Rette sich, wer kann

Jetzt, wo Regionalliga abwärts die Winterpause Einzug gehalten hat, kann man sich die Situation dort einmal in Ruhe anschauen, und wenn man alleine die Situation betrachtet, die sich in der Regionalliga Mitte (und weitergedacht in der Ersten Liga) bietet, lässt sich erahnen, warum im österreichischen Fußball die Panik dermaßen regiert.

Nun, die Sturm Amateure sind Herbstmeister. Das sind sie nicht zu Unrecht, über den Großteil des Herbstes spielten sie tatsächlichen den besten Fußball. Schnell, laufstark, taktisch versiert, blutjung (Durchschnittsalter unter 19 Jahre!) und gedankenschnell ließen sie die Konkurrenz wie biedere Landesliga-Truppen aussehen. Sie hatten nach zwölf Spielen schon einen beträchtlichen Vorsprung von elf Punkten auf den Zweiten. Die Sturm Amateure dürften auch aufsteigen. Sie würden das auch tun, die 300.000 Euro, die das mehr kosten würde als eine Regionalliga-Saison, ließen sich auftreiben.

Und mehr als eine Saison wäre es auch nicht. Denn mit Ende der Saison 2009/10 müssen alle Bundesliga-Reserven in der Ersten Liga (aktuell eben die der Austria und von Salzburg) unabhängig von ihrer Tabellenposition absteigen. Die Liga soll schließlich wieder von 12 Vereinen auf deren zehn zurückreduziert werden. Angenehmer Nebeneffekt für die anderen Teams: Es gibt nur einen sportlichen Fixabsteiger (statt drei) und ein weiteres Team hat noch die Chance, sich im wieder eingeführten Play-Off gegen einen der drei Regionalliga-Meister zu retten. Bei einem Aufstieg der Sturm Amateure fällt der sportliche Fixabstieg ganz aus. Und wenn dann noch Rapid oder Mattersburg aus dem Osten ihre Reserve nach oben bringen (was offiziell beide nicht anstreben, aber nur mal angenommen), fällt auch der Play-Off-Platz weg. Selbiges gilt, sollte ein anderer Verein krachen gehen – in Österreich ja auch kein völlig unwahrscheinliches Szenario.

So leicht wie nächstes Jahr war es also im Grunde noch nie, die Klasse in der Ersten Liga zu halten. Wenn denn ein sportlicher Abstieg überhaupt theoretisch möglich ist. Das ist für die Beteiligten natürlich sehr angenehm, weil man ohne Abstiegsdruck spielen kann (vor allem für den zu erwartenden Abstiegskandidat Nummer eins, dem Meister der schwachen Regionalliga West ein großer Vorteil). Alle anderen Teams, womit ich wieder in die Regionalliga Mitte komme, bringt die Aussicht auf die Streichung des Direktaufstiegs, der mit der Erste-Liga-Reduzierung einhergeht, jedoch ziemlich in die Bredouille. Denn wer heuer über bleibt, kann sich sicher sein: So leicht wie diesmal wird’s so schnell nicht wieder.

Oder vielleicht doch? Denn ob eines Formalfehlers bei der Abstimmung ist die Reduzierung rechtlich ebenso noch nicht abgesichert, wie die Teilnahme der Bundesliga-Reserven an der kommenden Erste-Liga-Meisterschaft. Einem entsprechenden Antrag von Magna Wiener Neustadt sei Dank – obwohl es dem wahrscheinlichen nächstjährigen Bundesligisten dann eigentlich egal sein könnte.

Dass man bei Sturm Graz nicht beleidigt wäre, sollte der Aufstieg nicht gelingen, ist ein offenes Geheimnis. Und es ist auch bekannt, dass andere Teams der Liga – namentlich der Vierte GAK (fünf Punkte zurück) und der Fünfte WAC-St. Andrä (acht Punkte zurück) – den Aufstieg sehr wohl anstreben, und zwar durchaus mit Anstrengung erheblicher finanzieller Mittel. Möglichst natürlich noch in dieser Saison. Rette sich, wer kann.

Denn nicht nur die Tatsache, dass man dieses Mal weder in die Relegation müsste, noch sich nächstes Jahr panisch mit dem Abstiegsgespenst herumschlagen zu müssen, macht den schnellen Aufstieg so attraktiv. Sondern vor allem die Aussicht auf die kommenden Jahre. Schließlich wird aus der Oberösterreichliga niemand geringerer als Pasching aufsteigen. Das Starensemble um Edi Glieder, Ronnie Brunmayr und Nenad Grozdic in der OÖL ist in etwa wie der FC Barcelona in der österreichischen Bundesliga – natürlich hat keiner eine Chance. Und in Wahrheit ist diese Mannschaft, in der auch von den anderen so gut wie niemand keine Bundesliga-Erfahrung hat, für die Regionalliga deutlich zu stark. Sollte Franz Grad also nicht in absehbarer Zukunft etwas anderes einfallen (was man ja erfahrungsgemäß nie ausschließen kann, zugegeben), ist der RLM-Meistertitel 2010 eigentlich schon jetzt vergeben.

