Schöner Sieg dank Willen & Strategie: Österreich bezwingt Serbien 3:2

Mit einer punktgenau sitzenden taktischen Marschroute kommt Österreich im letzten Heimspiel unter Teamchef Marcel Koller zu einem verdienten Sieg gegen Fast-Gruppensieger Serbien. Angesichts dessen, was dem ÖFB-Team unter dem machttaktischen Einfluss des Präsidiums für ein Koller-Nachfolger droht, kann man diese feine Leistung nicht ohne ein weinendes Auge betrachten.

Österreich – Serbien 3:2 (1:1)

Ohne die angeschlagenen Sabitzer (Zahn-OP), Harnik (Fersensporn), Alaba und Hinteregger (jeweils Sprunggelenk) war klar, dass es personell einige Umstellungen geben muss. Es gab aber auch eine Umstellung im System – und zwar eine, die den Aufbau der Serben extrem behinderte und dem ÖFB-Team selbst einen guten Griff auf das Spiel erlaubte.

Asymmetrisches, enges 4-4-2

Arnautovic nämlich spielte nicht, wie gewohnt, auf der linken Seite, sondern neben Burgstaller im Angriffszentrum. Links agierte Kainz vor allem in der Anfangsphase recht breit, während Grillitsch – nominell als rechter Mittelfeldspieler aufgeboten – konsequent im Halbfeld agierte und den Zwischenlinienraum suchte.

Rechtsverteidiger Moritz Bauer hatte damit die rechte Seitenlinie alleine zu beackern, mit Baumgartlinger und Grillitsch als Anspielpartner.  Der als Linksverteidiger spielende Maximilian Wöber agierte deutlich defensiver als Bauer und bildete eher eine Dreierkette, wenn Bauer aufrückte.

Viele Vorteile

Diese Formation bot gegen das 3-4-2-1 von Serbien viele Vorteile. Die serbische Dreierkette wurde von zwei Spielern beschäftigt, vor allem aber bot sich durch die einrückende Positionierung eine 3-gegen-2-Überzahl im Mittelfeldzentrum. Durch die Beschäftigung der serbischen Abwehr und der serbischen Unterzahl im Mittelfeld war den Gästen ein Aufbau über Matić und Milivojević nicht möglich.

Sehr intelligent interpretierte zudem Grillitsch seine Position. Er stellte sich zwischen den Linien auf, war immer anspielbar und sorgte dafür, dass sich stets ein Serbe aus seine Position bewegen musste. Diese Räume konnten dann – je nachdem – Bauer, Baumgartlinger oder der jeweils auf der halbrechten Seite agierende Stürmer ausnützen.

Auf der anderen Seite war es an Kainz, die Eröffnungspässe von Ivanović zu stören. Der einstige Chelsea-Spieler ist in der Dreierkette mit Abstand der beste Passgeber und als langjähriger Außenverteidiger ist ihm auch der Vorwärtsgang nicht fremd. Kainz rückte situativ ein, aber seine etwas äußere Positionierung erlaubte es ihm, Ivanović ganz gut zu kontrollieren.

Gut gegen den Ball, gutes Umschalten

Österreich zeigte kein wildes, sondern ein sehr zielgerichtetes Pressing, das darauf ausgelegt war, nach Ballgewinnen möglichst schnell in die Schnittstelle zwischen den serbischen Wing-Backs und den äußeren Dreierketten-Verteidigern zu kommen. Da die Wing-Backs Ivanović und Kolarov für die Spieleröffnung recht hoch agierten, bot sich hier immer wieder Platz.

Das ÖFB-Team erarbeitete sich damit einige sehr gute Chancen, auch nach dem schon da klar gegen den Spielverlauf gefallenen Gegentor zum 0:1 nach elf Minuten. Immer wieder wurde die relativ langsame serbische Dreierkette in Verlegenheit gebracht und nach knapp einer halben Stunde besorgte Burgstaller den hochverdienten Ausgleich, später fiel auch das 2:1 durch Arnautovic aus einer Umschaltsituation.

Serbien deutete mehrmals Gefährlichkeit an

Die Serben hatten große Probleme, sich auf das österreichische Spiel einzustellen, aber sie kamen dennoch zu einigen im Ansatz gefährlichen Aktionen. Da das Mittelfeld quasi aus dem Spiel war, waren die langen Bälle auf Sturmspitze Mitrović von größerer Bedeutung, die Halbstürmer Gaćinović und Tadić suchten sich die Räume im Umschalten. Hier ließ Österreich zwischen Abwehr und Mittelfeld manchmal zu große Räume.

Das lag auch daran, dass Julian Baumgartlinger mehr Vertikalläufe zeigte als sonst, womit immer wieder nur Ilsanker im Sechserraum verblieb. Das bedeutete zwar Vorteile für Österreich im Angriffsspiel, aber bot Serbien natürlich Räume. Das änderte sich erst im Laufe der zweiten Hälfte ein wenig.

