„Wir können uns auch gegen starke Teams gut präsentieren!“

– Interview mit ÖFB-Teamkapitänin Marlies Hanschitz.

Am Mittwoch spielt das österreichische Frauen-Nationalteam in Bruck an der Mur in der EM-Qualifikation um drei wichtige Punkte gegen Armenien. Davor muss das Team noch zu Gruppenfavorit Dänemark – allerdings ohne die Matchwinnerin vom letzten Spiel.

Tor und Nasenbeinbruch in einer Aktion: Marlies Hanschitz trifft beim 1:1 gegen Tschechien zum wichtigen Ausgleich. (Foto: Rudi Dannenbaum)

Mit dem 1:1 gegen Tschechien gab’s einen feinen Auftakt in die Qualifikation für die Frauen-EM 2013 in Schweden. Bevor die Mannschaft von Teamchef Dominik Thalhammer nach Vejle gefolgen ist, hat sich Ballverliebt mit Kapitänin Marlies Hanschitz, die gegen Tschechien den so wichtigen Ausgleich erzielt hat, unterhalten – über das Kapitänsamt, die Mannschaft, die Liga, und ein Spiel in der Loftus Road von London.

Marlies Hanschitz, die beiden Länderspiele in Dänemark am Samstag und gegen Armenien am Mittwoch finden ohne Sie statt. Warum?
Weil ich mir beim letzten Länderspiel gegen Tschechien das Nasenbein gebrochen habe. Ich hab‘ gehofft, dass es sich für die beiden Partien ausgeht. Daraus ist jetzt leider nichts geworden.

Dabei hätte sich beim Spiel am Mittwoch ein Kreis geschlossen. Können Sie sich noch an den 10. Mai 2003 erinnern?
Ja, natürlich! Das war der Tag von meinem ersten Länderspiel. Einem 11:0, auch gegen Armenien – da hab‘ ich sogar ein paar Tore geschossen. Schon beängstigend, wie lange das schon wieder her ist. Dabei wär‘ ich ja noch gar nicht so alt…

Was hat sich seither geändert?
Das ist in Österreich nicht anders als im Frauenfußball generell. Es ist schneller geworden, athletischer. Es kommen viele junge und spielstarke Spielerinnen zum Vorschein. Dazu sind wir auch im taktischen Bereich viel versierter geworden. Jeder Aspekt hat sich ziemlich weiterentwickelt.

Inwieweit ist Teamchef Dominik Thalhammer anders als sein Vorgänger Ernst Weber?
Das kann man gar nicht so vergleichen, sie sind grundverschiedene Trainer. Ernst Weber hat ein gutes Fundament gelegt, auf dem Herr Thalhammer jetzt aufbauen kann, vor allem die Arbeit im taktischen Bereich legt er aber anders an. Der Teamchef hat viel frischen Wind gebracht, er kommt einfach aus einer anderen Generation.

Seit Sommer ist mit Nina Aigner Ihre Vorgängerin als Team-Kapitänin die Co-Trainerin von Dominik Thalhammer. Was bringt sie in die Arbeit mit ein?
Sehr viel, schon alleine durch ihre Erfahrung. Sie kann sich sehr gut in die Lage der Spielerinnen hinein versetzten, wenn ein wichtiges Spiel ansteht. Sie kennt die Situationen sowohl von der Nationalmannschaft als auch von ihrer Karriere bei Bayern München und kann uns gute Tipps geben, wie wir mit solchen Situationen umgehen sollen.

Länderspiel-Einsätze

Sie stehen bei 36 Länderspielen, keine aktive Spielerin hat mehr. Wie fühlt es sich an, mit erst 25 Jahren schon die Routinierteste in der Mannschaft zu sein?
Schon etwas seltsam, offen gestanden. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass wie eine extrem junge Truppe haben, mit sehr viel Potenzial, viele sind da zwischen 18 und 21 Jahre alt. Da darf man es nicht jeden immer spüren lassen, dass man die Routinierteste ist, weil da alle schon viel von der Welt gesehen haben und herum gekommen sind. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass ein positives Klima vorhanden ist.

Zuletzt gab es mit dem 1:1 gegen WM-Teilnehmer Nigeria und dem 1:1 gegen Tschechien, einem direkten Konkurrenten um EM-Quali-Gruppenplatz, gute Resultate. Was kann man aus solchen Spielen mitnehmen?
Sehr viel. Wir haben gesehen, dass wir uns auch gegen objektiv stärkere Gegner sehr gut präsentieren können. Gerade das Spiel gegen Nigeria war sehr erfreulich, da sind wir auch lange in Führung gelegen. Gegen Tschechien haben wir schon einmal angeschrieben, das ist für die Quali-Gruppe sehr wichtig gewesen. Und solche Resultate sagen auch einiges über das Potenzial aus.

