „Das ging so weit, dass wir in einem Testspiel gegen Red Bull Salzburg, damals unter Marco Rose, selbst unser Spiel im Red-Bull-Stil umzusetzen probiert haben“, erzählt Benjamin Taferner, langjähriger Stürmer unter Schriebl beim Flachgauer Verein.

Von 2016 bis 2020 war Schriebl Trainer in Seekirchen, mit einer über Jahre kaum veränderten Mannschaft. Sebastian Rauter kam auf diversen Positionen zum Einsatz, wenn da und dort mal jemand fehlte.

Die ausgesprochen geringe Fluktuation in Seekirchen – und auch beim Nationalteam kann man ja nicht mal so eben sechs neue Leute holen, wenn’s nicht passt – fällt auf. „Er nimmt alle Spieler mit, auch die Nummer 16 und die Nummer 20“, erzählt Taferner, „niemand hört gerne, dass er nicht im Kader ist, aber alle waren gerne da. Alex hatte überall nur gute Nachrede, auch von Leuten, die sportlich nicht so zum Zug gekommen sind. Am Platz und in der Kabine kann er auch ein harter Hund sein, aber außerhalb des Platzes war er gleich wieder eine Frohnatur mit einem offenen Ohr für die Anliegen seiner Spieler.“

In Bergheim hat er mit Mittelfeld-Raute spielen lassen, in Seekirchen zuvor üblicherweise ein flaches 4-4-2, wobei das System der Gegner gegebenenfalls gespiegelt wurde. „Wir waren meistens selbst verantwortlich für Erfolg oder Misserfolg“, erinnert sich Taferner, „wenn wir gewonnen haben, wussten wir im Normalfall, warum. Wenn wir verloren haben, auch.“ Das klingt banaler, als es ist. Dieses Wissen erleichtert die Analyse, macht auch die Spieler offener für Adaptierungen.

Im September 2020 ging Schriebl von Seekirchen direkt zu Zweitligist Horn – als vierter Trainer am 6. Spieltag – und musste den von UFA-Media hinterlassenen, wild zusammen gestoppelten und schnell auch wieder halb zerflogenen Kader-Schweinestall irgendwie sportlich moderieren, ein Himmelfahrtskommando. Im Sommer 2022 war er ein paar Monate in der Regionalliga bei Saalfelden, es folgte der Ausladsaufenthalt in Mexiko. Seit einem Jahr war Schriebl Trainer beim FC Bergheim – dem Kooperations-Klub von Red Bull Salzburg, der im Sommer vollends im RB-Branding aufgehen wird. Bernd Winkler, Leiter der Frauen-Abteilung von RB Salzburg und einst Teamkollege bei Salzburg-Alt und Braunau, hat Schriebl dort installiert.

… Nations League

Man sieht schon – Kuchl, Seekirchen, Horn, Bergheim, nein also die große Fußballwelt ist das nicht. Beim ÖFB erwartet Schriebl ein vielköpfiges Trainerteam und ein noch umfangreicherer Staff. Was er bisher machte, war von regionalem Interesse oder in einer ziemlich kleinen Nische ohne eine echte Öffentlichkeit. Nun wird er in ein paar Wochen in die Nations League starten – es ist alles ziemlich hochskaliert. „Es ist ein Sprung und der tollste Job im Frauenfußball in Österreich“, so Schriebl bei seiner Vorstellung.

Aber einen Einblick, was im internationalen Frauenfußball auf diesem Niveau geboten ist, was Möglichkeiten und Infrastruktur betrifft, aber auch das Umfeld, konnte er zwangsläufig noch nicht aus erster Hand gewinnen. Der Posten als Teamchef der ÖFB-Frauen ist, was den öffentlichen Rechtfertigungsdruck angeht, nicht mit Trainer-Jobs bei Rapid, bei Sturm oder beim Männer-Team vergleichbar. Er ist aber sehr wohl mit mehr (nicht selten auch untergriffig formulierter) öffentlicher Kritik verbunden als jene in Seekirchen und Bergheim.

„Egal, welches Niveau“, wehrte Schriebl aber ab, „es geht um den Menschen – Liebe,  Wertschätzung, Anerkennung, Zugehörigkeit. Ich sehe nicht viel Druck, es ist Fußball, es ist ein Spiel. Du kannst dich nur bestmöglich vorbereiten.“

An den Ansprüchen messen

„Es gibt Erwartungen und das ist ja gut und soll auch in Zukunft so sein“, so Schriebl weiter, und er betont in Hinblick auf EM- und WM-Endrunden: „Die Erwartungen sind, dass wir uns qualifizieren. Und wir können ein Publikum nur begeistern, wenn wir selber begeistert sind und wir ein Spiel auf den Platz bringen, das begeistert, Leidenschaft zeigt, Wille zeigt. Dann können wir viel bewegen.“

Ja, es ist durchaus möglich, dass der ÖFB mit Alexander Schriebl über eine Goldmine gestolpert ist – ein absolut geerdeter Mensch, für den seine Teams durchs Feuer gehen und dessen Vorstellung vom Fußball zum Team passt. Es kann sein, dass er die spielerischen Probleme vielleicht nicht löst, aber einen funktionierenden Weg findet, um diese Probleme herum zu spielen.

Es kann auch sein, dass es nicht funktioniert. Dass man aus der Nations League absteigt und dann im WM-Playoff aus einem dann vermutlich recht starken Team hängen bleibt, dass die gewünschte Entwicklung nicht stattfindet.

Wohin soll es jetzt wirklich gehen?

Wobei, und hier schließt sich der Kreis wieder: Was ist eigentlich die gewünschte Entwicklung? Darauf gab es auch bei der Vorstellungs-PK keine echten Antworten. „Wichtig ist, dass wir sehr klar sind in dem, was wir wollen“, forderte Schriebl zwar, „alle, ich genauso, und die Rahmenbedingungen vorgeben.“

Aber mit welchen klaren Strategien will man im ÖFB den Frauenfußball nun entwickeln, Peter Schöttel? „Wir können alle miteinander nur den Stellenwert des Frauenfußballs erhöhen durch Maßnahmen in den unterschiedlichsten Abteilungen, aber natürlich auch von außerhalb, dass wir alles unternehmen, um das, was sehr schleppend voran geht, zu beschleunigen.“

Na, wenn das mal keine klare Aussage ist.

Ein Ziel vor Augen

Als Willi Ruttensteiner damals im Frühjahr 2011 Dominik Thalhammer als Leiter der frisch aufgestellten ÖFB-Frauen-Akademie in St. Pölten verpflichtete – und Thalhammer wenige Wochen später nach dem Tod von Ernst Weber auch das Nationalteam übernahm – war das noch mehr eine Personalie aus der ganz tiefen Tiefe des Raumes als es Schriebl jetzt war.

Thalhammer arbeitete mit einem langfristigen Plan, den er konsequent verfolgte. Es war ganz klar, wie das Team spielen sollte, der Weg dorthin dauerte einige Jahre, aber die erfolgreiche EM 2017 mit dem Halbfinale bestätigte die Richtigkeit des Weges. Einige seiner Ideen in den Jahren danach waren womöglich etwas zu avantgardistisch, um sie in der Praxis gewinnbringend umsetzen zu können, aber sein Credo war immer: Ständige Weiterentwicklung, stets neue Inputs liefern und immer ein ambitioniertes, langfristiges Ziel anvisieren.

Er war genauso mit Herzblut bei der Sache wie danach Irene Fuhrmann, die etwas andere fußballerische Prioritäten setzte – taktisch weniger komplex, Arbeitsethos im Zweifel wichtiger als Körpergröße und Tempo, es galt zudem einen Generationswechsel zu vollziehen. Es gab schöne Erfolge und den Einbau einiger junger Spielerinnen für das nächste Jahrzehnt, das Pressing klappte meistens gut, am Ende ging der Amtszeit aber spürbar die Luft aus und auch die Ideen in der Spielgestaltung.

Mach mal, Trainer

Was Schriebl bei Bergheim spielen hat lassen ist tatsächlich sehr nahe an der Spielweise, für die auch der österreichische Nationalteamfußball steht – Anfang der Zehner-Jahre eingeführt von Marcel Koller bei den Männern und eben Thalhammer bei den Frauen. So gesehen ist die Entscheidung für ihn durchaus folgerichtig. Und doch stiehlt sich der ÖFB ein wenig aus der Verantwortung, so macht es zumindest den Anschein.

Fuhrmann hatte in ihrer allerletzten PK als Teamchefin, nach dem 0:1 in Wien gegen Polen, dem Verband nochmal so öffentlichkeitswirksam wie möglich mitgegeben, dass es mehr Investment braucht, etwa in den Trainerstab, in dem sie tatsächlich die einzige ist, die auch zwischen den Terminen hauptamtlich beim ÖFB arbeitet. Wird Schriebl froh sein, überhaupt zum ersten Mal so einen großen Staff zu haben und eben nicht unbequem mehr fordern? Nicht ausgeschlossen.