Doch mit Pasching nicht genug. In der Steiermark schickt sich Flavia Solva (zur Pause einen Punkt hinter Herbstmeister Fürstenfeld) an, im kommenden Jahr die Regionalliga zu beehren. Seit der Unternehmer Karl Schleich (RLM-Freunde, klingelt was? Genau, Arnfels!) bei den Leibnitzern das finanzielle Zepter schwingt, wird gekauft. Gestandene Kicker wie Dvorsak, Lukic und Hopfer tanzen jetzt schon nach der Pfeife von Trainer Tomislav Kocijan. Und wer Schleich kennt, der weiß: Es wird nachgelegt. Das Ziel? Rauf, so schnell wie möglich.

Das heißt: Nächstes Jahr stehen sich der GAK oder WAC-St. Andrä (vielleicht auch beide, sollten es tatsächlich die Sturm Amateure, oder auch Hartberg schaffen) nicht nur Blau-Weiß Linz (die ebenfalls leise Ambitionen hegen), Pasching und Flavia Solva gegenüber, sondern auch dem Aufstiegs-Play-Off, dass selbst bei einem Titelgewinn den ersehnten Aufstieg in die Erste Liga noch verhindern kann. Von eventuellen Absteigern wie Leoben oder Vöcklabruck einmal ganz zu schweigen. Das garantiert zwar eine spannende Meisterschaft – aber das finanzielle Wettrüsten wird brutal.

Der Vorgänger-Klub von WAC-St. Andrä, der traditionsreiche Wolfsberger AC, ist schon in den Neunzigern an mehrfachem geldintensivem Scheitern im Aufstiegsrennen zu Grunde gegangen, Flavias Karl Schleich drehte seinen Arnfels schon nach dem ersten missglückten Anlauf eher stillos die Bude zu, der Finanzcrash des GAK ist noch in recht frischer Erinnerung, und dass Franz Grad seine Klubs auch schon mal verscherbelt und gleich ganz sterben lässt, wenn er keine Lust mehr hat, ist auch nichts Neues. Darüber hinaus zeigt in Blick in die Zukunft: Es wird wohl nicht mehr allzu lange dauern, bis auch Vorwärts Steyr wieder mitmischen will. Die dominieren gerade die 2. Landesliga in Oberösterreich – gespickt mit bekannten Namen wie Mandi Rothbauer, Harry Ruckendorfer und Michael Mehlem.

Dann zählen wir mal zusammen: WAC-St. Andrä, GAK, Pasching, Flavia Solva, Blau-Weiß Linz, Vorwärts Steyr. Sind sechs Vereine. Hinzu kommen ambitionierte Teams aus den anderen Teilen Österreichs: Vienna, Sportklub, Parndorf, Horn und der FAC im Osten. Wattens, Bregenz, Dornbirn, Kufstein, auf Sicht auch Austria Salzburg im Westen. Macht sechzehn Vereine, die in den nächsten Jahren ganz gerne einen der dann nur noch 20 (statt der jetzt schon lächerlich wenigen 22) Plätze in den obersten Ligen einnehmen wollen. Und wir können uns ganz leicht ausrechnen: Das geht sich nicht aus. Hinten und vorne nicht.

Nicht nur wegen mangelndem Platz in der ersten beiden Ligen, sondern auch aufgrund des Nadelöhrs Relegation, dass jährlich maximal zwei Vereinen den Aufstieg erlaubt. Natürlich: Es ist davon auszugehen, dass so mancher Verein, der jetzt oben spielt, in einigen Jahren nicht mehr existiert. Magna Wiener Neustadt fällt einem da spontan ein (Frank Stronach ist 76 – und was kommt nach ihm?), hinter der langfristigen Zukunft von Grödig (Toni Haas) und Vöcklabruck (Alois Resch) steht ebenso ein Fragezeichen wie zum Beispiel beim kurz vor dem Crash stehenden DSV Leoben, und auch bei Austria Kärnten. Und letzterer Verein ist ein weiteres Thema. Nicht nur, dass der SK Austria Kärnten dem ohnehin schon bedenklich wankenden FC Kärnten den endgültigen Todesstoß versetzte (mit seine bloßen Anwesenheit zum einen und der ungeschickten Vereinsführung des FCK zum anderen). Nein, seit dem Tod Jörg Haiders ist auch der aus Pasching (sic!) zugezogene Verein auf Sand gebaut. Nun strebt die Reserve der Kärntner Austria den Aufstieg in die Regionalliga an – aber weniger die neun Punkte Rückstand zur Winterpause könnten sich dabei als Hemmschuh erweisen (Kärntnerliga-Herbstmeister St. Stefan sagt selbst, nicht über die Mittel zu Verfügen, in der Regionalliga bestehen zu können). Sondern vor allem die unsichere Zukunft des Vereins selbst: „Bringt uns ein Aufstieg überhaupt was?“

Und bei all diesen Unwägbarkeiten – wie sieht die Liga nächstes Jahr aus? Wie viele Vereine? Wie viele Absteiger? – alleine die Voraussetzungen in ein paar Monaten betreffend (von einigen Jahren an Planungssicherheit wagt man in Österreich ja nicht einmal zu träumen), verwundert es einen nicht, wenn viele Vereine den schnellen Weg nehmen wollen.

Und daran krepieren.

Tu felix Austria.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.