Copa América 2011 | Gruppe A, 3. Spiel
Estadio Brigadier General Estanislao López, Santa Fé, 6. Juli 2011
Argentinien - Kolumbien
0-0
Tore: keine

Copa, Tag 5: Kolumbien vergrößert die argentinischen Schmerzen

Zweites Spiel, zweite Enttäuschung für den Gastgeber der Copa América: Auch gegen Kolumbien kommt Argentinien nicht über ein glückliches Remis hinaus. Was an eigenen taktischen Unzulänglichkeiten ebenso liegt wie an einer hervorragend eingestellten Elf aus Kolumbien, in der jeder genau wusste, was er zu tun hat.

Argentinien - Kolumbien 0:0

Wenn der argentinische Teamchef Sergio Batista überzeugt ist, auf dem richtigen Weg zu sein, rückt er nur ungern davon ab – selbst wenn das letzte Spiel gezeigt hat, dass er sich mit seinem Versuch, Barcelona zu imitieren, ohne dabei die Flügel adäquat zu besetzen, auf einem Holzweg befindet. So verzichtete er auch gegen Kolumbien auf die Dienste von Kun Agüero, der gegen Bolivien noch ordentlich Schwung in ein recht lahmes Spiel der Albiceleste gebracht hatte.

Wieder kaum argentinisches Flügelspiel

Dafür waren Tévez und Lavezzi wieder auf den Außenpositionen zu finden – zumindest nominell. Denn in der Praxis kamen beide eher aus dem Halbfeld als vom Flügel, was das argentinische Spiel sehr eng machte. Auch deshalb, weil Zanetti, der gegen Bolivien schon ein Totalausfall war, diesmal auf der linken Seite das machte, was er schon im Eröffnungsspiel gemacht hatte; gar nichts nämlich. Tévez war völlig auf sich alleine gestellt, am ehesten bekam er noch von Cambiasso Bälle. Aber auch so war seine Leistung schlecht: Er setzte sich in kaum einer Eins-gegen-eins-Situation durch, stand oft im Abseits, brachte seine Bälle nicht an den Mann.

Die einzige leichte Verbesserung, die bei Argentinien zu erkennen war, betifft den rechten Flügel. Zwar agierte auch Lavezzi wieder im überschaubaren Bereich, aber Mariano Zabaleta sorgte zumindest auf seiner Seite für deutlich mehr Vorwärtsbetrieb als bei Zanetti zu erkennen war.

Kolumbien presst im Zentrum

Der kolumbianische Teamchef Hernán Dario Gómez hatte schon vor dem Spiel zu Protokoll gegeben, dass er er für sinnlos erachtete, Messi manndecken zu wollen. Zwar ließ er ihn durch Sánchez durchaus bewachen, beließ es aber nicht dabei: Denn hinzu kam heftiges Pressing  in der Mittelfeldzentrale. Es war vor allem der Job von Fredy Guarín, auf den ballführenden Argentinier zu pressen, solange der Ball bei Mascherano, Banega oder dem noch etwas höher stehenden Cambiasso war. So wurde das Spiel auf die Flügel gezwungen und Messi, der höher stand als gegen Bolivien, war etwas abgeschnitten.

So hatte Kolumbien das Zentrum im Griff, und zudem brachten die Außenverteidiger Zuñíga und Armero sowohl defensiv als auf offensiv herausragende Leistungen. Sie erkannten, dass sie sich gefahrlos von Tévez und Lavezzi nach innen ziehen lassen konnten, weil es keine argentinischen Außen gab, die nachrückten. Gleichzeitig marschierten sie aber beide nach Ballgewinnen konsequent nach vorne, um die ständig rochierenden Ramos und Moreno zu unterstützen und die gegnerische Defensive auseinander zu ziehen, somit die extrem unsicheren Milito und Burdisso im Zentrum bloßzustellen.

Klarer Plan, klare Chancen – aber nur bei Kolumbien

Der Unteschied war greifbar: Während sich Batista praktisch ausschließlich auf die individuelle Klasse seiner Spieler verließ, ohne ihnen einen offensichtlichen Matchplan mit auf den Weg zu geben, wusste bei den Kolumbianern jeder genau um seine Rolle, und die ganze Mannschaft hielt sich mit großer Disziplin und großem Einsatz an die Direktiven: Defensiv pressen im Zentrum, offensiv kommen über die Außen. So war Kolumbien das klar bessere Team und hatte auch die klar besseren Chancen.

Es ist ausschließlich der Abschlussschwäche der Kolumbianer zu verdanken, dass die mit der Situation etwas überfordert wirkenden Argentinier nicht schon zur Pause mit 0:2 im Rückstand lagen – denn erst vergab Ramos alleine vor dem Tor stehend (19.), dann konnte Dayro Moreno einen haarsträubenden und viel zu kurzen Rückpass von Milito nicht nützen (25.), nachdem der in den Pass gesprintete Ramos elfmeterreif von Burdisso gefoult worden war; doppeltes Glück also für die Argentinier.