Und auch auf Aussagen zu einer strategischen Ausrichtung, die über ein „So wie bisher, nur bitte erfolgreicher“ hinausgehen, wartet man aus der sportlichen Leitung des ÖFB vergebens. Mach mal, Trainer, passt schon. Was wollen wir mittelfristig? Bei EM-Endrunden dabei sein. Ja, eh, aber das logische Ziel als ausreichend verkaufen?

Ins kalte Wasser

Schriebl gilt als Entwickler, als Tüftler. Er kommt nicht daher und stülpt ein System drüber – sehr wohl aber ist die Spielidee unumstößlich. So gesehen ist klar, was in den nächsten Jahren von den ÖFB-Frauen auf dem Platz zu erwarten ist. Und doch wird vieles von dem, was Aufgabe des Verbandes ist – langfristige Strategien, klare und ambitionierte Zielvorgaben, Richtungsentscheidungen, Aufmerksamkeit für das Team kreieren – auf den Trainer abgeladen, dieser ins kalte Wasser geworfen. „Am Beckenrand lernt man nicht schwimmen, ich springe gerne ins kalte Wasser“, grinste Schriebl zwar.

Aber der ÖFB tut so nicht viel dafür, den Eindruck seines Desinteresses am Frauenfußball zu zerstreuen.

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Das war die Ära Fuhrmann https://ballverliebt.eu/2024/12/27/bilanz-fuhrmann-osterreich-frauen/ https://ballverliebt.eu/2024/12/27/bilanz-fuhrmann-osterreich-frauen/#respond Fri, 27 Dec 2024 12:02:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20982 Das war die Ära Fuhrmann weiterlesen ]]> Dieser Job hat ihr die Welt bedeutet. Und doch haben am Ende die Mechanismen des Geschäfts gegriffen: Vier Jahren und vier Monaten nach dem ersten Spiel ihrer Amtszeit ist Irene Fuhrmann nicht mehr Teamchefin des österreichischen Frauenfußball-Nationalteams.

Die erste Amtszeit einer Frau in diesem Posten hat viel Schönes gebracht – wie das EM-Viertelfinale 2022 und Platz zwei in der Nations-League-Gruppe 2023. Dazu einiges, was notwendig war – 14 Spielerinnen haben unter Fuhrmann debütiert, darunter zukünftige Stützen wie Annabel Schasching, Lilli Purtscheller und Eileen Campbell.

Aber es war eben auch das verhackte WM-Playoff in Schottland dabei und vor allem dieses verflixte Jahr 2024. Die Entwicklung stagnierte, der Generationswechsel stagnierte, spielerisch ging nichts mehr weiter und einige der verlorenen Matches gingen auch auf sie. Die mit den beiden Playoff-Niederlagen gegen Polen verpasste EM-Teilnahme war die Kulmination einer schon länger sichtbaren Fehlentwicklung.

Foto: UEFA

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel spricht von einer „Entscheidung, die sehr schwer zu treffen war“ und Fuhrmann selbst sagt: „Ich habe immer betont, dass es am Ende nicht um meine Person geht, sondern um die Weiterentwicklung des Frauen-Nationalteams, dem Zugpferd des gesamten österreichischen Frauenfußballs.“ Darum sei es jetzt die richtige Entscheidung, für „Platz für neue Impulse an der Spitze zu sorgen.“

Ob es nun mehr ein Rauswurf oder mehr ein Rücktritt war, lässt sich anhand der Zitate aus der ÖFB-Aussendung nicht wirklich festmachen, es tut aber am Ende auch nicht wirklich etwas zur Sache. Fakt ist: Die Ära Fuhrmann ist vorbei und damit ist die Gelegenheit da, Bilanz zu ziehen.

Komplexität raus, Talente rein

Dominik Thalhammer hatte vor ihr das Team auf die Landkarte gebracht, 2017 das EM-Semifinale erreicht, aber auch ein taktisches Konstrukt von zunehmender Komplexität gebaut. Von Kathi Schiechtls Debüt 2014 bis zu seinem Abgang 2020 hat es nur eine einzige Spielerin geschafft, neu reinzukommen und Stammkraft zu werden – Julia Hickelsberger im Herbst 2019, deren simple Rolle im WW-System es war, möglichst schnell die Seitenlinie auf- und abzulaufen.

Fuhrmann musste beginnen, junge Spielerinnen neu reinzubringen. Es blieb dabei, dass man sich am Wohlsten fühlte, wenn man einen Gegner hoch anpressen konnte, aber System- und Taktikexperimente hatten ein Ende, das Grundkonstrukt blieb ein 4-3-3. Selbst, wenn sie gewollt hätte, wären Experimente in den begrenzten Möglichkeiten der Corona-Zeit auch gar nicht sinnvoll möglich gewesen.

Höbinger, Wienroither und Naschenweng – unter Thalhammer maximal Wechselspielerinnen – wurden Stammkräfte. Barbara Dunst, unter Thalhammer nur sechs Mal in vier Jahren in Pflichtspiel-Startformationen, sollte jedes einzelne der 53 Spiele unter Fuhrmann absolvieren. Degen, Campbell und Purtscheller sind neue Gesichter des Teams geworden, Annabel Schasching wird dies sicher auch bald, Maria Plattner wäre ohne ihr Verletzungspech womöglich längst Stammkraft im Mittelfeld-Zentrum.

Auch, wenn einige der Routiniers noch dabei sind – Puntigam, Zadrazil, Hanshaw, Kirchberger: Das Team von 2023/24 hatte schon ein ganz anderes Aussehen als das von 2019/20. Als Fuhrmann übernommen hat, war Österreich im FIFA-Ranking auf Platz 14 im europäischen Vergleich, sie übergibt die ÖFB-Frauen auf Platz 11 – gegenüber damals vorbei an der Schweiz, Belgien und Schottland.

Ihre Amtszeit ist schön in die fünf Kalenderjahre einteilbar: 2020 ging es ums sportliche Überleben. 2021 war eine etwas ziellos wirkende Suche nach der Stärke, die 2022 gefunden war und mit dem EM-Viertelfinale ausgespielt wurde. 2023 war die Zeit des erfolgreichen Generationswechsels, ehe 2024 alles erstarrte und man keine Lösungen mehr fand.

2020: Kaltstart in Corona

Ende Juli 2020 wurde Irene Fuhrmann nach dem Wechsel von Vorgänger Dominik Thalhammer zum LASK von der Co-Trainerin zur Teamchefin befördert, also mitten im ersten Corona-Sommer. Viel Zeit ging für die komplizierte Anreise inklusive Covid-Tests drauf, dazu gab es die ständige Möglichkeit, nach positiven Tests kurzfristige Ausfälle verkraften zu müssen. Einmal musste etwa die komplette dreiköpfige Abordnung von Sturm Graz fernbleiben, weil man als Kontaktpersonen in Quarantäne steckte.

Das erste Spiel war auswärts in Kasachstan und das Ambiente passte. Es roch penetrant nach verbrannten Reifen, von der leeren Haupttribüne aus sah man auf die endlose braune Steppe, die sich außerhalb der Millionenstadt Shymkent erstreckt. Das Sport-Internat dahinter sieht eher aus wie eine sowjetische Militär-Baracke. Österreich gewann mit 5:0, es war das Startelf-Debüt von Marie Höbinger und das Pflichtspiel-Debüt von Laura Wienroither, zwei Namen, welche die Ära Fuhrmann prägen sollten. Andererseits verlor man schon in der 2. Minute Julia Hickelsberger mit einer fürchterlichen Knieverletzung.

„Wir sind dankbar, das professionell ausüben zu können, aber das spielt alles mit“, sagte Fuhrmann im Herbst 2020, „es ist so viel positive Energie da, trotz der Covid-Situation.“ Man war froh, dass die ÖFB-Frauen-Akademie schon relativ früh wieder trainieren durfte, anders als etwa in Deutschland. Österreich ermauerte sich ein 0:0 gegen Frankreich, das war für das EM-Ticket lebensnotwendig. Einem 0:3 in Guingamp folgte ein unendlich mühsames Match gegen Serbien, das erst spät und eher schmeichelhaft 1:0 gewonnen wurde. Das sollte letztlich knapp für das direkte EM-Ticket reichen.

2021: EM-Verschiebung und zähe Phase

Die EM-Verschiebung von 2021 auf 2022 nahm den Zeitdruck ein wenig raus. Man lief im Trainingslager auf Malta in ein 1:6 gegen Schweden, was schlimmer aussah, als es war und gewann gegen die Slowakei mit 1:0, was besser aussah, als es war. Im April 2021 lud Fuhrmann mal ganz viele junge Spielerinnen ein: Lilli Purtscheller, Celina Degen, auch Lara Felix und Julia Kofler; Annabel Schasching und Valentina Kröll fehlten coronabedingt.

