Dieses Finale stimmt

Inter Mailand also gegen Bayern München. Schönwetterfans und Nebenbei-Konsumenten hätten lieber wieder Barcelona gegen Man Utd (oder vergleichbares) im CL-Finale gesehen. Aber wer sich eingehender mit der Sache beschäftigt, muss zum Schluss kommen: Dieses Finale stimmt.

Messi aus dem Spiel genommen. Die eigenen Chancen eiskalt genützt, sich nicht von Barcelona das Tempo und das Spiel diktieren lassen, auch selbst gute Angriffszüge gezeigt. Sich von einem frühen Heim-Rückstand nicht schocken lassen. Das war Inter Mailand beim 3:1 im Semifinal-Hinspiel gegen Barcelona. Perfekt verteidigt, nicht mit mit tumbem Ballrausdreschen oder Blutgrätschen im Minutentakt, sondern mit spielerischen Mitteln, mit gutem Stellungsspiel und großer Laufarbeit mit einem Mann weniger – das war Inter beim 0:1 im Rückspiel.

Inter zeigte in diesen beiden Spielen alles: Tolle Offensive im Hinspiel, grandiose Defensiv-Arbeit im Rückspiel. Barcelona hingegen offenbarte, dass es keinen funktionalen Plan B gibt, wenn der Gegner so spielt, dass das eigenen schnelle Kombinationsspiel seine Wirkung verliert. Da kann Barcelona auch 75% Ballbesitz haben, einfallslos bis verzweifelnd war die Vorstellung im Rückspiel dennoch. Wer es nicht schafft, gegen neun Feldspieler in einer Stunde mehr als zwei, drei Chancen herauszuarbeiten (von denen bis auf eine auch noch alle eher Zufallsprodukte waren), darf sich nicht wundern, wenn die andere Mannschaft weiterkommt. Inter schaffte es, die ganze Palette zu präsentieren, Barcelona nicht. Und darum ist es absolut korrekt, dass Inter Mailand im Finale steht.

Wo Trainer Mourinho mit Louis van Gaal auf den einzigen trifft, der ihm in Sachen Ego das Wasser reichen kann. Die Münchener Bayern kamen, anders als Inter, aber weniger durch geniale taktische Schachzüge ins Finale, sondern eher wegen der puren Wucht der Willenskraft. Die Bayern waren schon in der Vorrunde vor dem Aus, ehe Juventus in Turin 4:1 besiegt wurde – weil sie den Sieg mehr wollten als die zögerlichen Italiener. Sie kamen im Achtelfinale gegen die Fiorentina weiter, weil sie auch nach Rückständen nie die Köpfe hängen ließen. Sie schalteten Manchester United aus, weil es die Engländer nicht schafften, den Bayern den Zahn zu ziehen – weder mit einem Hinspiel-Tor nach 62 Sekunden, noch mit einer 3:0-Führung im Rückspiel. Und sie schaltete Lyon aus, weil, zugegeben, die Franzosen nicht zeigen konnten, wie zur Hölle sie Bordeaux und vor allem Real Madrid ausschalten haben können.

Im Finale steht also ein Team, das mit Hirnschmalz dorthin kam, und eines, das sich mit Willenskraft dorthin durchkämpfte. Eine klassische Herz-gegen-Hirn-Situation also. Über die Saison haben es in der Tat ausschließlich diese beiden Mannschaften verdient, sich in Madrid gegenüber zu stehen. Barcelona fand keine Alternative zum Schönspielen, Manchester konnte den Sack zweimal nicht zu machen. Chelsea fehlte es an Durchschlagskraft, Real Madrid an der Effizienz und sicher auch an Teamgeist, Arsenal an Routine, Lyon letztendlich an der Klasse.

Im Übrigen gibt es auch im kleineren europäischen Bewerb ein schönes Finale. Ein Halbgroßer (Atlético Madrid) gegen einen echten Underdog (Fulham) – genau solche Endspiele machen auch die Europa League, vormals UEFA-Cup, zu so einer feinen Sache. Genau solche Endspiele lassen einem auch dem Cupsieger-Bewerb ein wenig nachtrauern. Die Mannschaft aus Fulham war in jeder einzelnen Runde der Außenseiter, kegelte aber Titelverteidiger Donetsk aus dem Bewerb, ebenso Juventus (nach einer 1:3-Hinspielniederlage), den deutschen Titelträger von 2009 Wolfsburg, und verwehrte schließlich auch Final-Gastgeber Hamburg eine Endspiel-Teilnahme.

Atlético hingegen rettete sich mit mehr Glück als Verstand auf den dritten Gruppenplatz in der Champions League, um dann zum Meister der knappen Begegnungen zu werden. Um ein Tor mehr erzielt als Galatasaray, per Auswärtstoren gegen Sporting Lissabon weitergekommen, ebenso (wenn auch über zwei Spiele hochverdient) gegen Valencia. Und im Semifinale gegen Liverpool einmal klar besser und einmal annähernd gleichwertig. Auch hier wird also ersichtlich: Im Grunde ist Atlético gegen Fulham, wenn man die Saison betrachtet, das logische und das richtige Finale.

Ein kleiner Nachsatz sei aber noch erlaubt: Atlético Madrid steht im Endspiel der Europa League, und das sicher nicht als Außenseiter. Barcelona ist in der spanischen Meisterschaft immer noch (wenn auch knapp) voran. Arjen Robben und Wesley Sneijder, die Real Madrid im letzten Sommer unbedingt loswerden wollten, stehen sich ausgerechnet im Estadio Bernabéu in dem Spiel gegenüber, das man getrost als europäische Super Bowl bezeichnen kann. Und Real selbst scheiterte schon im Achtelfinale an Olympique Lyon.

Das finden sie bei den Königlichen sicher alles sehr witzig.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.