U-20-Afrikacup 2011
Dobsonville Stadium, Johannesburg, 28. April 2011
Ägypten - Kamerun
0-0 nV, 2-4 iE
Tore: keine

Scoutingbericht Ägypten: Vorne nichts besonderes, aber hinten extrem stark

Am 4. August trifft Österreich im letzten und wohl um den Achtelfinaleinzug entscheidenden Gruppenspiel bei der U-20-WM in Kolumbien auf das Team aus Ägypten. Die Jung-Pharaonen hatten im Semifinale des Junioren-Afrikacups im Elfmeterschießen Pech. Aber Kamerun hat gezeigt, wo Ägypten verwundbar ist.

Ägypten - Kamerun 0:0 n.V., 2:4 i.E.

Hart haben sie sich getan, in der Gruppe. Gegen Mali gab’s trotz 80-minütiger Überzahl eine 0:1-Niederlage, gegen Lesotho und Südafrika mühsame Siege. Und auch gegen die gegenüber dem Gruppenspiel gegen Nigeria klar verbesserten Kameruner zeigten Ägypten im Halbfinale durchaus die Grenzen auf, fanden aber keinen Weg durch das Prunkstück im 4-3-3 der Jung-Pharaonen: Die extrem stabile Abwehr.

Defensive kaum überwindbar

Denn in drei Gruppenspielen und einem Halbfinale über 120 Minuten kassierte Ägypten nur ein einziges Gegentor – einen direkten Freistoß gegen Mali. Ahmed El-Shenawy ist ein ausgezeichneter Torwart mit starken Reflexen, und vor ihm räumen Mohamed Abdel-Fatah und Ahmed Hegazi kompromisslos auf. Und zwar nicht nur den Strafraum selbst: Denn vor allem Hegazi lässt sich zwar immer wieder an die Seitenlinie ziehen, wenn Sobhi aufgerückt ist, der umsichtige Sechser Tawrik und Abdel-Fatah lassen es aber dennoch nie zu, dass in der Zentrale wirklich ein Loch entstünde.

Inwieweit der starke Eindruck, den die Innenvertedigung hinterlassen hat, auch daran liegt, dass keiner der bisherigen Gegner eine wirklich torgefährliche Offensive aufbieten konnte – das schafften auch die Kameruner nicht – ist nur schwer zu beurteilen. Natürlich ist zu erwarten, dass Neymar und Co. im ersten Gruppenspiel gegen Brasilien die ägyptische Defensive vor ganz andere Schwierigkeiten stellen kann als Ohandza und Co. – aber die Österreicher werden schon einen besseren Plan brauchen, als auf die Genialität Einzelner zu hoffen.

Über außen ist was möglich

Zum Beispiel mit konsequentem Flügelspiel. Denn so fleißif Ashraf und Sobhi nach vorne sind, gegen schnelle Flügelstürmer und gezieltem Kurzpassspiel haben sie defensiv durchaus einige Probleme. Das zeigte vor allem Edgar Salli im Verbund mit Jacques Hamad über die rechte Angriffsseite – nur das Rezept mit den weiten Flanken ins Zentrum stellte sich als untauglich heraus. Da fehlte es Ohandza an der körperlichen Präsenz und auch am Durchsetzungsvermögen gegen die beiden Kanten in der Innenverteidigung.

Die Probleme auf den Flanken verlangten von den Außenstürmern Salah und Gaber, sich mit in die Defensive einzuschalten. Die beiden scheuen das nicht und vor allem Salah ist ohnehin in der Vorwärtsbewegung stärker, wenn er mit Tempo aus der Tiefe kommen kann – ein defensiverer Ausgangspunkt ist also kein Problem für ihn – hemmt aber das Angriffsspiel am restlichen Platz.

Nach vorne fehlt der Plan

Denn abgesehen vom extrem fleißigen, schnellen und umtriebeigen Mohamed Salah ist da bei den Ägyptern nicht viel los. Vor allem der Rechtsaußen, Omar Gaber, kam in erster Linie durch lange Flankenwechsel ins Spiel. Umsichtige und aggressive Außenverteidiger (also nicht so wie der eher schmächtige Oyongo) konnen ihm da durchaus einiges an Kopfzerbrechen beiten.