„Es gibt mehr Inhalte für die Jungen, dass die sich auf dem Niveau mal messen können, das ist in ihrem Alltag anders“ – was man bei einer damals 18-Jährigen von Abstiegskandidat Wacker Innsbruck auch sah. „Purtscheller muss bei ihrem Klub den Ball schleppen, damit die anderen aufrücken können. Dazu kommt sie hier nicht, weil sie die Zeit am Ball gar nicht kriegt: Andribbeln, Freispielen, Strafraumbesetzung!“ Im Frühjahr 2021 ging der Lilli das alles noch zu schnell, im Herbst 2023 dann nicht mehr.

Es gab ein 2:2 gegen Finnland (nach rascher 2:0-Führung) und zwei Monate später ein 2:3 gegen eine italienische Experimental-Elf mit kaum zwei ernsthaften Startelf-Anwärtern, das eine annähernd in Bestbesetzung angetretene ÖFB-Elf nie verlieren darf. Die sportlich wertlosen ersten Matches in der angelaufenen WM-Qualifikation – 8:1 in Lettland, 6:0 in Nordmazedonien und 5:0 gegen Luxemburg – kann man inhaltlich kaum werten.

Den Auftritt am Nationalfeiertag 2021 in Belfast schon. Österreich presste Nordirland an die Wand, machte aber nur ein Tor. Nach Wiederanpfiff schlug es zweimal in kurzer Zeit ein – ein Konter und ein Freistoß – und die Nordirinnen zogen das Spiel auf ihr Niveau runter, nahmen Österreich den Rhythmus. Steffi Enzinger glich in der Nachspielzeit zumindest zum 2:2 aus.

Das Jahr 2021 – das mit einem braven Auftritt in Sunderland beim 0:1 in England und einem gebrochenen Schien- und Wadenbein von Gini Kirchberger beim 8:0 in Luxemburg endete – war bestenfalls durchwachsen. Das Fallobst sammelte man mühelos ein, aber bei den Auftritten gegen vernünftige Mannschaften war nicht viel Vergnügliches dabei.

2022: Höhenflug und Tiefschlag

Viel inhaltliche Arbeit war in der Corona-Zeit nicht möglich gewesen. Man behalf sich mit viel online vermittelter Theorie (Fuhrmann: „Die sind taktisch einiges gewöhnt, die können das zur Not auch auf diesem Wege aufnehmen“), die dann in der kurzen gemeinsamen Trainingszeit ohne lange Erklärungen umgesetzt werden sollte.

Beim Trainingslager in Spanien im Februar 2022 war gegenüber dem zähen Vorjahr eine dramatische Steigerung zu erkennen. Rumänien (6:1) und die Schweiz (3:0) waren dem erbarmungslosen Angriffspressing in keinster Weise gewachsen, Fuhrmann imponierte vor allem die Nachdrücklichkeit, mit der diese Spielweise in den beiden Tests in Marbella auch bei klarer Führung durchgezogen wurde. „Das war in aller Konsequenz wohl das Beste, was wir seit Jahren gespielt haben“, schwärmte die Teamchefin.

Im Sturmregen von Wr. Neustadt erarbeitete sich das Team danach ein 3:1 gegen Nordirland, womit Platz zwei in der Quali-Gruppe und damit das Playoff-Turnier für die erstmalige WM-Teilnahme nervenschonenderweise schon vor der verschobenen EM eingetütet war. Nur: Wie gut war Österreich wirklich? Das 8:0 gegen Lettland und ein 4:0 gegen Montenegro gaben darüber nicht wirklich Aufschluss. Solide Leistungen bei Testspielen gegen Dänemark (1:2) und in Belgien (1:0) deuteten an: Das wird schon passen.

Und wie es dann passte.

Vor 68.000 Zusehern im Old Trafford sah der Auftritt von Österreich so ähnlich aus wie neun Monate zuvor in Sunderland: Sehr solide, zuweilen unangenehm für die Lionesses, nach vorne relativ harmlos, aber defensiv auch nicht viel zugelassen. Es gab wieder eine 0:1-Niederlage, aber allenthalben Lob, zuweilen auch in Form geharnischter Kritik an den englischen Gastgeberinnen formuliert.

Mit einem weiteren Arbeitssieg gegen Nordirland (2:0) hatte man das erste Ziel erreicht, nämlich mit einer Chance auf das erneute Erreichen der K.o.-Runde in das letzte Gruppenspiel gegen Norwegen zu gehen. Dank des historischen 0:8-Debakels von Norwegen zuvor gegen England hätte Österreich sogar schon ein Unentschieden gereicht, darauf hatte man aber keine Lust. „Wie die Monster zertrampelten sie den letzten Rest norwegischen Stolzes unter einer nicht enden wollenden Kaskade von Angriffs- und Gegenpressing. Bei Norwegen haben sie Spielerinnen von Olympique Lyon, dem FC Barcelona und von Chelsea, aber klein wurden sie, ganz klein“, formulierten wir es an dieser Stelle.

Es war wohl das beste Spiel, das jemals ein österreichisches Frauen-Nationalteam auf den Rasen gezaubert hat, vor allem die erste Halbzeit. Einige Tage später hielt man das Viertelfinale gegen Deutschland trotz frühen Rückstandes zumindest 60 bis 70 Minuten lang offen und bereitete den DFB-Frauen einiges an Kopfschmerzen, bis die längere Bank das Pendel in die deutsche Richtung kippen ließ, in der Nachspielzeit schluckte man noch eher blöd das 0:2, aber es machte keinen echten Unterschied mehr.

Diese zwei Wochen in England waren der Höhepunkt der Ära Fuhrmann.

Die Resonanz war groß, das Stadion in Wr. Neustadt für das folgende WM-Quali-Heimspiel gegen England (0:2) deutlich zu klein – die Bilder von der benachbarten Wasserrutsche, von der aus einige Kiddies zuschauten, gingen um die Frauenfußball-Welt, begleitet mit Aufforderungen, man solle sich bitte angemessen schämen. Für das 10:0 gegen Mazedonien war die Anlage dann aber doch ausreichend.

Den EM-Schwung wollte man ins WM-Playoff mitnehmen, das Los meinte es nicht so schlecht mit Österreich – Schottland auswärts und Irland daheim sollte man schon bezwingen, wenn man zu einer WM will. Im schottischen Mistwetter von Glasgow ging aber 120 Minuten lang nichts für Österreich. 0:1 nach Verlängerung, der Horror von Hampden bedeutete einen schmerzhaften Schlag in die Magengrube.

Unmittelbar nach der EM hatten Viktoria Schnaderbeck und Lisa Makas das Ende ihrer Karrieren erklärt, einige Monate später auch Carina Wenninger (wiewohl diese nach einem Jahr Auszeit nun doch wieder spielt). Nach dem WM-Aus war eine ganze Saison da, um sich für die neue Nations League vorzubereiten – man startete im November mit einem 1:0-Sieg in Italien und einem 3:0 gegen widerstandslose Slowakinnen.

2023: Königinnen des Comebacks

Im Februar-Trainingslager auf Malta gab es dann den ersten großen Auftritt von Eileen Campbell. Die Vorarlbergerin mit nordirischer Mama sorgte im ersten von zwei Testspielen gegen die Niederlande für den späten Ausgleich, ehe Sarah Zadrazil in der Nachspielzeit sogar zum 2:1-Sieg treffen sollte. Vier Tage später gab es gegen den selben Gegner ein 0:4 und einige Wochen später lag man auch gegen Belgien nach zwei wunderlichen Gegentoren schon 0:2 im Rückstand – Österreich gewann aber dank Treffern in den Minuten 78, 84 und 90 noch 3:2.

Comebacks sollten ein bestimmendes Element von 2023 werden.

Beim Purtscheller-Debüt im April gewann Österreich 2:0 gegen Tschechien, es folgte ein ordentliches Spiel und ein Nachspielzeit-Gegentor beim 0:1 gegen Island, ehe die Nations League startete. In Oslo lief man der Musik eine Halbzeit lang eher hilflos hinterher, lag aber „nur“ 0:1 im Rückstand. Es folgte eine stark verbesserte zweite Hälfte, in der Campbell zum 1:1-Endstand traf. Dann, beim Rekordspiel im Stadion der Wiener Austria, waren erstmals über 10.000 Zuseher bei einem Frauen-Spiel in Österreich dabei, sie sahen eine frühe französische Führung und eine stark verbesserte zweite Hälfte der ÖFB-Frauen.

