Ghana mit Dienst nach Vorschrift, Guinea mit 6:1-Schützenfest

Ja, es kann vorkommen, dass so ein Turnier echte Kräfteverhältnisse nicht widerspiegelt. Guinea  war schon gegen Mali das bessere Team, verlor aber – und steht trotz dem 6:1 gegen Botswana vor dem Aus. Anders als Ghana: Die Black Stars lieferten gegen ein weiter eher harmloses Team aus Mali Dienst nach Vorschrift ab und holten einen 2:0-Sieg.

Ghana - Mali 2:0

Ghana – Mali 2-0 (0-0). 1-0 Gyan 62′ / 2-0 A. Ayew 74′

Selbst das Gestalten des Spiel zu übernehmen – das macht das Team aus Ghana nur, wenn es unbedingt sein muss. So verlegte sich auch erst einmal darauf, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen und die Malier möglichst in Schach zu halten. Das Team um Bacelona-Mittelfeldmann Seydou Keita hingegen war seinerseits nicht gerade darauf aus, den Gegner zu überrennen und dadurch hinten offener als notwendig zu sein. Womit die Partie kein großes Vergnügen für die Beobachter war.

Auffällig war bei Ghana, dass fast alles über die rechte Seite ging. André Ayew war der mit Abstand aktivste Offensiv-Mann seiner Mannschaft, er wurde auch gut von seinem Hinterman John Pantsil unterstützt. Im Gegensatz dazu war auf der linken Seite Muntari bei Drissa Diakité in guten Händen und Kwadwo Asamoah, der in die Startformation gerückt war, nahm eher nur am Rande am Spiel teil.

Keita stört Ghanas Aufbau

Bei Mali war wieder einmal die Rolle von Seydou Keita im Interessantesten. Er war wiederum auf der Zehnerposition aufgestellt, kümmerte sich aber weniger um die direkten Pässe nach vorne auf Solo-Spitze Diabaté (das übernahm eher der sehr fleißige Maiga auf dem rechten Flügel), sondern – ganz ähnlich wie Yaya Touré bei den Ivorern – um das Stören der ghanaischen Spieleröffnung mit Emmanuel Badu und Anthony Annan. Keita, der einen deutlich fitteren Eindruck machte als noch beim 0:1 gegen Guinea, ist es von Barcelona gewohnt, heftiges Pressing zu spielen, und so war es ihm kaum ein Problem, die beiden Sechser von Ghana damit aus dem Spiel zu nehmen.

Grundsätzlich waren aber beide Mannschaften darauf bedacht, erst einmal keine Fehler zu machen. Risikopässe gab es praktisch gar nicht, im Zweifel wurde der Ball zurück gespielt. Den etwas sichereren Eindruck im Passspiel machte Mali, wiewohl eben kaum schwere Bälle gespielt wurden. Und so entstanden auch nur aus Standardsituationen Torchancen, die beste hatte Mali aus einem Freistoß, der vom linken Pfosten auf den rechten sprang und von dort zurück ins Feld.

Ayew und Gyan entscheiden

In der zweiten Hälfte stieg Ghana etwas aufs Gas, verschob etwas nach vorne und wurde direkter im Spiel nach vorne – wiederum hauptsächlich über André Ayew und John Pantsil. Sturmspitze Gyan merkte das natürlich und orientierte sich seinerseits tendenziell auf die Seite der beiden. Ihre malischen Gegenspieler Abdou Traoré und Adama Tamboura hatten ihre liebe Mühe. Dennoch brauchte es einen von Gyan hervorragend platzierten Freistoß, um nach einer Stunde in Führung zu gehen.

Eine Reaktion von Mali blieb weitgehend aus. Angriffe versandeten an der gut gestaffelten Defensive der Ghanaer und der einzige echte Schwachpunkt, der in der Strafraumbeherrschung sehr unbeholfene Kwarasey im Tor von Ghana, wurde nicht ausgenützt. Anders als der nun richtig aufblühende André Ayew, der eine sehr umsichtige Vorlage per Ferse von Gyan zum 2:0 nützte – der Entscheidung.

Fazit: Ghana trocken, Mali zu harmlos

Ghana zeigte sich so, wie man Ghana eben kennt: Staubtrocken in der Defensive, ohne den großen, kollektiven Glanz in der Vorwärtsbewegung, aber mit der hohen individuellen Klasse vor allem von André Ayew eiskalt im Ausnützen der wenigen, echten Torchancen. So ist der Viertelfinal-Einzug zwar noch nicht theoretisch fixiert, aber in der Praxis wird wohl nichts mehr schiefgehen.

Mali fehlte in den eigenen Angriffen nie Qualität, um die Abwehr von Ghana wirklich ins Wanken zu bringen. Dennoch ist nicht alles negativ: Seydou Keita war deutlich präsenter als in der ersten Partie, man ließ in der Defensive nicht viel zu, zudem machte Torhüter Diakité erneut einen sicheren Eindruck, war bei beiden Toren ohne jede Chance. Dass in der letzten Viertelstunde nicht mehr auf den Ausgleich ging, mag einerseits mit dem Wissen um die Aussichtslosigkeit erklärbar sein, aber auch damit, dass man immer noch in der Pole-Position um das Viertelfinale ist. Denn – aufgepasst, liebe Südafrikaner – es zählt der Direktvergleich. Und den hat Mali gegen Guinea nun mal gewonnen.

