Schlüssel zum Titel: Weniger Taktik-Fehler, größerer Wille – und Glück

Zwei Außenseiter trafen sich in Toronto zum Endspiel der 15. MLS-Saison – die Favoriten L.A. Galaxy und NY Red Bulls waren genau wie Titelverteidiger Salt Lake gescheitert. So war der Weg frei für Riesentöter Dallas und Glücksritter Colorado, die beide um ihren ersten Titel der nordamerikanischen Profiliga ritterten.

FC Dallas - Colorado Rapids 1:2 n.V.

Es waren nicht die Favoriten, die das Finale der 15. Saison der Major League Soccer, der nordamerikanischen Profiliga, in Toronto erreichen konnten. Das logische Endspiel zwischen den beiden Teams mit der größten Starpower – also den L.A. Galaxy mit Beckham und Donovan und den New York Red Bulls mit Henry und Márquez – war geplatzt, weil die Bullen, Dritter nach dem Grunddurchgang, schon im Viertelfinale an San José gescheitert waren. Und weil sich der FC Dallas zum „Riesentöter“ aufschwingen konnte! Im Viertelfinale eliminierte das Team von Coach Schellas Hyndman den Titelverteidiger und Tabellen-Zweiten Salt Lake, im Semifinale als krasser Außenseiter die Galaxy auswärts mit 3:0.

Was die Texaner im Finale zum Favoriten machte. Denn nicht nur, dass sie die beiden besten Teams der Regular Season ausgeschaltet hatten, nein, als Vierter waren sie nach dem Grunddurchgang auch klar besser platziert als der Siebente aus Colorado – der im Playoff ordentlich als Glücksritter unterwegs war. Im Viertelfinale brauchte das Team des englischen Coaches Gary Smith (einst Scout bei Arsenal) ein spätes Tor und das Elfmeterschießen gegen Columbus, im Semifinale ein 1:0 gegen Bullen-Eliminierer San José. Und außerdem hatte Dallas den Liga-MVP in den eigenen Reihen.

David Ferreira nämlich. Der Kolumbianer ist ein klassischer Zehner südamerikanischer Prägung, der viel vertikal rochiert, aber zum Verlangsamen des Spiels neigt. Das defensive Mittelfeld von Colorado, und hier in erster Linie Jeff Larentowicz, kümmerte sich deshalb ganz besonders „liebevoll“ um Ferreira. Und zwar so effektiv, dass er es sehr schwer hatte, wirklich ins Spiel zu finden.

Die Konzentration auf den Zehner bedeutete, dass Dax McCarty im Dallas-Mittelfeld deutlich mehr Verantwortung übernehmen musste. der 22-Jährige spielte einen sehr engagierten Box-to-Box-Midfielder, mit dem Mastroeni vor allem wegen dessen Geschwindigkeitsnachteilen große Schwierigkeiten hatte. Somit hatte Dallas in der Mittelfeldzentrale ein deutliches Übergewicht. Und weil Colorado auch auf den Flanken kaum zur Grundlinie durchkam, hing das Sturmduo Casey/Cummings ziemlich in der Luft. Was zur Folge hatte, dass vor allem der Jamaikaner Cummings sich immer wieder tief ins Mittelfeld fallen ließ, um sich Bälle zu holen. Problem dabei: Hatte er ihn mal, stand Conor Casey alleine gegen drei Gegenspieler. Kevin Hartman, Routinier im Dallas-Tor, hatte wenig zu tun.

Auf der Position des Außenverteidigers waren jeweils die RV die klar aktiveren. Bei Colorado konnte der Japaner Kosuke Kimura, der mit Dallas-Blondschopf Brek Shea ziemlich machen konnte, was er wollte, aber keine gefährlichen Flanken schlagen – weil Dallas-LV Jaír Benítez dies gekonnt verhinderte. Während Benítez defensiv gebunden war, konnte der brasilianische Dallas-RV Jackson deutlich mehr Vorwärtsdrang entwickeln; auch, weil er sehr gut mit Marvin Chávez vor ihm zusammenspielte. Mit dem fleißigen McCarty in der Zentrale und der guten rechten Seite dominierte Dallas die erste Halbzeit.

Dennoch hatte Colorado auch die eine oder andere Szene und in der 27. Minute hätte es auch durchaus Elfmeter geben können, als Casey nach einem sehr intensiven Zweikampf mit Benítez im Strafraum zu Boden ging. Doch weil auch der Einsatz des Stürmers nicht den Regeln entsprechend war, verweigerte Referee Toledo den Strafstoß. Kurz danach hatte Dallas allerdings Pech – denn nach einer halben Stunde verletzte sich Jackson und musste ausgewechselt werden. Sein Ersatzmann Zach Loyd bemühte sich danach redlich, der Unterschied zum Brasilianer wurde aber erst nach der Pause deutlich.

Denn nur eine Minute nach dem Wechsel ging Favorit Dallas mit einer wunderbaren Aktion der drei Lateinamerikaner in Führung: Linksverteidiger Benítez riss Colorado mit einem punktgenauen Flankenwechsel auf Chávez auseinander, die Flanke des Honduraners fand den aufgerückten Ferreira in der Zentrale. Dieser stellte aus vollem Lauf zum verdienten 1:0 für Dallas (33.). Colorado schaffte es nicht, dem dominanten Spiel des Gegners bis zur Pause wirklich etwas entgegen zu setzen.