Dem 0:1 gegen Frankreich folgte eine hilflose erste Halbzeit in Altach gegen Portugal, ehe eine stark verbesserte zweite Hälfte folgte, in der ein Doppelschlag den 2:1-Sieg sicherte. „Ich will eigentlich gar nimmer wirklich was dazu sagen“, war Verena Hanshaw da die ständigen Fragen schon ein wenig leid, warum man immer eine Halbzeit brauche, um in Fahrt zu kommen. In Portugal war das Team dann sofort da, belohnte sich zwar nicht gleich, erarbeitete sich aber einen weiteren 2:1-Sieg – damit war der Klassenerhalt in der Leistungsgruppe A im Grunde fix.

Der mutige Auftritt in Frankreich Anfang Dezember machte durchaus Laune, auch wenn der spätere NL-Finalist doch zu einem zu hohen 3:0-Erfolg kam. Wie anderthalb Jahre zuvor hätte damit ein Remis gegen Norwegen zum zweiten Platz gereicht, wie anderthalb Jahre zuvor hatte Österreich darauf aber keine Lust. Angeführt von einer entfesselten Lilli Purtscheller ließen die ÖFB-Frauen die namhaften Konkurrentinnen bei klirrenden Minusgraden in der ziemlich schütter besuchten NV-Arena von St. Pölten aussehen wie plumpe Baumstämme. Norwegen kam nur zu einem bedeutungslosen Tor in der Nachspielzeit, Österreich gewann 2:1, „mia san verdammte Scheiße zweiter Platz“.

Die Systemumstellung von 4-3-3 auf 4-4-1-1 im Herbst hatte gegriffen. Höbinger, Campbell und Purtscheller wurden zunehmend zu tragenden Säulen, mit Georgieva und Degen gab es eine neue, verjüngte Innenverteidigung. Das Team sah bei sich Fortschritte im Ballbesitzspiel durch die vielen starken Gegner und es zeigte sich als mental sehr widerstandsfähig. Nur die Probleme auf der rechten Seite nach dem Kreuzbandriss von Laura Wienroither sorgten für Kopfschmerzen. Man startete aber mit großer Zuversicht in die EM-Quali.

2024: Stagnation, Rückfall, das Aus

Zurecht, diesen Eindruck vermittelte zumindest die erste halbe Stunde im Heimspiel gegen Deutschland in Linz. Schnell führte Österreich da 2:0, hetzte verunsicherte Deutsche in Fehler. Horst Hrubesch beruhigte sein Team in der Halbzeit, es glich aus und ein geschenkter Elfmeter brachte sogar den deutschen 3:2-Sieg. Vier Tage später zeigte Österreich in Polen großen Respekt vor den über die schnelle Ewa Pajor gespielten Konter, kam aber zu einem 3:1-Arbeitssieg.

Andererseits hatte Österreich bereits vor dem Quali-Start im Trainingslager eine neue Defensiv-Strategie ausprobiert, Gegnerorientierungen mit Übergabe der Deckungs-Aufgaben, um mehr Spielerinnen nach vorne bringen zu können, auf Kosten der defensiven Absicherung. Es ging spektakulär schief, 2:7 gegen England, noch in der Nachspielzeit lief ein weit aufgerücktes Österreich in zwei Gegentore. Es folgte ein sehr wackeliges Spiel gegen Dänemark mit einem schmeichelhaften 1:1.

Wo lag die Wahrheit im Frühjahr 2024?

Die beiden Spiele gegen Island würden über Gruppenplatz zwei und das direkte EM-Ticket entscheiden, das war schon vorher abzusehen. In Ried lähmte Island den österreichischen Aufbau, es war mühsam, nach dem 1:0 per Elfmeter nach einer halben Stunde schien man aber auf Schiene. Im Bemühen, den knappen Sieg zu verwalten, bekam der Gegner in der 75. Minute einen Elfmeter geschenkt, das Ergebnis von 1:1 war über das Spiel gesehen für Island aber mindestens verdient. Österreich redete sich gut zu, das wird schon in Reykjavík, wir holen die drei Punkte dort nach.

Doch auf den nordatlantischen Wind reagierte man überhaupt nicht. Erst bekamen hohe Bälle im Rückenwind ein Eigenleben, dann konnte man mit Gegenwind und unter Gegnerdruck nicht mehr hinten rausspielen. Am Ende stand es 1:2, aber es war ein inhaltliches Debakel und das Ergebnis war noch der erfreulichste Aspekt daran. Erwin Hujecek und Lisi Tieber waren sichtlich erschüttert, als sie im TV-Studio danach mit leerem Blick diese Katastrophen-Leistung einzuordnen versuchten. Das Direkt-Ticket war verspielt, man beendete die Gruppe nach einem sehr soliden 3:1 daheim gegen Polen und einem ziemlich naiven 0:4 in Deutschland als Dritter.

Jeglicher personeller Mut war in diesem Jahr aus der sportlichen Leitung gewichen, von einzelnen Verletzungen abgesehen spielte immer die selbe Mannschaft. Selbst, als nach dem glanzlosen 3:0-Arbeitssieg in Slowenien die Möglichkeit zur Rotation da gewesen wäre, wurde das nicht gemacht. Ein Jahr davor sind fast alle Spielerinnen auch in ihren Vereinen auf einer Erfolgswelle geschwommen, nun kämpften fast alle gegen Formdellen. Es gab im Rückspiel ein 2:1 gegen Slowenien, Pflicht erfüllt, zufrieden war aber keiner.

Das Jahr war geprägt von vielen Fehlpässen im Aufbau, kaum herausgespielten Chancen, inhaltlicher wie personeller Stagnation. Vor dem Island-Rückspiel gab man sich übertrieben überzeugt von sich selbst, nach den Slowenien-Spielen war die ernüchterte Erkenntnis aber längt manifest, dass man große Probleme hatte. Polen – ein vernünftiges, aber weiß Gott nicht angsteinflößendes Team, das zuvor in der A-Leistungsgruppe der EM-Quali alle sechs Spiele verloren hatte – wurde zum gefährlichen Kontrahenten hochgeredet.

Was kam, wissen wir: Man bekam nie Tempo ins eigene Spiel, die Strafraumbesetzung war zu dünn, die spielerischen Lösungen kaum da und als die Polinnen merkte, dass sie nichts zu befürchten hatten, wurden sie mutiger und gewannen das Hinspiel in Danzig verdient mit 1:0. Vier Tage später in Wien war bei Österreich viel Wille da, aber kaum spielerische Struktur. Man arbeitete sich an Polen ab, kam zu einigen Abschlüssen, wirklich gefährlich waren die wenigsten. In der Nachspielzeit traf Polen sogar noch, gewann auch das Auswärtsspiel mit 1:0.

Es war das letzte Spiel unter der Leitung von Irene Fuhrmann.

Numerische und ideelle Bilanz

In den 53 Spielen stehen insgesamt 33 Siege und 19 Niederlagen zu Buche. Gegen im FIFA-Ranking höher klassierte Teams gab es sechs Erfolge in 26 Spielen (zweimal gegen Norwegen, je einmal gegen die Niederlande, Italien, Belgien und die Schweiz). In Matches gegen schwächer klassierte Mannschaften gab es 22 Siege in 27 Spielen, dazu zwei Remis und drei Niederlagen – davon eine nach Verlängerung (in Schottland) und zwei in regulärer Spielzeit. Das waren genau die letzten beiden, jene gegen Polen.

Eine gewisse Schwäche in Playoff-Spielen lässt sich also nur schwer dementieren.

Irene Fuhrmann wird immer die erste Frau bleiben, die das Team hauptamtlich betreut hat. Die schönen Erfolge bei der EM 2022 und in der Nations League 2023 kann ihr keiner nehmen, sie hat weite Teile des Generationswechsels moderiert, lange ohne an sportlicher Potenz einzubüßen. Das ist ihr hoch anzurechnen. Sie stand wesentlich mehr im medialen Fokus als Dominik Thalhammer vor ihr, zum einen durch ihr Dasein als Frau, zum anderen aber auch, weil Thalhammer lange quasi im Verborgenen werken hatte können, mehr oder minder unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Das war Fuhrmann nicht möglich. Unterlief Thalhammer bzw. den von ihm betreuten Spielerinnen Fehler, bekam das zumindest vor 2017 praktisch niemand mit, der nicht auf Ballverliebt davon gelesen hat. Nur von einem einzigen der 53 Fuhrmann-Spiele gab es keine ORF-Übertragung (das war jenes in Kasachstan im September 2020), 31 wurden auf ORF Sport plus gezeigt, 19 auf ORF1 und zwei in der ORF TVThek.

Zum Vergleich: Von den ersten 50 Thalhammer-Spielen wurden sieben auf ORF Sport plus gezeigt, eines im ÖFB-Stream und 42 gar nicht.

Mit größerer medialer Präsenz vergrößert sich auch das Ausmaß, in dem man öffentlicher Kritik ausgesetzt ist. Unter Thalhammer hat lange niemand etwas von den ÖFB-Frauen erwartet, die Erfolge von 2017 und letztlich auch von 2022 haben die Erwartungshaltung entsprechend steigen lassen – auch zurecht. Verpasst man ein hoch gestecktes Ziel (WM-Teilnahme) aufgrund eines einzelnen schlechten Spiels, lässt sich das wegmoderieren.