Ist es mittelfristig möglich, sich für ein Großereignis zu qualifizieren – auch vor dem Hintergrund, dass für die WM 2015 in Kanada das Teilnehmerfeld von 16 auf 24 Teams aufgestockt wird?
Ich denke schon. Die WM 2015 ist sicher ein Ziel, das wir anstreben – womöglich kann es auch schon mit der EM 2013 in Schweden etwas werden, auch wenn es ein harter Weg ist. Aber es kann eben immer viel passieren und die Teams aus Tschechien und Portugal wollen natürlich genauso dorthin. Es wird viel von der Tagesform in den direkten Duellen abhängen.

Merkt man in Österreich Nachwirkungen von der medial so offensiv aufbereiteten WM in Deutschland im letzten Sommer?
Unmittelbar sportlich vielleicht nicht so sehr, aber in der öffentlichen Wahrnehmung sicher. Der Frauenfußball wurde durch die vielen Live-Übertragungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht – davor waren ja nur sehr vereinzelt Spiele zu sehen, das haben die Leute nicht so mitbekommen. Bei der WM war es dann auch all denen möglich, sich ein Bild zu machen, die mit dem Frauenfußball davor nichts zu tun hatten. Und letztlich kann man nur dann etwas beurteilen, wenn man es auch gesehen hat.

Im Schatten der WM wäre der österreichischen Liga fast der letztjährige Dritte verloren gegangen – der SK Kärnten, bei dem auch Sie spielen. In letzter Minute wurde mit der Eingliederung in den FC St. Veit doch eine Lösung gefunden. Wichtig für den österreichischen Frauenfußball?
Auf jeden Fall, es wäre im Prinzip der komplette Frauen-Fußball in Kärnten tot gewesen. Zumal ja auch neben mir einige Spielerinnen aus dem Kreis der Nationalmannschaft hier spielen. Gott sei Dank wurde es doch noch was. Da wurde viel gemacht, um ein Türchen zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können.

Hier wird ÖFB-Liga gespielt

Hätten Sie einen Plan B gehabt, falls es nicht weiter gegangen wäre?
Ich hätte schon eine Alternative gefunden, eventuell in Neulengbach. Aber es geht da nicht in erster Linie um mich, es hat ja die ganze Mannschaft betroffen. Im näheren Umkreis gibt es keine anderen ÖFB-Liga-Klubs, zu denen man problemlos pendeln kann – Bergheim bei Salzburg ist 250 km weg, Graz auch knapp 150 km. Unmöglich, weil man ja auch seinen Beruf hat.

Ist ein Engagement im Ausland für Sie ein Thema gewesen?
Früher schon, aber erst hat es sich nicht ergeben, und dann habe ich bei der Polizei zu arbeiten begonnen. Da ist man gebunden. Die Auslandskarriere wird sich bei mir nicht mehr ausgehen.

Im Europacup haben die Serien-Meister aus Neulengbach durchaus ansprechenden Erfolg. National zertrümmern sie aber die Konkurrenz seit vielen Jahren. Gut oder schlecht für die Liga?
Hmm… Sowohl als auch. Mit ihren Erfolgen auf europäischer Ebene, wie jetzt dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale, setzen sie Österreich auf die Landkarte und es könnte sogar sein, dass demnächst ein zweiter Europacup-Platz für die ÖFB-Liga der Lohn dafür ist. Für die Meisterschaft wäre es aber sicher gut, wenn es Gegner gäbe, die auch mal über die Saison gesehen mit Neulengbach mithalten könnten.

Wie weit ist die ÖFB-Liga von einer semi-profesionellen Basis entfernt?
Die gibt es praktisch gar nicht. Jede Spielerin muss viel in Kauf nehmen, verdienen lässt sich mit dem Frauenfußball in Österreich kaum etwas. Da muss man schon ins Ausland gehen, nach Deutschland etwa, wie es schon viele Österreicherinnen gemacht haben. Und selbst dort ist man weit davon weg, nach einer Karriere vom Verdienten zehren zu können.

Was könnte da das Erreichen einer WM- oder EM-Endrunde für den österreichischen Frauenfußball bewirken?
Viel. Weil dann zumindest für einen gewissen Zeitraum die öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur, wie im Sommer, als unbeteiligter Beobachter gegeben ist, sondern mit einem eigenen Team. Dann würden wir uns im österreichischen Frauenfußball sicher auch mit möglichen Sponsoren etwas leichter tun. Da bewegen wir uns leider am unteren Limit.

