Viel Geld, viel Prominenz: Das ist Chinas Super League

368,5 Millionen Euro. So viel haben die 16 Teams der chinesischen Super League in den letzten zwei Transfer-Fenstern für neue Spieler ausgegeben. Ob das dem Reich der Mitte wirklich hilft, auch sportlich ein globaler Player zu werden (finanziell ist man es ja längst), wird man erst in einigen Jahren beantworten können. Es kann aber sicher nicht schaden, sich mal einen kleinen Überblick über die Liga zu verschaffen – jetzt, wo ja doch einige bekannte Spieler und Trainer dort viel Geld verdienen.

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Auch, wenn man den Eindruck hat, dass die Team fast ausschließlich aus gut verdienenden Legionären besteht: Maximal drei Ausländer dürfen auf dem Platz stehen und zwei chinesische U-23-Spieler auf dem 18-Mann-Spielbericht stehen. Generell dürfen die Klubs maximal vier internationale Spieler unter Vertrag haben und einen weiteren nicht-chinesischen Spieler aus Asien. (Wer nicht rechnen will: Das macht 64 Plätze für weltweite Spieler bei den 16 Klubs). Bei den Trainern gibt es natürlich keine Beschränkung.

Folge: 13 der 16 Klubs setzen in der in einem Monat startenden 2017er-Saison (es wird nach Kalenderjahr gespielt) auf Trainer, die nicht aus China kommen.

Die Top-Teams / Top-Geld-auf-den-Markt-Werder

Guangzhou Evergrande ist der Liga-Primus. Der Klub aus der drittgrößten Stadt Chinas (13 Millionen Einwohner) an der subtropischen Südküste ist zuletzt sechsmal in Serie Meister geworden, hat 2013 und 2015 die asiatische Champions League gewonnen und war 2013 auch im Halbfinale der Klub-WM. Trainer Luiz Felipe Scolari kann neben neun chinesischen Teamspielern auch auf Jackson Martinez (30, früher Porto und Atletico Madrid, 42-Millionen-Transfer) und die Brasilianer Alan (27, früher Salzburg, 11 Millionen), Paulinho (28, Tottenham, 14 Millionen) und Ricardo Goulart (25, Cruzeiro, 15 Millionen) zurückgreifen. Die Kohle kommt vom Amazon-Pendant Alibaba und dem namensgebenden Baukonzern Evergrande – in dieser Off-Season gab es aber keinen signifikanten Transfers.

Jener Klub, der im Winter am meisten in die Aufrüstung investiert hat, ist der Vorjahres-Dritte. Shanghai SIPG darf fas Geld von SIPG (Betreiber des Hafens von Shanghai, dem größten der Welt) auf den Markt werfen. Statt Sven-Göran Eriksson vertraut man nun auf Trainer André Villas-Boas, alleine 60 Millionen ließ man sich die Verpflichtung von Oscar (25, Chelsea) kosten; 56 Millionen waren es im letzten Sommer für Hulk (30, St. Petersburg), 19 Millionen im letzten Winter für Stürmer Elkeson (27, schon länger in China). Europameister Ricardo Carvalho (38, Porto, Chelsea, Real Madrid) kam, ungewöhnlich, im Winter ablösefrei aus Monaco. Aus der russischen Liga kam zudem der kasachische Zehner Odil Achmedov (29, für 7 Millionen). Wer so viel ausgibt, will Meister werden.

Auch Vizemeister Jiangsu Suning vertraut vor allem auf externe Qualität, man hat nur eine Handvoll Vertreter aus dem chinesischen Teamkader im Klub. Dafür aber Mittelfeld-Motor Ramires (29, Chelsea, 29 Millionen) und Stürmer Alex Teixeira (27, Shachtar Donetsk, 32 Millionen) aus Brasilien, den koreanischen Innenverteidiger Hong Jeong-Ho (27, Augsburg, 2 Millionen) und den kolumbianischen Stürmer Roger Martínez (22) – einer der wenigen wirklich jungen Legionäre in der Liga. Trainert wird der Klub aus der 8-Millionen-Metropole Nanjing (westlich von Shanghai) vom Südkoreaner Choi Young-Soo, das Kleingeld wird vom Einzelhandels-Giganten Suning gespendet.

Den Angriff auf den Titel lässt man sich auch in Qinhuangdao ordentlich was kosten. In der Stadt in der Pekinger Umlang-Provinz Hebei ist der Klub Hebei CFFC beheimatet, den sich der Baukonzern China Fortune hält. Der ehemalige Real-Madrid-Coach Manuel Pellegrini hat dort zum Beispiel die Stürmer Ezequiel Lavezzi (31, Napoli und PSG, „nur“ 4 Millionen) und Gervinho (29, Arsenal und Roma, 18 Millionen) und Sechser Stéphane Mbia (30, Sevilla) zur Verfügung, die alle in ihre zweite China-Saison gehen. Auch Hernanes (31, Lazio und Inter, 8 Millionen) soll helfen, den schwachen siebenten Vorjahres-Platz zu verbessern. Erstaunlich: Die Verpflichtung von Außenspieler Zhang Chengdong ließ man sich auch stolze 20 Millionen kosten.