Dallas schadet sich mit Umstellung selbst

Dallas - Colorado 1:2 n.V. (Start 2. Hälfte)

Für die zweite Halbzeit stellte Dallas-Coach Hyndman um: Chávez wechselte von der rechten auf die linke Seite, um Kimura mehr hinten hinein zu drängen und auch die linke Seite unter Kontrolle zu bringen. Das klappte zwar ganz gut, doch die Leistung von Brek Shea, der nun auf der rechten Seite spielte, besserte sich keineswegs. Die Rochade auf den Flanken offenbarte sich als Schuss ins eigene Knie, denn die linke Angriffsseite von Colorado – also Anthony Wallace und der Schotte Jamie Smith – kam gegen den schwachen Shea und den mit der Doppelaufgabe überforderten Loyd nun deutlich besser ins Spiel.

So war es fast folgerichtig, dass durch Fehler dieser beiden auch der Ausgleich für Colorado fiel. Loyd ließ sich nach innen ziehen und klärte einen Ball zu kurz Richtung jener Seite, von eigentlich er selbst stehen sollte, Shea war weit und breit nicht zu sehen und so war es Smith ein Leichtes, den Ball unbedrängt in die Mitte zu flanken. Dort setzte sich Conor Casey mit all seiner Willenskraft gegen Benítez und Goalie Hartman durch, die sich gegenseitig behinderten (57.).

Dallas-Spielmacher Ferreira reagierte auf den Rückstand, indem er sich selbst weiter in die Spitze orientierte – natürlich auch, um Larentowicz etwas auszuweichen. Doch auch das war sichtlich nicht der Weisheit letzter Schluss, da die Mittelfeldzentrale nun Colorado gehörte – denn Sechser Hernandez war von einer Knieblessur beeinträchtigt und in seinem Aktionsradius deutlich limitiert, Dax McCarty stand somit alleine gegen Larentowicz und Mastroeni.

Dallas - Colorado 1:2 n.V. (ab Min. 65)

Mit Jeff Cunningham brachte Schellas Hyndman auf Seiten von Dallas statt des Schwachpunkts Shea daraufhin einen neuen Center-Stürmer, Harris wich etwas auf den rechten Flügel aus. Der Plan war klar: Wallace ebenso hinten binden wie Kimura auf der anderen Flanke und selbst über die Seiten mehr Druck entwickeln, weil sich Ferreira durch sein eigenwilliges (und womöglich auch eigenmächtiges) Stellungsspiel selbst aus der Partie nahm. Das resultierte zwar in einer optischen Überlegenheit, aber nicht in einer Masse von Tormöglichkeiten. Weswegen es mit einem 1:1 in die Verlängerung ging.

Colorado erzwingt das Glück

Dort bot sich zunächst ein ähnliches Bild wie zuvor, ehe Gary Smith einen entscheidenden Wechsel – seinen letzten, nachdem er seine müde gewordene rechte Seite Wallace/Smith bereits durch Baudet und Thompson ersetzt hatte – tätigte. Der Senegalese Macoumba Kandji kam für den neben Kampfsau Casey deutlich abfallenden Cummings als zweite Spitze. Was sich kaum zehn Minuten später auszahlen sollte.

Kandji kämpfte sich in der 107. Minute von der rechten Seite gegen Benítez in den Strafraum, brachte den Ball trotz eines heftigen Zusammenpralls mit Ihemelu Richtung Mitte, und Unglücksrabe George John lenkte den Ball ins eigene Netz. Das 2:1 für Colorado, erzwungen durch puren Willen. Und mit Folgen für Kandji, denn dieser hat sich sein Knie beim Zusammenprall mit Ihemolu derart verletzt, dass er nur zehn Minuten nach seiner Einwechslung auch schon wieder w.o. geben musste. Weil Gary Smith schon dreimal gewechselt hatte, musste sich Colorado in der verbleibenden Spielzeit zu zehnt der verzweifelten Angriffe von Dallas erwehren.

Denn das Team aus Texas  warf nun natürlich alles nach vorne, selbst Innenverteidiger Ihemelu wich angesichts seiner Kopfballstärke kaum noch aus dem gegnerischen Strafraum. Und man könnte auch nicht sagen, dass Dallas nicht mehr gefährlich geworden wäre. Im Gegenteil! Doch Moreno (117.) und McCarty (121.) scheiterten – und die größte Ausgleichschance von Dallas, ausgerechnet von Pechvogel John, wurde von Colorado-Keeper Pickens in der 120. Minute mit einem sensationellen Reflex entschärft…

Fazit: Dallas gab Spiel selbst aus der Hand, Colorado nützt das mit Wille und Glück

Mit Colorado gewinnt der Außenseiter, obwohl Dallas an sich das bessere Team gestellt und auch den taktischen Ablauf des Spiels diktiert hatte. Gary Smith musste im Grunde über 120 Minuten nichts Gröberes an seiner Formation und an seiner Ausrichtung ändern, weil die Umstellungen seines Gegenübers Schellas Hyndman ohnenhin in Colorados Karten spielte.

Zudem schadete Dallas-Spielmacher David Ferreira, immerhin Liga-MVP dieser Saison, seinem Team mit zunehmend schlechter Positionierung und dass Sechser Hernandez nicht fit war, wurde mit Fortdauer des Spiels zum immer größeren Problem. Letztlich entschied der größere Wille und auch das Glück zu Gusten von Colorado, womit der MLS-Titel zum ersten Mal nach Denver geht.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.