Verpasst man hingegen die EM-Teilnahme, die längst gemeinhin als Mindestziel angesehen wird – auch von ehemaligen Spielerinnen wie Viktoria Schnaderbeck und Lisa Makas durchaus öffentlich formuliert – fällt das schwerer, zumal dieser Misserfolg eben nicht aus dem Nichts kam.

Die Geometrie des Spiels ging verloren

„Die Spielerinnen lernen, selbstständig Dreiecke zu bilden und nicht nur eingeübte Passwege zu stellen. Das ist ein großer, weiterer Schritt in Richtung Flexibilität und Systemunabhängigkeit!“ Dies sagte Dominik Thalhammer im Herbst 2019.

Solange man unter Fuhrmann gegen starke Teams pressen konnte, sah man gut aus, aber mit dem Ball ging immer weniger weiter. Das war 2020/21 etwa gegen Serbien oder Finnland oder Nordirland zu sehen, machte in der Folge aber wenig aus, weil man entweder gegen wirklich namhafte Mannschaften spielte, wo die ÖFB-Frauen ohnehin nicht selbst gestalten mussten – oder, wie in der WM-Quali, gegen heillos unterlegene.

2024 aber, da hießen die Kontrahenten Island, Polen, Slowenien und wiederum Polen – gutklassige bis vernünftige Teams ohne Ambition, selbst zu gestalten. Da wurde die vernachlässigte Kunst der Spielgestaltung offenkundig. Man baute ein wenig aneinander vorbei auf, das Spiel ohne Ball war ungenügend, die Ballführende war immer ein wenig auf sich alleine gestellt. Die Geometrie des Spiels ist verloren gegangen – und damit Irene Fuhrmanns Argumente zum Weitermachen. Ihre Nachfolge soll bis Jänner geklärt sein, heißt es seitens des ÖFB. Angesichts des für sich gesehen aus dem Nichts kommenden Rücktritts von Liése Brancão als langjährige Trainerin von Serienmeister SKN St. Pölten darf zumindest vermutet werden, dass die Entscheidung intern bereits gefallen ist.

Einsätze und Tore unter Irene Fuhrmann

Einsätze: Dunst 53, Puntigam 51, Hanshaw 47, Zadrazil 47, Billa 46, Feiersinger 45, Zinsberger 43, Höbinger 42, Georgieva 41, Naschenweng 35, Kirchberger 34, Wienroither 34, Wenninger 31, Hickelsberger 26, Campbell 22, Schasching 22, Kolb 21, Schiechtl 21, Degen 20, Pinther 19, Purtscheller 18, Enzinger 16, Makas 13, Wienerroither 11, Plattner 10, Eder 9, Schnaderbeck 9, Kresche 6, Klein 5, Pal 5, Wenger 5, Magerl 3, Croatto 2, Felix 2, Weilharter 2, Krammer 1, Leitner 1, Mayr 1.

Tore: Billa 20, Dunst 11, Campbell, Puntigam 9, Höbinger 7, Naschenweng 6, Enzinger, Feiersinger 5, Kirchberger, Plattner, Schiechtl, Zadrazil 4, Degen, Hanshaw, Wenninger 3, Hickelsberger, Purtscheller, Schasching, Wienerroither, Wienroither 2, Kolb, Magerl, Makas, Pinther 1.

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Didi Constantini ist gestorben. Ein Blick zurück. https://ballverliebt.eu/2024/12/18/didi-constantini-ist-gestorben-ein-blick-zurueck/ https://ballverliebt.eu/2024/12/18/didi-constantini-ist-gestorben-ein-blick-zurueck/#respond Wed, 18 Dec 2024 21:01:42 +0000 Ex-ÖFB-Teamchef Didi Constantini ist nach langer Demenz-Erkrankung im Alter von 69 gestorben. Die Ballverliebt-Crew blickt auf die Zeit und Lage des österreichischen Fußballs in seiner Ära zurück.

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Oliwia Woś: „Wir waren einfach… zu positiv!“ https://ballverliebt.eu/2024/12/06/oliwia-wos-wir-waren-einfach-zu-positiv/ https://ballverliebt.eu/2024/12/06/oliwia-wos-wir-waren-einfach-zu-positiv/#respond Fri, 06 Dec 2024 13:34:12 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20954 Oliwia Woś: „Wir waren einfach… zu positiv!“ weiterlesen ]]> Von den 22 Spielerinnen, die bei den beiden Playoff-Spielen zur Frauen-EM zwischen Polen und Österreich in den Startformationen gestanden sind, spielte keine einzige ihren Liga-Fußball in Polen und nur eine in Österreich. Dafür zwei in Italien, je drei in Spanien, Frankreich und England – und acht in Deutschland.

Und zwei sind sogar in Deutschland aufgewachsen: Polens Sechser Tanja Pawollek, die aus dem Frankfurter Umland kommt – und die polnische Innenverteidigerin Oliwia Woś. Sie ist in Olesno in Oberschlesien geboren, aber in Witten aufgewachsen, dort wo auch Alexandra Popp herkommt, zwischen Essen und Dortmund. Ein Ruhrpott-Kind.

Dank ihr ist Witten auch nach dem Ende der Nationalteam-Karriere von Popp bei der kommenden EM vertreten. Ballverliebt hat sich nach der überraschend geschafften Qualifikation gegen Österreich mit der 1,82 Meter großen und 25 Jahre alten Woś – die nach ihrem Studium der Liberal Arts & Sciences an der University of Indiana 2022 zum FC Zürich gegangen ist, nun beim FC Basel unter Trainerin Kim Kulig spielt – unterhalten.

 
 
 
 
 
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Ein Beitrag geteilt von Oliwia Woś (@oliwiawos)

Aus der Kabine hört’s man ja lautstark, bei euch ist Party angesagt. Was bedeutet die erstmalige EM-Teilnahme für den Frauenfußball in Polen?

Für uns ist das enorm. Wir konnten nur träumen, aber wir haben so doll geträumt, dass es irgendwann wahr wurde. Das ist einfach krass.

Du bist nach dem Spiel im Kabinengang gestanden, hast Marie Höbinger und Viktoria Pinther getröstet…

Wir haben alle zusammen Fußball gespielt in Zürich, ich, Viki und Marie. Als klar wurde, dass wir gegeneinander spielen und dass das ein All-In-Spiel ist, haben wir uns direkt gesagt: „So das ist eigentlich voll Scheiße, dass es entweder oder wird“, und wir nicht alle zur EM können. Aber ja, am Ende isses Fußball und, keine Ahnung… ich liebe die beiden über alles. Wir haben unseren Special Bond und der wird auch nicht weggehen und ich glaube, am Ende des Tages, ist das halt Fußball.

Nach dem 1:3 gegen Österreich im Frühjahr 2024 hat eure Trainerin Nina Patalon gesagt: Wir können über Phasen mithalten, zahlen aber den Preis dafür, dass Österreich auf diesem Niveau routinierter ist. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Wie ging das?

Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht hat es die Situation des K.o.-Spiels ausgemacht. Bei uns hat man schon gespürt, dass wir auf jeden Fall bei der EM dabei sein können. Wir haben unsere Zeit gebraucht und wir haben alle so sehr gehofft dass es wir sind und… ja, jetzt sind es einfach wir. Und ich glaub wir waren einfach… zu positiv!

Zu positiv? Das muss ich mir merken.

Ja, zu positiv ist einfach das geilste was es gibt… ich bin einfach happy.

Das Spiel hier in Wien hat sich phasenweise angefühlt wie ein polnisches Heimspiel, oder?

Für mich ja. Unsere Fans, das ist wirklich unglaublich. Auch in Gdańsk beim Hinspiel, wie sie da 7.000 zusammen bekommen haben und einfach gesungen haben und mitgefiebert. Das zeigt schon auch diese Breite, die jetzt auch langsam in Polen kommt.

Und ihr seid jetzt dann auch sichtbar in Polen, bei der EM, das kann ja auch einen Schub geben, das die Mädels sehen: Das ist nicht nur Deutschland und USA, Frauenfußball geht in Polen auch.

Wir sind – wenn es um die Liga geht – nicht da wo andere Ligen sind, da sind wir schon hinten. Aber der Weg von uns Spielerinnen beim Nationalteam, die wir in Deutschland oder in Frankreich oder Spanien spielen zeigt doch, dass wir es können. Wir haben Ewa Pajor in Barcelona, eine unglaubliche Spielerin einfach. Wir haben eine super Keeperin, Kinga Szimek, generell einen super Kader. Und auch die jungen Spielerinnen, die gehen jetzt immer mehr ins Ausland und das ist einfach geil. Und das macht uns auch happy, dass wir nicht nur mit einer starken Elf spielen können, sondern auch elf dahinter, wir können auch wechseln.

