U21-EM-Qualifikation für 2013
Tivoli, Innsbruck, 6. Oktober
Österreich - Holland
0-1
Tore: 7' Barazite

Erst kein Plan und kein Druck, dann alle Chancen vernebelt – 0:1 gegen Holland

Null Pressing, Einzelinitiativen, Zufallsaktionen – vor der Pause machte Österreich im U21-EM-Qualispiel gegen Holland so ziemlich alles falsch. Mittelfeld verstärkt, über die Flügel gespielt – in Überzahl machte das ÖFB-Team viel Druck, verballerte aber alle Chancen. Womit am Ende eine 0:1-Niederlage steht.

Österreich - Holland 0:1

Den Gegner schon tief in dessen eigener Hälfte unter Druck setzen, keine Zeit zur Spieleröffnung lassen – genau das, was Willi Ruttensteiner für die beiden Spiele in Baku und Astana angedacht hat, gab es bei Andi Herzogs U21 gegen Holland exakt in einer Aktion in der 2. Minute. Da stürzten sich Alar, Schwab und Weimann auf die beiden holländischen Innenverteidiger. Von da an aber? Tote Hose.

Kommt, ihr Holländer, wir stören euch nicht!

Was zur Folge hatte, dass sich die Holländer (bei denen mit Zoet und Cabral zwei Mann dabei waren, die im entscheidenden Spiel zur Quali für die U20-WM gegen Österreich 0:1 verloren haben, mit Bacuna wurde dann noch einer eingewechselt) hinten die Bälle gemütlich hin und her schieben konnten, und das extremst flexible Dreier-Mittelfeld die Ordnung in der österreichischen Zentrale so lange zu störte, bis sich ein Loch ergab. Und logischerweise dauerte es nicht allzu lange, bis dann in ein genau so entstandenes Loch durch die Mitte ein blitzschneller Pass in den Raum kam, schnell nach vorne gespielt wurde und Barazite für das Tor zum 1:0 in der 7. Minute sorgte. Ein sehenswerter Schuss, keine Frage, aber in der Entstehung war das an Naivität kaum zu überbieten.

Holland spielten das im Zentrum sehr ähnlich wie etwa der PSV Eindhoven. Es war zumeist Kelvin Leerdam, der zentral tief stand, sich aber viel vertikal bewegte; während Marco van Ginkel und Leroy Fer eher etwas höher standen und eher vertikal verschoben. Holzhauser und Hierländer hatten so viel mit diesem Trio und dem viel aus der Tiefe kommenden Nacer Barazite zu tun, dass für die Spielgestaltung keine Ressourcen blieben.

Problemfall Zentrum, Problemfall Hart

Was den Stillstand durch das Zentrum noch mehr verstärkte war die vorgeschobene Rolle von Stefan Schwab, wodurch aus dem 4-2-3-1, das angekündigt war, eher ein 4-4-1-1 wurde und damit Schwab und vor allem Alar eher in der Luft hingen. Wenn es durch die Mitte nach vorne ging, dann nur mit langen (immerhin zumeist flachen) Bällen, die aber wenig einbrachten.

Das größte Problem hatte das ÖFB-Team aber, wenn Holland über Jerson Cabral vermehrt über die rechte Abwehrseite von Florian Hart kam. Dieser stand defensiv deutlich zu tief, empfing Cabral somit erst, wenn der schon aus vollem Lauf mit all seiner überragenden Technik herangebraust kam und wurde vom Außenstürmer nach Strich und Faden verarscht. Dass die Holländer daraus kein Kapial schlugen, war vor allem Richie Windbichler und Raphael Holzhauser zu verdanken, die immer wieder gut aushalten.

Behäbiges Umschalten, tempolose Angriffe

Nicht nur, dass es vom österreichischen Team kein Pressing gab und somit leichte Ballgewinne selten waren, es  kam noch eine weitere Unzulänglichkeit dazu: Das Umschalten von Defensive auf Offensive wurde viel zu inkonsequent vorgetragen. Derjenige, der den Ball gewonnen hatte, rannte eher blind nach vorne, er wurde aber nur von einem oder zwei Mitspielern, die auch eher nur trabten, begleitet.

Das hieß, dass entweder das Tempo aus dem Angriff herausgenommen werden musste, was die Holländer natürlich dazu nützten, sich schnell wieder zu formieren; oder, dass aus der Distanz geschossen werden musste. Das wäre angesichts des etwas flatterhaften holländischen Torhüters eine Option gewesen, die man ruhig öfter auspacken hätte können.

Flanken in den Oranje-Strafraum

Gefährlich wurde es für Holland nur, wenn es den Österreichern gelang, über die Flanken in den Strafraum zu gelangen. Florian Hart machte das in der ersten Halbzeit ein paar Mal ganz gut, und bei Ecken und Freistößen wurde die Unsicherheit von Goalie Jeroen Zoet, die auch auf seine Vorderleute ausstrahlte, deutlich sichtbar.

