SF1 – Wenig zielstrebig. Beide.

Südafrika 2010 – Semifinale 1 | Mit Holland hat sich der Favorit durchgesetzt – aber so richtig  stark war der Auftritt gegen Uruguay nicht. Das 3:2 bedeutet den ersten holländischen Finaleinzug seit 32 Jahren, gesichert wurde er aber mehr von Einzelaktionen als von wirklich durchdachtem Spiel.

Holland - Uruguay 3:2


Holland – Uruguay 3:2 (1:1)

Ohne den verletzten Abwehr-Boss Lugano, ohne den gesperrten Linksverteidiger Fucile – und vor allem ohne Suárez! Uruguay-Teamchef Tabárez musste mit drei herben Ausfällen zurecht kommen. Was im Endeffekt bei Lugano und Fucile gut geland, aber ein Luis Suárez war von seiner Spielweise und seinem beinahe blinden Verständnis mit Forlán schlicht nicht zu ersetzen.

Dem Stürmerstar der Urus wurde in diesem Semifinale Edinson Cavani zur Seite gestellt; dieser kam im Turnierverlauf aber immer eher über die (zumeist rechte) Seite. Nicht nur einmal spielten Forlán und Cavani vorne aneinander vorbei, die Abstimmung passte nicht, und so kam selten etwas Gefährliches in Zusammenarbeit der beiden zu Stande. Der Schlüsselspieler bei Uruguay war aber Álvaro Pereira im linken Mittelfeld des 4-4-2! Denn mit Forlán in der Spitze und nicht als Hängende und einem offensiv unsichtbaren Gargano in der Mittefeldzentrale ging es, wenn es konstruktiv in die gegnerische Hälfte ging, nur über Álvaro Pereira. Was das Spiel der Uruguayer natürlich sehr leicht ausrechenbar machte.

In der Innenverteidigung spielte der genesene Godín neben Victorino für den verletzten Lugano, das passte ganz gut. Und Fucile wurde vom resoluten Martín Cáceres ersetzt – der Arjen Robben in beinharte Manndeckung nahm, ihm über den halben Platz wie ein Schatten folgte. Der Effekt: Über Robben ging recht wenig.

Die Holländer waren in ihrem gewohnten 4-2-3-1 aufgelaufen; Boulahrouz und De Zeeuw ersetzten die gesperrten Van der Wiel und De Jong. Boulahrouz machte das ganz anständig und hatte es zumeist mit Álvaro Pereira zu tun, aber Demy de Zeeuw machte von der ersten Minute an einen hibbeligen und etwas fahrigen Eindruck, mehr als Alibipässe zum (etwas weiter vorne postierten) Mark van Bommel bzw. zur Abwehrkette fielen ihm kaum ein. Darum war er auch das logische Opfer, als Bert van Marwijk in der Pause taktisch umstellte – aber dazu später mehr.

Während Álvaro Pereira im linken Mittelfeld eine ordentliche Rolle spielte, auf einer Position, die ihm liegt und mit Cáceres, der ihm den Rücken freihielt, war die rechte Seite der Uruguayer weit weniger gut besetzt. Diego Pérez, an sich eher ein defensiver Mittelfeldspieler, musste auf die Flanke ausweichen, was aber aber nur halbherzig und nicht besonders Effektiv tat. Nach vorne traute sich Pérez kaum, und weil er immer wieder weit in die Mitte zog (bzw. von Kuyt in die Mitte gezogen wurde) bot sich sogar Van Bronckhorst die Gelegenheit, immer mal wieder nach vorne zu gehen – oder Pérez wurde von Sneijder gebunden, was Kuyt mitunter Platz brachte.

