Wie Twente und Werder sich pattzitterten

Twente Enschede und Werder Bremen durften im dritten Champions League-Gruppenspiel nicht verlieren, vergaßen aber auch über weite Strecken auf die Möglichkeit zu gewinnen.

Twente - Werder 1:1

Michel Preud’Homme schickte seine Niederländer mit einer nominell offensiven 4-3-3 / 4-1-4-1 Mixtur aufs Feld. Marc Janko gab den Mann an der Spitze, ÖFB-Nachwuchsmann Michael Schimpelsberger saß auf der Bank. Die Deutschen wurden von Thomas Schaaf ebenfalls mit vorerst einem Österreicher ausgestattet. Das ins 4-4-2 übergehende 4-2-3-1 mit Sebastian Prödl in der Innenverteidigung ließ Marko Arnautovic vorerst außen vor.

Beide Mannschaften begannen mit der klaren Vorgabe, sich hinten keine Blöße zu geben und Gegentore auf jeden Fall zu vermeiden. Entsprechend ängstlich und chancenarm verlief die erste Spielhälfte. Sowohl Werders Spitze Hugo Almeida als auch Twentes Janko waren völlig isoliert und hatten mit dem Spielgeschehen nichts zu tun. Beide bewegten sich zu wenig und bekamen kaum Unterstützung. Janko sah nur Bälle, wenn er sich weiter zurückfallen ließ, er versuchte aber stattdessen immer wieder weit vorne die Werder-Abseitsfalle zu überlisten – ohne Erfolg. Viermal stand er zu weit vorne, als er angespielt werden sollte. Dass der Österreich viel rannte, konnte dieses konzeptionelle Problem im Twente-Spiel nicht wettmachen.

Dass nach 23 Minuten mit Peter Wisgerhof der defensive Spieleröffner bei Twente verletzt raus musste, verbesserte Jankos Chancen auf Bälle nicht. Auch wenn Rasmus Bengtsson dessen Abwehragenden gut übernahm, blieben die weiten Pässe aus der Innenverteidigung nun Mangelware. Wenn Twente etwas versuchte, dann über die Seiten (vor allem der links spielende Nacer Chadli zeigte auf, hatte mit Tiendalli aber keinen guten Hintermann – umgekehrt auf der anderen Seite, wo Ruiz die Flügel verwaisen ließ, dafür aber Rosales mehr mit nach vorne ging) oder aus einer Einzelaktion des rechts nominierten, aber meist zentral wirkenden Unruheherds Bryan Ruiz, dem allerdings der letzte Punch an Überzeugungsfähigkeit fehlt.

Bei Werder übernahm Pizarro die Arbeit in der Spitze, tauchte am halben Feld immer wieder auf. Die vielen Bremer Versuche durch die Mitte waren trotzdem nie von Erfolg gekrönt. Gefahr entstand vor allem dann, wenn Clemens Fritz sich ein Herz nahm und mit nach vorne ging. In der 27. Minute gelang das mit einem gelungenen Doppelpass besonders gut. Die rechte Seite der Bremer war fortan fast an allen nennenswerten offensiven Aktionen beteiligt – erzwang mit nicht übermäßig harten Pressing in der 41. Minute auch noch einen schweren Fehlpass des mäßigen Tiendalli, den der nicht minder mäßige Almeida aber nicht zu nutzen vermochte.

Ein Problem tauchte für Werder in der 38. Minute auf. Tim Wiese verletzte sich ohne Fremdeinwirkung und musste dem jungen Sebastian Mielitz Platz machen. Der erwies sich in der Folge verständlicherweise als nervös. Zu seinem Glück blieben seine Unsicherheiten aber unbestraft.

Ein enttäuschendes Spiel, das auch mit vielen technischen Fehlern vorerst nicht Champions-League-würdig war, ging mit 0:0 in die Pause. Danach ließen die Trainer zwar dasselbe Personal auf dem Platz, stellten aber trotzdem an einigen Positionen um. Bei Twente wechselte Chadli auf die rechte Seite, Ruiz ging endgültig in die Mitte, wo er sowieso die meiste Zeit gespielt hatte und Janssen ging nun etwas weiter nach links. Allgemein war Enschede aber vorne weiterhin ziemlich eng aufgestellt. Und da weiterhin nur Rosales einen Flügel-Verteidiger imitierte, fehlte nach vorne jegliche Schlagkraft. Bei Bremen wechselten mit Hunt und Wesley ebenfalls die beiden Außenspieler.