Vielleicht waren seine (eh eher seltenen) Vorstöße der Grund, warum Andi Herzog Hart nicht schon zur Pause in der Kabine ließ, sondern es nach dem Seitenwechsel noch fünf Minuten probierte, ehe er dann doch Schimpelsberger brachte. Schon vor dem Halbzeitpfiff ließ die Intensität im holländischen Strafraum deutlich nach, so wie mit Fortdauer des Spiels generell immer mehr der Nachdruck fehlte. So fiel es dem ÖFB-Team leichter, sich ein wenig aus der Umklammerung zu lösen.

Komplett andere zweite Hälfte

Nach der Pause spielte Österreich wie ausgewechselt. Nun wurde tatsächlich mit Druck auf die Holländer ausgeübt, die so gar nicht mehr zur Entfaltung kamen. Zudem schaltete Schimpelsberger Cabral aus und endgültig zu Gunsten der Österreicher drehte sich die Partie, als sich Torhüter Zoet nach einer Notbremse gegen Weimann, der alleine auf ihn zugelaufen war, korrekterweise die rote Karte abholte.

Ab der 65. Minute

Raphael Holzhauser scheiterte am neuen Mann Marco Bizot (für ihn war Barazite rausgegangen), aber die Hausherren waren ab sofort endgültig am Drücker. Herzog nahm mit Windbichler einen Innenverteidiger heraus und warf mit Tadic einen Stürmer in die Schlacht. So entstand hinten zwar eine etwas windschiefe Dreierkette, die im Notfall von Holzhauser verstärkt wurde, und die rechte Seite war kaum mehr vorhanden – Dilaver schaltete sich mehr in die Offensive ein als Schimpelsberger.

Durch die Umstellungen, die Oranje-Teamchef Cor Pot vornahm – nämlich auf ein 4-3-2 – fiel bei Holland das Flügelspiel nun komplett flach. Die Außenverteidiger, die nun alleine auf weiter Flur waren, waren so viel mit Weimann und vor allem Drazan beschäftigt, dass nach vorne nichts mehr ging und das Mittelfeld im Zentrum war nur noch um Schadensbegrenzung bemüht.

Das gelang aus zwei Gründen: Erstens, weil die besten Torchancen liegen gelassen wurden. Und zweitens, weil es zwar grundsätzlich eine Überzahl im Zentrum gab, das Positionsspiel der Österreicher aber dennoch eher wild und kaum durchdacht wirkte. Echter Plan war weiterhin nicht erkennbar, aber durch die Überzahl konnten halt die Chancen herausgearbeitet werden.

Fazit: Niederlage nicht verdient, was anderes aber auch nicht

Ein eher seltsames Spiel – denn Österreich hätte nach der drückenden Überlegenheit in der Schlussphase zumindest einen Punkt mitnehmen müssen; andererseits aufgrund der ersten Hälfte, die inhaltlich vor allem in der ersten halben Stunde komplett daneben war, diesen eigentlich nicht verdient gehabt.

Vor allem in der ersten Halbzeit war hinten Offensivaktionen des Heimteams keine Strategie erkennbar, die Laufwegen waren deutlich sichtbar nicht aufeinander abgestimmt, es regierten Einzelinitiativen und Zufallsaktionen, aber kein geplantes Angriffsspiel. Zudem fehlte dem Mittelfeld der Plan, wie man mit dem flexiblen System der Holländer umgehen soll und Hart war mit Cabral heillos überfordert und hätte eigentlich schon nach 20 Minuten ausgewechselt gehört.

Es kam Österreich zu Pass, dass genau in die Phase, in der man selbst stärker wurde, der holländische Goalie vom Platz flog. In Unterzahl wurde deutlich, dass das in Weiß spielende Oranje-Team auch nur mit Wasser kocht und schlottrige Knie bekam, als ein Spiel, das sie sicher im Griff hatten, völlig entglitten war.

Rückschlüsse aus diesem Spiel zu ziehen, ist eher schwierig, weil die beiden Halbzeiten so unterschiedlich waren – ohne erkennbaren Plan vor der Pause, aber nach dem Ausschluss richtigerweise das Zentrum verstärkt, wenn auch mit recht schwammiger Raumaufteilung – anders als im rochierenden Mittelfeld der Holländer, wo die Aufgaben innerhalb des Trios weitergereicht wurden, aber grundsätzlich klar definiert waren.

So bleibt das Fazit, dass mehr drin gewesen wäre, vor allem, wenn man von Anfang an Druck auf die Holländer ausgeübt hätte, und nicht nur naiv Passwege zu verstellen versuchte.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.