Live vor Ort: Kapfenberger SV – FK Austria Wien (2:2)

4850 Zuseher im Kapfenberger Franz-Fekete Stadion haben sich von den sinntflutartigen Regenfällen kurz vor dem Spiel nicht beirren lassen, und wollten ihre Mannschaft siegen sehen. Beide Trainer schickten ein relativ ähnliches 4-4-2 aufs Feld – Gregoritsch eine hängende Spitze, Daxbacher zwei echte. Ansonsten zwei ziemlich konservative Systeme. Das Spiel begann trotzdem recht unterhaltsam.

Kapfenberg trifft nicht

Kapfenbergs Torhüter Susko dürfte mit einer kleineren Verletzung vorbelastet gewesen sein. So kam es, dass er schon in Minute 5 einen Abstoß vom Verteidiger ausführen lassen musste. Der Ball kam schnell zurück, der Abwehrspieler nicht schnell genug raus, eine erste beängstigende Szene ließ das Kapfenberger Publikum raunen. Das Tempo war in den ersten 15 Minuten recht ordentlich, aber keine Mannschaft konnte dominieren. Die Austria versuchte es mit weiten Bällen auf Okotie und Bazina, Kapfenberg konnte sich über die linke Seite ganz gut in Szene setzen, wo Osoinik als Außenverteidiger immer wieder Akzente zu setzen versuchte. Zwischen dem Aufsteiger und dem UEFA-Cup-Teilnehmer konnte man keinen Unterschied bemerken.

[ad#bv_test]Ab Minute 20 verließ die Austria sogar jeglicher Offensivgeist. Das Publikum begann die Heimmannschaft nach vorne zu treiben. Es war die Zeit in der der KSV das Spiel eigentlich an sich hätte reissen müssen. Dazu fehlte aber jemand, der die paar Chancen vorne verwertete. Generell war bei beiden Mannschaften zu bemerken, dass ihnen kreative Offensivspieler größerer Klasse fehlen. Dadurch gab es kein dynamisches Spielgeschehen, alle Akteure spielten brav auf ihren Positionen. Besonders schön zu sehen an Siegl, der einmal auf seine zentrale Position zurücktrabte, anstatt dem Spielgeschehen entsprechend bei einem Einwurf rechts hinten zu helfen. Es war sozusagen ein echter Standfest-Kick.

Der Schiedsrichter rafft es nicht

Ich würde sagen, das Spiel war für internationale Verhältnisse schlecht, für österreichische durchschnittlich. Schiedsrichter Einwaller und sein Team waren noch zwei Klassen darunter. Zu Beginn einfach nur kleinlich, mit der Fortdauer des Spiels zunehmend tendentiös für die Austria, aber auch beim Elfmeter der Kapfenberger wusste im ganzen Stadion keiner, was er gesehen haben könnte. Das Tor von Oktoie war dafür selbst für einäugige Neandertaler als Abseits zu erkennen. Immer wieder haarsträubende Pfiffe. Bitte zurück in die Schiedsrichterausbildung.

Die Austria ging in der 39. Minute durch einen schönen Volley von Bazina in Führung. Die rechte Verteidigung schließ, unverdienter Jubel bei den violetten Fans, die sich auch bald beliebt machten. „Wir sind eure Hauptstadt ihr Bauern„, schrie die selbsternannte Elite des Landes, die nach dem Spiel zu Dutzender über die Absperrungen sprang und sich in Schlägereien mit Ordnern und Polizei verwickelte. Noch eine Stunde nach dem Spiel mussten die Einsatzkräfte immer wieder rund ums Stadion eingreifen. Sympathisch, wirklich.

Schwache Violette, starre Systeme

Dass auch die Austria-Mannschaft keineswegs so spielte, als würde das Horr-Stadion in diesem Jahr zur österreichischen Fußball-Hauptstätte, soll nicht unerwähnt bleiben. Zwar fiel der erste Ausgleich durch Liendl (erster Kapfenberger Bundesligatreffer seit vier Jahrzehnten) aus einem Elfmeter und der zweite Ausgleich durch ein Eigentor, man sah zwischen den beiden Mannschaften aber auch in der zweiten Hälfte keinen Klasseunterschied. Wenn eine Mannschaft den Sieg verdient gehabt hätte, dann eher die Kapfenberger.

Das System änderten beide Mannschaften über 90 Minuten hinweg nicht. Die Auswechslungen brachten nur ein paar Personalrochaden und Nuancenunterschiede. Sulimani kam in der 60. für Netzer und legte die linke Mittelfeld-Außenbahn etwas offensiver an, als der dann ins Zentrum rückende Acimovich (gutes Match).

Als schon alles vorbei war …

Die Austria begann zu drücken, kam immer wieder über die schwache rechte Hinterseite der Kapfenberger (die sich aufs Kontern verlegten). Rechts hinten entpuppte sich Kapitän Taboga heute als wandelnde Unsicherheit. Als er in in Minute 70 in meinen Augen doch etwas zu spät durch Mucki Wieger ersetzt wurde, konnte man kurz vermuten, Gregoritsch würde beim Stand von 1:2 die Offensive verstärken.

Das stellte sich aber sofort als Fehleinschätzung heraus. Sencar ging zurück ins linke Mittelfed, Osoinik in die rechte Verteidigung. Dort war er auch merkbar nicht gut eingespielt. Bevor Okotie dann bei seinem Tor tatsächlich so weit im Abseits stand, dass es selbst ein besoffener Apfelbaum erkannt hätte, drohte Osoinik in einigen Aktionen das Abseits aufzuheben.

… half ein Austrianer kräftig mit

Nun flachte das Spiel ab, auch Schiri Einwaller wurde nicht mehr schlechter – war er doch bereits am Nullpunkt angelangt. Es ging nicht mehr viel auf beiden Seiten. Das späte Eigentor durch Sun nach einem Wieger-Heber versetzte das noch sehr unorganisierte aber doch überraschend Unterstützungs-spendende (und bei Okoties Abgang leider doch hörbar von rassistischen Spinnern besetzte) Kapfenberger Publikum in einen wohltuenden Jubel. Schlimm für den chinesischen Spieler, schön für die Gerechtigkeit.

Und als ich dann beim Verlassen des Stadions von einem besoffenen Austria-Fan mit der Bezeichnung „Schwuchtel“ versehen wurde und vor der anderen Stadionseite die Einsatzkräfte sich mit dessen Freunden herumschlagen durften, wusste ich, dass Kapfenberg jetzt auch wirklich in der österreichischen Bundesliga angekommen ist. Nämlich dort, wo sich das Niveau selten blicken lässt. (tsc)

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