Das Spiel änderte seinen Charakter in der Folge aber kaum. Bremens Gefahrenherd war die rechte Seite mit Fritz, Twente ließ ein motiviertes Spiel nach vorne vermissen und zeigte dieses auch nur, wenn rechts Rosales mitging.

So richtig begann das Spiel erst in den letzten 30 Minuten. Die Einwechslung von Marko Arnautovic für den schwachen Almeida war ein erster Angriffsbefehl und brachte nach etwa 10-minütiger Eingewöhnungsphase den nötigen Schwung ins Bremer Spiel. Er bewegte sich mehr als sein Vorgänger, entlastet damit den umtriebigen Pizarro und sorgte für einen Überaschungsmoment in die Zentrale. Exemplarisch ist einer seiner grenzgenialen No-Look-Pässen auf Hunt zu nennen (73.). Eine Minute später sprang ihm der Ball allein vorm Tor vom Fuß. Vielleicht Nervosität mit dem Tor gegen den Ex-Klub vor Augen, dessen Fans nur Pfiffe für ihn übrig hatten.

Quasi im Gegenzug patzte Pasanen bei einer Freistoßflanke auf Janko, der stolperte den Ball an Prödl vorbei zum im Abseits stehenden Janssen, behinderte in der Folge auch Torhüter Mielitz noch leicht und stand selbst nochmal in der Schusslinie als der Ball ins Netz gewurstelt wird – der dänische Schiedsrichter sah nichts Falsches daran und entschied auf Tor für Twente. Ein Zufallsprodukt aus einer Standardsituation.

Thomas Schaaf brachte Marin für Bargfrede. Er löste damit das zuweilen ideenlose 4-4-2 (immer dann, wenn Pizarro sich auf seine Stürmerrolle konzentrierte, war die Zentrale tot) auf und machte ein 4-1-3-2 daraus. Hunt (rechts) und Marin (links) kamen aus dem Raum hinter den Spitzen, Wesley etwas defensiver aus der Mitte, wo Frings aufpasste. Das erzeugte den nötigen Druck. Aber auch Bremen benötigte einen der besonderen Arnautovic-Momente um sich aus dem Dreck zu ziehen. Der ÖFB-Teamspieler brach im Doppelpass mit Pizarro durch die Abwehr, blieb nach einem Rempler von hinten auf den Füßen und sorgte mit einem abgeklärten zweiten Schussversuch für en Ausgleich.

Twente hatte vorher nichts auf Lager und konnte auch nun nicht mehr zusetzen. Nur eine offensichtliche Schwäche der Bremer in den letzten Monaten hätte ihnen beinahe noch ein Tor beschert: Die Werderaner verlieren immer wieder den Ball beim Spielaufbau aus dem defensiven Mittelfeld – so auch Wesley in der 87. Minute. Der Fehler blieb unbestraft, weil Mielitz sich im entscheidenden Moment doch auszeichnen konnte.

Werder hätte einen aufgrund der Schlussphase verdienten Sieg beinahe noch erreicht, aber bei einem Tor in den Schlussminuten von Pizarro hatte der Schiedsrichter ein Abseits erkannt, das in den ORF-Wiederholungen jedenfalls nicht zu sehen war. Schlussendlich wird das gut sein, denn es bedeutet, dass im Rückspiel beiden Mannschaften nur noch ein Sieg hilft, um im Rennen um den Aufstieg in die nächste Phase oder zumindest Europa League zu bleiben. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn in dieser Form haben beide gegen Inter und Tottenham keine Erfolge zu erwarten.

Anmerkungen zu den Österreichern:
Marc Janko blieb harmlos, hätte auch Hilfe und ein anderes Konzept gebraucht. Sein Laufpensum ging ins Leere. Dass er mit seinem Gestolpere quasi das Twente-Tor aufgelegt hat, kann man ignorieren oder positiv bewerten.
Sebastian Prödl zeigte in einer ordentlichen Leistung immer wieder leichte Unsicherheiten, die mit Pech auch ins Auge gehen könnten. Es fehlt ihm im Moment anscheinend an Selbstvertrauen – und an Mitspielern die ihm auch mal helfen, statt immer nur Rätsel aufgeben. Sein linker Nebenmann Pasanen erfüllte diesen Wunsch heute nicht.
Marko Arnautovic spielte nur 30 Minuten, in denen aber auffällig. Er riss das Bremer Spiel nach vorne, schoss ein Tor und hatte seine Nerven trotz eines wohl emotionalen Spiels beim Ex- und Jugendklub gut im Griff.

(tsc)

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