Euro 2008 | Viertelfinale
Baltic Arena, Danzig, 22. Juni 2012
Deutschland - Griechenland
4-2
Tore: 39' Lahm, 61' Khedira, 68' Klose, 74' Reus bzw. 55' Samaras, 89' (p) Salpingidis

„Real Deutschland“ ins Semifinale – dominanter 4:2-Sieg über Griechenland

Mesut Özil und Sami Khedira: Die beiden Deutschen von Real Madrid waren die dominanten Figuren beim 4:2 über Griechenland. Dass das Viertelfinale nicht schon viel früher entschieden war, lag eher an mangelnder Chancenverwertung als an den erwartet defensiv eingestellten Griechen. Letztlich war es aber ein ganz souveräner Sieg der um mindestens eine Klasse besseren Mannschaft.

Deutschland - Griechenland 4:2 (1:0)

Erstaunlich: In den neun Jahren, in denen Otto Rehhagel Teamchef war, spielte Griechenland nie gegen Deutschland. Weniger erstaunlich: Als es das erste Mal nach elf Jahren doch wieder so weit war, überließen die Griechen dem übermächtig scheinenden Gegner recht bereitwillig den Ball.

Drei Neue bei Löw

Joachim Löw nahm drei eher überraschende Veränderungen gegenüber seinem Team aus der Vorrunde vor: Gomez, Podolski und Müller blieben auf der Bank, dafür kamen Klose, Reus und Schürrle in die Partie. Dieses Trio hat andere Attribute als die „Starter“ aus den ersten drei Spielen. Bei Klose besteht der Hauptunterschied in seiner Arbeit und in seiner Bereitschaft, sich auch etwas fallen zu lassen und zwischen den Linien anspielbar zu sein.

André Schürrle (links) und Marco Reus (rechts) hingegen waren beide als Spielpartner für Mesut Özil geplant. Bei Schürrle fühlte man sich mit seinem Zug nach innen zuweilen ein wenig an Arjen Robben erinnert. Marco Reus hatte einen deutlich besseren Start: Er war mit seiner Technik und seinem Tempo sofort im Spiel. Zudem musste sich sein Gegenspieler Samaras nach einer frühen gelben Karte zurückhalten.

Die zentralen Figuren: Mesut Özil und Sami Khedira

Der Spielweise von Deutschland den Stempel aufgedrückt haben eindeutig Mesut Özil und Sami Khedira. Beide waren in diesem Spiel absolute Weltklasse, und sie teilten sich die gestalterischen Aufgaben im Mittelfeld auf.

Özil arbeitete vor allem auf den Flanken, Khedira verteilte die Bälle im Zentrum

Auffällig war, dass Özil sich fast nie im Zentrum aufhielt, sondern permanent auf die Flügel ging. So entkam er nicht nur der Bewachung der Griechen, sondern bildete mit den jeweiligen Außenspielern – also Boateng und Reus rechts, Lahm und Schürrle links – Überzahlsituationen gegen die griechische Besetzung auf den Außenbahnen. Verschärfend kommt da noch dazu, dass bei den Hellenen mit Samaras und Ninis zwei Mann dort aufgestellt waren, die mit Defensiv-Arbeit im normalen Leben überhaupt nichts zu tun haben.

Die Rolle des Ballverteilers im Zentrum übernahm dafür Özils Kollege von Real Madrid, Sami Khedira. Er zeigte sich schon in der Vorrunde enorm stark, in diesem Spiel war er nicht zu halten. Und das, obwohl im vor allem zu Beginn des Spiels Joannis Maniatis auf den Füßen stand, dieser Khedira zuweilen in Manndeckung nahm. Khedira konnte aus der Tiefe mit Tempo kommen und das Spiel gestalten.

Özil auf rechts, Özil auf links

Deutschland war dadurch zwar ein wenig vorhersehbar – es ging praktisch immer alles über jene Seite, auf der sich Özil gerade aufhielt – aber aufgrund der überlegenen individuelle Klasse war das überhaupt kein Problem. Interessant war nur, dass die Deutschen bei aller Konzentration auf das Flügelspiel auf hohe Bälle in den Strafraum komplett verzichteten. Sogar bei Eckbällen, die allesamt kurz abgespielt wurden.

Die Strategie war eine andere: Durch die horizontalen Laufwegen von Reus und Schürrle sollten ganz offensichtlich die Außenverteidiger herausgezogen werden, um Lahm bzw. Boateng (oder auch Özil) die Möglichkeit zu geben, in den Rücken der Viererkette zu kommen. Das funktionierte vor allem in der Anfangsphase und vor allem über Reus sehr gut, allerdings wurden die zahlreichen guten Chancen nicht zur Führung genützt.

