Die wahren Globalisierungsverlierer

Oft und gerne wird hierzulande gejammert, dass in Zeiten der Globalisierung des Fußballs – und vor allem dessen TV-Rechte – ein Land wie Österreich noch weniger Chancen hat als vorher, im internationalen Vergleich etwas zu reißen. Denn auch, wenn ORF und Premiere in scheinbar übermenschlichen Sphären einander die Bundesliga-Rechte streitig zu machen versuchen, in Wirklichkeit sind diese lächerlichen Summen natürlich Pipifax und Trallala. Maximal Promille von dem, was in der Premier League umgesetzt wird. Keine Frage, die „Barclaycard Premier League“ ist auch deutlich attraktiver und besser als die „tipp3 Bundesliga powered/presented by T-Mobile“ – jedoch wohl nicht in dem Ausmaß, in dem es die perversen Mengen an Geld, die in England vorhanden sind, rechtfertigen würden. Aber ich behaupte: Der wahre Globalisierungsverlierer sind nicht Länder wie Österreich (und analog dazu z.B. Kroatien, Schweden und Tschechien) – sondern das sind die Länder, die hinter den Topnationen rangieren – Deutschland und Holland!

Der Einfachheit wegen (und weil uns deren Fußball aus diversen Gründen näher ist), möchte ich das einmal am Beispiel Deutschland deutlich machen. Es ist sieben Jahre her, als zuletzt ein deutsches Team einen Europapokal holte (Bayern in der CL), immerhin sechs Jahre, als mit Leverkusen (CL) und Dortmund (UEFA-Cup) zum bis heute letzten Mal ein Finale erreicht wurde. Seither war in der Champions League spätestens im Viertelfinale und im UEFA-Cup spätestens im Semfinale Schluss. Das wären für Österreich immer noch sensationalle Erfolge, aber Deutschland war eben immer ein Land, deren Vertreter ernsthaft um den Titel dieser Bewerbe kämpften. In den Jahren 1990-2000 wurden vier internationale Titel nach Deutschland geholt, weiter drei Finals wurden erreicht. In den Jahren seither war es, wie erwähnt, nur noch ein Titel plus zwei Finals – ein Rückgang, der nicht alleine mit dem Wegfall des Cupsiegerbewerbs (Gott hab ihn selig, ich will ihn wieder haben) zu erklären ist.

Die Jahre um die Jahrtausendwende waren, Leo Kirch sei Dank, die wirklich Fetten im deutschen Fußball. Das waren die Jahre, in denen mit nicht entscheidend weniger Geld hantiert wurde, als in England oder in Italien – nur der damalige Branchenführer Spanien war eine Klasse darüber gestellt. Dann brach das Kirch-Imperium zusammen, die Summen gingen zurück – während sie überall sonst, vor allem aber in England (wo Kirch-Intimfeind Rupert Murdoch die Vereine über BSkyB mit Geld erschlug) ungeahnte, lichte Höhen erreichten. Die Vereine hinter den allmächtigen Bayern kamen nicht mehr zu den guten Spielern, die ihnen im Europacup einen entscheidenden Vorteil bringen hätten können. Und war doch mal einer gefunden, dauerte es nicht lange, bis die Ligen der Topverdiener mit den Geldbündeln winkten. Dimitar Berbatov war so ein Fall (der sich in England mit Tottenham sportlich gegenüber Leverkusen nun wirklich nicht verbesserte), ich denke aber auch an Emerson oder auch Tomas Rosicky und Alexander Hleb. Die Schere wurde immer größer, für deutsche Vereine wurde das Überstehen der Champions-League-Gruppenphase ein Erfolg. Von Siegen wie dem von Dortmund über Juve 1997, oder Finals wie dem von Leverkusen gegen Real Madrid ganz zu schweigen.