Und da wäre noch der Vorjahres-Vierte, Shanghai Shenhua. Das ist jener Klub, der Carlos Tevez mit einem Jahres-Salär von 40 Millionen Euro im Geld ertränkt und für die Dienste des 33-Jährigen (Man Utd, Man City, Juventus) immerhin noch 10 Millionen Euro an die Boca Juniors überwiesen hat. In Shanghai wird Tevez zuammen mit Achter Fredy Guarín (30, Porto und Inter) und Stürmer Obafemi Martins (32, Newcastle und Wolfsburg) spielen. Kapitän ist der kolumbianische Zehner Giovanni Moreno (der in seine fünfte Saison beim Klub geht), Trainer ist Gus Poyet (als Spieler bei Chelsea, als Trainer bei Sunderland und Brighton). Wie bei Hebei ist auch hier ein Baukonzern (Greenland) der Big Spender.

Weitere Klubs mit prominenten Namen

Zweitliga-Meister Tianjin Quanjian hat mit Fabio Cannavaro einen Weltmeister als Trainer an der Seitenlinie und lässt sich auch beim aktiven Personal nicht lumpen. 20 Millionen Euro für Axel Witsel (28, St. Petersburg) und 18 Millionen für das stagnierte Wunderkind Pato (27, Milan) – kein Problem. Dazu kommen noch Sechser aus Korea und Kamerun und ein Stürmer aus Brasilien. Für den Titel oder auch nur die internationalen Plätze (die Top-4 qualifizieren sich für die asiatische Champions League) wird das für den Aufsteiger aus der Stadt in der Nähe der Hauptstadt Peking aber schwer.

Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich Liaoning Whowin aus Shenyang (in der nordöstlich von Peking gelegenen Region Mandschurei) umgesehen. Sechser James Holland (27) war vor vier Jahren bei der Wiener Austria unter Peter Stöger österreichischer Meister, Stürmer Anthony Ujah (26, Mainz, Köln und Bremen) hat 47 Bundesliga-Tore auf dem Konto, Verteidiger Assani Lukimya (31) auch – nur halt auf der falschen Seite, als Ex-Bremer kennt er sich da ja aus. Auch Robbie Kruse (28, Düsseldorf und Leverkusen) hat einige Jahre mit durchschnittlichem Erfolg in Deutschland gespielt. Den größten individuellen Erfolg kann aber sicher James Chamanga (37) vorweisen: Der Stürmer, der seine zehnte Saison in China angeht, war 2012 mit Sambia Afrika-Cup-Sieger. Der Klub ist einer der wenigen, der tatsächlich von einem Chinesen trainiert wird (Ma Lin heißt der Mann).

Gerade noch mit Italien im EM-Viertelfinale ausgeschieden und Southampton zum wiederholten Mal in den Europacup geschossen – jetzt casht Graziano Pellè (31) schlanke 16 Millionen Euro pro Jahr bei Shandong Luneng aus Jinan, südlich von Peking gelegen. Da sein Trainer beim Fast-Absteiger der letzten Saison Felix Magath heißt, ist das wohl eher Schmerzensgeld (das italienische Wort für Medizinball lautet übrigens „Palla medica“). Pellès Sturmpartner bei dem in flotten orangen Trikots spielenden Klub sind Papiss Demba Cissé (31, Freiburg und Newcastle) und Diego Tardelli (31, Eindhoven und Atletico Mineiro). Hinzu kommen noch die Brasiliener Jucilei (28, Anshi Machatschkala, Mittelfeld-Zentrum) und Gil (29, Corinthians, Innenverteidiger). Die finanzielle Energie kommt vom Energie-Konzert Shandong Luneng.

Der einzige Hauptstadt-Klub ist Peking Guoan. Bekanntester Mann beim Meister von 2009 ist zweifellos der brasilianische Mittelfeld-Mann Renato Augusto (29, Leverkusen), der auch immer noch hin und wieder in der Seleção zum Einsatz kommt und letzten Sommer als einer der drei Over-Aged Players mit Brasilien Olympia-Gold geholt hat. Auch der türkische Nationalstürmer Burak Yılmaz (31, zuletzt Trabzonspor und Galatasaray) hat sich in Europa schon durchaus einen Namen gemacht. Sechser Ralf (32, Corinthians São Paulo) war 2012 Teil der letzten nicht-europäischen Mannschaft, welche die Klub-WM gewonnen hat. Dazu kommt noch der usbekische Verteidiger Egor Krimets, Trainer ist der Spanier José González, das Geld kommt vom Bau-Multi Sinobo und dem Mischkonzern CITIC. Mehr als ein Mittelfeld-Platz wird wohl auch 2017 nicht herausschauen.