Nach einer Viertelstunde wechselten Robben und Kuyt für ein paar Minuten die Seite. Robben entfloh so der Manndeckung von Cáceres und verwiffte Pérez, Maxi Pereira ging Robben nicht so konsequent an wie Cáceres – und plötzlich hatte Van Bronckhorst mörderisch viel Platz, den er zu seinem völlig unbedrängten Weitschuss zum 1:0 nützte. Die Urus reagierten darauf, indem sie eigentlich gar nicht reagierten – lediglich Forlán orientierte sich nun ein wenig mehr Richtung linke Flanke, um Álvaro Pereira ein wenig entgegen zu gehen.

Aus der Zentrale (Gargano) kam weiterhin gar nichts, das Zusammenspiel mit Cavani klappte weiterhin überhaupt nicht, und ein guter Teil des eh schon geringen Ballbesitzes der Südamerikaner wurde durch lange Bälle nach vorne recht leichtfertig wieder hergegeben. Dass Forlán ebenso einmal abzog und so zum 1:1 traf, war mehr eine Einzelaktion, aber nicht wirklich herausgespielt. Er nützte den Platz, den ihm die Holländer für einmal gewährten (weil sie sich zu viel auf Cavani konzentrierten), womit die Urus wieder im Spiel waren.

Nach der Pause brachte Van Marwijk dann mit Van der Vaart einen zusätzlichen Offensiven für den mäßigen De Zeewu, stellte somit auf ein 4-1-4-1 um. Gegen das nicht existente zentrale offensive Mittelfeld Uruguays brauchte es wahrlich keine zwei Sechser, und so erhoffte sich Van Marwijk erhöhten Druck auf die massierte Defensive der Urus. Allerdings griff diese Maßnahme überhaupt nicht: Der Celeste boten sich jetzt mehr Räume und diesen suchten sie zu nützen. Nicht selten musste einer der Innenverteiger herausrücken, was in der Zentral wiederum Cavani und Forlán etwas Platz geben hätte können – allein, wirklich nützen konnten sie diesen nicht.

Weil Tabárez sah, dass der holländische Wechsel eher seiner egienen Mansnchaft entgegen kam, stellte er zunächst auch nicht um. Uruguay war dem Führungstreffer, obwohl es kaum wirklich zwingende Aktionen gab, nun sogar näher als der Favorit in Orange. Alleine, wirklich nützen konnten die Südamerikaner diese Drangphase nicht – und mit dem Doppelschlag der Holländer, die in der 70. und 73. durch zwei Tore aus dem nichts (Sneijder von der Strafraumgrenze, Kuyt-Flanke auf Robben) auf 3:1 davon zogen, war das Spiel so gut wie entschieden.

Tabárez brachte nun mit Abréu einen weiteren Stürmer für den fleißigen Álvaro Pereira und stellte nun auf das aus der Vorrunde und dem Achtelfinale bekannte 4-3-3 um; Cavani wich auf die linke Außenbahn aus, Forlán und Abréu lauterten in der Spitze auf Anspiele, die allerding nicht kamen. Im Gegenteil, die Holländer spielten die Zeit nun souverän runter und hätten schon den Deckel endgültig auf das Spiel setzen können, wären Robben und Elia nicht so schludrig mit hervorragenden Konterchancen umgegangen.

Was bestraft wurde: Maxi Pereira zog nach einem kurz abgespielten Freistoß aus 20 Metern ab und traf in der 92. Minute zum 2:3-Anschluss. Die Holländer bekamen in den verbleibenden zwei Minuten dann noch noch zittrige Knie, brachten den Sieg aber über die Zeit.

Fazit: Ein seltsames Spiel. Holland mit viel mehr Ballbesitz, aber ohne Gefahr, Uruguay ohne nennenswerte Offensive. Die Umstellung von Von Marwijk zur Pause ging eigentlich nach hinten los, ehe zwei Tore doch noch die vermeintliche Entscheidung brachten. Mit Ruhm hat sich Oranje weder spielerisch nch taktisch bekleckert, dennoch war es letztlich der effizientere Umgang mit den Chancen von dem Team mit mehr individueller Klasse, das den letztlich nicht unverdienten Finaleinzug Hollands sicherte.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.