Die einzigen, die im Konzert der Großen zumindest noch ein kleines Wörtchen mitsprechen konnten, waren seither die Bayern. Sie haben dank einer vernünftig wirtschaftenden Vereinsführung eine Vormachtstellung in Deutschland, sind so (fast) immer zu guten Einnahmen aus der Champions League gekommen, haben regelmäßig zumindest das Viertelfinale erreicht – konnten (oder wollten) sich die großen Kracher aber nicht leisten. So war nun auch genug Geld da, doch einmal etwas fester zuzuschlagen (und sich Kaliber wie Toni, Ribery und Klose zu holen). Verglichen mit den neunstelligen Summen, die Abramovich zuweilen in seinen FC Chelsea investiert, sind aber selbst diese 70 Mille noch eine moderate Summe. Dass es für die Münchner dieses Jahr nicht für dem UEFA-Cup-Sieg reichte, hatte andere Gründe als einen schlechten Kader – die reichten vom Fitnesszustand am Ende einer langen Saison über Tagesform bis zum latenten Unteschätzen der Konkurrenz aus Spanien und Russland.

Womit ich einem weiteren nicht unwesentlichen Punkt des international mäßigen Abschneidens der Deutschen in der jüngeren Vergangenheit auf der Spur bin. Denn aus den vergangenen Erfolge der Vereinsmannschaften, kombiniert mit den aktuellen Erfolgen der erstaunlichen Nationalmannschaft, ergibt sich immer noch der Anspruch, um die großen internationalen Fleischtöpfe mitzuspielen, obwohl man bekundet, erkannt zu haben, dass England und Spanien einfach außer Reichweite sind – zumindest die Topklubs jener Länder. Die Vereine dahinter, also die zweite Reihe, ist in Deutschland nicht wesentlich schlechter als jene in Spanien und England. Das sah man nicht zuletzt, als in diesem Jahr alle deutschen Topklubs (außer Schalke) im UEFA-Cup spielten. Prompt waren vier im Achtelfinale und noch zwei im Viertelfinale – wo noch ein einziger Spanier und überhaupt kein Engländer mehr übrig war.

Dieter Hecking, Trainer von Mittelständler Hannover 96, meinte zuletzt „Wenn nun wir, oder Wolfsburg, oder auch Leverkusen gegen Blackburn, Everton oder Aston Villa spielen, schauen wir auch nicht schlechter aus.“ Da hat er recht – schließlich verlor im Herbst selbst der 1. FC Nürnberg, der ja vor dem Abstieg aus der Bundesliga steht, gegen Everton erst durch Tore in der 86. und der 89. Minute. Nur die vier Topteams, die stehen über allen. Auch über den Spaniern, die in der nun ablaufenden Saison wahrlich kein überragendes Bild abgaben. Aber auch über den Italienern, die zwar im Umfeld in einer Phase der Reinigung sind, auf dem Platz aber immer noch zumeist große Namen gezeigten Leistungen vorziehen. Es ist keine Überraschung, dass die beiden besten Mannschaften, die auch den modernsten und offensivsten Fußball der Liga spielen, am weitesten gekommen sind (nämlich die Roma in der CL und die Fiorentina im UEFA-Cup). Und es ist ebenso kein Zufall, dass die Methusalem-Truppe von Milan, die es in den letzten 10 Jahren versäumt hat, entscheidend in die Zukunft zu blicken, die Champions League zu verpassen droht und Inter, das wie zu „besten“ Zeiten als wirre Ansammlung von mäßig intelligenten Einzelgängern auftritt, trotz zwischendurch horrendem Vorsprung nun doch noch um den Titel zittern muss.

Da muss man den Engländern, bei allem Geld, das sie zur Verfügung haben, ein Kompliment machen: Wie es vor allem Manchester Utd und Arsenal seit Jahren verstehen, die Mannschaft konsequent zu verjüngen, verdient Respekt. Für die Konkurrenz aus Deutschland (also nicht nur die Bayern, sondern durchaus auch Bremen, Schalke, usw.) heißt es nun, mit Kreativität dagegen zu halten. So, wie es ihre Nationalmannschaft seit zwei Jahren eindrucksvoll vormacht. Und dass eine zur Liga der Weltauswahlen hochgejazzte Meisterschaft wie die englische nicht der Weisheit letzter Schluss ist, mussten nicht zuletzt die Fans der englischen Nationalmannschaft erfahren.

Und ich bin überzeugt, dass den deutschen Fußballfans ein Europameistertitel der Nationalmannschaft im Zweifel lieber ist als ein Champions-League-Sieg der Bayern oder ein UEFA-Cup-Triumph von Werder Bremen…

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.