Jaime Pacheco führte vor 16 Jahren Boavista Porto zum einzigen Titel der Klub-Geschichte, nun führt der Portugiese die Geschicke bei Tianjin TEDA. Sein weitaus bekanntester Spieler ist John Obi Mikel (29, Chelsea), der gemeinsam mit dem serbischen Teamspieler Nemanja Gudelj (25, Ajax Amsterdam) das Spiel aus dem Mittelfeld-Zentrum heraus gestalten soll. Im Angriff sind dann die Afrikaner Malick Evouna (24, Gabun) und Mbaye Diagne (25, Senegal) für die Tore zuständig. Finanziell wird der Klub von der Aufsichtsbehörde des Wirtschafts-Entwicklungs-Zone von Tianjin getragen.

Der weitgehend bedeutungslose Rest

Man sieht schon: Jetzt wird es mit der Dichte an bekannten Namen langsam, aber sicher etwas dünn. Bei Guangzhou R&F, dem weitaus kleineren Klub aus der Stadt des Liga-Dominators und beachtlicher Sechster der letzten Saison, ist Trainer Dragan Stojkovic noch der Prominenste. Ungarns National-Innenverteidiger Richárd Guzmics spielt bei Yanbian Funde (aus Yanji im äußersten Osten Chinas, gleich bei der Grenze zu Nordkorea) mit drei Koreanern und einem Gambier zusammen. Alan Kardec (früher Benfica) und Emmanuel Gigliotti (Boca Juniors) brauchten vermutlich einige Zeit, um ihren aktuellen Klub Chingqing Lifan (dem westlichsten Klub der Liga aus der Provinz Sichuan) unfallfrei aussprechen zu können.

Szabolcs Huszti (einst bei Hannover und St. Petersburg) und Odion Ighalo (lange bei Watford) sollen den Mandschurei-Klub Changchun Yatai vom letztjährigen zwölften Platz nach vorne bringen. Was prominenteres als den dänischen Olympia-Spieler Eddi Gomes hat Henan Jianye nicht zu bieten. Und Guizhou HFZC, der zweite Aufsteiger, versucht die Klasse mit Ex-QPR-Spieler Tjaronn Chery und dem Kenia-Teamspieler Michael Olunga (zuletzt in Schweden) zu halten.

Das Regime will es so

Die Klubs werden (natürlich) von der absoluten Wirtschafts-Elite aus staatsnahen Betrieben finanziert. So sehr die maßlos überteuerten Transfers von großen Namen auch in Europa Kopfschütteln auslösen: Die Zuseher in China honorieren das Bemühen durchaus. Gegenüber 2010 hat sich der Zuschauer-Schnitt in der Liga um satte 70 Prozent erhöht, in der letzten Saison lag er bei über 24.000 Zuschauern pro Spiel.

Das ist alles voll im Sinne des chinesischen Regimes. Staats-Präsident Xi Jinping selbst steht hinter den teuren Bemühungen, die Liga bis 2025 auf ein Level zu bringen, dass sie es auch sportlich mit den Top-Ligen der Welt aufnehmen kann. Dafür sollen die einheimischen Spieler – die international bestenfalls drittklassig sind und es selbst in der in der Breite extrem schwachen Asien-Gruppe nur mit viel Glück überhaupt in die 12-Team-Finalrunde der WM-Quali geschafft haben – vom hohen Niveau der ausländischen Stars profitieren.

Auch die Liga kann noch nicht ganz mit den etablierten asiatischen Top-Ligen (Südkorea und Japan vor allem, aber auch Iran, Saudi-Arabien und zuletzt auch Australien) mithalten. Außer Serien-Meister Guangzhou Evergrande ist für die chinesischen Klubs in der Regel schon vor dem Viertelfinale Schluss.

Das heißt: Einstweilen macht die chinesische Super League mehr mit spektakulären Transfers von sich reden, nicht mit sportlichen Großtaten auf regelmäßiger Basis. Und angesichts der Tatsache, dass die Strategie aktuell sehr überhitzt aussieht – im Gegensatz zu den solideren und kontinuierlicher arbeitenden Konkurrenz der K-League und der J-League – kann das auch durchaus noch eine Weile so bleiben.

Tévez, Lavezzi, Oscar, Hulk und Witsel zum Trotz.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.