Und das ist ja oft der Unterschied – wie bei Slowenien, die mit Österreich jeweils eine Stunde mithalten haben können, aber von der Bank nicht mehr die Qualität nachkommen konnte.

Stimmt, wir haben Konkurrenzkampf bis zum Ende auf jeder Position und das ist krass zu sehen. Und das ist geil, de dadurch werde auch ich ja besser, weißt du? Ich hab ’ne Paulina Dudek noch in der Verteidigung, eine der geilsten Spielerinnen die es gibt!

Und du spielst Innenverteidigung mit einer 17-Jährigen vom FC Barcelona, Emilia Szymczak.

Ja genau! Was gibt es besseres? Deswegen freu ich mich enorm auf dieses Kapitel mit Polen.

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Playoff-Pleite gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei https://ballverliebt.eu/2024/12/05/playoff-pleite-polen-fuhrmann-osterreich-frauen/ https://ballverliebt.eu/2024/12/05/playoff-pleite-polen-fuhrmann-osterreich-frauen/#comments Thu, 05 Dec 2024 14:19:59 +0000 https://ballverliebt.eu/?p=20889 Playoff-Pleite gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei weiterlesen ]]> Glasige Augen, wohin Oliwia Woś am Eingang des Spielertunnels auch blickte. Die über 1,80m große polnische Innenverteidigerin verteile Umarmungen – an Marie Höbinger und Viktoria Pinther, mit denen sie beim FC Zürich gemeinsam Schweizermeister geworden war. Und an Tanja Pawollek, ihre eigene Teamkollegin, die Rotz und Wasser heulte – völlig überwältigt davon, dass sich Polen erstmals für eine Frauen-EM qualifiziert hatte.

Und Österreich? Vor fast auf den Tag genau einem Jahr gab Manuela Zinsberger feixend den Satz „Mir san verdammte Scheiße zweiter Platz“ zu Protokoll, nachdem Österreich eben diesen mit einem 2:1 gegen Norwegen in der Nations-League-Gruppe fixiert hatte. The future was looking bright, doch mit Blick auf die EM gilt nach den beiden 0:1-Niederlagen im entscheidenden Playoff-Duell gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei.

Wirklich schlechte Karten?

Das Kartenspiel „Cabo“ ist eine Mischung aus Strategie- und Glücksspiel, darin dem Fußball nicht ganz unähnlich. Es geht darum, seine vier Karten – von denen man zu Beginn allerdings nur zwei kennt – reihum so lange mit Karten vom Deck zu tauschen, bis man glaubt, einen Vorteil gegenüber den Gegnern zu haben. Jeder kann jederzeit die Spielrunde für beendet erklären, wenn dann tatsächlich die optimalen Karten hat, gewinnt. Dieses Spiel steht bei den ÖFB-Frauen gerade hoch im Kurs.

Im Fußball ist ein Match erst aus, wenn es aus ist. Aber Österreich hätte zu keinem Zeitpunkt der 193 Minuten und 30 Sekunden in den beiden Matches gegen Polen „Stop The Count“ (oder eben „Cabo!“) postulieren können, hätten sie es dürfen, um mit dem bestehenden Ergebnis zur EM in die Schweiz zu fahren.

Teamchefin Irene Fuhrmann hatte wiederholt über den Modus gestöhnt, dass es ein ziemlich enger Flaschenhals für die Direktqualifikation war (acht Teams) und sich alle anderen durch zwei Playoff-Runden quälen mussten. Nur: In der Qualifikation für die EM 2022 war es zwingend notwendig, einen Punkt gegen Frankreich zu holen UND alle anderen Spiele zu gewinnen, um gerade noch eines der damals zwölf Fix-Tickets zu ergattern. Nun brauchte es Siege gegen, bei allem Respekt, Slowenien und Polen.

Ist das wirklich schwieriger? Hat Österreich tatsächlich schlechte Handkarten gezogen?

Das 0:1 in Danzig

Wie schon beim 3:1 gegen Polen in Altach im Juli wurde beim Hinspiel in der Danziger EM-Arena versucht, die Flügelspielerinnen steil zu schicken. Damals war es gut gelungen, Dunst und Purtscheller zu finden und diese ihre Vorteile in Eins-gegen-Eins-Situationen ausspielen zu lassen. Das gelang in Danzig nur bedingt: Auch wenn man Dunst durch die Schnittstelle zwischen Zieniewicz und dem bei Barcelona ausgebildeten Abwehr-Talent Szymczak immer wieder fand, oft spielte sich Dunst fest.

An Purtscheller auf der rechten Angriffsseite lief das Spiel komplett vorbei, Schasching bemühte sich, war auf ungewohnter Position als RV aber längst nicht so reibungslos eingebunden wie noch in den Spielen gegen Slowenien. Durch das von Achcińska, Kamczyk und Pawollek verdichtete Zentrum gab es keinen Weg nach vorne; Marie Höbinger musste sich viel fallen lassen oder ausweichen. Die Strafraumbesetzung war unzureichend, Passoptionen mit Tempoverschleppung verbunden. „Es lag auch an den Bewegungen ohne Ball“, erkannte Fuhrmann: „Welches Angebot geben wir unserer Mitspielerin mit Ball?“

Im Rückwärtsgang konnte man zwei gute polnische Chancen nicht verhindern, aber im Ganzen hielt man Pajor gut aus dem Spiel heraus und potenzielle Kontersituationen wurden durch das österreichische Gegenpressing zumeist neutralisiert. Die erste Hälfte in Danzig war nicht besonders anregend, doch das 0:0 stellte einen akzeptablen Zwischenstand dar. Nach dem Seitenwechsel degenerierte das österreichische Spiel aber rasch. Was war geschehen?

Polen übernimmt das Ruder

Polen hatte Puntigam und Zadrazil vor der Pause die konstruktiven Passoptionen genommen, das österreichische Mittelfeld-Zentrum selbst aber noch weitgehend in Ruhe gelassen. In der zweiten Halbzeit nahmen Kamczyk und Achcińska das routinierte Duo im Mittelkreis in Manndeckung. Statt selbst Gegnerdruck ausüben zu können, sah sich Österreich diesem nun selbst ausgesetzt, der letzte Rest von Konstruktivität entwich.

Wer immer am Ball war, hatte sofort zwei Polinnen auf den Zehen stehen; Georgieva produzierte vermehrt Fehlpässe, auch Kirchberger wirkte zunehmend gehetzt. Schasching bewahrte noch am ehesten die Ruhe, entschärfte mit guter Positionierung ihres Körpers im Zweikampf die eine oder andere Situation. Es wäre auch in der 57. Minute hilfreich gewesen, wenn entweder Zadrazil, Kirchberger oder Höbinger die nach einem Puntigam-Fehlpass enteilende Kamczyk am Mittelkreis entschärft hätte, anstatt mitzulaufen. So konnte Kamczyk ungehindert den Steilpass auf Pajor spielen, die auf Padillla querlegte. Georgievas Rettungsversuch vor der Linie kam zu spät.

In der Folge rückte die österreichische Abwehlinie auf, Polen ging Passempfängerinnen an – ein solcher Fehlpass in der Spieleröffnung der weit aufrerückten Kirchberger resultierte in der 65. Minute in einem Gegenstoß über Pajor, die nur die Stange traf. So blieb Österreich am Leben, warf in der Schlussphase alles nach vorne, aber ein durchschlagender Abschluss war nicht mehr dabei.

Das 0:1 in Wien

„Mehr Aktivität, mehr Überzeugung“, forderte Furhmann vor dem Rückspiel. Nach einer wackeligen Startphase – in der Padilla und Kamczyk in der 8. Minute die polnische Führung auf dem Fuß gehabt haben, aber an Zinsberger scheiterten – war die Aktivität absolut da. Polen stand relativ tief, verstand es aber nicht, zwischen den Linien zuzumachen. Marie Höbinger machte sich dort oft anspielbar und hatte dann Zeit, sich schnell aufzudrehen. Gleichzeitig waren sie und Eileen Campbell extrem fleißig im Anlaufen, sie unterbanden einen geregelten Aufbau bei den spielerisch ohnehin limitierten Polinnen vollends. Im Kampf um zweite Bälle hatte Österreich zumeist die Nase vorne.

Und doch: Echte Torchancen gab es nicht besonders viele. Fuhrmann machte dafür vor allem die Entscheidungsfindung als Problemfeld aus: „Wenn wir den Ball hinter die Kette spielen können, oder scharf an die erste Stange – dann spielen wir den Ball nicht. Oder: Wie spielen ihn, dort ist aber keine Abnehmerin für den Pass. Oder: Der Pass ist nicht gut genug. An diesen drei Dingen hat es meiner Meinung nach gelegen.“

Das heißt aber eben auch: Da waren im Angriffsdrittel nicht alle mit dem selben Playbook unterwegs.