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Guinea – Botswana 6-1 (4-1). 1-0 S. Diallo 15′ / 1-1 Selolwane 23′ (p) / 2-1 S. Diallo 25′ / 3-1 A. Camara 42′ / 4-1 I. Traoré 45′ / 5-1 M. Bah 82′ / 6-1 Soumah 85′

Guinea - Botswana 6:1

Mit etwas mehr Mut zur Offensive wollte Botswanas Teamchef Stanley Tshosane spielen lassen – was hieß, dass er den im ersten Spiel gesperreten Stürmer Dispy Selolwane aufstellte und ihn als Mittelding aus hängender Spitze und Zehner hinter dem vordersten Mann, Jerome Ramatlhakwana, spielen ließ.

Hinter ihm gab es diesmal zwar zwei Sechser statt nur einem beim 0:1 gegen Ghana, aber die hohe Positionierung Selolwanes und seine mangelhafte Bereitschaft, mehr in der Defensive mitzuarbeiten, erlaubte der Zentrale der Guineaner die Ballhoheit. Mamadou Bah konnte aus dem Zentrum heraus fast immer unter mehreren freien Mitspielern auswählen, Sadio Diallo und Pascal Feindouno hielten die Bälle gut, Abdoul Camara und Ibrahima Traoré auf den Flügeln machten viel Betrieb.

Botswana nach vorne limitiert

Die Offensivbemühungen von Botswana beschränkten sich wiederum nur darauf, nach Ballgewinn lange Bälle zu den beiden Spitzen zu schlagen. Das war auch schon gegen Ghana das einzige Rezept und darauf hatte sich auch Guinea eingestellt. Nennenswerte Torgefahr konnte Botswana daher nicht ausstrahlen.

Dafür warteten die Guineaner geduldig auf ihre Chancen, die sich dann auch realtiv flott ergaben und nach einer Viertelstunde war das 1:0 schon hochverdient. Auch vom zwischenzeitlichen Ausgleich nach einem Elfmeter – ein schrecklicher Rückpass von Bobo Baldé auf Torhüter Yattara, der von Ramatlhakwana abgefangen wurde, zwang den Goalie zum Foul – ließ man sich nicht aus der Ruhe bringen.

Schneller Aufbau

Ghana hatte Mühe, mit einem eher langsamen Aufbauspiel durch die dicht gestaffelte Abwehr der Botswaner durchzukommen und hatten Probleme damit, schon im Mittelfeld angegriffen zu werden. Die Vorgabe von Guineas Teamchef Michel Dussuyer, möglichst flink mit schnellen Pässen und auch mit Solo-Läufen diese Zone zu überbrücken, war unübersehbar.

Damit kam Botswana nicht zurecht und so stand’s zur Pause durch einen späten Doppelschlag bereits 4:1, zudem war der erst wenige Minute davor für den verletzten Sechser Nato eingewechselte Patrick Motsepe nach einem derben Foul zu Recht vom Platz gestellt worden. Somit war die einzige verbleibende Frage für die zweite Hälfte: Wie hoch wirds?

Favoriten bleiben am Gaspedal

Die Guineaner wussten also schon zur Halbzeit, dass das Spiel gewonnen war, sie gaben aber dennoch weiterhin Vollgas. Bei Botswana wurde, einem weiteren Wechsel zur Halbzeit zum Trotz, die rechte Mittelfeldseite unbesetzt gelassen – Tshepo Motlhabankwe hatte hier den Laden nun ganz alleine dicht zu machen. Guinea verabsäumte es, vermehrt diese Seite anzubohren, aber das machte für das Spiel keinen Unterschied.

Der Favorit ließ Ball und Gegner laufen, hatte im zweiten Spielabschnitt rund 80 Prozent Ballbesitz, verlagerte das Spiel immer wieder gut von einer Seite auf die andere und wartete geduldig ab, bis sich im Abwehrverbund ein Loch ergab. Guinea hatte jede Menge Chancen, darunter ein Lattenpendler von Feindouno, der zwar wahrscheinlich hinter der Linie war, aber nicht als Tor gegeben wurde.

Botswana wusste natürlich auch, dass es nur noch um Schadensbegrenzung ging, und sendete frisch gewonnen Bälle praktisch gar nicht mehr lang in die Spitze sondern versuchte nach Kräfte, die Kugel zu halten um zumindest für kurze Zeit nicht von den Guineanern unter Druck gesetzt zu werden. So kam der Außenseiter in der ganzen zweiten Hälfte nur ein einziges Mal ernsthaft vor das Tor von Naby Yattara. Und gerade, als es so aussah, als sollte es tatsächlich beim 4:1 bleiben, gelang Guinea doch noch mal ein Doppelschlag.

Fazit: Guinea hat das bevorstehende Aus nicht verdient

Es ist keine Überraschung – mit einem Mann weniger gegen ein individuell klar besser bestztes Team hatte Botswana natürlich nicht den Funken einer Chance. Das Team aus Guinea hatte es gegen eine Mannschaft, die das Mittelfeld zu lange zu offen ließ und so gut wie gar keine ernsthafte Offensive anzubieten hatte natürlich sehr leicht.

Aber der Eindruck aus dem ersten Spiel, der unglücklichen Niederlage gegen Mali – nämlich, dass Guinea eigentlich die klar bessere Mannschaft ist als jene, die nun vor dem Viertelfinaleinzug steht – konnte man auch diesmal gewinnen. Zum einen natürlich aus der Ballsicherheit und der sehr ansprechenden spielerischen Darbietung. Zum anderen aber vor allem daran, dass man auch nach dem 4:1 noch eine Halbzeit lang am Gaspedal blieb, obwohl die Höhe des Sieges nichts an den geringen Chancen auf das Weiterkommen ändert. Weil ja eben der Direktvergleich zählt.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.