Die deutschen Frauen waren bei ihrer Heim-WM von der plötzlichen massiven Aufmerksamkeit etwas erschlagen, spielten sehr gehemmt. Wie würde das ÖFB-Team ein gesteigertes Interesse verkraften?
Schwer zu sagen… Einerseits wüssten sicher nicht alle, auf was sie sich da einlassen, was da alles auf uns zukäme. Andererseits traue ich dem Team aber auf jeden Fall zu, cool genug zu sein, das wegzustecken. Es kann keiner von uns sagen, wie es wirklich wäre, aber da haben die Männer auf jeden Fall einen Vorteil, weil sie die permanente mediale Aufmerksamkeit einfach gewohnt sind.

Nur im Umfeld oder auf dem Platz auch?
Natürlich auf dem Platz selbst auch. Das wurde mir bei unserem WM-Quali-Spiel in England im März 2010 erst so richtig bewusst, wenn das Stadion gut besucht ist und vor allem überall die TV-Kameras ganz eng beim Spielfeld sind und ständig auf einen gerichtet sind. Das kann schon ablenken, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber gerade auch wegen des großartigen Umfelds war das Spiel in der Loftus Road von London sicher das aufregendste meiner Karriere – obwohl wir 0:3 verloren haben.

EM-Quali-Gruppe 7

Jetzt stehen die EM-Quali-Spiele in Dänemark und gegen Armenien an. Was ist da möglich?
Dänemark auswärts ist brutal schwer. Das Team ist klarer Gruppenfavorit und in der Weltrangliste auch ganz deutlich vor uns platziert. Auch sind die Däninnen von der Technik und ihrer Robustheit viel höher einzuschätzen als zum Beispiel die Tschechinnen. Aber die Mädels fliegen natürlich nicht dorthin, um sich von vornherein geschlagen zu geben. Wir haben auch in England lange dagegen gehalten und erst spät die Tore bekommen. Mit einer guten Leistung und ein bisschen Glück ist vielleicht eine Überraschung möglich.

Quali-Spiele des ÖFB-Teams

Gegen Armenien wurden die beiden bisherigen Länderspiele mit 11:0 gewonnen. Können die Fans in Bruck an der Mur diesmal auch mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen?
(Lacht) Na, das wäre dann vielleicht doch ein bisserl viel verlangt… Aber gegen Armenien muss ohne Frage ein Erfolg her, das ist ein absoluter Pflichtsieg. Da dürfen wir auf keinen Fall etwas liegen lassen.

Im November geht’s dann noch nach Portugal.
Das wird sicherlich das nächste wirklich entscheidende Spiel um den zweiten Gruppenplatz. Wenn wir da ein ernsthaftes Wort mitreden wollen, werden wir gegen Portugal zumindest vier Punkte holen müssen. Das ist schwer, aber sicher nicht unmöglich.

Wir bedanken uns für das Gespräch, wünschen alles Gute – und gute Besserung!

Marlies Hanschitz (25) ist Kapitänin der österreichsichen
Frauen-Nationalmannschaft. Die Kärntnerin spielte in der
ÖFB-Frauenliga in St. Margarethen (bis 2005), Innsbruck (IAC
und Wacker, 2005 bis 2010) und seither für Kärnten bzw. St. Veit.

Das Interview führte Philipp Eitzinger


Kader: Tor:
Anna-Carina Kristler (23 Jahre, St. Veit, 5 Länderspiele), Bianca Reischer (24, Spratzern, 8). Abwehr: Kathrin Entner (23, Neulengbach, 18), Nicole Gatternig (24, St. Veit, 5), Marion Gröbner (25, Herford, 28), Susanna Höller (22, Sindelfingen, 23), Carina Wenninger (20, Bayern München, 20). Mittelfeld: Jasmin Eder (19, Cloppenburg, 2), Laura Feiersinger (18, Bayern München, 6), Heike Manhart (18, Südburgenland, 4), Nadine Prohaska (21, Bayern München, 17), Viktoria Schnaderbeck (20, Bayern München, 9), Daniela Tasch (22, Neulengbach, 6), Susanna Koch (24, Südburgenland, 10), Katja Trödthandl (22, Landhaus, 6). Angriff: Maria Gstöttner (27, Neulengbach, 31), Lisa Makas (19, Spratzern, 7), Katrin Walzl (24, Spratzern, 14).

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.