Das Mittelfeldzentrum ist grundsätzlich eher defensiv ausgerichtet und es fehlt dem Dreieck (üblicherweise mit einem Sechser, mitunter zieht sich aber auch El-Neny etwas zurück) ganz deutlich am Flair in der Vorwärtsbewegung. Anfällig sind die Ägypter besonders in dieser Zone auf aggressives Forechecking. Kamerun (und auch schon die dezimierten Malier in der Gruppe) kamen auf diese Art und Weise regelmäßig zu relativ billigen Ballgewinnen.

Freilich: Durch die Mitte zu versuchen, vor das ägyptische Tor zu kommen, ist ein eher aussichtsloses Unterfangen. Da muss es schon über die Flügel gehen.

Harmlos vor dem Tor

Zumeist ist Mohamed Hamdy im Sturmzentrum ziemlich auf sich alleine gestellt. Der Stürmer aus Alexandria läuft zwar viel und versucht, Unruhe zu stiften, aber weil auch Kamerun mit dem extrem starken Yaya Banana und dem ebenso sicheren Rodrigue Mvom ebenfalls zwei starke Innenverteidiger aufbieten konnte, machte er trotz vieler Ballkontakte auch sehr viele leere Meter.

Wenn alles nichts mehr hilft, geht Salah von seiner linken Seite immer mehr ins Zentrum – das war gegen Mali so, das war auch gegen Kamerun der Fall. So kann er sein Tempo ausspielen und kommt im Idealfall in einem günstigen Winkel vor das Tor. Dass er durch konsequentes Körperspiel aber einigermaßen gut unter Kontrolle zu halten ist, machen die Gegner sowohl im Zentrum als auch (noch mehr) auf der Seite deutlich.

Großer Pluspunkt: Kondition!

Ein ganz wichtiger Punkt ist bei der zu erwartenden Hitze von Cartagena – die Temperaturen im Sommer gehen da weit über 30 Grad hinaus – ist die körperliche Verfassung der Ägypter. Und die ist zweifelsohne ein großes Plus. Denn in der Verlängerung merkte man schon deutlich, dass die Jung-Pharaonen gegenüber Kamerun eindeutige Vorteile in Sachen Kondition haben. So erarbeiteten sie sich wieder ein Übergewicht auf dem Feld. Zudem konnte Teamchef Diaa El-Sayed mit Ahmed Nabil (für die rechte Seite) noch einen frischen und durchaus gefährlichen Mann von der Bank bringen.

Letzlich versagten den Ägyptern in diesem Halbfinale gegen Kamerun im Elfmeterschießen die Nerven, als Hegazi und Hamdi die ersten beiden Strafstöße nicht verwandeln konnte. Und dann kam auch noch Pech dazu, dass der übertrieben pingelige Assistent zwei von El-Shenawy glänzend parierte Penalties wiederholen ließ, weil der Torhüter sich beim den Paraden wohl um fünf Zentimeter zu weit nach vorne gewagt hatte. Verständlich, dass noch während des Shoot-Outs eine veritable Rudelbildung um den Wichtigmacher Bouende Malonga entstand.

Fazit: Respekt ist angebracht, Angst sicher nicht

Außer Reichweite des österreichischen Teams liegt die Mannschaft aus Ägypten sicherlich nicht. Mit dem richtigen Rezept gegen den Ball (Pressing im Zentrum, körperlich dagegenhalten auf den Flügeln) und einem tauglichen Plan in der Offensive (konsequent über die Flügel, eine aus dem Mittelfeld aufrückende zweite Alternative im Zentrum) ist der Punkt, der nach dem erhofften Sieg gegen Panama und dem zu erwartenden Debakel gegen Brasilien zum Achtelfinale reichen dürfte, allemal möglich.

In erster Linie heißt es aufpassen, dass Mohamed Salah möglichst keine Bindung zu spiel findet, Hamdy vorne möglichst in der Luft hängt und man dem Zentrum keine Zeit zur Spieleröffnung lässt. Dann ist es sicherlich möglich, zu Null zu spielen. Und das wird sehr wahrscheinlich notwendig sein, denn diese knochentrockene Defensive ist nur sehr schwer zu bezwingen – so sollte man danach trachten, dass es zumindest für einen Punkt reicht, wenn man „nur“ ein Tor erzielt.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.