Umstellungen? Diesmal erst noch später

Hatte Batista gegen Bolivien noch in der Halbzeit umgestellt, einen zentralen Stürmer gebracht und das Flügelspiel aktiviert, blieb er diesmal tatenlos. So verstrich eine weitere Viertelstunde, ehe er sich doch zu einem Doppelwechsel durchringen konnte: Gago und Agüero kamen für Cambiasso und den einmal mehr enttäuschenden Lavezzi.

Immerhin, beide Maßnahmen zeigten durchaus Wirkung. Vor allem Fernando Gago brachte statt des hibbeligen Cambiasso deutliche Beruhigung ins defensive Mittelfeld, er strahlte mehr Ruhe am Ball aus, ließ sich vom Pressing nicht aus der Ruhe bringen und hielt seine Fehlpassquote gering. Und vor allem nahm der den zuvor sehr dominanten Guarín komplett aus der Gleichung. So war es mit der defensiven Kontrolle, die Kolumbien eine Stunde lang im Mittelfeld hatte, vorbei.

Breite fehlt immer noch

Ab ca. Minute 70

Was aber nichts daran änderte, dass es vorne immer noch an der Breite fehlte, um in der kolumbianischen Defensive Platz zu schaffen. Agüero nahm im Grunde nur die Position von Lavezzi ein, er machte das zwar mit mehr Klasse und mehr Energie, aber letztlich auch ohne echte Wirkung zu erzielen. Erst, als Batista 20 Minuten vor Schluss Higuaín statt des im Mittelfeld wegen des erhöhten Drucks und der dominanteren Rolle von Gago obsolet gewordenen Banega brachte, besserte sich die Situation.

Denn nun rochierten Tévez, Agüero und Higuaín vorne so, dass das Zentrum besetzt war, gleichzeitig aber auch die Flügel (vor allem der extrem fleißige Hugaín tat sich da hervor). Die letzten 10 bis 20 Minuten waren die mit Abstand besten der Argentinier in diesem Spiel, dennoch fehlte es offenbar am Glauben daran, wirklich noch etwas bewegen zu können – der gedankenversunkene Geischtsausdruck von Messi zehn Minuten vor Schluss, als ihn die Kamera in einer Behandlungspause lange in Großaufnahme zeigte, sprach Bände.

Und das, obwohl die ob ihres kräftezehrenden Spiels die Kolumbianer nur noch bedacht waren, das mehr als verdiente Unentschieden über die Runden zu bringen. Nach und nach nahm Gómez seine Angreifer aus dem Spiel – erst Falcao, dann noch Ramos und Moreno. Was sich in der 89. Minute noch rächen sollte: Denn Falcao hätte das Geschenk eines abgefangenen Querpasses von Burdisso wohl nicht so leichtfertig neben das Tor gesetzt als der für ihn eingewechselte Teo Gutierrez, als er alleine auf Romero zulief…

Fazit: Die selben Probleme, immer wieder

Zum zweiten Mal setzte Batista seine Startformation komplett in den Sand, seine Mannschaft wirkte planlos und hatte keine Antwort auf das intelligente Spiel der Kolumbianer. Wieder fehlte es an der Breite (wo blieb Di María?), wieder fehlte es am Tempo, wieder fehlte es an der Spielgenauigkeit. Wieder lieferten Lavezzi und Tévez eine enttäuschendes Spiel ab, wieder waren Cambiasso schwach und Zanetti richtig schlecht, wieder wackelte die Defensive, wieder waren die Mitspieler nicht in der Lage, Messi in Szene zu setzen, weil es wieder an der Gedankenschnelligkeit fehlte (wo war Pastore?), wieder brachte erst Agüero Schwung.

Immerhin, die Einwechslungen von Batista zeigten auch in diesem Spiel Wirkung, auch wenn das Resultat am Ende eine Enttäuschung bleibt. Nachdem seine Startformation aber nun schon zum zweiten Mal nicht funktioniert hat, muss man schon die Frage stellen, wo notwendige Konsequenz und eine gewisse Unbeirrbarkeit medialen Forderungen gegenüber aufhört, und wo selbstverliebte Sturheit anfängt.

Den Kolumbianern muss man ein Kompliment aussprechen für den hervorragenden Matchplan und die überzeugende Vorstellung. Vorwerfen muss sich das Team von Hernán Dario Gómez lediglich die mangelnde Chancenverwertung. Denn hätte Kolumbien dieses Spiel mit 3:0 gewonnen, hätte das den Chancen entsprochen und wäre  auch nicht ganz unverdient gewesen.

(phe)

Cool? Sag das doch anderen!

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.