Premier Leaks #4: „Lasst ihn verrotten“

Lange bevor die Seven Nation Army von den White Stripes bei der Euro 08 zum weltweiten Stadiongesang-Siegeszug antrat, marschierte sie bei vielen europäischen Fußballklubs schon auf den Rängen. Eine Adaption davon hatten die Liverpool-Fans für Javier Mascherano übrig, der sich mit seinem konsequentem Sechserspiel im defensiven Mittelfeld in die Herzen der Reds-Fans gespielt hatte. „Masch“ zeigt nun mit seinem Abgang in Richtung Barcelona, wie schnell man sich den Status „Publikumsliebling“ verpatzen kann.

Schon Inter Mailand bekundete im Laufe des Sommers Interesse am 26-Jährigen. Rafael Benitez hatte zwar eine Vereinbahrung unterschrieben, dass er seinem Ex-Team nicht die Spieler wegkaufen werde, gab aber bekannt, dass er für Spielereinkäufe bei Inter nicht verantwortlich wäre. Ein dreistes Schlupfloch. Und so versuchte Inter neben Dirk Kuyt auch den Argentinier zu locken, den Benitez 2007 an die Anfield Road geholt hatte. Die Italiener scheiterten in beiden Fällen, doch dann klopfte das große Barça an die Tür.

Barcelona-Angebote sind verständlicherweise für fast jeden Spieler attraktiv. Statt dies offen zu sagen, lautete der Spin im Mascherano-Lager allerdings plötzlich, seine Frau habe Probleme mit dem Leben in England und wolle weg. Nachdem sich Barcelona-Spieler schon im gescheiterten Transfer rund um Arsenals Cesc Fabregas öffentlich eingeschaltet hatten, war zum Beispiel Lionel Messi auch in diesem Fall sehr besorgt um das Wohlergehen von Mascheranos Frau und appelierte für eine „humane“ Entscheidung.

Als Messis Nationalteam-Kapitätn nach bereits zwei Jahren auf der Insel 2008 seinen gutbezahlten Liverpool-Vertrag (zu noch besseren Konditionen) um vier Jahre verlängerte, hatte der Argentinier sich darüber offensichtlich keine Gedanken gemacht. „Es scheint nicht so lange her, dass Liverpool 18 Millionen Pfund zahlte um Mascherano aus seinem Schlamassel bei West Ham zu ziehen. Ich wette seine Frau war damals glücklich“, schrieb Queens Park Rangers-Trainer Neil Warnock trocken über die Familiensorgen.

Doch Vergangenes sollte man nicht zu hoch bewerten: Die verbleibenden zwei Vertragsjahre schienen nun unerträglich und eine spanischsprachige Umgebung jedenfalls unersetzlich. Unbeeindruckt davon kündete Liverpools Neo-Coach Roy Hodgson an, dass er den Argentinier ungern und jedenfalls nicht unter seinem Wert an die Katalanen verkaufen würde. Mascherano weigerte sich daraufhin, wieder ins Trikot der Redszu schlüpfen. Das war unmittelbar vor dem Spiel bei Manchester City und brachte Hodgson auf die Palme: Mascherano handle egoistisch und nicht wie ein Profi.

Allgemein stößt Mascheranos Verhalten auf wenig Verständnis in England. Besondere Härten im Ton liest man im Eurosport-Blog „Armchair Pundit„: Hodgson solle Mascherano „zur Reservemannschaft abstellen und verrotten lassen“. Dies würde trotz all seiner Leistungen der größte Dienst sein, den der Trainer dem Fußball machen könnte, da es Spieler und ihre Manager daran erinnern würde, dass Verträge auch etwas zu gelten haben.

Abgänge wie der von Mascherano sind ein Zeichen dafür, dass das System im Spitzenfußball zu hinterfragen ist. Die Zeitspanne der Zusammenarbeit festzulegen soll Kontinuität im sportlichen Bereich ermöglichen und unterscheidet sich von der normalen Arbeitswelt. Doch die Realität bringt die Klubs zunehmend in eine schlechtere Verhandlungsposition und selbst Giganten wie Liverpool können sich dem kaum noch entziehen. Einerseits garantiert ein Vertrag dem Spieler weitgehend ungeachtet seiner tatsächlichen Leistungen gutes Geld. Andererseits verliert so ein Wisch er in schlechten Zeiten oder beim Interesse eines attraktiven Klubs schnell seine Bedeutung und Spieler können ihren Ausstieg erzwingen.

Gerade das finanziell angeschlagene Liverpool könnte sich im Moment schwer leisten, hochbezahlten Spielern eine Denkpause im Amateurteam zu erteilen. Zu hoch sind die Kosten für solche Lehrstücke. Deshalb wurde einem verbesserten Angebot der Katalanen schlussendlich zugestimmt. Von den ursprünglich geforderten 25 Millionen Pfund (oder den 50 Millionen, die Benitez noch ein Jahr zuvor von Barcelona verlangte) war auch das zwar noch etwas entfernt, die Reds machen im endgültigen Angebot aber zumindest keinen Verlust mehr.

Liverpool-Fanblogger Kevin Brodie brachte die Stimmung unter den Anhängern auf den Punkt: „Ich verstehe, dass er einen Wechsel für seine Familie möchte. Aber er versteht sicher auch, dass Fußball ein Geschäft ist. Wir zahlten 18 Million Pfund für einen Spieler der nicht Argentinien-Kapitän war und bei West Ham kein Spiel bekam“. Wie könne er nur glauben, dass er heute als Argentinien-Kapitän und hochprofilierter Liverpool-Spieler weniger wert als damals wäre? Einen warmen Empfang an der Anfield Road brauche Mascherano jedenfalls nicht mehr zu erwarten.

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