Hart wurde das Leben von Schürrle und Reus erst, wenn Özil (der auf sagenhafte 109 angekommene Pässe kam) auf der jeweils anderen Seite war. Schürrle war in diesem Fall komplett isoliert, weil die Stoßrichtung von Khedira eher über die Reus-Seite war und auch, weil Boateng gegen den gelbbelasteten Samaras große Vorteile hatte. Bei Reus beeindruckte das Spiel ohne Ball: Er startete immer wieder in den Raum, versuchte Löcher zu reißen und Zug zum Tor zu entwickeln. Da konnte Schürrle nicht mithalten. Ihm fehlte nicht nur die Spritzigkeit von Reus, sondern auch die Passgenauigkeit.

Griechen in Unordnung

Bei den Griechen fiel vor allem die erstaunliche Unordnung im Zentrum auf. Vor allem in den Anfangsminuten konnten die Deutschen auch durch das Zentrum einiges an Lochpässen in den Strafraum bringen, vor allem aber blieb die genaue Aufgabenverteilung undurchsichtig – was sicher auch am Positionsspiel der Deutschen lag. Maniatis kümmerte sich zunächst vornehmlich um Khedira, das allerdings nicht besonders gut.

Vermutlich wäre es die Aufgabe von Katsouranis gewesen, auch Özil aufzupassen. Dadurch, dass dieser aber überall war, nur nicht im Zentrum, fehlte ihm so ein wenig der Auftrag. Mal stand er sehr tief, fast zwischen den Innenverteidigern, dann rückte er wieder auf und stand direkt hinter Salpingidis; ähnliche Unklarheiten in seinem Auftreten hatte auch Grigoris Makos. Dass es Deutschland erst kurz vor der Halbzeit aus einem Weitschuss von Lahm gelang, in Führung zu gehen, lag eher an mangelhafter Chancenverwertung als an der griechischen Defensiv-Arbeit.

Santos stellt mal wieder richtig um

Fernando Santos ist sehr gut, wenn es gilt, in der Halbzeit richtig umzustellen. Auch diesmal erkannte der die Problemzonen seiner Mannschaft und nahm Veränderungen vor: Linksverteidiger Tzavellas, der von Reus und Özil schwindelig gespielt worden war, musste draußen bleiben, dafür ging Torosidis von rechts nach links. Khedira-Bewacher Maniatis übernahm die Planstelle rechts hinten und Fotakis kam neu ins Mittelfeld.

Damit war die Abwehrseite gegen Reus sicherer aufgestellt und das Mittelfeld hatte etwas mehr Struktur. Darüber hinaus kam mit Fanis Gekas ein reiner Konterstürmer – auch diese Maßnahme sollte sich bezahlt machen. Denn die Griechen schalteten nun blitzschnell um und nützten dabei aus, dass die Deutschen mit der Führung im Rücken etwas nachlässig im Umschalten auf die Defensive wurden. Der erste Konter wurde noch ganz stark von Hummels abgefangen, der zweite saß – das 1:1 durch Samaras.

Deutschland macht den Sack zu

Die deutsche Mannschaft fing aber nicht zu wackeln an, sondern spielte ihr Spiel weiter und kam nur wenig später durch ein Weltklasse-Tor zur erneuten Führung. Boateng kam in den Rücken des Linksverteidigers, chippte einen Ball zur Mitte und Khedira versenkte volley. Nur wenige Minuten später war Miroslav Klose bei einem Freistoß per Kopf zur Stelle – das 3:1, die Vorentscheidung. Nun war auch die Chancenverwertung gut, das war zu viel für die Griechen.

Bei dnen nun mit Liberopoulos (statt Makos) ein zusätzlicher Stürmer für einen Mittelfeld-Mann kam. Natürlich mussten sie nun aufmachen, und das wurde auch prompt bestraft. Reus rammte einen Abpraller zum 4:1 in die Maschen – das war’s. So konnte Löw in der Schlussphase noch Mario Götze sein Turnier-Debüt ermöglichen. Und konnte über das Elfmeter-Tor von Salpingidis hinweg sehen, es hatte nur noch statistischen Wert.

Fazit: Özil und Khedira absolute Weltklasse

Vor allem die herausragenden Leistungen von Ballverteiler Khedira und dem omnipräsenten Özil bescherten dem deutschen Team den Sieg. Das DFB-Team sorgte für ständiges Übergewicht auf den Flügeln und tat den Griechen aber dennoch nicht den Gefallen, nur stupide Flanken ins Zentrum zu schlagen. Es wurde immer nach der spielerischen Lösung gesucht, diese oft auch gefunden, aber erst nach einer Stunde auch konsequent in Tore umgemünzt.

Die Griechen brauchen sich über dieses Viertelfinal-Aus nicht zu ärgern. Sie haben damit schon mehr erreicht als realistisch schien und gegen ein Deutschland in dieser Verfassung haben es auch viel bessere Mannschaften schwer. Obwohl man nicht umhin kann, den Eindruck zu haben, dass dieses deutsche Team noch immer nicht gezeigt hat, was sie wirklich kann.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.