Bemüht, aber struktur- und kopflos

Gegen Ende der ersten Halbzeit knickte Barbara Dunst das Knie weg, das Kreuzband ist gerissen, das Jahr 2025 für die Flügelspielerin von Eintracht Frankfurt vermutlich verloren. Statt ihr kam Julia Hickelsberger, an der grundsätzlichen Gemengelage änderte sich aber nichts: Man versuchte ohne Dunst noch mehr, eher mit „Irgendwie“ als mit durchdachtem Spiel, die Kugel ins Angriffsdrittel zu bekommen – auf Höbi zum Weiterleiten, auf Purtscheller zum Leute ausdribbeln, auf Hickelsberger, wenn da drüben mal ein bisschen Raum war.

Polen sprintete situativ mal dazwischen, die ballführende Österreicherin an, zumeist aber war Absorbieren des Druckes angesagt. Die ÖFB-Frauen versuchten es, wollten, taten, arbeiteten. Aber es fehlte die Klarheit in den Aktionen, die Laufwege, aufeinander abgestimmtes Verhalten. Viel Kopf durch die Wand. Wenig, womit man Kinga Szemik im polnischen Tor wirklich prüfen konnte. Und dann, tief in der Nachspielzeit, fiel das Tor – aber nicht vorne zur Verlängerung, sondern hinten zur Entscheidung.

Ein Ballverlust bei einem Einwurf am eigenen Sechzehner, Pajor sagte Danke, das war’s. „Czas na nasza historię“, stand auf den polischen T-Shirts zum Erfolg, „Zeit für unsere Geschichte“. Jene bei der EM 2025 in der Schweiz wird ohne Österreich geschrieben werden.

Und jetzt? Ursachenforschung ist angesagt

Vor zwei Jahren haben die ÖFB-Frauen eine mögliche WM-Teilnahme in der ersten der zwei europäischen Playoff-Runden in Schottland versenkt. Aber 2022 war ein starkes Jahr – es gab überragende Matches gegen die Schweiz (3:0) und Rumänien (6:1), Siege gegen Nordirland in WM-Quali (3:1) und EM-Gruppenphase (2:0) und natürlich das geniale 1:0 im Spiel um den EM-Viertelfinaleinzug gegen Norwegen. Nach dem Horror von Hampden kam man zu einem verdienten Auswärtssieg in Italien.

Glasgow konnte man als Ausrutscher abtun, ohne die Chance, es im Rückspiel auszubügeln, weil es keines gab. Den Dämpfer von Danzig und die verpasste Wende von Wien nicht. Hier kulminierte viel Negativ-Entwicklung hinein.

Fortschritte im Ballbesitz?

„Wir wissen, dass wir es besser können, aber wir müssen es auch auf den Platz bringen“, hatte Fuhrmann vor dem Rückspiel gesagt. Aber: Wie oft in den letzten neun Monaten gelang das? Die erste halbe Stunde in Linz gegen Deutschland war richtig stark, das Heimspiel gegen Polen im Juli war solide und erwachsen. Aber die Spiele gegen Island waren ernüchternd (daheim) bzw. richtig schlecht (auswärts), in Deutschland war man naiv. Gegen Slowenien war viel Krampf dabei, der Gegner aber zu schwach, um es nützen.

Vor einem Jahr konstatierte man, in der Nations-League-Gruppe Fortschritte im Ballbesitz gemacht zu haben. Wo waren die hin? Die hohe Fehlpassquote im Aufbau zog sich wie ein roter Faden durch 2024, damit tat man sich schwer, konstruktiv ins Angriffsdrittel zu kommen.

In diesem Jahr gab es 18 Tore, davon resultierten vier aus Elfmetern, vier aus Standards und zwei aus schweren individuellen Schnitzern der Gegner, dazu bekam man ein Eigentor vom Gegner geschenkt. Es gab ein Weitschusstor, zwei aus Pressing-Ballgewinnen im Angriffsdrittel, einen Konter – und drei herausgespielte Treffer, wovon einer wahrscheinlich gar kein Tor war (das zwischenzeitliche 2:1 in Polen im Frühjahr, wo der Ball die Linie vermutlich nicht überquert hatte).

Nach großen Fortschritten im Ballbesitz sieht diese Bilanz ja eher nicht aus.

Formschwächen und Verletzungen – ja, eh

Vor einem Jahr schwammen viele Österreicherinnen auf einer Form-Welle, jetzt nicht. Eileen Campbell agiert als hängende Spitze im 4-4-1-1 von Freiburg in diesem Herbst bemüht, aber unglücklich und Annabel Schasching muss im Zentrum die Arbeit für drei Leute verrichten. Beim 1. FC Köln, nach zehn Spielen sieglos Vorletzter, ist Celina Degen zwar Kapitänin, aber oft verletzt. Laura Feiersinger schwimmt unauffällig im Mittelfeld-Zentrum mit, Billa kann sich nicht in Szene setzen. Essen regressiert mit Lilli Purtscheller nach der starken Vorsaison wieder zur Mitte, hat seit fünf Spielen kein Tor mehr erzielt. Dazu kommt die Kreuzband-Verletzung von Bayern-Linksverteidigerin Katharina Naschenweng, welche die Optionen auf den Flügeln ziemlich minimiert.

Bei Arsenal hat Manuela Zinsberger ihren Stammplatz an die niederländische Team-Keeperin Daphne van Domselaar verloren, für Laura Wienroither – die auch 18 Monate nach ihrem Kreuzbandriss nicht ganz sorgenfrei ist – wird es realistischerweise kaum noch einen Weg zurück ins Team geben. In Liverpool ist Marie Höbinger immer noch mit weitem Abstand die beste Torschuss-Vorbereiterin ihres Teams, allerdings mit einem weniger als halb so hohen xA-Wert als in ihrer überragenden letzten Saison. Sarah Puntigam war bei Houston in der NWSL Stammkraft, beendete die Saison (in der Orlando mit Altstar Marta und Stürmerin Barbra Banda das Finale gegen Washington 1:0 gewann) aber als Letzter.

„Jeder Trainer wünscht sich 23 Spielerinnen, die in ihren Klubs Leistungsträger sind und dabei alle top performen“, sagte Fuhrmann nach dem Rückspiel, „das ist derzeit nicht gegeben und das ist ein Puzzleteil von vielen.“

Generationswechsel gebremst, nichts ausprobiert

Der Nations-League-Herbst 2023 war der Praxistest für die Verjüngung, die nach der EM 2022 und dem WM-Playoff-Aus in Schottland eingeleitet wurde. Eileen Campbell hat sich etabliert und Nici Billa aus dem Team gespielt, Lilli Purtscheller machte das im Laufe des Herbstes mit Laura Feiersinger – im entscheidenden Spiel gegen Norwegen war die junge Tirolerin erstmals statt der routinierten Salzburgerin in der Startformation und spielte grandios.

Im Herbst 23 gab es mutige Personalentscheidungen von Fuhrmann. Celina Degen bekam nach einem Horror-Frühjahr mit wenig Spielpraxis in Köln das volle Vertrauen in der Innenverteidigung – und zahlte mit Leistung zurück. Fuhrmann stellte das System um, schob Höbinger von der Acht auf die Position der hängenden Spitze – das funktionierte prächtig, obwohl es eine ganz andere Rolle ist, als sie in im 5-3-2 von Liverpool spielt. „Dort bin ich mehr in die erste Phase des Spielaufbaus involviert, muss das gegnerische Pressing brechen“, erklärt Höbinger, „im Nationalteam steht in meiner Rolle viel mehr das Offensivspiel und die Kontersituationen im Vordergrund, und den Ball nach vorne zu tragen.“

2024 passierte diesbezüglich nichts mehr. Sarah Puntigam spielte ein mäßiges Frühjahr und einen wackeligen Herbst, aber Annabel Schasching – in Freiburg mit großer Verantwortung ausgestattet und sehr gereift – durfte in den zehn Pflichtspielen des Jahres nur zweimal eine zweite Halbzeit im Zentrum spielen, eine davon beim da schon längst kaputten Spiel in Deutschland. Bevor sie im Herbst in den vier Playoff-Matches als RV aushelfen musste, war Schasching niemals in einer Pflichtspiel-Startelf gestanden.

Fuhrmann vollzog nur noch personelle Wechsel, die ihr von äußeren Umständen aufgezwungen wurden. Nach dem Auswärts-3:0 in Slowenien hätte es es im Rückspiel Startelf-Chancen für andere gegeben. Aber „es wäre größte Gefahr zu glauben, mit dem 3:0 wäre eh alles erledigt. Dann kommen wir nicht weiter“, sagte Fuhrmann am Tag vorm Rückspiel.

