Österreich – Deutschland: Eine Nervensache

Heute ist der langerwartete D-Day (Deutschland-Day) der EURO 2008. Eine neue Welle endloser Cordoba-Reminiszenzen hat das Land längst erfasst. Das Team übt sich in kleineren Geplänkeln, die Boulevardpresse fetzt sich und Martin Harnik attestiert den Deutschen das, was wir wahrscheinlich selbst alle haben: Eine Scheiß Angst. Der Druck auf beiden Seiten ist groß: Die einen erhoffen sich vom Heimteam so sehr diesen „historischen Sieg“, dass man schon von einer konkreten Erwartung sprechen kann. Die anderen haben die hohen Ansprüche von Fans und Medien in ihrem Land noch nicht erfüllt, und müssen ein Team schlagen, dem der Ruf des „Jausengegners“ anhaftet.

Der Unterschied: Das Heimteam kennt diesen Druck nicht. Nach über zwei Jahren mit viel Schimpf und Schande ließ es sich auch gegen Deutschland im Februar noch sehr locker spielen. Zudem ging es noch nicht so sehr um das Kollektiv, jeder war noch irgendwie bemüht, sich selbst in den EM-Kader zu spielen. Gegen Kroatien war es offensichtlich: Die Mischung aus Euphorie und Angst hemmte das Team eine Halbzeit lang, ja kostete dank eines unüberlegten Fouls sogar das Unentschieden. Auch gegen Polen waren die Beine zittrig, doch wirkte sich das spürbar weniger aufs Spiel aus. Die heimischen Medien attestierten dem Team im Vorfeld viele Qualtäten, die es gegen Kroatien ansatzweise gezeigt hatte.

Spiel 3 allerdings ist ein komplett anderes Kaliber. Der Aufstieg ist machbar, mit einem Sieg sogar fast sicher, und es geht gegen die Deutschen, zu denen uns seit jeher eine für viele Aussenstehende unbegreifliche Hassliebe in puncto Fußball (und vielen anderen Gelegenheiten) verbindet. Dort nimmt man uns langsam ernst: Waren die Kommentare über das rotweißrote Team nach dem Euro-Einstand noch größtenteils abfällig, verniedlichend und etwas hochmütig, so rang man sich in Folge des Unentschiedens gegen Polen (und wohl ob der eigenen Niederlage gegen die Kroaten) auf einmal zu vorsichtigem Lob durch.

Der Elf von Löw wird das herzlich egal sein. Dort handelt es sich um Spieler, die zu einem guten Teil schon bei der Heim-WM dabei waren und aus ihrem Klubumfeld die psychischen Anforderungen eines großen Sportturniers gewohnt sind. Ähnliches lässt sich  von unseren Kickern – selbst bei den meisten Legionären – so nicht sagen. Deutschland hat auch keine Angst vor dem unerwarteten Erfolg mehr; ein Eindruck wie er sich bei Hickes Equipe schon ab und an unfreiwillig aufgedrängt hat. Einen großen Gegner unter Druck schlagen, so etwas kennt die heutige Nationalteamspieler-Generation unserer Alpenrepublik noch nicht.

Also wird es höchste Zeit. Man darf dem Druck nicht davonlaufen, man muss ihn sogar suchen, sich ihm entgegenstellen, sich an ihn gewöhnen. Abseits aller spielerischen Fertigkeiten ist es oft genau das, was den Unterschied vom Profifußballer zum Fußballstar ausmacht.

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Über Georg Pichler

Journalist und zumindest digitaler Superkicker. In echt hütet er meistens das Kastl und das recht gut. Zukünftiger ÖFB-Präsident. Kein Fan, mag aber Sturm Graz.