Noch mehr Verdichtung im Zentrum

Mit der Einwechslung von Schaub (für Kainz) schob auch der linke Mittelfeldspieler (nun eben Schaub) vermehrt ins Zentrum, womit sich ein 4-2-2-2 ergab. Baumgartlinger agierte von da an etwas defensiver, die Absicherung klappte besser – obwohl nun Wöber die Verteidigung der linken Seite quasi alleine zu bewältigen hatte. Nur: Die Serben bekamen diese Seite ohnehin kaum eingesetzt.

Serbien kam aus dem Spiel heraus kaum noch gefährlich vor das Tor von Lindner und wenn der Torhüter von GC Zürich gefordert war, parierte er (wie auch sein Gegenüber Stojković mehrmals) stark. Der serbische Ausgleich fiel aus einem Eckball und verdient war er auch nicht. Für die letzten zehn Minuten brachte Koller dann Gregoritsch für den etwas lädierten Burgstaller; der Augsburger kam eher von der Zehnerposition – also spielte Österreich in einem sehr engen, 4-2-3-1-ähnlichen System und kam kurz vor Schluss doch noch zum 3:2-Siegtreffer.

Fazit: Ein wunderschöner Sieg dank der besseren Taktik

Wie eigentlich eh immer passte die Ausgangs-Strategie von Teamchef Koller auch diesmal. Das serbische Spiel wurde sehr gut neutralisiert, die Schwachstellen der Gegner (die langsame Dreierkette) gut angebohrt, die Stärken der Gegner (das Mittelfeld-Zentrum) stark aus der Gleichung genommen. Sowohl die Positionierung als auch die Leistung von Grillitsch waren un- und außergewöhnlich.

Und in seinem höchstwahrscheinlich letzten Heimspiel war es endlich auch mal wieder der Schweizer, der dem Gegner mit leichten Adaptierungen die Daumenschrauben ansetzte. Koller war stets Herr der taktischen Lage. Österreich spielte initiativ, konzentriert und wusste stets, was zu tun war. Der einzige Grund, aus dem es einen knappen Last-Minute-Sieg gab und keinen glanzvollen, schon in der ersten Halbzeit fixierten Erfolg, war die schwache Chancenverwertung.

Diese Leistung war wohl die beste seit dem legendären 4:1 in Stockholm und das ÖFB-Team zeigte auch den Siegeswillen vom 3:2 in Podgorica – beide Spiele sind zwei Jahre her. Es versteckte sich niemand hinter Alaba, die Aufteilung und die Abstimmung im Mittelfeld waren sehr gut. Die Rolle von Grillitsch hätte Harnik sicher nicht und Sabitzer vermutlich auch nicht in dieser Weise spielen können. Es passte für dieses Spiel in dieser Situation einfach alles zusammen.

Leider bleibt dieser Satz nicht aus: Hätte Österreich schon vor einem Jahr solche Vorstellungen geliefert, würde dem ÖFB nun nicht der Rückfall in die fußballerische Steinzeit drohen, die manchem Landespräsidenten vorschwebt. Das ÖFB-Team hat gezeigt, dass es keineswegs schlechter ist als der wahrscheinliche Gruppensieger. Es sind nur einfach zu viele Spiele vorbeigezogen, in denen man die inhaltliche Initiative hergegeben hat, die Torchancen nicht nützte, billige Gegentore kassierte.

Ja, das ist ein Versäumnis von Marcel Koller, überhaupt keine Frage. Daher ist es legitim, die Amtszeit des erfolgreichsten ÖFB-Teamchef seit zwei Jahrzehnten nun zu beenden. Dieses Spiel hat aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass die inhaltliche Vorbereitung und der taktische Plan akribisch vorbereitet und vermittelt werden. Leider ist es vermutlich nicht nur zu spät, es den maßgeblichen Herren im Präsidium klar zu machen.

Es wäre vermutlich auch der Versuch von Haus aus sinnlos gewesen – weil für die/den Strippenzieher im ÖFB-Präsidium dies keine Rolle spielt. Die Spieler haben in den letzten Tagen deutlich gemacht, was sie von den Landespräsidenten (und auch der Bundesliga, schließlich hat sich ja auch Hans Rinner gegen das Duo Windtner/Ruttensteiner positioniert) halten. Janko, Arnautovic und Baumgartlinger halten diese übersetzt für egozentrische, fachfremde Machtpolitiker. Das wurde sehr deutlich.

Und leider würde es vermutlich auch sehr deutlich, was Österreich an Marcel Koller hatte, wenn sein Nachfolger nach anderen als fachlichen Gesichtspunkten ausgesucht wird.

Cool? Sag das doch anderen!

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.