Lust am Siegen wich der Furcht vorm Misserfolg

Mädl, Ojukwu, D’Angelo und Torhüterin El Sherif aus jenem U-20-Team, das zuvor ins WM-Achtelfinale gekommen war, standen bei den Slowenien-Matches im Aufgebot. Mädl war angeschlagen letztlich nicht matchfit, Ojukwu und D’Angelo schon – ihre Debüts bekam sie aber nicht. Es spielte die volle Einserpanier und die Verteidigerinnen Magerl und Croatto, die unter ihrem neuen Coach in Leipzig vermehrt Minuten bekommen (vor allem Magerl), wurden in der Schlussphase beim Stand von 2:0 eingewechselt. Es wirkte dieses Jahr zunehmend so, als würde Fuhrmanns Gespür für mutige Änderungen vom schieren Ergebnisdruck in die Schranken gewiesen.

Gegner wie Polen (alle sechs Gruppenspiele verloren!) oder Slowenien (letztes Jahr in die 3. Liga der Nations League abgestiegen!), wurden öffentlich unnötig starkgeredet. Es ist glaubhaft, gegen die großen Namen wie Frankreich oder Norwegen die Außenseiterrolle zu betonen und dann frech nach oben zu boxen. Es ist aber kleinmütig, bei Polen und Slowenien nicht zu sagen: Wir sind Österreich, waren 2017, 2022 und 2023 dreimal unter den Top-8 in Europa, es ist selbstverständlich unser Anspruch, unsere Autorität auf diese Kontrahenten auszuüben und wir zeigen denen, wer hier das Sagen hat, nämlich wir. Punkt.

„Ein 2:0 auswärts, das würde ich nehmen“, gab Barbara Dunst vor den Polen-Spielen ihre Ambition preis. Fuhrmann strich hingegen heraus, dass Polen einige Spielerinnen bei richtig guten Klubs hat.

The end of the line?

Die Pressekonferenz am Tag vor dem Polen-Rückspiel war inhaltlich insofern bemerkenswert, als Fuhrmann hier offen die Kritik in den Raum stellte, dass der ÖFB nicht genug getan habe, um das entscheidende Heimspiel zu promoten. Es waren dann nur 3.200 Leute da, darunter viele Polen, die sich auch bemerkbar machten. „Für mich hat sich’s angefühlt wie ein Heimspiel“, bestätigte Oliwia Woś. Vor allem aber war bemerkenswert, was man eher wahrnahm als hörte. Es waren Angriffe aus einer defensiven Position heraus. Körpersprache, Mimik, Wortwahl: Versuche, den Druck zu kanalisieren.

Irgendwie das Ding drüber nudeln, damit Luft verschaffen. Es ist das selbe Henne-Ei-Problem wie von ihr nach dem Match angesprochen: „Wir hatten Erfolg, daraus resultierten Investitionen. Da ist jetzt aber womöglich ein Moment, von dem aus wieder investiert werden muss, um wieder Erfolg zu haben. Von nichts kommt nichts.“ Manpower auch zwischen den Lehrgängen, etwa – die Co-Trainer Michael Zulehner und Michael Brownlow sind eigentlich von der SV Ried bzw. der Burschen-Akademie in St. Pölten.

Die Erfolge der letzten zehn Jahre ließen in Österreich eine gewisse Erwartungshaltung entstehen, die 2024 eindeutig nicht erfüllt wurde. Daraus erwächst auch die Kritik an Fuhrmann. Leise hochblubbernd nach den taktischen Fehlleistungen in Reykjavík und Hannover, unüberhörbar nach den Pleiten gegen Polen.

„Man will den Vergleich ja irgendwie gar nicht anstellen, aber im Männerfußball wäre die Konsequenz, dass der Teamchef mit diesem Leistungsnachweis gehen muss“, formulierte es Georg Sohler bei 90minuten. „Der Elefant im Raum ist die Frage nach der Zukunft von Irene Fuhrmann als Teamchefin“, Karoline Krause-Sandner im Kurier. „Eine EM-Qualifikation ist kein Selbstläufer, als elftbeste UEFA-Nation muss sie für Österreich allerdings der Anspruch sein. Ob Fuhrmann, seit Sommer 2020 im Amt, noch einmal für frischen Schwung sorgen kann?“, fragt Die Presse in Person von Senta Wintner.

Und auch prominente ehemalige Nationalspielerinnen stärken Fuhrmann nicht mehr den Rücken. „Man macht die Gegnerinnen stark. Man kann schon ein Spiel nicht gut spielen, aber das zieht sich über viele Partien“, so Austria-Sportchefin Lisa Makas bei 90minuten, „wir wissen ja, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Da sitzt das Trainerteam immer am kürzesten Ast.“ Und Viktoria Schnaderbeck sagt im Standard-Interview bei Moritz Ettlinger: „Mir fehlt eine ganz klare Philosophie. Wer sind die Schlüsselspielerinnen und wer die Führungsspielerinnen? Wer übernimmt Verantwortung? Ich sehe derzeit nicht, wer in diese Rollen schlüpfen soll, wenn die erfahrenen Spielerinnen weg sind. Da braucht es vom Trainerteam eine klare Strategie und Leadership.“

Ob sie selbst bleiben möchte, konnte und/oder wollte Fuhrmann nach dem Aus gegen Polen nicht Sagen, „und es gibt ja auch noch einen Arbeitgeber, der da was zu sagen hat.“ Wie man die handelnden Personen beim Arbeitgeber in den letzten Jahren kennen und einschätzen gelernt hat, gilt wahrscheinlich: Wenn Irene geht, dann geht sie selbst – Sportchef Schöttel ist nicht der Typ, der Leute rausschmeißt. Fuhrmann wirkte nach dem Aus gegen Polen leer und die demonstrativen Lobeshymnen, die ihr der Vertreter vom ORF-Radio nach der PK am Rückweg durch die Mixed Zone umhängte, quittierte sie mit einem peinlich berührten Lächeln.

Die Zukunft steht vor der Tür

Viel Zeit vor den nächsten Spielen bleibt nicht, schon im Februar beginnt die neue Ausgabe der Nations League, Österreich bekommt es dort wieder mit Deutschland zu tun, dazu warten die Niederlande und Schottland. Es gilt, möglichst die Klasse zu halten, um in der Qualifikation für die WM 2025 in Brasilien nicht in eine schlechtere Ausgangslage zu rutschen.

Und von unten kommt durchaus was nach. Die erwähnte U-20, die bei der WM in Kolumbien im Achtelfinale war, sowieso. Die U-19 hat ihre EM-Quali-Vorrunde als Gruppensieger vor Serbien und Tschechien beendet und peilt ebenso eine Endrunden-Teilnahme an wie die U-17, die beinahe die große Sensation in Spanien geschafft hätte. Man presste und konterte Spanien aus, führte bereits 3:1 – einem 35-Meter-Heber von Valentina Pötzl inklusive – und kassierte in der Nachspielzeit noch das 3:3. „Das beste Ballbesitz-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball hat gegen das beste Pressing-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball gespielt“, sagte Trainer Patrick Haidbauer danach.

Katharina Moser ist bei der Austria mit ihren 16 Jahren schon mehr oder weniger Stammkraft auf der Sechs, vor der IV mit Kirchberger und Wenninger. Alessia Pamminger ist die Einser-Stürmerin bei Red-Bull-Kooperationsklub Bergheim. Österreich braucht jedes Jahr zumindest ein bis zwei junge Spielerinnen, die sich im Erwachsenenbereich durchsetzen, um die immer noch relativ dünne Personaldecke aufrecht erhalten zu können. Aktuell sieht es danach aus, dass das vorerst gelingen sollte.

Karten ziehen, bitte

Wie beim eingangs erwähnten Kartenspiel ist man aber auch hier gezwungen, da und dort mal ins Risiko zu gehen und eine Karte auszutauschen, die man eigentlich nicht tauschen will – obwohl das auf Sicht wahrscheinlich nötig ist. Man weiß nicht, ob jeder Move eine gute Idee ist. Der Vorteil vom Fußball gegenüber „Cabo“ ist: Hier kann man sich die Spielerinnen Woche für Woche ansehen, bei jedem Einsatz. Kann mit ihnen kommunizieren, mal da und mal dort einsetzen. Im Kartenspiel darf man hin und wieder einen Blick auf eine Karte werfen.

Der 2024 unterbrochene Umbau sieht nach dem Fehlschlag, der dieses Jahr darstellt, seiner Fortsetzung entgehen. Dafür ist Weitsicht nötig, ein genauer Plan, eine klare Strategie. Mit Geduld, aber auch mit unangenehmen Entscheidungen. Was man im Kartenspiel vom Deck zieht, ist pure Glückssache. Im Fußball ist viel mehr Einfluss möglich. Einen großen Vorteil hat „Cabo“ aber gegenüber dem Fußball:

Die Karten können sich nicht das Kreuzband reißen. Gute Besserung, Barbara Dunst.

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